Urteil des OLG Düsseldorf vom 28.03.2007

OLG Düsseldorf: wiedereinsetzung in den vorigen stand, land bremen, beschwerdefrist, unrichtige rechtsmittelbelehrung, eigenes verschulden, anweisung, kontrolle, behörde, bekanntmachung, umwelt

Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-3 Kart 2/07 (V)
Datum:
28.03.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Kartellsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VI-3 Kart 2/07 (V)
Leitsätze:
§§ 75 Abs. 4, 54 Abs. 2 EnWG, § 1 Bekanntmachung des Senats der
Freien Hansestadt Bremen über die nach dem EnWG zuständige
Behörde vom 25.10.2005
Entscheidet die Bundesnetzagentur für eine
Landesregulierungsbehörde, weil diese sie im Wege der Organleihe mit
der selbständigen Wahrnehmung der Landesregulierungsaufgaben
beauftragt hat, spricht diese Wahrnehmungszuständigkeit unter
Berücksichtigung von Sinn und Zweck der
Zuständigkeitskonzentrationen im Bereich des EnWG dafür, die
Bundesnetzagentur als die entscheidende Regulierungsbehörde i.S.d. §
75 Abs. 4 EnWG anzusehen, so dass deren Sitz für die Bestimmung des
örtlich zuständigen Beschwerdegerichts maßgeblich ist.
Tenor:
Die Anträge der Beschwerdeführerin vom 17. Januar 2007 auf Ver-
weisung des Rechtsstreits an das Hanseatische Oberlandesgericht
Bremen und auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die
Versäumung der Beschwerdefrist werden zurückgewiesen.
Ihre Beschwerde vom 2. Januar 2007 gegen den Beschluss der
9. Beschlusskammer der für die Landesregulierungsbehörde des
Landes Bremen handelnden Bundesnetzagentur vom 29. November
2006 – Aktenzeichen: 09-06/303 - wird als unzulässig verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens
einschließlich der notwendigen Auslagen des Beschwerdegegners zu
tragen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 €
festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e :
1
A.
2
Die Beschwerdeführerin ist ein Energieversorgungsunternehmen, das im Land Bremen
u.a. ein Gasversorgungsnetz betreibt, an das 29.729 Kunden angeschlossen sind. Mit
Schreiben vom 13. Februar 2006 hat sie einen Antrag auf Genehmigung von Entgelten
für den Gasnetzzugang gemäß § 23 a EnWG gestellt, über den die 9. Beschlusskammer
der Bundesnetzagentur unter dem 29. November 2006 "in Wahrnehmung der Aufgaben
der Regulierungsbehörde für das Land Bremen" entschieden hat, indem sie die Entgelte
für den Gasnetzzugang gemäß der dem Beschluss beigefügten Anlage genehmigt und
den weitergehenden Antrag abgelehnt hat. In den Gründen ihrer Entscheidung "für die
Landesregulierungsbehörde" heißt es: "Zuständige Regulierungsbehörde ist gem. § 54
Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 EnWG die Landesregulierungsbehörde des Landes Bremen. Die
Bundesnetzagentur handelt in Wahrnehmung ihrer Aufgaben für das Land Bremen
gemäß dem Verwaltungsabkommen über die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben nach
dem Energiewirtschaftsgesetz zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Freien Hansestadt Bremen vom 25.10.2005." Die Rechtsmittelbelehrung, mit welcher
der Beschluss versehen ist, lautet auszugsweise wie folgt: "Gegen diesen Beschluss
kann binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung Beschwerde erhoben werden.
Die Beschwerde ist schriftlich bei der Bundesnetzagentur einzureichen. Es genügt,
wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf
eingeht. …"
3
Gegen den der Beschwerdeführerin am 1. Dezember 2006 zugestellten Beschluss hat
diese mit Schriftsatz vom 2. Januar 2007 bei der Bundesnetzagentur Beschwerde
eingelegt, die am 3. Januar 2007 dort vorab per Telefax eingegangen ist.
4
Nachdem die Bundesnetzagentur darauf hingewiesen hatte, dass die Beschwerdefrist
nicht eingehalten sei, hat die Beschwerdeführerin mit einem am 17. Januar 2007
eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage die Verweisung des Rechtsstreits an das
zuständige Hanseatische Oberlandesgericht Bremen und vorsorglich Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand beantragt. Sie macht geltend, die Frist für die
Beschwerdeeinlegung sei nicht am 2. Januar 2007 abgelaufen, weil die
Rechtsmittelbelehrung fehlerhaft sei. Nicht das Oberlandesgericht Düsseldorf, sondern
das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen sei gem. § 75 Abs. 4 i.V.m. § 54 Abs. 2
EnWG für die Beschwerde zuständig, weil die Bundesnetzagentur aufgrund des
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Freien Hansestadt Bremen
geschlossenen Verwaltungsabkommens nur im Wege der Organleihe für die
Landesregulierungsbehörde tätig werde. Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte
sowie Sinn und Zweck der Zuständigkeitsbestimmung sprächen für die Zuständigkeit
des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen. Die insoweit unrichtige
Rechtsmittelbelehrung begründe eine Rechtsmittelfrist von einem Jahr, innerhalb derer
sie die Beschwerde eingereicht habe. Für den Fall, dass dementgegen das
Oberlandesgericht Düsseldorf zuständig sei, beantrage sie die Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist. Insoweit macht sie geltend,
sie sei ohne ihr Verschulden daran gehindert gewesen, die Beschwerdefrist
5
einzuhalten. Die Versäumung der Frist sei nicht auf einen allgemeinen
Organisationsfehler in der Anwaltskanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten
zurückzuführen, sondern stelle ein individuelles Verschulden einer Büroangestellten
dar. Rechtsanwalt W., einer der beiden mit der Bearbeitung des Beschwerdeverfahrens
befassten Prozessbevollmächtigten, habe der Rechtsanwalts- und
Notarfachangestellten E. am 2. Januar 2007, dem Tage des vorsorglich notierten
Fristablaufs, die Anweisung gegeben, die Beschwerdeschrift auszudrucken und
zunächst Rechtsanwalt S. und sodann ihm zur Unterzeichnung vorzulegen. Nachdem er
u.a. diesen Schriftsatz unterzeichnet habe, habe er die Unterschriftsmappe mit diesem in
den Postausgang gelegt, wo sie von der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten E.
