Urteil des OLG Düsseldorf vom 08.06.2010

OLG Düsseldorf (klasse, marke, treu und glauben, einstweilige verfügung, firma, anmeldung, geschäftsführer, abmahnung, zeichen, eigenes interesse)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-20 U 199/09
Datum:
08.06.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-20 U 199/09
Tenor:
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 18. November 2009
verkündete Urteil der 2a. Zivilkammer des Landgerichts Düs-seldorf
abgeändert und die einstweilige Verfügung vom 14. Juli 2009 unter
Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Antragstellerin ist Inhaberin der am 31. Januar 2007 angemeldeten und am 13.
März 2007 eingetragenen deutschen Wortmarke "H.", Registernummer DE 3... Die
Marke ist vom Geschäftsführer der Antragstellerin angemeldet und ursprünglich für
diesen eingetragen worden, im März 2009 ist dann eine Umschreibung auf die
Antragstellerin erfolgt. Die Marke ist für eine Vielzahl von Waren aus verschiedenen
Branchen eingetragen, darunter auch für Fahrzeuge aller Art, Fahrräder und
Motorräder (Klasse 12). Das Markenregister weist folgendes Verzeichnis aus:
3
Klasse·12: Sportwagen, Frontspoiler und Heckspoiler für Automobile, Karosserien
für Kraftfahrzeuge, Kleinstwagen, Kotflügel, Kraftfahrzeuge und deren Teile soweit
in Klasse 12 enthalten, Kraftfahrzeuge, Omnibusse, Reiseomnibusse,
Sicherheitskindersitze für Kraftfahrzeuge, Skiständer für Kraftfahrzeuge,
Sonnenblenden für Automobile, Bremsschuhe für Fahrzeuge, Fahrräder,
Motorräder, Fahrtrichtungsanzeiger für Fahrräder, Fahrtrichtungsanzeiger für
Kraftfahrräder, Gepäcktaschen für Zweiräder, Sättel für Fahrräder und Motorräder,
schlauchlose Fahrradreifen, Schutzbleche für Fahrräder, Fahrrad-
Zweiradbremsen, Fahrradfelgen, Fahrradketten, Fahrradmotoren, Fahrradkörbe,
Fahrradgabeln, Fahrradlenkstangen, Fahrradpedale, Fahrradpumpen
4
Klasse·25: Bekleidung für Autofahrer, Trikotbekleidung, Überzieher,
Unterbekleidungsstücke (schweißaufsaugend), Unterhosen, Unterwäsche,
Wäsche (Bekleidungsstücke), Wirkwaren, Absätze (für Schuhe), Badeschuhe,
Fußballschuhe, Gymnastikschuhe, Tennisschuhe, Golfschuhe, Squashschuhe,
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Badmintonschuhe, Hausschuhe, Holzschuhe, Schnürstiefel, Schuhbeschläge,
Schuhbeschichtungen, Schuhsohlen, Schuhvorderblätter, Schuhvorderkappen,
Skischuhe, Snowboardschuhe, Kampf- und Einsatzstiefel, Stoffschuhe,
Strandschuhe, Schwimmbekleidung, Kälteschutzbekleidung für Schwimmer,
Kopftücher (Bandanas), Stirn- und Schweißbänder
Klasse·28: Seehundfelle (Skifelle), Skibelag, Skibindungen, Skier, Skikanten,
Skischaber, Skiwachs, speziell an Skis und Snowboards angepasste Taschen,
Wasserskier, Snowboards, Snowboardbelag, Snowboardbindungen,
Snowboardkanten, Rollschuhe, Rollen für Rollschuhe, Schlittschuhe, Kufen für
Schlittschuhe, Tennisschläger, Squashschläger, Badmin-tonschläger,
Racketballschläger, Tischtennisschläger, Golfschläger, Divotausbesserungs-
werkzeuge (Golfzubehör), Werkzeug für das Zurücklegen von Rasensoden
(Golfzubehör), Golfhandschuhe, Golftaschen mit oder ohne Räder, Tennistaschen
mit oder ohne Räder, Tennisballwurfgeräte, Tennisnetze, Tischtennistische, L.
Schläger, Eishockeyschläger, Hockeyschläger, Fahrradheimtrainer, Rollen für
Fahrradheimtrainer, Angeln, Angelschnüre, Schwimmflossen, Surfbretter
(Segelbretter), Surfbretter (Wellenreiten), geldbetätigte Spielautomaten
(Maschinen), Spiele (einschließlich Videospiele), ausgenommen als Zusatzgeräte
für externen Bildschirm oder Monitor
6
Unter der Bezeichnung "H. NT 650 H." hat die japanische Firma H. in den 80er und
90er Jahren ein unverkleidetes Motorrad mit Aluminiumrahmen vertrieben.
Absatzmärkte waren neben Japan vor allem die USA, Kanada und Großbritannien.
