Urteil des OLG Düsseldorf vom 12.05.2005

OLG Düsseldorf: treu und glauben, darlehensvertrag, wirtschaftliche einheit, gegen die guten sitten, gerichtshof der europäischen gemeinschaften, zwangsvollstreckung, unrichtige angabe

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-6 U 158/04
Datum:
12.05.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-6 U 158/04
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das am 4. Juni 2004 verkündete Urteil
der 15. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung
in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
G r ü n d e
1
A.
2
Wegen des Sachverhalts wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen in der
angefochtenen Entscheidung Bezug genommen mit der Klarstellung, dass es in der
ersten Zeile auf Seite 4 oben des Urteils (Bl. 266 GA) statt "09.11.1999" richtig
"09.11.1990" heißen muss.
3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird gleichfalls auf
das erstinstanzliche Urteil verwiesen.
4
Mit ihrer Berufung stellen die Kläger das Urteil des Landgerichts insgesamt zur
Überprüfung durch den Senat. Namentlich machen sie geltend, die von ihnen
dargelegte Haustürsituation sei der Beklagten zuzurechnen. Abgesehen davon, dass es
nur darauf ankomme, ob überhaupt eine Haustürsituation vorliege, weil einer
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zufolge die Haustürgeschäfterichtlinie
immer dann gelte, wenn die Initiative zum Vertragsschluss nicht vom Verbraucher
ausgegangen sei, seien aber auch die von der Rechtsprechung entwickelten
Voraussetzungen für eine Zurechnung der Haustürsituation erfüllt. Nach der
Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs sei es für die Annahme
5
einer Pflicht der Bank zur Erkundigung nach einer Haustürsituation ausreichend, wenn
die Bank in irgendeiner Form in das Vertriebssystem eingebunden gewesen sei, etwa
dadurch, dass sie dem Vermittler ihre Vertragsformulare überlassen habe, oder wenn
der Darlehensnehmer den Darlehensvertrag an seinem Wohnort unterschrieben habe.
Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Die Beklagte habe der Vermittlerin ihre
Formulare überlassen. Ferner gehe aus dem Darlehensvertrag eindeutig hervor, dass
sie, die Kläger, ihn an ihrem Wohnort unterzeichnet hätten. Sollte hingegen eine
Zurechenbarkeit der Haustürsituation verneint werden, sei zwingend eine Aussetzung
des Verfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die diesem
vom Oberlandesgericht Bremen vorgelegten Fragen betreffend die Zulässigkeit der vom
Bundesgerichtshof aufgestellten einschränkenden Voraussetzungen der
Zurechenbarkeit vorzunehmen.
Die Kläger beantragen,
6
das am 4. Juni 2004 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts
Düsseldorf abzuändern und die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren
Ausfertigung der Urkunde des Notars Kurt Reis mit Amtssitz in Siegburg, UR-Nr.
..../1990 vom 31. Mai 1990, insoweit für unzulässig zu erklären, als sie in ihr
persönliches Vermögen erfolgt.
7
Die Beklagte beantragt,
8
die Berufung zurückzuweisen.
9
Sie verteidigt das angefochtene Urteil, bestreitet weiterhin, dass eine Haustürsituation
vorgelegen habe, und macht geltend, abgesehen davon sei eine etwaige
Überrumpelungs- bzw. Überraschungssituation in Fortfall geraten, weil der
Darlehensvertrag erst mehr als einen Monat nach dem von den Klägern behaupteten
Besuch des Zeugen G. in deren Wohnung von diesen unterzeichnet worden sei.
Jedenfalls sei ihr, der Beklagten, eine etwaige Haustürsituation nicht zuzurechnen. In
diesem Zusammenhang weist sie darauf hin, dass bereits in erster Instanz unstreitig
gewesen sei, dass sie, die Beklagte, die Darlehensformulare nicht in den Vertrieb
gegeben, sondern den Klägern unmittelbar übersandt habe.
10
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug
genommen auf den Inhalt der Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die
Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge sowie die in den nachfolgenden Gründen
getroffenen tatsächlichen Feststellungen.
11
B.
12
Die zulässige Berufung der Kläger ist nicht begründet.
13
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
14
Die gemäß §§ 767 (teilweise in entsprechender Anwendung), 795, 794 Abs. 1 Nr. 5
ZPO zulässige Vollstreckungsgegenklage ist nicht begründet. Die Kläger können weder
die Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels mit Erfolg geltend machen noch stehen
ihnen Einwendungen zu, die den in der vollstreckbaren Urkunde festgelegten Anspruch
selbst betreffen.
15
I. Die Übernahme der persönlichen Haftung durch die Kläger und die Unterwerfung
unter die Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen gemäß Ziffer 4 der notariellen
Grundschuldbestellungsurkunde vom 31. Mai 1990, UR-Nr. ..../1990 (Anlage K 7 zur
Klageschrift), sind wirksam.
16
1.
17
Der abstrakte Schuldversprechensvertrag nach § 780 BGB und die
Unterwerfungserklärung waren allerdings zunächst schwebend unwirksam oder noch
nicht voll wirksam, da ein Herr H. als Vertreter ohne Vertretungsmacht für die Kläger
gehandelt hatte. Der abstrakte Schuldversprechensvertrag ist aber gemäß § 177 BGB
dadurch wirksam geworden, dass die Kläger allen in der notariellen
Grundschuldbestellungsurkunde enthaltenen Vereinbarungen und Erklärungen
zugestimmt und diese genehmigt haben, wie sich aus der vor dem Notar Dr. J. mit Sitz in
XY von den Klägern abgegebenen Genehmigungserklärung zu UR-Nr. ..../1990 (Anlage
K 8 zur Klageschrift) ergibt. An der Wirksamkeit der Genehmigungserklärung lässt sich
nicht etwa deshalb zweifeln, weil die Kläger geltend machen, ihnen hätte das
Erklärungsbewusstsein gefehlt. Derjenige, der vor einem Notar seine Genehmigung zu
Vereinbarungen und Erklärungen erteilt, hat das Bewusstsein, eine rechtsgeschäftliche
Erklärung abzugeben.