gegen 18.15 Uhr entnommen worden sei. Diese habe die in der Unterschriftenmappe
befindlichen Schriftstücke gefaxt und danach die Fristenbuchführerin informiert, dass
alle Fristen erledigt seien. Dabei habe sie nicht bemerkt, dass ein Schriftstück – der
Schriftsatz zur Einlegung der Beschwerde – nicht gefaxt worden sei. Als sie ihn am
nächsten Tage darauf angesprochen habe, habe er sie sofort angewiesen, das
nachzuholen. Sie sei eine zuverlässige Mitarbeiterin, die in der Vergangenheit durch
akkurate und efffiziente Arbeitsweise überzeugt habe.
Die Bearbeitung und Kontrolle von Terminen und Fristen in der Sozietät sei in einer
Festlegung organisiert, die zum Streichen von Fristen im Fristenbuch folgende
Regelungen enthalte: Die jeweils aktenbezogene Reno-Fachangestellte habe dafür
Sorge zu tragen, dass der Schriftsatz am Tage des Fristablaufs vollständig und an das
richtige Gericht adressiert sowie vom richtigen Anwalt unterschrieben zuerst gefaxt und
danach einzeln in den Briefumschlag eingelegt wird sowie in den Postlauf gelangt.
Diese Prüfung habe sie entsprechend in der Akte zu dokumentieren und den Vermerk
mit ihrem Handzeichen und Datum zu versehen. Sodann habe sie eine Mitteilung an die
Fristenbuchführerin zu machen, wenn diese nicht bis 15.30 Uhr erfolgt sei, müsse jene
sich entsprechend informieren.
6
Der Beschwerdegegner bittet um Zurückweisung des Verweisungsantrags und
Verwerfung der Beschwerde unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags. Er
meint, die Beschwerde sei unzulässig, weil die Beschwerdefrist nicht eingehalten sei.
Die Rechtsbehelfsbelehrung sei ordnungsgemäß, denn das Oberlandesgericht
Düsseldorf sei örtlich zuständig. § 75 Abs. 4 EnWG knüpfe an den Sitz der
Regulierungsbehörde an. Die Bundesnetzagentur habe ihren Sitz in Bonn, so dass
gemäß § 2 der nach §§ 106 Abs. 2 EnWG, 92 Abs. 1 GWB anzuwendenden
Kartellsachen-Konzentrations-Verordnung NW das Oberlandesgericht Düsseldorf
zuständig sei. Daraus folge zugleich, dass das Beschwerdeverfahren nicht an das
Hanseatische Oberlandesgericht Bremen zu verweisen sei. Zentrale Frage der
Wiedereinsetzung sei, ob die Beschwerdeführerin die Frist schuldlos versäumt habe,
wobei zu berücksichtigen sei, dass den Rechtsanwalt sowohl bei der Auswahl seiner
Hilfspersonen als auch bei der Organisation hinreichend sicherer Ausgangskontrollen
strenge Sorgfaltspflichten träfen.
7
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den beigezogenen
Verwaltungsvorgang der Bundesnetzagentur und die den Beteiligten in der
Senatssitzung erteilten rechtlichen Hinweise Bezug genommen.
8
B.
9
Die Beschwerde ist durch den Senat als das für die Entscheidung über sie zuständige
Beschwerdegericht zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Monatsfrist bei der
Bundesnetzagentur, die die Landesregulierungsaufgaben des Landes Bremen
wahrnimmt, eingelegt worden ist und der Beschwerdeführerin auf ihren Antrag hin
gegen dieses Versäumnis nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt
werden kann.
10
1. Zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Beschwerde und damit auch über den
Wiedereinsetzungsantrag ist der Senat befugt, da das Oberlandesgericht Düsseldorf –
und nicht das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen - das örtlich zuständige
Beschwerdegericht ist. Der Antrag, das Beschwerdeverfahren an das Hanseatische
Oberlandesgericht Bremen zu verweisen, ist daher zurückzuweisen.
