Urteil des OLG Düsseldorf vom 10.06.2010

OLG Düsseldorf (stand der technik, erfindung, anlage, teil, wagen, sammelstelle, volumen, patg, zpo, einheit)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-2 U 17/09
Datum:
10.06.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-2 U 17/09
Tenor:
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 27. Januar 2009 verkündete
Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird mit der
Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer I. des landgerichtlichen
Urteilsausspruches folgende Fassung erhält:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über
Handlungen, durch welche sie Münzschlossgehäuse mit einer
Kopplungseinrichtung zum Anbau an Transportwagen, insbesondere an
Einkaufswagen, die auf Pfandbasis ein An- und Abkoppeln von
Transportwagen ermöglichen, die mit einer fest installierten
Sammelstelle direkt oder über weitere Transportwagen indirekt mit
dieser Sammelstelle verbunden sind,
in der Zeit vom 18. November 1990 bis zum 28. April 2007 angeboten
oder geliefert hat,
die dazu geeignet und dazu vorgesehen sind, mit einem oder zwei
Schiebegriffabschnitten ausgestattet und mit ihren Endbereichen an den
Transportwagen befestigt zu werden, und zwar unter Angabe
- der Namen und Anschriften der Zulieferanten und anderer Vorbesitzer,
- der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
- der Liefermengen, Lieferpreise, Lieferzeiten und Lieferorte,
- des erzielten Umsatzes,
- des erzielten Gewinns unter detaillierter Aufschlüsselung aller
Gestehungskosten,
- der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
- der Angebotsmengen, Angebotspreise, Angebotszeiten und
Angebotsorte,
- der betriebenen Werbung unter Angabe der Werbeträger, deren
Auflagenzahl, Verbreitungszeit und Verbreitungsgebiet,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der
Angebotsempfänger einem gegenüber der Klägerin zur
Verschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer oder vereidigten
Buchprüfer zu machen, sofern die Beklagte dessen Kosten übernimmt
und ihn ermächtigt, der Klägerin auf konkrete Fragen Auskunft zu geben,
ob bestimmte Angebotsempfänger in der Auskunft genannt sind.
II.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen,
die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 250.000,-- Euro abzuwenden, falls nicht die Klägerin zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 250.000,-- Euro
festgesetzt.
V.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Klägerin war eingetragene Inhaberin des inzwischen abgelaufenen deutschen
Patentes 37 14 XXX (Klagepatent, Anlage H 1) betreffend ein Münzschloss; aus diesem
Schutzrecht nimmt sie die Beklagte, nachdem die Parteien den Rechtsstreit im Umfang
des zunächst ebenfalls geltend gemachten Unterlassungsanspruchs nach Ablauf des
Klageschutzrechts vor dem Landgericht übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt
erklärt hatten, noch auf Rechnungslegung und Feststellung ihrer Verpflichtung zum
3
Schadenersatz in Anspruch.
Das Klagepatent beruht auf einer im. April 1987 eingereichten und im November 1988
offengelegten Anmeldung; die Patenterteilung ist im Oktober 1990 veröffentlicht worden.
Im April 2007 ist das Schutzrecht durch Zeitablauf erloschen.
4
Anspruch 1 lautete wie folgt:
5
Münzschloss mit einer Kopplungseinrichtung, zum Anbau an Transportwagen,
insbesondere an Einkaufswagen, das auf Pfandbasis ein An- und Abkoppeln frei
stehender Transportwagen untereinander und/oder ein An- und Abkoppeln von
Transportwagen ermöglicht, die mit einer fest installierten Sammelstelle direkt oder
über weitere Transportwagen indirekt mit dieser Sammelstelle verbunden sind,
dadurch gekennzeichnet
Schiebegriffabschnitten (4) ausgestattet ist und dass Endbereiche (8) des
Münzschlosses (1) zur Befestigung an den Transportwagen (12) bestimmt sind.
6
Die nachstehend wiedergegebenen Figurendarstellungen aus der Klagepatentschrift
erläutern die Erfindung anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele. Figur 1 zeigt ein
Münzschloss mit zwei seitlichen Schiebegriffabschnitten, Figur 2 ein solches mit nur
einem Schiebegriffabschnitt, Figur 3 die Befestigung des Münzschlosses mit einem vom
Schiebegriffabschnitt gebildeten Endbereich an den Haltewangen eines
Transportwagens und Figur 4 ein erfindungsgemäßes Münzschloss mit zwei
Schiebegriffabschnitten montiert am Einkaufswagen.
7
Die Nichtigkeitsklage der Beklagten gegen das Klagepatent hat der Bundesgerichtshof
mit Urteil vom 23. Oktober 2007 (Anlage B 12) abgewiesen.
8
Die Beklagte belieferte die Brüder A GmbH & Co. KG (im folgenden: A) mit
Baueinheiten bestehend aus einem Münzschlossgehäuse, einer darin angeordneten
Münzkassette, in welcher sich der Ver- und Entriegelungsmechanismus befindet, und
einer an dem Gehäuse angebrachten Kette nebst Schlüssel (die Baueinheit wird
nachfolgend als Münzschlossgehäuse bezeichnet). Das Gehäuse ist mit einer
durchgehenden, im Querschnitt flachovalen Öffnung versehen, die ein Kernrohr mit
entsprechendem Durchschnitt passgenau und formschlüssig aufnimmt. A fügte die
Münzschlossgehäuse mit anderweitig bezogenen Griffelementen bestehend aus
Kernrohr und zwei kunststoffummantelten Metallprofilen zusammen; hierzu wurde das
Gehäuse auf das Kernrohr und auf das Kernrohr die Metallprofile geschoben, wobei die
Erstreckung des Münzschlossgehäuses in der Längenbemessung der beiden
Metallprofile ausgespart war. Die so vormontierte Baueinheit wurde an dafür
vorgesehenen Tragarmen von Einkaufswagen befestigt und dient als Griffstange zum
Schieben des Wagens.
9
A vertrieb zunächst entsprechend beschaffene Gegenstände unter der Bezeichnung "B
E" und wurde deswegen vom erkennenden Senat mit Urteil vom 16. Dezember 2004 (I –
2 U 71/03 = 4b O 269/02 LG Düsseldorf; Anlage H 2) wegen Verletzung des
Klagepatents verurteilt. Wegen weiterer Einzelheiten der Ausgestaltung dieser
Ausführungsform wird auf das vorbezeichnete Urteil des Senats (Umdruck Seiten 8 und
9) Bezug genommen. Über die Nichtzulassungsbeschwerde As hat der
Bundesgerichtshof noch nicht entschieden, nachdem über deren Vermögen am 1.