7
Der Geschäftsführer der Antragstellerin hat 2007 noch eine Reihe weiterer Marken
angemeldet. Die Marken "S.", "R. B.", M. V." und "P." sind Anfang 2009 ebenfalls auf
Antragstellerin umgeschrieben worden. Auch diese Marken beanspruchen Schutz für
eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen unterschiedlichster Branchen. Das
Verzeichnis umfasst jeweils mindestens 100 verschiedene Waren und
Dienstleistungen aus drei bis fünf Klassen. So ist die Marke "S.", Registernummer DE
3…, unter anderem für Schutzhelme, Taucheranzüge (Klasse 9), Präservative (Klasse
10), Sportwagen, Reiseomnibusse, Fahrräder, Motorräder (Klasse 12),
Trikotbekleidung, Squashschuhe, Badmintonschuhe, Stoffschuhe,
Schwimmbekleidung (Klasse 25), Skier, Squashschläger, Golfschläger, Surfbretter,
Angeln und geldbetätigte Spielautomaten (Klasse 28) eingetragen. Die Marke "R. B.",
Registernummer DE 3…, ist unter anderem für Parfüms, Fleckentfernungsmittel
(Klasse 3), Brillen, Schutzhelme für Arbeiter, Röntgenfilme, Spielfilme,
Rechenmaschinen (Klasse 9), Unterwäsche, Jeanshosen, Schwimmmützen (Klasse
25), Skier, Squashschläger und Spielzeugflugzeuge (Klasse 28) eingetragen. Die
Marke "M. V.", Registernummer 3…, ist unter anderem für Rasiermittel, Zahnpflege
und Mundhygiene (Klasse 3), Party-Planung (Unterhaltung) und Komponieren von
Musik (Klasse 41) eingetragen. Die Eintragung für zahlreiche weitere Waren und
Dienstleistungen wie Farben (Klasse 2), Parfüms (Klasse 3), Betrieb eines Clubs,
Unterhaltung und Veranstaltung von Konzerten (Klasse 41) ist auf den Widerspruch
eines Dritten zwischenzeitlich gelöscht worden. Die Marke "P.", Registernummer DE
3…, ist unter anderem für Brillen, Sporthelme, Filme (Klasse 9), Trikotbekleidung,
Tennisschuhe, Schirmmützen (Klasse 25), Skier, Tennisschläger und Tennisnetze
(Klasse 28) eingetragen. Die Marken "S." und "R. B." hat die Antragstellerin im März
2010 auf eine Firma S. T. Limited übertragen, deren Geschäftssitz mit dem der
Antragstellerin identisch ist.
8
Eine weitere Marke "S.", Registernummer DE 3…, hat der Geschäftsführer der
Antragstellerin 2007 für die D. S. V. GmbH angemeldet. Diese Marke ist unter
anderem Rasiermittel, Parfüms (Klasse 3), Essbestecke, Messer, Jagdmesser (Klasse
8), Brillen (Klasse 9) und Armbanduhren (Klasse 14) eingetragen. Der Geschäftssitz
der D. S. V. GmbH ist ebenfalls mit dem der Antragstellerin identisch.
9
Die Firma P. ist ein in den Vereinigten Staaten von Amerika seit 2000 tätiger
Hersteller von Tennisschlägern, die sich durch eine diagonale Bespannung
auszeichnen, für die Patentschutz besteht. Unter "P. S." vertreibt die australische
Firma P. Zahnschützer, unter "S. E. S." die amerikanische Firma S. Badebekleidung
und unter "F. S. C. T. B." die italienische Firma F. F. Messer. Daneben trägt ein
Schuhmodell der Skatermarke S. die Bezeichnung "S.", der Sportartikelhersteller H.-T.
S. P. vertreibt einen Schuh unter "M. S.". Händler dieser Artikel hat die Antragstellerin
abgemahnt. Insgesamt hat die Antragstellerin über hundert Abmahnungen
ausgesprochen, die die Produkte Jeans, Messer, Quads, Jacken, Schuhe,
Badeanzüge, Skateboards, Zahnschützer, Motorroller, Fahrradsättel, Taschen, Skier
und Angelruten betrafen.
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Einziger Angestellter der Antragstellerin ist ihr Geschäftsführer. Die Antragstellerin
unterhält unter der Domain www.h....de.tl eine Internetpräsenz. Dort hat sie in Bezug
auf ihre geschäftlichen Aktivitäten ausgeführt:
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"Wir verkaufen hier nichts"
12
"Die meisten Besucher dieser Rubrik haben eine Abmahnung wegen einer
Markenverletzung erhalten. Jetzt wisst ihr wenigstens von WEM. Wir mahnen
grundsätzlich mit einem Streitwert von 100.000 Euro ab. Das ist Markenrecht.
Willkommen in der Realität, willkommen im Markenrecht".