11
1.1. Nach der Zuständigkeitsregelung des § 75 Abs. 4 Satz 1 EnWG, der § 63 Abs. 4
GWB nachgebildet ist, hat über Beschwerden gegen Entscheidungen der
Regulierungsbehörde ausschließlich das für ihren Sitz zuständige Oberlandesgericht zu
entscheiden. Die mit der Beschwerde angegriffene Entscheidung der
Regulierungsbehörde ist nach der Kompetenzverteilung des § 54 EnWG entweder die
von einer Landesregulierungsbehörde oder der Bundesnetzagentur getroffene. Letztere
nimmt grundsätzlich die Aufgaben der Regulierungsbehörde wahr. Die
Landesregulierungsbehörden sind nach der erst im Vermittlungsverfahren gefundenen
Zuständigkeitsregelung nur dann zuständig, wenn
12
1. einer der in Abs. 2 abschließend aufgeführten Katalogtatbestände vorliegt und
13
2. ein Energieversorgungsunternehmen betroffen ist, an dessen Elektrizitäts- oder
Gasverteilernetz jeweils weniger als 100.000 Kunden unmittelbar oder mittelbar
angeschlossen sind und
14
3. das Netz nicht über das Gebiet des Landes hinausreicht.
15
Handelt es sich um eine Entscheidung der in Bonn ansässigen Bundesnetzagentur, ist
nach §§ 75 Abs. 4, 106 Abs. 2 EnWG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 1 GWB, § 2 Kartellsachen-
KonzentrationsVO vom 27.09.2005 (GVBl. NW, 820) das Oberlandesgericht Düsseldorf
das örtlich zuständige Beschwerdegericht. Über Beschwerden gegen Entscheidungen
der Landesregulierungsbehörden hat dagegen – dies ist der Beschwerdeführerin
zuzugeben - grundsätzlich das für ihren Sitz zuständige Oberlandesgericht zu
entscheiden.
16
1.2. Etwas anderes muss indessen dann gelten, wenn – wie hier – die
Bundesnetzagentur für eine Landesregulierungsbehörde entscheidet, weil diese sie im
Wege der Organleihe - verfassungsrechtlich unbedenklich - mit der selbständigen
Wahrnehmung der Landesregulierungsaufgaben betraut hat. Diese
Wahrnehmungszuständigkeit spricht unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der
Zuständigkeitskonzentrationen im Bereich des EnWG dafür, die Bundesnetzagentur als
die entscheidende Regulierungsbehörde i.S.d. § 75 Abs. 4 EnWG anzusehen, so dass
deren Sitz für die Bestimmung des örtlich zuständigen Beschwerdegerichts maßgeblich
ist.
17
1.2.1. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist die Genehmigung der
Entgelte für den Zugang zu dem von der Beschwerdeführerin im Lande Bremen
18
betriebenen Gasverteilernetz, das weniger als 100.000 Kunden versorgt. Diese
Genehmigung fällt nach § 54 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 EnWG in die Zuständigkeit der
Landesregulierungsbehörde für das Land Bremen.
§ 1 Abs. 1 der Bekanntmachung des Senats der Freien Hansestadt Bremen über die
nach dem Energiewirtschaftsgesetz zuständige Behörde vom 25. Oktober 2005 (ABl.
der Freien Hansestadt Bremen 2005, S. 873) bestimmt insoweit zwar, dass der Senator
für Bau, Umwelt und Verkehr die Landesregulierungsbehörde i.S.d. § 54 Abs. 1 EnWG
ist, dessen Sitz in Bremen ist.
19
Dieser nimmt die Landesregulierungsaufgaben jedoch nicht selbst wahr, sondern hat in
§ 1 Abs. 2 derselben Bekanntmachung die Bundesnetzagentur mit der Wahrnehmung
der Landesregulierungsaufgaben betraut und sich allein die Fachaufsicht über diese
vorbehalten.
20
1.2.2. § 1 Abs. 2 der Bekanntmachung des Senats der Freien Hansestadt Bremen
bestimmt, dass die Bundesnetzagentur die der Landesregulierungsbehörde gemäß § 54
Abs. 2 EnWG obliegenden Aufgaben im Wege der Organleihe nach Massgabe des
anliegend zu ihr abgedruckten Verwaltungsabkommens wahrnimmt. In diesem
"Verwaltungsabkommen über die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben nach dem
Energiewirtschaftsgesetz zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Freien
Hansestadt Bremen" vom 25. Oktober/3. November 2005 haben die Bundesrepublik
Deutschland und die Freie Hansestadt Bremen weiter vereinbart, dass der Bund dem
Land Bremen aus verwaltungspraktischen und -ökonomischen Erwägungen die
Bundesnetzagentur zur Wahrnehmung der dem Land nach § 54 Abs. 2 EnWG
obliegenden Verwaltungsaufgaben einschließlich aller dazu notwendigen Befugnisse
nach Teil 8 des EnWG zur Verfügung stellt. Damit obliegen ihr insbesondere auch die
Aufsichtsmaßnahmen nach § 65 EnWG, die Durchführung von Anhörungen und
Ermittlungen, die Vertretung der Landesregulierungsbehörde in Beschwerde-,
Rechtsbeschwerde- und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren, die Erhebung von
Kosten, Zwangsgeldern und Bußgeldern sowie die Vollstreckung. Bei dem für den
Vollzug des EnWG zuständigen Senator für Bau, Umwelt und Verkehr des Landes
Bremen verbleibt nach Artikel 2 Abs. 1 (allein) die Fachaufsicht gegenüber der
Bundesnetzagentur (ABl. der Freien Hansestadt Bremen 2005, 873 f.).