August 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
10
In der Folgezeit belieferte die Beklagte A mit Münzschlossgehäusen in einer anderen
Ausführungsform, die A – wiederum versehen mit durchgehendem Kernrohr und
Griffprofil – unter der Bezeichnung "C" in den Verkehr brachte.
11
Hinsichtlich der Ausgestaltung wird auf die nachstehend wiedergegebenen der Anlage
H 18 entnommenen Abbildungen, das Foto auf S. 7 der Berufungsbegründung der
Beklagten vom 8. Juni 2009 (Bl. 233 d.A.) und auf die von der Beklagten im
Verhandlungstermin vom 29. April 2010 überreichten Muster (Anlagen BK 3 und BK 4)
Bezug genommen.
12
Hinsichtlich dieser und einer weiteren von A unter der Bezeichnung "D" in den Verkehr
gebrachten Ausführungsform, die im vorliegenden Berufungsverfahren nicht mehr
streitgegenständlich ist, nachdem das Landgericht die Klage insoweit rechtskräftig
abgewiesen hat, beantragte die Beklagte vor dem Landgericht München I festzustellen,
dass der Klägerin wegen Herstellens, Anbietens, Verbreitens sowie der Einfuhr beider
genannten Gegenstände keine Ansprüche aus dem Klagepatent zustünden. Nach dem
erstinstanzlichen frühen ersten Termin im vorliegenden Verfahren erklärten die Parteien
den Rechtsstreit vor dem Landgericht München I hinsichtlich der Ausführungsform "C"
übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt. Mit Urteil vom 1. März 2006 (21 O
4582/05, Anlage B 9) gab das Landgericht München I der negativen Feststellungsklage
hinsichtlich der Ausführungsform "D" statt und erlegte die auf die Ausführungsform "C"
entfallenden Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91a ZPO der Klägerin auf, die dieses
Urteil form- und fristgerecht mit der Berufung angefochten hat.
13
Die Klägerin meint, die Beklagte verletze mit der Lieferung der genannten
Münzschlossgehäuse das Klagepatent mittelbar, und hat vor dem Landgericht geltend
gemacht, die vorbezeichneten Gegenstände seien Mittel im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG,
die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezögen. Sie erreichten einen
entscheidenden Vorteil der Erfindung und ersparten zusätzlichen Zeitaufwand für das
Befestigen eines separaten Münzschlosses am Transportwagen. Sie verwirklichten
auch den weiteren Vorteil der Erfindung, dass das Münzschlossgehäuse das Kernrohr
mit seinem flachovalen Querschnitt formschlüssig in sich aufnehme. Die seitlichen
Griffprofile aus Kunststoff verhinderten eine axiale Verschiebung des Gehäuses auf dem
Kernrohr nach erfolgter Montage. Dementsprechend habe A mit den von der Beklagten
bezogenen Gegenständen Münzschlösser gefertigt, die der in Anspruch 1 des
Klagepatentes unter Schutz gestellten technischen Lehre wortsinngemäß entsprächen.
Der Beklagten sei bekannt und bewusst, dass A das Münzschlossgehäuse für die
Ausführungsform "C" wie vorbeschrieben einsetze. Dies ergebe sich schon daraus,
dass der Querschnitt der Gehäuseöffnung genau auf den flachovalen Querschnitt des
Kernrohrs abgestimmt sei, wobei ebenso klar sei, dass nicht das Kernrohr für sich allein,
sondern nur zusammen mit den auf die seitlichen Abschnitte aufgeschobenen
Griffprofilen zum Schieben des Transportwagens bestimmt sei.
14
Die Beklagte tritt dem Verletzungsvorwurf entgegen und hat vor dem Landgericht
geltend gemacht, erfindungsgemäß müsse das Münzschloss als einheitliches integrales
Bauteil ausgeführt sein, welches neben dem Münzschlossgehäuse darin integrierte
Schiebegriffabschnitte umfasse. Der Fachmann erkenne, dass die Zielsetzung des
Klagepatents, das Münzschloss in einem einzigen Arbeitsgang quer an den seitlich an
der Rückseite des Wagens angebrachten Tragarmen zu montieren, nur auf diese Weise
erreicht werden könne. Dazu sei die von A mit den angegriffenen Gehäusen hergestellte
15
Vorrichtung nicht in der Lage, weil ihre Einzelkomponenten nur lose auf dem Kernrohr
angeordnet seien; sie verwirkliche allein die vorbekannte technische Lehre, ein
Münzschloss auf die Griffstange des Einkaufs- bzw. Transportwagens aufzuschieben.
Mit Urteil vom 27. Januar 2009 hat das Landgericht der Klage hinsichtlich der
Ausführungsform "C" entsprochen und die Beklagte verurteilt, Auskunft zu erteilen über
die in Ziff. I. der Entscheidungsformel bezeichneten Handlungen, die sich auf
Münzschlösser beziehen, die dazu geeignet und bestimmt sind, mit einem oder zwei
Schiebegriffabschnitten ausgestattet und mit ihren Endbereichen an den
Transportwagen befestigt zu werden. Außerdem hat es festgestellt, dass die Beklagte
verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr in der Zeit vom
18. November 1990 bis zum 28. April 2007 aus Handlungen der vorbezeichneten Art
entstanden ist und noch entsteht.
16
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Lieferung von Bauteilen der Ausführungsform
"C" habe das Klagepatent mittelbar verletzt; die gelieferten Teile seien Mittel, die sich
auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen. Die von der Beklagten gelieferten
Bauteile umfassten wenigstens einen Schiebegriffabschnitt und wiesen Endbereiche
zur Befestigung am Transportwagen auf. Die Schiebegriffabschnitte seien
erfindungsgemäß integraler Bestandteil des Münzschlosses und bildeten bei der
gebotenen funktionsorientierten Betrachtungsweise einen axialen Teil des gesamten
Schiebegriffes, damit das Münzschloss zusammen mit dem Schiebegriff im selben
Arbeitsgang am Wagen angebracht werden könne. Gleichzeitig werde durch diese
Ausbildung das Volumen des Münzschlosses teilweise in demjenigen des
Schiebegriffes untergebracht; hierdurch werde das Gehäuse entsprechend kleiner und
rage nicht in den Bereich eines etwa vorhandenen Kindersitzes hinein. Demgemäß
weise die angegriffene Ausführungsform "C" einen Schiebegriffabschnitt auf, nämlich
den auf den Abbildungen gemäß Anlage H 18 mit dem Werbetext beschrifteten
Abschnitt. Dieser mache den größten Teil des gesamten Schiebegriffes aus, der jedoch
auch das Münzschlossgehäuse umfasse. Zum Schiebegriffabschnitt dieser
Ausführungsform gehöre neben der Griffschale aus Kunststoff auch das Kernrohr.