13
Die Antragsgegnerin bot im Januar 2009 über die Internetplattform E. einen Motorroller
"H. silver-rot Scooter" an. Die Antragstellerin ließ die Antragsgegnerin mit Schreiben
ihrer Rechtsanwälte vom 22. Januar 2009 abmahnen und forderte sie zur Abgabe
einer vorformulierten strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung von
10.000 Euro Schadensersatz auf. Mit an die Antragstellerin selbst gerichteten
Schreiben vom 28. Januar 2009 gab die Antragsgegnerin eine mit Änderungen
versehene Unterlassungserklärung ab. Darin verpflichtete sie sich, es bei Meidung
eines in das billige Ermessen der Antragstellerin gestellten, gerichtlich zu
überprüfenden Vertragsstrafe zu unterlassen, Motorrollern im geschäftlichen Verkehr
unter der Bezeichnung "H." anzubieten. Die Sendung kehrte mit dem Vermerk
"verweigerte Annahme" zurück. Gegen die von der Antragstellerin beim Landgericht
Köln erwirkte einstweilige Verfügung legte die Antragsgegnerin unter Verweis auf die
von ihr abgegebene Unterlassungserklärung Widerspruch ein, wobei sie das Original
zur Gerichtsakte reichte. Auf Aufforderung der Verfahrensbevollmächtigten der
Antragstellerin übersandte sie diesen am 20. April 2009 ein weiteres Exemplar. Der
daraufhin erfolgten Erledigungserklärung von Seiten der Antragstellerin schloss sich
die Antragsgegnerin nicht an. Das Landgericht Köln hob die einstweilige Verfügung
auf und wies den auf ihren Erlass gerichteten Antrag mit der Begründung ab, die
Antragstellerin sei zur Annahme der Unterlassungserklärung verpflichtet gewesen und
müsse sich daher so behandeln lassen, als sei sie ihr schon damals zugegangen. Der
Berufung der Antragstellerin war kein Erfolg beschieden.
14
Am 19. Mai 2009 wurde die Antragstellerin von ihren Rechtsanwälten darüber
informiert, dass die Antragsgegnerin auf der Internetplattform "www.h....de" Motoroller
mit der Bezeichnung "H." eingestellt hatte. Das Angebot war zum damaligen Zeitpunkt
bereits abgelaufen. Das Angebot war jedoch über die Internetsuchmaschine G. durch
Eingabe der Suchbegriffe "R." und "H." aufrufbar. Auch die Eingabe von "H." als
Suchbegriff auf der Internetseite "www.b....com" der Antragsgegnerin führte zum
Angebot eines Motorrollers.
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Auf Antrag der Antragstellerin hat das Landgericht der Antragsgegnerin durch
Beschluss vom 3. Juli 2009 das Angebot von Motorrollern unter Marke "H." untersagt.
16
Gegen diese Beschlussverfügung hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt und
zur Begründung ausgeführt, die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sei
rechtsmissbräuchlich. Die Antragstellerin habe die Marke "H." und andere Marken
allein zur Generierung von Zwangslizenzen, Schadensersatzansprüchen und
Vertragsstrafen angemeldet. Ein vertraglicher Unterlassungsanspruch bestehe nicht,
die Antragstellerin habe ihr Angebot vom 28. Januar 2009 nicht angenommen. Im
Übrigen fehle es auch an einer Zuwiderhandlung, das reine Belassen eines
abgelaufen Angebots im Internet stelle kein Handeln im geschäftlichen Verkehr dar.
17
Das Landgericht hat die Beschlussverfügung durch Urteil bestätigt und zur
Begründung ausgeführt, ob die Antragstellerin die Marke "H." bösgläubig erworben
habe, könne dahinstehen, der Unterlassungsanspruch folge aus dem zwischen den
Parteien zustandegekommenen Unterlassungsvertrag.
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Hiergeben wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer form- und fristgerecht
eingelegten und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist
ordnungsgemäß begründeten Berufung.
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Die Antragsgegnerin trägt vor, es fehle schon an der erforderlichen Dringlichkeit, da
die Antragstellerin den von ihr behaupteten erneuten Verstoß noch in das Verfahren
vor dem Landgericht Köln hätte einführen können. Zudem nutze die Antragstellerin die
Marke "H." gar nicht. Die Geltendmachung der Ansprüche diene nur dem Ziel
Zwangslizenzgebühren, Vertragsstrafen und Gebührenansprüche zu generieren und
sei daher rechtsmissbräuchlich. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster
Instanz habe sie weitere Informationen über das rechtsmissbräuchliche Vorgehen der
Antragstellerin erhalten. Es sei die Geschäftsstrategie der Antragstellerin, Zeichen
etablierter ausländischer Anbieter im Inland für sich anzumelden, um sodann die
Händler dieser Produkte abzumahnen. Das Gebührenvolumen dieser Abmahnungen
und der mindestens vierzig Verfügungsverfahren stehe in keinem Verhältnis zur
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin. Ein weiterer Beleg für die
arglistige Ausnutzung ihrer formalen Stellung als Markeninhaberin sei der
Internetauftritt der Antragstellerin. Da die von der Antragstellerin ihr gegenüber
ausgesprochene Abmahnung folglich offenkundig rechtsmissbräuchlich gewesen sei,
könne der Einwand des Rechtsmissbrauchs auch einem auf diese zurückzuführenden
Unterlassungsvertrag entgegengehalten werden. Die Antragstellerin könne sich aber
auch aus anderen Gründen nicht auf einen vertraglichen Unterlassungsanspruch
stützen. Ein Unterlassungsvertrag sei zwischen den Parteien überhaupt nicht
zustande gekommen, weil die Antragstellerin ihr Angebot vom 28. Januar 2009
abgelehnt habe. Das der Antragstellerin am 20. April 2009 übermittelte Exemplar habe
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lediglich Dokumentationszwecken gedient. Zudem fehle es auch an einem Verstoß.