21
Zur Organleihe hatte die Bundesregierung sich schon zuvor in einer Protokollerklärung
bereit erklärt, nachdem im Vermittlungsausschussverfahren abweichend von dem
ursprünglichen Gesetzesentwurf der Bundesregierung die Aufteilung der
Zuständigkeiten auf die Bundesnetzagentur und Landesregulierungsbehörden
beschlossen worden war (Anlage 3 zum Stenographischen Bericht der 181. Sitzung des
Deutschen Bundestags vom 16. Juni 2005 - 15. Wahlperiode -, S. 17157 f.). Hintergrund
war das gegen eine Beteiligung der Länder an den Vollzugsaufgaben geltend gemachte
Bedenken, diese würde zu einem bundesweit gesehen deutlich erhöhten
Verwaltungsaufwand führen, da in allen Ländern der notwendige Sachverstand
aufgebaut werden müsste, um die neuen Regelungen des Energiewirtschaftsrechts den
Vorgaben des Europäischen Gemeinschaftsrechts entsprechend anzuwenden (s. nur:
BT-Drs. 15/3917, S. 68). Von der Möglichkeit der Organleihe haben bislang die Länder
Bremen, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und
Thüringen Gebrauch gemacht.
22
1.2.3. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der Organleihe sind
23
weder geltend gemacht noch ersichtlich.
Bei einer Organleihe wird das Organ eines Rechtsträgers beauftragt und ermächtigt,
einen Aufgabenbereich eines anderen Rechtsträgers im Außenverhältnis
wahrzunehmen, und zwar in der Weise, dass das entliehene Organ als Organ des
Entleihers tätig wird und seinen Weisungen unterworfen ist, so dass die von diesem
Organ getroffenen Maßnahmen dem Entleiher zugerechnet werden (BVerfGE 63, 1, 31
f.; BGHReport 2006, 652). Wesentlich für das Institut der Organleihe ist das Merkmal der
Amtshilfe, wobei sich die Organleihe von der Amtshilfe im engeren Sinne dadurch
unterscheidet, dass sie sich nicht auf eine Hilfe im Einzelfall beschränkt, sondern die
Übernahme eines ganzen Aufgabenkreises aufgrund einer allgemeinen Regelung
umfasst. Sie ist ferner dadurch gekennzeichnet, dass die "entliehene" Einrichtung
Verwaltung für die "entleihende" Einrichtung ausübt, wobei der entliehenen Einrichtung
keine neuen eigenen Zuständigkeiten zuwachsen. Auf diese Einrichtung werden keine
Kompetenzen verlagert, sondern vielmehr ihre personellen und sächlichen Mittel auf die
der entleihenden Einrichtung. (BVerfG a.a.O.; BGH a.a.O.; Hamburgisches OVG, Urteil
vom 24. April 1996 – Bf V 82/95).
24
Soweit es – wie hier – Organleihen im Verhältnis Bund/Länder angeht, bestehen weder
ungeschriebene verfassungsrechtliche Regeln noch ein allgemeiner
verfassungsrechtlicher Grundsatz, dass Verwaltungsaufgaben ausschließlich vom Bund
oder den Ländern wahrzunehmen und Mischverwaltungen unzulässig sind. Mit
Rücksicht auf den Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung (Art. 83 ff.
GG) kommt eine Organleihe allerdings nur für eine eng umgrenzte Verwaltungsmaterie
in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestimmt sich in
erster Linie nach den jeweils einschlägigen Kompetenz- und Organisationsnormen,
inwieweit eine Organleihe der hier in Rede stehenden Art zulässig ist. Anhand dieser ist
im Einzelfall zu prüfen, welche Grenzen der Betrauung einer Verwaltungskörperschaft
mit den Aufgaben des Organs einer anderen Verwaltungskörperschaft gesetzt sind.
Wesentlich ist dabei, in welcher Weise sich solche Betrauungen auf das
verfassungsrechtliche Kompetenz- und Organisationsgefüge auswirken. Rechtliche
Grenzen können sich auch aus anderweitigen verfassungsrechtlichen Normen ergeben.
Im Übrigen verbleibt den zuständigen Organen ein weiter Spielraum bei ihrer
organisatorischen Ausgestaltung, bei der insbesondere verwaltungspraktische und
verwaltungsökonomische Erwägungen das Institut der Organleihe rechtfertigen können.
Da die Inanspruchnahme des Organs einer anderen Körperschaft einen Eingriff in deren
Verwaltungshoheit darstellt, ist die Zustimmung der diese Behörde tragenden
Körperschaft erforderlich (BVerfG a.a.O.).
25
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe unterliegt das "Verwaltungsabkommen über die
Wahrnehmung bestimmter Aufgaben nach dem Energiewirtschaftsgesetz zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Freien Hansestadt Bremen" vom 25. Oktober/3.