17
Indem das Münzschlossgehäuse nur das Kernrohr aufnehme und nicht die Griffhülse,
werde das Volumen des Schiebegriffs bis zum Umfang der Griffhülse genutzt, aus der
das Gehäuse nur mit dem übrigen Teil hinausrage und auf diese Weise nicht vollständig
auf dem Schiebegriff aufbaue. Das unterscheide die Ausführungsform "C" von
vorbekannten Gegenständen mit einem vollständig auf dem Griff aufbauenden
Gehäuse. Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Klägerin in der mündlichen
Verhandlung werde das Kernrohr mit aufgefädelter Griffschale und
Münzschlossgehäuse bereit zur Montage beim Hersteller des Einkaufswagens
angeliefert. In dieser Gestalt werde es anmontiert, eine erneute Auffädelung der
Griffschale oder des Münzschlossgehäuses sei nicht erforderlich. Die Notwendigkeit,
die Teile zuvor auf das Kernrohr zu fädeln, vereitele den erfindungsgemäßen Zweck der
Arbeitsersparnis nicht, weil diese Maßnahme nicht bei der Herstellung des Wagens
durchgeführt werden müsse. Da der Schiebegriffabschnitt zum erfindungsgemäßen
Münzschloss gehöre, sei der am Wagen befestigte Endbereich des
Schiebegriffabschnittes auch derjenige des Münzschlosses, das infolge dessen mit
seinem Endbereich am Wagen befestigt werde. Das sei auch bei der angegriffenen
Ausführungsform so.
18
Die subjektiven Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung seien gegeben, weil
19
es aufgrund der Umstände offensichtlich sei, dass die gelieferten Gegenstände dazu
geeignet und bestimmt seien, für die Benutzung der geschützten Erfindung verwendet
zu werden. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass die Lieferungen der Beklagten an
A gerade zu dem Zweck erfolgt seien, dass die gelieferten Bauteile am Transportwagen
angebracht werden. Eine anderweitige Verwendung sei angesichts der spezialisierten
Zusammenarbeit der Beklagten mit A nicht in vernünftiger Weise vorstellbar. Wegen
weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug
genommen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter und führt
zur Begründung unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen
Sachvortrages aus: Das Landgericht habe den zur Entscheidung stehenden
Sachverhalt unzutreffend erfasst. Auch in erster Instanz sei es unstreitig gewesen, dass
sie – die Beklagte – an A nur das Münzschlossgehäuse bestehend aus Schlüsselkette
und Münzbehälter geliefert habe, nicht aber das Kernrohr und die Griffhülsen, die A
anderweitig bezogen habe. Die von A gefertigten Vorrichtungen verletzten das
Klagepatent nicht. Die unter Schutz gestellte Lösung erschöpfe sich nicht in der
Vormontage von Schiebegriff und Münzschloss und der Verringerung des Raumbedarfs,
sondern verlange ein komplexes Bauelement mit zwei Funktionen, nämlich dem
Münzschloss zur Abkoppelbarkeit des Wagens gegen Pfand und der
Schiebegriffabschnitte zum Schieben des Wagens, wobei die gesamte Baueinheit in nur
einem Arbeitsgang an den dafür vorgesehenen Vorrichtungsteilen des Einkaufswagens
montierbar sein müsse. Das Münzschloss müsse zudem vollständig, zumindest aber mit
seinem überwiegenden Teil in das Volumen der Schiebegriffeinrichtung integriert sein;
das Gehäuse dürfe den Durchmesser des Schiebegriffs nur geringfügig überragen. Im
Kern werde eine Vorrichtung geschützt, die zugleich Schiebegriff und Münzgehäuse sei.
Das Münzschloss dürfe erfindungsgemäß auch kein vom Schiebegriff verschiedenes
und auf diesem gesondert montiertes Bauteil sein. Bei den mit Hilfe der angegriffenen
Münzschlossgehäuse hergestellten Vorrichtungen fehle es an einer Ausstattung mit
Schiebegriffabschnitten. Auch seien keine Teile des Münzschlosses in den
Schiebegriffabschnitten untergebracht, vielmehr überrage es diese im Wesentlichen mit
seinem gesamten Volumen. Es sei ferner nicht möglich, die auf das metallene Kernrohr
aufgeschobenen Griffprofile als Bestandteil eines aus ihnen und dem Kernrohr
zusammengesetzten Schiebegriffes zu betrachten, weil es auf dem Markt flachovale
Schiebegriffe gebe, auf die das angegriffene Münzschloss ebenfalls formgenau passe.
20
Die Beklagte
beantragt
21
das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage insgesamt
abzuweisen.
22
Die Klägerin
beantragt
23
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Worte "und bestimmt"
zwischen den Worten "geeignet" und "sind" aus dem landgerichtlichen
Urteilsausspruch gestrichen werden.
24
Sie verteidigt im Ergebnis das angefochtene Urteil und tritt dem Vorbringen der
Beklagten unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages
entgegen. Ergänzend führt sie aus, das Klagepatent erreiche die volumenmäßig
zumindest teilweise Integration des Münzschlossgehäuses in die
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Schiebegriffeinrichtung, indem eine der beiden Gehäusehälften gleichzeitig die
Befestigungseinrichtungen zur Montage am Schiebegriff verkörpere; diese Maßnahme
sei der Grund für die geringe Bauhöhe des Gehäuses. Die konkrete Art der Befestigung
des Münzschlossgehäuses an den Schiebegriffabschnitten lasse Anspruch 1 des
Klagepatents offen. Je nach den Ausführungsformen der Ansprüche 1 bis 4 könne man
entweder den oder die Schiebegriffabschnitte an dem Münzschlossgehäuse befestigen
und diese Einheit an den Grifftragarmen des Wagens montieren oder man wähle eine
Befestigungseinrichtung – beispielsweise ein Innenrohr –, ordne Münzschlossgehäuse
und Schiebegriffabschnitte daran an oder verbinde letztere damit und montiere ein
solches integrales Bauteil am Transportwagen. Im Gegensatz zum Stand der Technik
sei das Münzschlossgehäuse dann in die Schiebegriffeinrichtung integriert, nehme also
einen Teil des Platzes ein, der für die Schiebegriffeinrichtung vorgesehen sei. Damit
reduziere das Münzschlossgehäuse, welches auch den erforderlichen Platz für die
Münzkassette und die Koppelungsvorrichtung aufweise, die zum Anbringen des
Münzschlosses mit Kassette, Koppelungsvorrichtung und Schiebegriffeinrichtung
anfallende Montagezeit auf ein Minimum, verkleinere den Raum über, unter, vor und
hinter der Schiebegriffeinrichtung nicht unzumutbar und gestatte ein ungehindertes Be-
und Entladen des Transportwagens.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.