Das reine Belassen der Daten einer abgelaufenen Auktion auf einer Internetseite
stelle kein Handeln im geschäftlichen Verkehr dar.
Die Antragsgegnerin beantragt,
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das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 18.11.2009, Az. 2a O 160/09,
sowie die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom
14.07.2009, Az 2a O 160/09, aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin
vom 03.07.2009 zurückzuweisen.
22
Die Antragstellerin beantragt,
23
die Berufung zurückzuweisen.
24
Die Antragstellerin trägt vor, mit dem Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens
könne die Antragsgegnerin nicht gehört werden, weil sie die den Rechtsmissbrauch
angeblich begründeten Tatsachen bereits bei Vertragsschluss gekannt habe. Sie
habe diese bereits im Verfahren vor dem Landgericht Köln vorgetragen, eine
Anfechtung des Unterlassungsvertrages wegen Täuschung scheide schon deshalb
aus. Auch die Voraussetzungen für eine Kündigung des Unterlassungsvertrages
wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage seien nicht gegeben. Im Übrigen nehme sie
lediglich die ihr aus der Marke zustehenden Rechte wahr. Es sei richtig, dass sie
jeden abmahne beziehungsweise gerichtlich in Anspruch nehme, der ihre
Markenrechte verletze, dies sei ihr gutes Recht. Sie wolle sich nicht dem Vorwurf
aussetzen, die Nutzung ihrer Marken durch Dritte durch Nichtstun geduldet zu haben.
Eine Vielzahl der die Marke "H." betreffenden Verfahren sei dem Umstand geschuldet,
dass die österreichische Firma L. als Lieferant der Motorroller "H." ihre Abnehmer von
den Kosten freistelle, um sie in die Knie zu zwingen. Es treffe nicht zu, dass die Marke
"H." nur dem Generieren von Schadensersatzforderungen diene. Ihr Geschäftsführer
habe schon 1995 Squashschläger unter der Marke "H." vertrieben. Eine Verwendung
für Motorroller sei bereits bei Anmeldung der Marke beabsichtigt gewesen. Inzwischen
sei die Vertriebstätigkeit in Vorbereitung, zusammen mit der Firma L. Großhandel
habe sie 57 Motorroller geliefert erhalten, die nun zusammengebaut und unter der
Marke "H." vertrieben werden würden.
25
Der Senat hat die Parteien in der mündlichen Verhandlung davon in Kenntnis gesetzt,
dass er in Vorbereitung auf den Termin das Markenregister hinsichtlich der von den
Parteien eingeführten Marken eingesehen hat. Die früheren Verwendungen der
Zeichen sind erörtert worden. Die Antragstellerin hat der Senat darauf hingewiesen,
dass er eine Abmahnung auf der Grundlage einer Spekulationsmarke als vorsätzliche
sittenwidrige Schädigung werte und das Vorgehen aus einem auf diese
zurückzuführenden Vertrag als rechtsmissbräuchlich ansehe. Mit nicht
nachgelassenem Schriftsatz vom 28. Mai 2010 hat die Antragstellerin ihre Ansichten
zur Beseitigung des Unterlassungsvertrages durch Anfechtung wegen arglistiger
Täuschung und durch Kündigung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage
wiederholt, auf die Rechtsmissbräuchlichkeit der Ausübung einer durch gesetz- oder
sittenwidriges Verhalten erlangten Vertragsposition ist sie nicht eingegangen.
26
II.
27
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat auch in der Sache Erfolg.
28
Es kann dahinstehen, ob der Umstand, dass die Antragstellerin den vorliegend
verfahrensgegenständlichen Vorfall in das seinerzeit beim Landgericht Köln
anhängige Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung möglicherweise noch
hätte einführen können, der Annahme der Dringlichkeit entgegensteht. Für das
Dringlichkeitserfordernis als Ausprägung des Rechtsschutzbedürfnisses für das
Eilverfahren gilt der Grundsatz des logischen Vorrangs der Prozessvoraussetzungen
nur eingeschränkt. Die Frage der Dringlichkeit kann unentschieden bleiben, wenn die
Zurückweisung des Verfügungsantrags aus ohne weiteres ersichtlichen anderen,
auch materiellen Gründen ohnehin erfolgen muss (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche
Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 54 Rz. 15).
29
Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der Marke
"H." zur Kennzeichnung von Motorrollern. Es ist der Antragstellerin wegen
Rechtsmissbrauchs versagt, sich auf ihre gesetzlichen Rechte aus der Marke "H."
nach § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 MarkenG und auf ihre vertraglichen Rechte aus einer
nach ihrem Vorbringen mit der Antragsgegnerin geschlossenen
Unterlassungsvereinbarung zu berufen.
30
Der in § 242 BGB normierte Grundsatz von Treu und Glauben bildet eine allen
Rechten immanente Inhaltsbegrenzung, die im Verbot unzulässiger Rechtsausübung
ihre Ausprägung erfährt (Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 242 Rz. 38). Die
Berufung auf eine nur formale Rechtsstellung als Inhaber eines Kennzeichenrechts
widerspricht den Grundsätzen von Treu und Glauben und ist daher
rechtsmissbräuchlich (BGH, GRUR 1955, 299 - Koma). Hierzu gehört die
Registrierung eines Zeichens ohne ernsthaften Benutzungswillen mit dem Ziel,
Zeichennutzer später mit Schadensersatzforderungen zu überziehen oder zum Erwerb
zu veranlassen (BGH, GRUR 2001, 242, 244 - E-Classe; BGH, GRUR 2008, 1099,
Rz. 33 - afilias.de).