November 2005 (ABl. der Freien Hansestadt Bremen 2005, 873) keinen rechtlichen
Bedenken. Durch dieses Abkommen werden die Verwaltungskompetenzen des Landes
Bremen nicht übertragen, denn der Bund stellt dem Land Bremen die
Bundesnetzagentur lediglich aus verwaltungspraktischen und -ökonomischen
Erwägungen zur Wahrnehmung der im Katalog des § 54 Abs. 2 EnWG aufgeführten
Aufgaben zur Verfügung, um die Landesbehörden zu entlasten. Der Grundsatz der
eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung wird dadurch gewahrt, dass dem für den
Vollzug des EnWG zuständigen Senator für Bau, Umwelt und Verkehr des Landes
Bremen gem. Art. 2 Abs. 1 des Verwaltungsabkommens gegenüber der
26
Bundesnetzagentur die Fachaufsicht, nämlich die Aufsicht über die recht- und
zweckmäßige Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben zusteht (s. eingehend dazu
auch: Holznagel/Göge/Schumacher, DVBl. 2006, 471 ff.; Neveling, ZNER 2005, 263,
267 f.).
1.2.4. Auch wenn die Entscheidungen der entliehenen Bundesnetzagentur nach diesen
Grundsätzen der entleihenden Landesregulierungsbehörde mit der Folge zuzurechnen
sind, dass diese Beschwerdegegnerin ist, und der Bundesnetzagentur durch die
Organleihe die wahrgenommene Zuständigkeit nicht zuwächst, spricht der Charakter
der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Freien Hansestadt Bremen
vereinbarten Organleihe unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der
Zuständigkeitskonzentrationen im Bereich des EnWG dafür, im Rahmen des § 75 Abs. 4
EnWG die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde anzusehen, so dass deren Sitz
maßgeblich ist (a.A.: Salje, EnWG , Rdnr. 38 zu § 75; Holznagel/Göge/Schumacher,
DVBl. 2006, 471, 479).
27
Von der konkreten Ausgestaltung des organisatorischen Verhältnisses hängt es ab, ob
die entliehene Behörde nur als Verwaltungsmittler für die entleihende Behörde und
damit in deren Namen tätig wird oder sie selbständig handelt und Entscheidungen im
eigenen Namen trifft (vgl. nur: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. A., Rdnr. 25 zu § 1). Letzteres
ist hier der Fall. Die Bundesnetzagentur ist nach der konkreten Ausgestaltung der
Verwaltungskooperation befugt, selbständig zu handeln und Entscheidungen für die
Landesregulierungsbehörde im eigenen Namen zu treffen, denn sie ist – wenn auch
ohne Verlagerung von Kompetenzen – ermächtigt und beauftragt worden, den
Aufgabenbereich der Landesregulierungsbehörde im Außenverhältnis für diese
wahrzunehmen und dabei im eigenen Namen zu handeln.
28
Bei einer solchen Wahrnehmungszuständigkeit wird es dem Sinn und Zweck der
gerichtlichen Zuständigkeitskonzentrationen im EnWG nur gerecht, als
Regulierungsbehörde i.S.d. § 75 Abs. 4 EnWG die Bundesnetzagentur anzusehen, so
dass deren Sitz für die Bestimmung des örtlich zuständigen Beschwerdegerichts
maßgeblich ist.
29
§ 75 Abs. 4 EnWG und § 63 Abs. 4 GWB, dem er nachgebildet ist, haben zunächst zum
Ziel, durch den einheitlichen Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten
widersprüchliche Entscheidungen über dieselbe Rechtsfrage durch
Verwaltungsgerichte und ordentliche Gerichte – in Verwaltungs-, Zivil- oder
Bußgeldverfahren – auszuschließen. Innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit hat man
sich aus praktischen Erwägungen (Beschleunigung des Verfahrens durch Wegfall einer
zweiten Tatsacheninstanz) und in Anbetracht der Komplexität und Schwierigkeit der
Rechtsmaterie für die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte als Beschwerdegericht
entschieden. Die Anknüpfung an den Sitz der Kartellbehörde erfolgte, weil die
Zuständigkeit mehrerer Gerichte in den Fällen vermieden werden sollte, in denen eine
Mehrheit von Personen oder Unternehmen am Verfahren beteiligt sind und diese ihren
Sitz nicht sämtlich im Gebiet desselben Landes haben. Mit Blick auf die gebotene
Einheitlichkeit der zu treffenden Beschwerdeentscheidung müsste andernfalls
entsprechend § 36 Nr. 3 ZPO in einem zeitraubenden Verfahren eines der mehreren
Gerichte als zuständiges bestimmt werden (s. nur BR-Drs. 53/54, S. 22 ff., 45 zu § 49
GWB a.F.; BT-Drs. 15/3917 Anlage 1, Teil B zu § 75 EnWG).
30
Zur Konzentration führt weiter § 75 Abs. 4 Satz 1 2. HS, der für das in § 51 EnWG
31
vorgesehene Monitoring, dessen Durchführung dem in Berlin ansässigen
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit obliegt, als Beschwerdegericht statt des
Kammergerichts das für den Sitz der Bundesnetzagentur zuständige Oberlandesgericht
- Düsseldorf - bestimmt.