26
II.
27
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Zutreffend hat das
Landgericht sie wegen mittelbarer Verletzung des Klagepatentes verurteilt und die von
ihr an A gelieferten Münzschlossgehäuse als Mittel im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG
gewertet, die sich auf ein wesentliches Element der im Klagepatent unter Schutz
bestellten Erfindung beziehen.
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Es mag sein, dass das Landgericht teilweise von einem anderen als dem vorgetragenen
und unstreitigen Sachverhalt ausgegangen ist und möglicherweise angenommen hat,
dass die Beklagte an A nicht nur das Münzschlossgehäuse mit Koppelungseinrichtung
und Schlosskette geliefert hat. Das ändert aber nichts daran, dass das angefochtene
Urteil zum richtigen Ergebnis gekommen ist. Da die mittelbare Patentverletzung jedoch
letztlich damit begründet worden ist, dass die von A hergestellte Gesamtvorrichtung
bestehend aus dem von der Beklagten gelieferten Münzschlossgehäuse und dem von A
anderweitig bezogenen Kernrohr nebst Griffprofilen der in Anspruch 1 unter Schutz
gestellten technischen Lehre wortsinngemäß entspricht und das Klagepatent
unmittelbar verletzt, wird deutlich, dass das Landgericht das angegriffene
Münzschlossgehäuse deshalb als mittelbare Verletzung des Klagepatentes betrachtet
hat, weil A die ihr gelieferten Gegenstände zum Herstellen patentverletzender
Gesamtvorrichtungen benutzt hat. Entsprechend bezieht sich der Ausspruch des
angefochtenen Urteils, obwohl es die betreffenden Gegenstände als "Münzschlösser"
bezeichnet, nicht auf die in Anspruch 1 unter Schutz gestellte Gesamtvorrichtung,
sondern nur auf das von der Beklagten unstreitig an A gelieferte Münzschlossgehäuse.
Das ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass die angegriffenen Vorrichtungen als solche
beschrieben werden, die geeignet und bestimmt sind, mit den anderen in Anspruch 1
angegebenen Vorrichtungsteilen zu einem klagepatentgeschützten Gegenstand
zusammengefügt zu werden. Aus Gründen der Klarstellung hat der Senat bei der
Neufassung der Entscheidungsformel den Ausdruck "Münzschlösser" durch
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"Münzschlossgehäuse" ersetzt. Da überdies die Wendung "geeignet und bestimmt" im
Umfang der letzten beiden Worte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
(GRUR 2006, 839 – Deckenheizung) unbestimmt ist, andererseits aber das Wort
"geeignet" für sich allein nicht genügt, um die Beschränkung des Urteilsausspruches auf
Angebote und Lieferungen im Anwendungsbereich des § 10 PatG zum Ausdruck zu
bringen, hat der Senat die Worte "und bestimmt" nicht nur aus der Entscheidungsformel
des landgerichtlichen Urteils gestrichen, sondern durch die Worte "und dazu
vorgesehen waren" ersetzt. Dies entspricht der Sache nach dem Begehren der Klägerin,
die sich nicht gegen patentfreie Benutzungsarten wendet.
1.
30
Das Klagepatent betrifft ein Münzschloss; derartige Münzschlösser werden an
Transport- und insbesondere Einkaufswagen befestigt, welche gegen Einführen einer
Pfandmünze von einer Sammelstelle abgekoppelt werden können und nach Gebrauch
an einer entsprechenden Sammelstelle wieder angekoppelt werden müssen, um die
Pfandmünze zurückzuerhalten. Das soll verhindern, dass leere Einkaufswagen wahllos
abgestellt werden.
31
An dem aus der deutschen Offenlegungsschrift 25 54 916 (Anlage H 3), deren Figur 1
nachstehend wiedergegeben ist, bekannten Schloss bemängelt die Klagepatentschrift
dessen Größe (Spalte 1, Zeilen 30 bis 38). Da es bei einem Einbau an Einkaufswagen
teilweise in dessen Ladebereich hineinrage, behindere es das Be- und Entladen; die
eingekaufte Ware müsse beim Beladen von der Griffseite aus um das Münzschloss
herum bewegt werden.
32
An Münzschlössern gemäß der deutschen Offenlegungsschrift 29 00 367 (Anlage H 4),
deren Figur 1 nachstehend ebenso wiedergegeben ist wie Figur 9 der in diesem
Zusammenhang in der Patentbeschreibung ebenfalls erörterten Gebrauchsmusterschrift
81 21 677 (Anlage H 5), wird beanstandet (Spalte 1, Zeilen 38 bis 40), derartige
Schlösser ließen sich zwar aufgrund ihrer geringeren Größe am rückwärtigen
Schiebegriff des Einkaufswagens befestigen, bei einer Befestigung in der Mitte des
Griffs – insbesondere des aus dem Gebrauchsmuster 81 21 677 bekannten Schlosses –
rage dieses aber störend in einen etwa vorhandenen Kindersitzbereich hinein.
33
An dem aus der deutschen Offenlegungsschrift 33 24 962 (Anlage H 6), deren Figur 8
nachstehend wiedergegeben ist, bekannten Gegenstand wird kritisiert (Spalte 1, Zeilen
47 bis 55), Einkaufswagen mit wie dort offenbart an der Korbaußenseite befestigtem
Schloss ließen sich nicht mehr oder nur mühsam durch enge Durchgänge in
Kassenzonen schieben.
34
Als allen vorbekannten Münzschlössern anhaftender Nachteil wird überdies
beanstandet (Klagepatentschrift Spalte 1, Zeilen 56 bis 62), sie müssten mit Hilfe von
Befestigungselementen an den Einkaufswagen montiert werden, was sich bei
Massenartikeln wie Einkaufswagen durch das notwendige Anbringen an jedem
einzelnen Wagen zu einem kostenträchtigen Zeitaufwand summiere.