31
Eine solche Spekulationsmarke, die einen Unterfall der bösgläubigen
Markenanmeldung bildet, genießt keinen Schutz (Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl. §
8 Rz. 531). Der markenrechtliche Unterlassungsanspruch wird dem Markeninhaber
nicht gewährt, damit dieser Dritte um eines finanziellen Vorteils willen mit Verfahren
überziehen kann, sondern er dient dem Erhalt der Unterscheidungsfunktion der Marke.
Voraussetzung für das Entstehen des Markenrechts ist daher das Vorliegen eines
ernsthaften Benutzungswillens (BGH, GRUR 2001, 242, 244 - E-Classe). Die
fünfjährige Benutzungsschonfrist nach § 25 Abs. 1 MarkenG befreit den
Markenanmelder nicht von der Notwendigkeit des Vorliegens eines generellen
Benutzungswillens, sie begründet lediglich eine entsprechende Vermutung, die
widerleglich ist (BGH, GRUR 2001, 242, 244, 245 - E-Classe; Ströbele/Hacker,
MarkenG, 9. Aufl. § 8 Rz. 540).
32
Der Senat ist davon überzeugt, dass die Antragstellerin die Marke "H." ohne
ernsthaften Benutzungswillen zu dem Zweck angemeldet hat, Zeichennutzer mit
Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen überziehen zu können.
33
Als gegen einen Benutzungswillen sprechende Indizien kommen insbesondere die
Anmeldung einer Vielzahl von Marken für völlig unterschiedliche Waren, das Fehlen
einer ernsthaften Planung für die eigene oder fremde Benutzung dieser Marken und
34
die Hortung dieser Marken im wesentlichen zu dem Zweck, Dritte bei der Verwendung
gleicher oder ähnlicher Marken mit Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüchen
zu überziehen, in Betracht (Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rz. 541; BGH,
GRUR 2001, 242, 244 - E-Classe; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2005, 184, 185 - Depo-
Provera). Weiteres Indiz kann die Anmeldung bekannter Namen oder im Ausland
etablierter Zeichen anderer Anbieter sein (Ströbele/ Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rz.
544, Rz. 545).
Der Geschäftsführer der Antragstellerin hat in engen zeitlichen Zusammenhang mit
der Anmeldung der Marke "H." noch die Marken "S.", "R. B.", M. V." und "P."
angemeldet. Alle diese Marken beanspruchen Schutz für eine Vielzahl von Waren und
Dienstleistungen unterschiedlichster Branchen. Das Verzeichnis umfasst jeweils
mindestens 100 verschiedene Waren und Dienstleistungen aus drei bis fünf Klassen.
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So hat die Antragstellerin die Marke "H." neben Motorrädern nicht nur für andere
Fahrzeuge der Warenklasse 12 wie Sportwagen und Reiseomnibussen, sondern
auch für diverse Sport- und Schwimmbekleidungen (Klasse 25) sowie für
verschiedenste Sportgeräte, darunter neben verschiedenen Schlägern auch Skier,
Rollschuhe und Surfbretter (Klasse 28) und somit für eine Vielzahl von Waren völlig
unterschiedlicher Warengruppen angemeldet. Für die große Masse dieser Waren wird
ein Benutzungswille noch nicht einmal behauptet. Der der eidesstattlichen
Versicherung ihres Geschäftsführers zu entnehmende Vortrag der Antragstellerin
erschöpft sich in der Behauptung einer früheren Nutzung von "H." für Squash, Tennis-
und Badmintonschläger und der angeblichen Vorbereitung einer Nutzung für
Motorroller, Kleinmotorräder und Kleinfahrzeuge. Irgendein Bezug der Antragstellerin
oder ihres Geschäftsführers zum Winter- und Wassersport ist nicht erkennbar.
Desweiteren umfasst das Warenverzeichnis auch Omnibusse und Reisebusse, also
Kraftfahrzeuge, deren Entwicklung, Herstellung und Vertrieb das Vorhandensein
eines erfahrenen und leistungsstarken Unternehmens voraussetzen, also ein
Potential, das die nur über einen Angestellten verfügende Antragstellerin nicht im
Ansatz aufweist. Auch eine erfolgte oder zumindest in Vorbereitung befindliche
Lizenzierung der Marke "H." an in eine im Kraftfahrzeug, Winter- oder
Wassersportbereich tätige Firma wird nicht behauptet.