Einer weiteren Zusammenfassung der Rechtspflege in Kartellsachen, insbesondere
einer einheitlichen Rechtsprechung, dient schließlich § 92 GWB, auf den § 106 Abs. 2
EnWG verweist. § 92 Abs. 1 Satz 1 GWB ermächtigt die Landesregierungen in den
Bundesländern mit mehreren Oberlandesgerichten, durch Rechtsverordnung die
Zuständigkeiten der Kartellsenate in Verwaltungs- und Bußgeldsachen nach § 91 Satz
2 GWB auf ein oder mehrere Oberlandesgerichte oder das Oberste Landesgericht zu
konzentrieren. Die Länder Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben von
der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Zuständigkeit auf OLG-Ebene zu konzentrieren
(NW: OLG Düsseldorf gem. §§ 1, 2 Kartellsachen-KonzentrationsVO vom 27.09.2005,
GVBl. NW, 820).
32
§ 92 Abs. 2 GWB ermöglicht darüber hinaus die Begründung einer die Landesgrenzen
überschreitenden Zuständigkeit eines Oberlandesgerichts oder eines Obersten
Landesgerichts in den in die Zuständigkeit der Kartellsenate fallenden Verwaltungs- und
Bußgeldsachen durch Staatsvertrag zwischen den Ländern, der wegen des
Gesetzesvorbehalts für Regelungen der Gerichtsorganisation der Zustimmung der
Parlamente der beteiligten Länder unterliegt (BVerfGE 2, 307, 316 ff.; 4, 250, 276;
Bracher in: Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, Rdnr. 6 zu § 92 GWB 2005).
Hiervon wurde bislang kein Gebrauch gemacht.
33
Die auch mit § 75 Abs. 4 EnWG verfolgte Einheitlichkeit der Rechtsprechung kann –
soweit es das Handeln der Bundesnetzagentur angeht – nur erreicht werden, wenn es
im Bereich der Organleihe für die Gerichtszuständigkeit nicht auf den Sitz der (Landes-
)Regulierungsbehörde ankommt, der die Entscheidungen der Bundesnetzagentur
zuzurechnen sind, sondern auf den Sitz der mit der Wahrnehmung der
Landesregulierungsaufgaben betrauten (Bundes-)Regu-lierungsbehörde. Andernfalls
würde die einheitliche behördliche Rechtsanwendung im Bereich der
Bundesnetzagentur der Kontrolle durch unterschiedliche Oberlandesgerichte und damit
u.U. unterschiedlichen Prüfungsmaßstäben unterliegen, was durch die Konzentration im
Bereich des EnWG gerade vermieden werden soll.
34
1.3. Ohne Erfolg wendet die Beschwerdeführerin demgegenüber ein, diesem
Verständnis stünden Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 75 Abs. 4 EnWG und die
Gesetzessystematik entgegen. Dem Wortlaut der Zuständigkeitsnorm steht es nicht
entgegen, für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des Beschwerdegerichts auf
den Sitz der entscheidenden Regulierungsbehörde abzustellen, auch wenn § 75 Abs. 4
EnWG dies nicht ausdrücklich ausspricht. Dass Sinn und Zweck der mit dieser
Regelung verfolgten Zuständigkeitskonzentration und die Gesetzessystematik nur
dieses Verständnis zulassen, ist bereits eingehend ausgeführt. Auch aus der
Entstehungsgeschichte der Norm lässt sich nichts dagegen anführen. Ohne Erfolg
ziehen die Beteiligten zu ihren Gunsten jeweils den Umstand heran, dass der Entwurf
der Bundesregierung den später gestrichenen Passus enthielt, ausschließlich zuständig
sei das Oberlandesgericht am Sitz der Regulierungsbehörde oder der nach Landesrecht
zuständigen Behörde. Mit der Streichung des letzten Passus wurde nur die notwendige
innere Konsistenz zwischen § 75 Abs. 1 und § 75 Abs. 4 EnWG hergestellt und ein
Redaktionsfehler korrigiert, denn der Rechtsweg gegen Entscheidungen der nach
35
Landesrecht zuständigen Behörden bestimmt sich nicht nach § 75 EnWG, sondern nach
den allgemeinen Vorschriften und damit nach § 40 VwGO (vgl. nur: Stellungnahme des
Bundesrats zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 15/3917, Anlage 2, S. 78, 93; BT-Drs.
15/4068, S.9; Salje, EnWG, Rdnr. 2 zu § 75).
2. Die bei der Bundesnetzagentur eingelegte Beschwerde der Beschwerdeführerin ist
zu verwerfen. Sie ist unzulässig, da sie dort erst am 3. Januar 2007 und damit nicht
binnen der Frist von einem Monat ab Zustellung der Entscheidung eingegangen ist
(§ 78 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 EnWG).
36
Die mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene Entscheidung der
Bundesnetzagentur vom 29. November 2006 ist der Beschwerdeführerin ausweislich
des Empfangsbekenntnisses am 1. Dezember 2006 zugestellt worden, so dass
hierdurch die Monatsfrist des § 78 Abs. 1 EnWG in Lauf gesetzt worden ist.
37
Ohne Erfolg macht die Beschwerdeführerin insoweit geltend, entsprechend § 58 VwGO
betrage die Beschwerdefrist ein Jahr, weil die der Entscheidung beigefügte
Rechtsmittelbelehrung mangelhaft sei. Insbesondere hat die Bundesnetzagentur sie in
dieser zu Recht dahingehend belehrt, dass die Beschwerde gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1,
Satz 3 EnWG entweder bei ihr als auch mit der Vertretung in Beschwerdeverfahren
betraute Regulierungsbehörde oder – wie sich aus obigen Ausführungen ergibt - dem
Oberlandesgericht Düsseldorf als Beschwerdegericht einzulegen ist.