35
Hiervon ausgehend ist in der Klagepatentschrift als Aufgabe (technisches Problem) der
Erfindung angegeben (Spalte 1, Zeile 63 bis Spalte 2, Zeile 6),
36
die Montagezeit zum Anbringen eines Münzschlosses auf ein Minimum zu
reduzieren,
den Raum für ein im Einkaufswagen mitzuführendes Kleinkind nicht unzumutbar
zu verkleinern und
das Be- und Entladen des Wagens nicht durch das Münzschloss zu behindern.
37
38
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in Anspruch 1 eine Vorrichtung mit
folgenden Merkmalen vor:
39
1. Es handelt sich um ein Münzschloss (1) zum Anbau an Transportwagen (12).
2. Das Münzschloss ermöglicht
40
41
ein An- und Abkoppeln freistehender Transportwagen untereinander und/oder
ein An- und Abkoppeln von Transportwagen, die mit einer fest installierten
Sammelstelle (23) direkt oder über weitere Transportwagen indirekt mit dieser
Sammelstelle verbunden sind.
42
43
3. Das Münzschloss umfasst eine Koppelungseinrichtung (10).
4. Das Münzschloss ist mit einem oder mit zwei Schiebegriffabschnitten (4)
ausgestattet.
5. Endbereiche (8) des Münzschlosses sind zur Befestigung an den Transportwagen
bestimmt.
44
45
Wie der Durchschnittsfachmann erkennt, kombiniert die in diesen Merkmalen unter
Schutz gestellte Erfindung zwei Wirkungen miteinander. Die erste besteht darin, die
Schiebegriffe und das Münzschlossgehäuse zu einer Einheit zu integrieren, die im
Klagepatent als Münzschloss bezeichnet wird. Das verringert den Montageaufwand. Da
Schiebegriff und Schlossgehäuse zu einer einzigen vorkonfektionierten Baueinheit
zusammengefasst werden, ist mit dem Schiebegriff zugleich das Münzschloss am
Wagen montiert (Klagepatentschrift Spalte 2, Zeilen 8 bis 18; Spalte 3, Zeile 61 bis
Spalte 4, Zeile 13; BGH Anlage B 12, Seite 9 Tz. 16). Das bezeichnet die
Klagepatentschrift als
entscheidenden Vorteil
46
Klagepatentschrift wiederholt hervorhebt, wie wichtig es im Rahmen der Erfindung ist,
Montagezeit einzusparen, bezieht sich das nur auf den Einbau der vorkonfektionierten
Baueinheit "Münzschloss"; die Zeitersparnis soll dadurch erreicht werden, dass
Griffstange und Münzschloss nicht hintereinander in zwei getrennten Arbeitsgängen
angebracht werden müssen und das Befestigen des Münzschlosses auf der Griffstange
dann womöglich noch langwierige und komplizierte Arbeiten wie Anschrauben unter
vorheriger Gewindebohrung verlangt. Der angestrebte Vorteil betrifft aber nicht den
vorgelagerten Vorgang der Konfektionierung der erfindungsgemäßen Vorrichtung. Hier
ist der Schutzbereich nicht auf einstückige oder Steckverbindungen beschränkt, sondern
erfasst jede beliebige Verbindung der Schiebegriffabschnitte und des Gehäuses, die zu
einer fertig konfektionierten Einheit führt, die dann ebenso in einem Arbeitsgang am
Wagen montiert werden kann wie die herkömmliche Griffstange zum Schieben. Auch
dass die besagten Teile zusammengeschraubt werden und dazu vorher an den
Schiebegriffabschnitten Gewindelöcher geschnitten werden müssen, schadet in diesem
Zusammenhang nicht.
Als zweites wird das Volumen der Schiebegriffeinrichtung zur Gestaltung und
Unterbringung des eigentlichen Münzschlosses mit genutzt. Das vermindert das Maß,
um das das Münzschlossgehäuse den Schiebegriff nach außen überragt und verringert
den Raumbedarf des Münzschlosses. Letzteres baut anders als etwa die aus der
Offenlegungsschrift 29 00 367 bekannte Vorrichtung nicht mehr störend auf dem
Transportwagen bzw. dem Schiebegriff auf (Klagepatentschrift Spalte 1, Zeilen 38 bis
46; Spalte 2, Zeilen 19 bis 28). Dieser in der Klagepatentbeschreibung als
wesentlich
bezeichnete Vorteil der Erfindung trägt mit dazu bei, dass der Raum zur Unterbringung
eines Kleinkindes nunmehr allenfalls noch unwesentlich beeinträchtigt wird
(Klagepatentschrift Spalte 2, Zeilen 32 bis 37; Spalte 4, Zeilen 31 bis 34). Gleichzeitig
behindert das Münzschloss das Be- und Entladen des Wagens vom Griffbereich aus
nicht. Beides bewirkt zusammen weiter, dass das Münzschloss im Griffbereich liegt und
den Wagen nicht mehr seitlich überragt (Klagepatentschrift Spalte 1, Zeilen 46 bis 45;
Spalte 2, Zeilen 34/35).
47
a)
48
Zur Verwirklichung des im Mittelpunkt des Streits stehenden Merkmals 4 genügt es
nicht, dass das Münzschlossgehäuse
auf
reicht entgegen der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2010
vertretenen Auffassung auch nicht aus, das Gehäusevolumen dadurch zu reduzieren,
dass eine der beiden Gehäusehälften zugleich die Befestigungsmittel verkörpert,
sondern es muss mit seinem Volumen zumindest teilweise
im
Schiebestange
unter
(Klagepatentschrift, Spalte 2, Zeilen 21 und 22) bringt Merkmal 4 durch die Vorgabe zum
Ausdruck, das erfindungsgemäße Münzschloss nicht mit einem herkömmlichen
Schiebegriff, sondern mit Schiebegriff
abschnitten
Stand der Technik bekannte durchgehende Griffstange gewissermaßen in
Abschnitte
zerlegt und das Münzschloss in den freien Raum zwischen den Abschnitten eingefügt.