36
Gleiches gilt für Marken "S.", "R. B.", M. V." und "P.", die jeweils ebenfalls für eine
Vielzahl höchst unterschiedlicher Waren und Dienstleistungen aus verschiedensten
Klassen angemeldet worden sind, ohne dass irgendein Benutzungswille zu erkennen
wäre. So ist die Marke "S." für Taucheranzüge (Klasse 9), Präservative (Klasse 10),
Omnibusse (Klasse 12), Schwimmbekleidung (Klasse 25), Skier, Surfbretter und
Angeln (Klasse 28) eingetragen. Die Marke "R. B." ist für Parfüms (Klasse 3), Brillen,
Spielfilme (Klasse 9), Jeanshosen, Schwimmmützen (Klasse 25), Skier und
Spielzeugflugzeuge (Klasse 28) eingetragen. Die Marke "M. V." war für Farben
(Klasse 2), Rasiermittel, Parfüms (Klasse 3), Party-Planung (Unterhaltung) und Betrieb
eines Clubs (Klasse 41) angemeldet. Die Marke "P." ist für Brillen, Filme (Klasse 9),
Trikotbekleidung, Tennisschuhe (Klasse 25), Skier, Tennisschläger und Tennisnetze
(Klasse 28) eingetragen. Behauptet wird eine Nutzungsabsicht nur für die Marke "S."
und auch hier nur Schläger und Fahrräder.
37
Die Anmeldung derart umfassender Waren- und Dienstleistungsverzeichnisse kann
auch nicht mit einer Naivität des Geschäftsführers der Antragstellerin erklärt werden,
der die eigenen Möglichkeiten im Überschwang überschätzt habe. In diesem Fall
38
hätte die Antragstellerin beziehungsweise ihr Geschäftsführer spätestens vor dem
Ausspruch von Abmahnungen die eigenen Anmeldungen kritisch überdacht und sich
auf eine Abwehr der Markenverletzungen beschränkt, die das eigene
Nutzungskonzept in Frage stellen. Die Antragstellerin mahnt hingegen jede unter eine
der Eintragungen fallende Zeichennutzung unterschiedslos ab. So hat sie
Abmahnung bezüglich so unterschiedlicher Produkte wie Jeans, Messer, Quads,
Jacken, Schuhe, Badeanzüge, Skateboards, Zahnschützer, Motorroller, Fahrradsättel,
Taschen, Skier und Angelruten ausgesprochen. Schon dies lässt den Rückschluss zu,
dass sich die bei der Anmeldung der Marken verfolgte Intention in der Begründung
von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen erschöpft.
Bei der Anmeldung der Marken "H.", "S.", "P.", R. B." und "M. V." hat sich der
Geschäftsführer der Antragsteller zudem bereits durch Dritte genutzter Namen und
Zeichen bedient.
39
Bei "H.", "S." und "P." handelt es sich um im Ausland etablierte Zeichen anderer
Anbieter. So hat die japanische Firma H. in den 80er und 90er Jahren unter der
Bezeichnung "H. NT 650 H." ein unverkleidetes Motorrad mit Aluminiumrahmen
vertrieben. Ein Liebhaberobjekt, das unverändert gehandelt wird. Die Firma P. ist ein
in den Vereinigten Staaten von Amerika seit 2000 tätiger Hersteller von
Tennisschlägern, die sich durch eine diagonale Bespannung auszeichnen, für die
Patentschutz besteht. "S." ist Bestandteil einer ganzen Reihe von Zeichen
ausländischer Anbieter, so vertreibt die amerikanische Firma S. unter "S. E. S."
Badebekleidung und die Skatermarke S. unter "S." sowie der Sportartikelhersteller H.-
T. S. P. unter "M. S." jeweils einen Schuh. Die Marken "H.", "S." und "P." sind unter
anderem für die vorgenannten Produkte eingetragen.
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Der Senat ist davon überzeugt, dass die Anmeldungen in Kenntnis dieser Nutzungen
erfolgt sind. Es ist schon nicht sehr wahrscheinlich, dass drei Begriffe, die von
anderen für ihre Produkte genutzt werden, rein zufällig als Marken für diese Waren
angemeldet werden. Das Zeichen "P." ist zudem ein reines Kunstwort. Dass zwei
Personen unabhängig voneinander das gleiche derartige Kunstwort einfällt, ist in
hohem Maße unwahrscheinlich. Bei lebensnaher Betrachtung lässt dies nur den
Schluss zu, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin die Anmeldungen in
Kenntnis dieser Nutzungen vorgenommen hat. An den Nachweis der Kenntnis dürfen
keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (BGH, GRUR 2004, 510, 511 - S 100).
41
Solche Anmeldungen, bei der eine künftige Kollision mit einem fremden Zeichen
absehbar ist, machen keinen Sinn, wenn man unter der Marke eigene Produkte
vertreiben will. Die Gefahr von Verwechslungen schwächt die Unterscheidungskraft
und damit die wirtschaftliche Potenz des eigenen Zeichens. Sie macht nur Sinn, wenn
man darauf spekuliert, Importeure dieser Waren mit Unterlassungs- und
Schadensersatzansprüchen überziehen zu können.
42
In diese Richtung zielt ersichtlich auch die Anmeldung der Marken "R. B." und "M. V.".