38
Damit endete die Beschwerdefrist mit Rücksicht auf den Neujahrstag am nächsten
Werktag, dem 2. Januar 2007 (§§ 78 Abs. 1, 85 Abs. 1 Nr. 2 EnWG i.V.m. § 222 Abs. 2
ZPO). Sie wurde durch die erst am 3. Januar 2007 per Telefax bei der
Bundesnetzagentur eingelegte Beschwerde nicht gewahrt.
39
3. Der Antrag vom 17. Januar 2007 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen
die Versäumung der Beschwerdefrist ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht
nach den gemäß § 85 Abs. 1 Nr. 2 EnWG anzuwendenden Vorschriften der
Zivilprozessordnung über die Wiedereinsetzung - §§ 234, 236 ZPO - eingelegt. In der
Sache hat er indessen keinen Erfolg und ist damit zurückzuweisen.
40
Die Beschwerdeführerin hat keine Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht,
wonach die Versäumung der Beschwerdefrist weder von ihr selbst noch von einem ihrer
Prozessbevollmächtigten i.S.d. § 233 ZPO verschuldet worden ist.
41
Den Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin ist ein Organisationsverschulden
vorzuwerfen, welches sie sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Die von
ihnen dargelegte Ausgangskontrolle entspricht nicht den Anforderungen der
höchstrichterlichen Rechtsprechung.
42
3.1. Der Rechtsanwalt darf grundsätzlich einfache Verrichtungen, die keine juristische
Schulung erfordern, seinem geschulten und zuverlässigen Büropersonal zur
selbständigen Erledigung übertragen. Versehen dieses Personals hat die Partei
solange nicht zu vertreten, als es nicht auf eigenes Verschulden des Rechtsanwalts
zurückzuführen ist. Zu solchen einfachen Tätigkeiten gehört u.a. das Absenden eines
Telefax (BVerfG NJW-RR 2002, 1004 f.; BGH NJW 1994, 329). Allerdings ist ein
Rechtsanwalt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verpflichtet, durch
entsprechende organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von
43
Fristsachen in größtmöglichem Umfang auszuschließen. Dazu gehört insbesondere
eine wirksame Ausgangskontrolle, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass
fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Dies erfolgt durch
eine Anordnung, die gewährleistet, dass am Ende eines jeden Arbeitstages von einer
dazu beauftragten Bürokraft geprüft wird, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt,
abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden sind und ob diese mit den im
Fristenkalender vermerkten Sachen übereinstimmen (BGH NJW-RR 1997, 562;
BGHReport 2003, 1035; NJW 2006, 1194 f.; FamRZ 2006, 192). Für die Übermittlung
fristwahrender Schriftsätze per Telefax bedeutet dies weiter, dass die Pflicht des
Anwalts zur Ausgangskontrolle erst dann endet, wenn feststeht, dass der Schriftsatz
auch wirklich übermittelt worden ist. Er muss daher durch entsprechende Anweisung an
sein Büropersonal sicherstellen, dass bei der Telefaxübermittlung ein Sendebericht
erstellt, dieser auf etwaige Übermittlungsfehler überprüft und die Notfrist erst nach
Kontrolle des Sendeberichts gelöscht wird (ständige Rspr. des BGH, vgl. nur: BGH NJW
1993, 1655 f.; 1994, 1879 f.; VersR 1996, 1298; BGHReport 2001, 809 f.; NJW 2004,
3490 f.; BGH NJW 2006, 1519 f.; BGHReport 2007, 26 f.). Dabei hat sich die
Überprüfung darauf zu erstrecken, ob die Zahl der übermittelten Seiten mit der
Seitenzahl des Originalschriftsatzes übereinstimmt und die zutreffende
Empfängernummer verwandt wurde (BGH, a.a.O.)
Dass es im konkreten Fall auf eine solche allgemeine organisatorische Vorkehrung
deshalb nicht ankam, weil einer der Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin
seiner Büroangestellten die konkrete Anweisung erteilt hatte, die Beschwerdeschrift
noch am selben Tage per Telefax zu übermitteln, macht die Beschwerdeführerin selbst
nicht geltend (s. zu derartigen Fällen nur: BGH BGHReport 2003, 696 f.; NJW 2004, 367;
3490 f.; JB 2006, 222; NJW 2006, 1521).