49
Die erfindungsgemäße Lehre besteht demgegenüber nicht darin, nur eine vormontierte
Kombination von Schiebegriff und Münzschloss zur Verfügung zu stellen. Auch ein
Münzschloss, das – gleichgültig ob lösbar oder materialeinheitlich einstückig und
unlösbar – auf oder an dem Schiebegriff bzw. der Griffstange vormontiert befestigt wäre,
50
könnte nicht allein deshalb als mit Schiebegriffen ausgestattet im Sinne der
erfindungsgemäßen Lehre qualifiziert werden. Ein etwa – auch einstückig – nach Art der
Offenlegungsschrift 29 00 367 mittig am Griff befestigtes Münzschloss wäre immer noch
genauso raumfordernd wie das vorbekannte Schloss. Es wiese keine Griff
abschnitte
Sinne der Erfindung auf, sondern wäre auf einer durchgehenden Schiebestange
befestigt, auch wenn diese Stange zu beiden Seiten des Münzschlosses mit der Hand
gegriffen werden kann.
b)
51
Was das Klagepatent unter Schiebegriffabschnitten versteht, erschließt sich dem
angesprochenen Durchschnittsfachmann aus den bereits zitierten Vorteilsangaben in
Spalte 2, Zeilen 9 bis 18 der Klagepatentschrift und auch aus den Figurendarstellungen.
Die Klagepatentschrift definiert die erfindungsgemäßen Schiebegriffabschnitte als
Gegenstände, die beim Schieben des Transportwagens zur Auflage der Hände dienen
(vgl. Spalte 3, Zeilen 7 bis 9) und mit denen das Münzschloss am Wagen befestigt wird
(Spalte 3, Zeile 61 bis Spalte 4, Zeile 13). Im übrigen überlässt das Klagepatent,
insbesondere sein Anspruch 1, die konstruktiven Einzelheiten der Ausgestaltung der
Schiebegriffabschnitte – wie auch des Münzschlosses insgesamt – weitgehend dem
Belieben des Durchschnittsfachmanns. Mit dem Ausdruck "Schiebegriffabschnitt" wird
deutlich, dass nicht der gesamte Schiebegriff gemeint ist, sondern nur ein Teil davon,
unabhängig davon, ob das Münzgehäuse zwischen zwei Griffabschnitten oder am einen
Ende eines einzigen Abschnittes angeordnet ist. Da das erfindungsgemäße
Münzschloss gleichzeitig mit seinen Endbereichen am Transportwagen befestigt wird
und es hierdurch keinen über den Endbereich hinausragenden Teil des Schiebegriffes
gibt (vgl. BGH a.a.O. Seite 9/10 Tz. 17), füllt erfindungsgemäß die axiale Ausdehnung
von Schiebegriffabschnitt(en) und Münzschlossgehäuse die gesamte Distanz zwischen
den beiden zur Befestigung des Schiebegriffs vorgesehenen Tragarmen aus;
Schiebegriffabschnitt und Münzschlossgehäuse entsprechen zusammen der Länge der
bisher üblichen Griffstange zum Schieben des Transportwagens. Daraus folgt
umgekehrt, dass die Erstreckung des Gehäuses nicht zum Schiebestangenabschnitt
zählt und von diesem zu unterscheiden ist.
52
c)
53
Das bedeutet jedoch nicht, dass Schiebegriffabschnitt und Münzschlossgehäuse als
einstückige Baueinheit gefertigt werden müssen; eine solche Ausführungsform ist erst
Gegenstand des Unteranspruches 3. Unteranspruch 4 offenbart dagegen eine lösbare
Befestigung der Schiebegriffabschnitte am Münzschlossgehäuse, während Anspruch 2
die Erfüllung der Vorgabe, jeden Schiebegriffabschnitt am Münzschlossgehäuse
anzuordnen, ebenso ins Belieben des Durchschnittsfachmanns stellt wie der noch
allgemeiner gefasste Hauptanspruch 1 (vgl. auch BGH a.a.O., Tz. 10).
54
Sämtliche einschlägigen Ansprüche gehen davon aus, dass die Schiebegriffabschnitte
zu einer oder beiden Seiten des Münzschlossgehäuses angeordnet sind. Auch die in
Unteranspruch 4 gelehrte lösbare Verbindung wird nach den Ausführungen der
Klagepatentbeschreibung aus Schiebegriffabschnitten und Münzschlossgehäuse zu
einem einzigen Teil zusammengesteckt (vgl. Spalte 3, Zeile 52 bis 60). Die hierzu
erforderliche Stabilität soll durch ausreichend stabile Steckverbindungen wie
bajonettartige Verschlüsse (a.a.O.) erreicht werden. Das stellt sicher, dass im Bereich
des Münzschlossgehäuses das gesamte Volumen – auch soweit es in die Griffstange
55
integriert ist – zur Aufnahme der Koppelungseinrichtung zur Verfügung steht. Es mag
sein, dass man hierzu auch durchgehende Kernrohre verwenden kann, entscheidend ist
aber, dass auch im Bereich des Schiebegriffabschnittvolumens das Gehäuse
wenigstens zum Teil für die Aufnahme der Koppelungseinrichtung frei ist, letztere also
zumindest in einen Teil des Schiebegriffabschnittdurchmessers hineinreicht. Ein
durchgehendes Rohr müsste hierzu entweder im Durchquerungsbereich des
Münzschlossgehäuses einen kleineren Querschnitt haben als im Bereich der
Schiebegriffabschnitte oder im Bereich der Schiebegriffabschnitte von einem Außenrohr
umgeben sein, das einen gewissen radialen Abstand vom Innenrohr einhält. Es genügt
nicht, das Rohr gleichen Durchmesser lediglich mit einem dünnen unmittelbar
aufliegenden Kunststoffmantel zu versehen (vgl. hierzu bereits Senat, Anlage H 2, S. 25,
Abs. 1 a.E.). Dann ist nämlich das Volumen der Stange für die Unterbringung der
Koppelungseinrichtung praktisch nicht nutzbar. Es verhält sich kaum anders als bei
einem Gehäuse, das mit seinem Boden auf der Stange aufliegt und sie mit darunter
angebrachten Elementen umgreift. Auch ein durch das Münzschlossgehäuse
durchgehendes Rohr kann aber im Rahmen der Erfindung zur Befestigung der
Schiebegriffabschnitte verwendet werden, sofern deren Durchmesser groß genug ist.
Anders als im Urteil des Senats vom 16. Dezember 2004 (Anlage H 2, S. 21, Abs. 1)
ausgeführt, lässt sich die erfindungsgemäße Lehre bei einem durchgehenden Rohr nur
verwirklichen, wenn die Umhüllung, die auf das innere Rohr aufgezogen werden muss,
den Durchmesser der Schiebegriffabschnitte in einem praktisch erheblichen Ausmaß
erhöht, wobei es selbstverständlich ist, dass diese Querschnittserhöhung nicht auf
beliebige Maße erfolgen kann, sondern in jedem Fall zu beachten ist, dass die
Griffauflage es noch ermöglicht, sie mit den Händen umgreifen, um den Transportwagen
schieben und auch wieder anhalten und lenken zu können. Sofern es nur ein praktisch
relevanter Anteil des Gehäusevolumens ist, den der Freiraum zwischen
Schiebegriffabschnitten aufnimmt, stellt Anspruch 1 die konkrete Höhe dieses Anteils in
das Belieben des Fachmannes. Entgegen der von der Beklagten in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht braucht dieser Anteil nicht den weitaus
überwiegenden Teil des Volumens zu umfassen. In dieser Richtung enthält die
Klagepatentschrift weder in den Patentansprüchen noch in der Beschreibung Hinweise.