"R. B." ist die englische Übersetzung von "Roter Baron", eines Fliegerhelden aus dem
ersten Weltkrieg, "M. V." war der Name einer populären amerikanischen Fernsehserie
in den 80er Jahren, die Ausdruck eines Lebensgefühls war. Die Marke "R. B." ist für
Spielzeugflugzeuge eingetragen, die Marke "M. V." war für Party-Planung
(Unterhaltung) und Betrieb eines Clubs angemeldet. In diesen Bereichen ist eine
Nutzung durch Dritte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, während eine
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entsprechende Nutzungsabsicht seitens der Antragstellerin beziehungsweise ihres
Geschäftsführers nicht einmal behauptet wird.
Die Neuausrichtung der geschäftlichen Aktivitäten des Geschäftsführers der
Antragstellerin auf das Ausnutzen der formalen Stellung als Markeninhaber zum
Zwecke des Überziehens der Zeichennutzer mit Unterlassungs- und
Schadensersatzforderungen wird auch durch die gegenüber der Antragsgegnerin
ausgesprochene Abmahnung vom 22. Januar 2009 dokumentiert. In der zu der
Abmahnung gehörenden und im beigezogenen Verfahren vor dem Landgericht Köln
(Az. 33 O 26/09) als Teil der Anlage ASt 4 vorformulierten Unterlassungserklärung
sollte sich die Antragsgegnerin zur Zahlung eines pauschalen Schadensersatzes von
10.000 Euro verpflichten. Das Fordern eines (über die Erstattung der Abmahnkosten
hinausgehenden) pauschalen Schadensersatzes ist ebenfalls ein Indiz für ein
rechtsmissbräuchliches Verhalten (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 28. April 2009, Az. 4 U
216/08, BeckRS 2009, 19460; Urteil vom 19. Mai 2009, Az. 4 U 23/09, BeckRS 2009,
19341).
44
Die durch die Würdigung der vorgenannten Indizien gewonnene Überzeugung des
Senats wird durch die von der Antragstellerin vorgelegten eidesstattlichen
Versicherungen nicht in Frage gestellt. Mit diesen lassen sich allenfalls
Nutzungshandlungen für Squash- und allenfalls noch für Tennis- und
Badmintonschläger belegen. Diese liegen aber zum einen alle vor Markenanmeldung.
Zum anderen ist der von der Antragstellerin im Termin übergebenen eidesstattlichen
Versicherung eines Mitarbeiters der Firma B. zu entnehmen, dass diese das Zeichen
"H." für ihre Tennis-, Squash- und Badmintonschläger seit 20 Jahren benutzt und den
Geschäftsführer der Antragstellerin lediglich seit 1992/93 mit den so
gekennzeichneten Schlägern beliefert hat. Die belegten Nutzungshandlungen
beziehen sich folglich auf die Nutzung eines fremden Zeichens. Es kann letztendlich
dahinstehen, ob diese früheren Nutzungshandlungen bei der Neuausrichtung des
Geschäftsbetriebs auf die Ausnutzung der formalen Stellung eines Markeninhabers
nicht lediglich die Auswahl von "H." als Marke befördert haben, da eine scheinbare
Legitimation vorteilhaft ist, oder ob der Marke "H." ein von einem Benutzungswillen
getragener Kern verbleibt. Eine Marke wird nicht allgemein, sondern für bestimmte
Waren eingetragen, so dass die Nutzung für eine Ware ihren Spekulationscharakter in
Bezug auf andere Waren nicht entgegensteht.
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Ein Benutzungswille für Motorroller lässt sich mit den eidesstattlichen Versicherungen
Dritter nicht belegen. Die eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der
Antragsteller, die sich im Übrigen in der Behauptung einer entsprechenden Absicht
erschöpft, ist hierzu nicht geeignet. Hierfür ist das Gewicht der für eine
Spekulationsmarke sprechenden Indizien zu groß. Als Geschäftsführer der
Antragstellerin und Anmelder der Marken hat er zudem ein ausgeprägtes eigenes
Interesse am Ausgang des Verfahrens. Die eidesstattliche Versicherung von Herrn K.
B. ist schon deshalb nicht geeignet, die Indizien zu entkräften, weil dieser erst nach
Anmeldung der Marken hiervon erfahren und mit dem Geschäftsführer der
Antragstellerin über Nutzungsmöglichkeiten gesprochen haben will. Die
Spekulationsmarke bildet einen Unterfall der bösgläubigen Markenanmeldung. Es
kommt daher ausschließlich auf den Zeitpunkt der Markenanmeldung an. Die
Bösgläubigkeit bei Anmeldung haftet der Marke an und kann durch späteres Verhalten
nicht mehr beeinflusst werden (Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rn. 531, Rn.
535). Es kann daher auch dahinstehen, ob die Antragstellerin nunmehr unter dem
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Druck mehrerer Rechtsmissbrauch konstatierender Entscheidungen tatsächlich eine
Benutzungsaufnahme plant.
Die Feststellung einer Anmeldung der Marke "H." ohne Benutzungswillen und mit
dem Ziel, Zeichennutzer mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen
überziehen zu können, wird zudem noch durch den Internetauftritt der Antragstellerin
belegt, mit dem die Annahme eines Spekulationscharakters der Marke letztendlich
auch allein hätte begründet werden können.
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So hat die Antragstellerin in ihrem Internetauftritt ausgeführt "Wir verkaufen hier nichts"
und "Die meisten Besucher dieser Rubrik haben eine Abmahnung wegen einer
Markenverletzung erhalten. Jetzt wisst ihr wenigstens von WEM. Wir mahnen
grundsätzlich mit einem Streitwert von 100.000 Euro ab. Das ist Markenrecht.