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3.2. Eine den Anforderungen des Bundesgerichtshofs entsprechende Organisation gibt
es in der Sozietät der Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin nicht. Aus ihrer
Darstellung der zur Fristenberechnung, zur Postbearbeitung, zum Postausgang und zur
Fristenkontrolle getroffenen Regelungen im Wiedereinsetzungsgesuch ergibt sich schon
keine ausdrückliche Anweisung an das Büropersonal, nach der die Notfrist im
Fristenkalender bei Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax erst gelöscht werden
darf, nachdem eine Kontrolle des Sendeberichts erfolgt ist. Die in der Sozietät der
Prozessbevollmächtigten getroffenen Festlegungen und allgemeinen Anweisungen
genügen der Organisationspflicht nicht, da sie im entscheidenden Punkt allgemein
gehalten sind und die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlichen
Prüfungsschritte nicht im Einzelnen aufführen. Zum Streichen von Fristen im
Fristenbuch enthält die Festlegung zur Bearbeitung von Fristen und fristwahrenden
Schriftstücken eine Regelung, nach der die jeweils aktenbezogen zuständige Reno-
Fachangestellte dafür zuständig ist, dass am Tage des Fristablaufs sichergestellt ist,
dass der Schriftsatz vollständig und vom richtigen Anwalt unterschrieben sowie an das
richtige Gericht adressiert an dieses gefaxt und sodann einzeln in einen Briefumschlag
eingelegt wird und in den Postlauf gelangt. Ihre Prüfung hat sie entsprechend in der
Akte zu dokumentieren, diesen Vermerk mit ihrem Handzeichen und ihrer Paraphe zu
versehen. Danach hat sie der Fristenbuchführerin Auskunft über den Bearbeitungsstand
zu geben. Anknüpfend daran enthält die Festlegung zum Postausgang weiter die
Regelung, dass die Kontrolle der fristwahrenden Schriftstücke der jeweils zuständigen
Reno-Fachangestellten obliegt, welche diese auf Vollständigkeit hinsichtlich der
Unterschriften, sämtlicher Anlagen kontrolliert und dafür zu sorgen hat, dass diese
fristgerecht entweder per Telefax, durch Einwerfen in den Gerichtsbriefkasten oder per
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Post abgesandt werden. Darüber hinaus besteht nur die allgemeine Anweisung an die
zuständige Sekretariatsmitarbeiterin, die im Postausgang befindliche
Unterschriftenmappe mindestens viermal täglich, zuletzt um 18.30 Uhr zu leeren und die
in der Mappe befindlichen Telefaxe auf dem Weg zu ihrem Sekretariatsarbeitsplatz zu
faxen.
Die Anweisung einer solchen abendlichen Kontrolle, die sich nicht auch auf die
konkrete Prüfung erstreckt, ob die Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes per
Telefax tatsächlich erfolgt ist, stellt nach den Grundsätzen der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein anwaltliches Fehlverschulden dar (BGH
a.a.O.).
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Damit ist die eingetretene Versäumung der Beschwerdefrist nicht nur auf ein
Verschulden der Mitarbeiterin der Prozessbevollmächtigten, sondern auch auf ein
Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten selbst zurückzuführen. Hätte
eine allgemeine Anweisung bestanden, Rechtsmittelfristen erst nach gezielter
Überprüfung des Sendeprotokolls zu löschen, wäre die unterbliebene Übermittlung
noch am Tage des Fristablaufs bemerkt worden. So hat die zuständige Büroangestellte
E. in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 4. Januar 2007 erklärt, entsprechend den
Anweisungen mit dem Umgang von Faxen in der Kanzlei habe sie die in der
Unterschriftenmappe befindlichen Schreiben gefaxt und sodann der Fristenbuchführerin
mitgeteilt, die entsprechende Frist könne gelöscht werden, weil sie davon ausgegangen
sei, alle Schreiben ordnungsgemäß gefaxt zu haben. Erst beim Abheften der gefaxten
Schreiben am nächsten Morgen habe sie festgestellt, dass der Beschwerdeschriftsatz
kein Sendeprotokoll habe, was sie sich nur durch ein "Überblättern" erklären könne. Wie
der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin in der Senatsverhandlung erklärt
hat, haben die Rechtsanwälte der Sozietät diesen Vorfall zum Anlass genommen, durch
eine entsprechende Anweisung und damit innerhalb ihrer Büroorganisation nunmehr
eine umgehende Kontrolle sicherzustellen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 2 EnWG. Die Beschwerdeführerin hat
als im Beschwerdeverfahren unterlegene Partei die Gerichtskosten zu tragen und der
gegnerischen Landesregulierungsbehörde die ihr entstandenen notwendigen Auslagen
zu erstatten.
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5. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50
Abs. 1 Nr. 2 GKG, § 3 ZPO. Das von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerde gegen
die Netzentgeltgenehmigung verbundene Interesse schätzt der Senat - im
Einvernehmen mit den Beteiligten - auf 50.000 €.
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C.
50
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof gegen diese
Entscheidung zugelassen, weil die Frage des örtlich zuständigen Beschwerdegerichts
bei im Wege der Organleihe von der Bundesnetzagentur getroffenen Entscheidungen
mit Blick auf die erteilte Rechtsmittelbelehrung und den daran anknüpfenden Lauf der
Rechtsmittelfrist grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 86 Abs. 2 Nr. 1 EnWG hat.
51
Rechtsmittelbelehrung:
52
Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf
53
einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 546, 547 ZPO). Sie ist binnen einer Frist von
einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474
Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser
Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen bei dem
Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof)
einzureichenden Schriftsatz binnen eines Monats zu begründen. Die Frist beginnt mit
der Einlegung der Beschwerde und kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden des
Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde
muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre
Abänderung oder Aufhebung beantragt wird, sowie die Tatsachen und Beweismittel
angeben, auf die sich die Rechtsbeschwerde stützt. Rechtsbeschwerdeschrift und -
begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet sein.