Für das Münzschlossgehäuse nebst Inhalt bedeutet das, dass es ein Mittel im Sinne des
§ 10 Abs. 1 PatG ist, das mit den Schiebegriffabschnitten zu einer erfindungsgemäßen
Einheit verbunden werden kann.
2.a)
56
Geht man hiervon aus, hat das Landgericht auch das von der Beklagten für die
Ausführungsform "C" an A gelieferte Münzschlossgehäuse zu Recht als Mittel im Sinne
des § 10 Abs. 1 PatG beurteilt. Sofern es mit Schiebegriffabschnitten ausreichenden
Durchmessers verbunden wird, der auch Teile des Gehäusevolumens aufnimmt, tritt das
erfindungsgemäße Zusammenwirken von Gehäuse und Griffabschnitten ein, die
entgegen der Ansicht der Beklagten auch zu einer erfindungsgemäß mit demselben
Arbeitsaufwand wie die Griffstange am Wagen montierbaren vorkonfektionierten
Baueinheit miteinander verbunden werden können, indem man Griffprofile und Gehäuse
auf das Kernrohr aufschiebt. Dementsprechend hat die Abnehmerin A mit Hilfe der von
der Beklagten bezogenen Münzschlossgehäuse Münzschlösser gefertigt, wie sie das
Klagepatent in Anspruch 1 unter Schutz gestellt hat. Das Münzschlossgehäuse
umfasste die in den Merkmalen 2 und 3 vorgesehene Koppelungseinrichtung zum An-
und Abkoppeln des Transportwagens an eine Sammelstelle oder einen anderen
Wagen; das von A hinzugefügte Kernrohr bildete im Bereich der aufgeschobenen
57
Griffprofile mit diesen zusammen die Schiebegriffabschnitte im Sinne des Merkmals 4,
die mit den im Merkmal 5 vorgesehenen Endbereichen zur Befestigung am
Transportwagen versehen waren. Kernrohr und Griffprofile übernehmen zusammen die
Funktionen, die das Klagepatent den Schiebegriffabschnitten zuweist. Das Kernrohr
diente zur Befestigung der Vorrichtung am Transportwagen, die an den Griffprofilen vom
Benutzer zum Schieben und Anhalten des Wagens mit den Händen umfasst werden
konnte. Beide zusammen brachten die notwendige Stabilität der Vorrichtung auf. Die
durch das Aufschieben der Griffprofilhülsen entstandenen Schiebegriffabschnitte zu
beiden Seiten des Münzschlossgehäuses sind zwar mehrteilig, aber das Klagepatent
umfasst auch solche Ausbildungen, wie die Figuren 1 und 3 der Klagepatentschrift
zeigen; dort ist ein Innenrohr (5‘) dargestellt, das von einem die eigentliche Grifffläche
bildenden Außenrohr (5) konzentrisch umgeben wird (vgl. dazu Klagepatentschrift
Spalte 3, Zeilen 26 bis 35). Diese Darstellung gilt entgegen der von der Beklagten in der
mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht nicht nur einstückigen Fertigungen von
Innen- und Außenrohr, sondern auch mehrteiligen Ausführungsformen. Auf beide passt
die Aussage in der Beschreibung (Klagepatentschrift Spalte 3, Zeilen 31 ff.), innerer und
äußerer Rohrabschnitt seien durch längsverlaufende Stege miteinander verbunden; wie
diese Verbindung zu bewerkstelligen ist, wird dort ebenso wenig ausgeführt wie
Vorgaben über die zu verwendenden Materialien dort enthalten sind.
Die von A gefertigte Vorrichtung erreicht auch die Vorteile, die das Klagepatent bietet.
Sie ermöglicht eine Montage am Transportwagen, die sich von derjenigen der in
Unteranspruch 4 gelehrten Ausbildung mit lösbaren Schiebegriffabschnitten nicht
signifikant unterscheidet. Während dort die Einheit "Münzschloss" durch
Zusammenstecken der Schiebegriffabschnitte mit dem Gehäuse oder durch jede andere
geeignete Verbindung dieser Teile entsteht und diese Einheit sodann an den
Tragarmen des Transportwagens montiert wird, wird bei der von A hergestellten
Vorrichtung das von der Beklagten gelieferte Münzschlossgehäuse zusammen mit dem
Griffstück auf das Kernrohr aufgeschoben und die daraus gebildete Einheit als Ganzes
am Transportwagen angebracht. Wie das in der mündlichen Verhandlung von der
Beklagten vorgelegte Muster der Gesamtvorrichtung (Anlage BK 3) zeigt, ist der kürzere
der beiden Schiebegriffabschnitte in seiner Endposition auf dem Kernrohr festgeklemmt
und kann dann nicht weiter über den benachbarten Endbereich hinaus vor- und vom
Kernrohr wieder heruntergeschoben werden. Das hält die vorkonfektionierte Baueinheit
zusammen und ermöglicht es, sie als Ganzes und in einem Arbeitsgang an den
Tragarmen des Transportwagens anzubringen.