Willkommen in der Realität, willkommen im Markenrecht".
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Die Aussage "Wir verkaufen hier nichts" ist unmissverständlich. Sie kann nicht auf den
Vertriebsweg Internet verengt werden, sie reicht über diesen hinaus und lässt den
Rückschluss auf das Fehlen einer gegenwärtigen und des Willens zu einer künftigen
Nutzung zu. Ein Internetauftritt dient der Präsentation eines Unternehmens. Auch
Unternehmen, die keinen Internethandel betreiben, nutzen ihren Internetauftritt zur
Präsentation ihres Warenangebots und verbinden diesen mit dem Hinweis auf ihr
Ladenlokal. Besteht noch kein Vertrieb, wird das Unternehmen zumindest das
Geschäftskonzept erläutern und das künftige Warensortiment skizzieren. Die
Formulierung "Wir verkaufen hier nichts" wählt nur, wer Waren weder gegenwärtig
vertreibt, noch einen solchen Vertrieb für Zukunft beabsichtigt.
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Der Satz "Die meisten Besucher dieser Rubrik haben eine Abmahnung wegen einer
Markenverletzung erhalten" zeigt, dass die Antragstellerin mit einem von ihrer
Abmahntätigkeit losgelösten Interesse an ihrem Unternehmen selbst nicht rechnet.
Damit kann die nachfolgende Aussage "Jetzt wisst ihr wenigstens von WEM. Wir
mahnen grundsätzlich mit einem Streitwert von 100.000 Euro ab. Das ist Markenrecht.
Willkommen in der Realität, willkommen im Markenrecht" nur in dem Sinn verstanden
werden, diese Abmahntätigkeit sei der alleinige Daseinszweck der Antragstellerin, zu
dem sie sich in kaum zu überbietender Dreistigkeit offen bekennt.
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Es nutzt der Antragstellerin nichts, dass die Antragsgegnerin auf ihre Abmahnung hin
eine Unterlassungserklärung abgegeben hat. Einem hieraus möglicherweise
folgenden vertraglichen Unterlassungsanspruch stünde ebenfalls der Einwand
unzulässiger Rechtsausübung entgegen.
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Die bewusste Schaffung der Gefahr von Verwechslungen durch Anmeldung einer
Marke ohne eigenes Nutzungsinteresse, um daraus Kapital zu schlagen, stellt eine
vorsätzliche sittenwidrige Schädigung dar (OLG Frankfurt, GRUR-RR 2001, 264 -
weltonline.de). Die Antragstellerin hat folglich ihren vertraglichen
Unterlassungsanspruch, sollte ein solcher Vertrag überhaupt zustande gekommen
sein, durch eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung erlangt, denn ohne die
Anmeldung der Marke "H." und den Ausspruch der auf diese gestützten Abmahnung
hätte die Antragsgegnerin ihre Unterlassungserklärung nicht abgegeben.
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Entgegen der Ansicht der Antragstellerin kann ein Unterlassungsvertrag nicht nur
wegen arglistiger Täuschung angefochten oder wegen Wegfalls der
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Geschäftsgrundlage gekündigt werden. Wie bereits eingangs ausgeführt, bildet der in
§ 242 BGB normierte Grundsatz von Treu und Glauben eine allen Rechten immanente
Inhaltsbegrenzung, die im Verbot unzulässiger Rechtsausübung ihre Ausprägung
erfährt (Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 242 Rz. 38; vgl. a. BGH, GRUR 2001,
242, 244 - E-Classe, wo das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung als
allgemeiner Rechtsgrundsatz bezeichnet wird). Dass die Ausübung einer durch ein
gesetzwidriges oder sittenwidriges Verhalten erlangten Rechtsstellung
rechtsmissbräuchlich ist, entspricht allgemeiner Überzeugung (Palandt-Heinrichs,
BGB, 67. Aufl., § 242 Rz. 43).
Es kann dahinstehen, welche für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der
Antragstellerin sprechenden Umstände der Antragsgegnerin bei Abgabe oder
jedenfalls beim Zugang der Unterlassungserklärung bekannt waren, da die
Täuschung des Geschädigten nicht zu den Tatbestandsmerkmalen des § 826 BGB
gehört. Zudem hat die Antragsgegnerin ihre Kenntnis zum Ausmaß der
Abmahntätigkeit der Antragstellerin, die ebenfalls ein gewichtiges Indiz für
Qualifikation der Marke "H." als Spekulationsmarke darstellt, erst nach Schluss der
mündlichen Verhandlung in erster Instanz erlangt. Der Nachweis einer
Spekulationsmarke ist schwierig. Von daher kann es dem Geschädigten nicht zum
Nachteil gereichen, wenn er sich zunächst unterwirft, weil er die ihm bislang
vorliegenden Indizien noch nicht für hinreichend gewichtig erachtet.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Einer Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, die Sache ist kraft Gesetzes nicht
revisibel, § 542 Abs. 2 ZPO.
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Der Streitwert wird auf 50.000,00 Euro festgesetzt.
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