58
Die Vorrichtung bietet auch den erfindungsgemäß angestrebten Raumvorteil. Wie
bereits ausgeführt wurde, genügt es, dass das Münzschlossgehäuse mit einem Teil
seines Volumens in der Schiebegriffeinrichtung untergebracht ist. Da es um eine
Platzersparnis für die Mitnahme eines Kleinkindes und für ein möglichst ungehindertes
Be- und Entladen des Wagens geht, genügt dazu nicht schon, dass das
Münzschlossgehäuse um ein beliebig geringes Maß in die Ebene des Schiebegriffs
hinein ragt. Zwar ist auch keine maximale Überlappung notwendig, in jedem Fall aber
eine solche, die für die beiden praktischen Zwecke, um die es geht, in irgendeiner
relevanten Weise spürbar ist. Das trifft, wie das von der Beklagten vorgelegte Muster
zeigt, auch auf die von A gefertigte Ausführungsform "C" zu. Während im Bereich der
Griffoberseite die Griffprofile das Kernrohr lediglich um ihre Materialstärke einschließlich
derjenigen der Kunststoffauflage und damit um knapp 1 mm überragen, stehen sie im
unteren Bereich des Griffes um mehr als 10 mm über das Kernrohr vor. Dadurch
entstehen Schiebegriffabschnitte mit etwa dreieckigem Querschnitt, die zwischen sich
59
einen entsprechend großen Raum bereit stellen, der einen nicht unerheblichen Teil des
Münzschlossgehäusevolumens aufnimmt. Um das Maß des in diesen Zwischenraum
untergebrachten Teils ragt das Münzschlossgehäuse weniger über die Griffabschnitte
vor, und sowohl das Be- und Entladen des Wagens als auch der Platz für die
Unterbringung eines Kleinkindes an der Wagenrückseite werden dadurch weniger
beeinträchtigt. Das unterscheidet die von A mit Hilfe der angegriffenen Gehäuse
konfektionierten Münzschlösser von dem in der deutschen Offenlegungsschrift 29 00
367 beschriebenen Gegenstand.
b)
60
Die Beklagte hat die angegriffenen Gehäuse an ihren Abnehmer A zur Benutzung der
Erfindung geliefert, und A hat die der Beklagten bekannte und von dieser gebilligte
Zweckbestimmung getroffen, mit ihrer Hilfe in Anspruch 1 unter Schutz gestellte
Münzschlösser herzustellen. Unwiderlegt hat die Klägerin dazu vorgetragen, die
Beklagte habe gewusst, wie die Vorrichtungen beschaffen waren, in die A die ihr
gelieferten Gegenstände eingebaut hat. Da sie gleichwohl die Lieferung der Gehäuse
an A fortgesetzt hat, handelte sie mit dem für die subjektive Seite der mittelbaren
Patentverletzung nach § 10 PatG erforderlichen Vorsatz.
61
3.
62
Dass die Beklagte, weil sie entgegen § 10 PatG Mittel, die sich auf ein wesentliches
Element der klagepatentgeschützten Erfindung beziehen, an nicht berechtigte Dritte zur
Benutzung der Erfindung im Inland geliefert hat, der Klägerin zur Rechnungslegung und
zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil im
Wesentlichen zutreffend dargelegt (Abschnitt B IV. der Entscheidungsgründe, S. 29/30
des Urteilsumdruckes); auf diese Ausführungen wird zur Vermeidung von
Wiederholungen Bezug genommen. Sie sind allerdings um einen Gesichtspunkt zu
ergänzen, den das Landgericht nicht berücksichtigt hat. In der mündlichen Verhandlung
vor dem Senat hat die Beklagte ihr Vorbringen aus der Klageerwiderung (dort S. 19, Bl.
48 d.A.), deren Abbildung nachstehend wiedergegeben ist,
63
wiederholt, sie selbst verwende das angegriffene Gehäuse zur Montage auf dem auch
für die Ausführungsform "C" verwendeten Kernrohr entsprechenden flachovalen
Griffstangen ohne seitliche Griffprofile, ohne dass die Klägerin dem insoweit
entgegengetreten ist. Damit ist zwischen den Parteien unstreitig geworden, dass die
angegriffenen Gegenstände auch patentfrei verwendet werden können, weil das
Münzschlossgehäuse bei einer solchen Konfiguration in vollem Umfang auf dem
Schiebegriff aufbaut. Infolge dessen hätte während der Laufzeit des Klageschutzrechtes
kein unbeschränktes Verbot ergehen dürfen, sondern es hätte der Beklagten lediglich
untersagt werden können, die angegriffenen Gehäuse anzubieten oder zu liefern, ohne
gleichzeitig durch geeignete Maßnahmen – in erster Linie Warnhinweise – dafür zu
sorgen, dass die Ausschließlichkeitsrechte der Klägerin aus dem Klagepatent nicht
verletzt werden. Nachdem das Klagepatent abgelaufen ist, ergeben solche
Warnhinweise zwar keinen Sinn mehr, aber dennoch erfasst auch die Verpflichtung zum
Schadenersatz und zur Rechnungslegung keine Angebote und Lieferungen an
Abnehmer, die die angegriffenen Gehäuse in der vorbeschriebenen Weise patentfrei
benutzt haben, so wie auch die Beklagte selbst mit ihnen verfahren ist. Die
Entscheidungsformel darf daher nicht so gefasst werden, dass sie auch solche
patentfreien Angebote und Lieferungen in die Verurteilung zur Rechnungslegung und
64
zum Schadenersatz einbezieht, sondern sie muss hinreichend deutlich erkennen
lassen, dass sich die Verurteilung nur auf Angebote und Lieferungen zur Benutzung der
Erfindung erstreckt. Um die Beschränkung des Urteilsausspruches auf Angebote und
Lieferungen im Anwendungsbereich des § 10 PatG zum Ausdruck zu bringen, hat der
Senat die Worte "und bestimmt" in der Entscheidungsformel des landgerichtlichen
Urteils durch die Worte "und dazu vorgesehen waren" ersetzt.
III.
65
Als unterlegene Partei hat die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO auch die Kosten des
Berufungsverfahrens zu tragen. Dass gegen die Beklagte ein Schlechthinverbot nicht
gerechtfertigt war, verlangt keine vom Erkenntnis des Landgerichts abweichende
Kostenentscheidung nach § 91a ZPO. Die Klägerin hat im Rechtsstreit von vornherein
nur solche Münzschlossgehäuse als mittelbar patentverletzend angegriffen, die
tatsächlich mit aufgeschobenen Griffhülsen verwendet werden. Einem gerichtlichen
Hinweis, dass mit Rücksicht auf einen objektiv möglichen patentfreien Gebrauch ohne
Griffhülsen der Unterlassungsantrag einer Einschränkung bedarf, hätte sie sich
angesichts dessen nicht verschlossen. Das gilt umso mehr, als sie bereits in der
Klageschrift durch die Wendung "und bestimmt" – wenn auch in rechtlich unzulässiger
Form – selbst zum Ausdruck gebracht hat, dass sich ihr Klageangriff nur gegen solche
Münzschlossgehäuse richtet, die beim Abnehmer in patentgemäßer Weise – und nicht
patentfrei – verwendet werden. Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit
ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
66
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die hierfür in § 543 ZPO aufgestellten
Voraussetzungen ersichtlich nicht gegeben sind. Als reine Einzelfallentscheidung hat
die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO
noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes nach § 543 Abs. 2 Nr. 2
ZPO.
67
X Y Z
68