18
Ferner hat auch die Unterwerfungserklärung durch die Genehmigungserklärung ihre
volle Wirksamkeit erlangt (vgl. hierzu Zöller-Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 794 Rn. 29a).
19
2. Die den Klägern damit zurechenbaren Erklärungen betreffend die Übernahme der
persönlichen Haftung und die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in
ihr gesamtes Vermögen gemäß Ziffer 4 der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde
sind weder überraschend noch unklar (§§ 3 und 5 AGB-Gesetz). Sie halten auch einer
Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz stand.
20
Ohne Erfolg machen die Kläger geltend, dass weder der Kaufvertrag noch die
Grundschuldbestellungsurkunde sie hinreichend klar darüber informiert hätten, dass
neben und unabhängig von der Zwangsvollstreckung durch den Verkäufer der
Wohnung auch noch die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte aufgrund eines von
der ursprünglichen Darlehensforderung losgelösten, abstrakten Titels möglich sein
würde. In Ziffer 4 der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde vom 31. Mai 1990
heißt es nämlich ausdrücklich, dass die Kläger die persönliche Haftung für die Zahlung
eines Geldbetrages, dessen Höhe der vereinbarten Grundschuld entspricht,
übernehmen, sich dieserhalb insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser
Urkunde in ihr gesamtes Vermögen unterwerfen und die Bank die persönliche Haftung
unabhängig von der Eintragung der Grundschuld und ohne vorherige
Zwangsvollstreckung in den belasteten Grundbesitz geltend machen kann. Abgesehen
davon entspricht es jahrzehntelanger Praxis, dass sich der mit dem persönlichen
Kreditschuldner identische Grundschuldbesteller bei Bankdarlehen regelmäßig der
Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwerfen muss. Die Übernahme
einer selbständigen, von der zu sichernden Kreditverbindlichkeit gelösten abstrakten
persönlichen Haftung in Höhe des Grundschuldbetrages soll in Verbindung mit der
Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung die Ansprüche der Bank aus der
Geschäftsverbindung zum Kunden sichern, indem sie deren Durchsetzung erleichtert;
eine unangemessene Benachteiligung des Kunden ist damit nicht verbunden (BGH WM
21
2003, 2372, 2374 und 2376, 2378; vgl. auch BGH WM 2003, 64, 65 f.; BGH WM 2003,
2410, 2411; BGH WM 2004, 372, 376).
II. Die Kläger können das abstrakte Schuldversprechen nicht wegen wirksamen
Widerrufs ihrer auf den Abschluss des Darlehensvertrag gerichteten Willenserklärungen
gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative, Abs. 2 BGB kondizieren. Der
Darlehensvertrag, der spätestens dadurch zustande gekommen ist, dass die Kläger am
9. August 1990 ihr "Einverständnis zu dem Darlehensvertrag" ausdrücklich bestätigt
haben, ist nicht unwirksam geworden. Die Kläger waren zum Widerruf ihrer auf den
Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung nicht berechtigt.
22
1. Ein Widerrufsrecht ergibt sich nicht aus § 7 VerbrKrG in der bis zum 30. September
2000 geltenden Fassung. Denn die Parteien haben den Darlehensvertrag bereits im
Jahre 1990 abgeschlossen, während das Verbraucherkreditgesetz erst am 1. Januar
1991 in Kraft getreten ist. Das im Jahre 1990 noch geltende Gesetz betreffend die
Abzahlungsgeschäfte kommt gleichfalls nicht zu Anwendung, weil sich dieses Gesetz
ausweislich seines § 1 Abs. 1 ausschließlich auf bewegliche Sachen bezog, hier aber
ein Immobiliarkredit in Rede steht.
23
2. Demgegenüber ist das Haustürwiderrufsgesetz anwendbar. § 5 Abs. 2 des
HaustürWG in der im Jahre 1990 geltenden Fassung, wonach allein das Gesetz
betreffend die Abzahlungsgeschäfte anzuwenden ist, wenn ein Haustürgeschäft
zugleich die Voraussetzungen eines Geschäfts nach dem Gesetz betreffend die
Abzahlungsgeschäfte erfüllt, steht dem – wie zuvor ausgeführt – mangels
Anwendbarkeit des Abzahlungsgesetzes nicht entgegen.
24
Unterstellt, der Zeuge G. hätte die Kläger tatsächlich am 10. Mai 1990 in deren
Wohnung aufgesucht, hätten die Kläger mit dem Anwaltsschreiben vom 2. März 2000
ihre auf den Abschluss des Kreditvertrages gerichteten Willenserklärungen trotzdem
nicht wirksam widerrufen.
25
a)
26
Es kann schon nicht festgestellt werden, dass die Kläger zum Abschluss des
Darlehensvertrages gerade durch die etwaigen mündlichen Verhandlungen im Bereich
ihrer Privatwohnung bestimmt worden sind. Allerdings setzt § 1 Abs. 1 HaustürWG nicht
den Abschluss des Vertrages in der Haustürsituation selbst voraus. Vielmehr reicht es
aus, dass eine Haustürsituation bei der Vertragsanbahnung vorlag und für den späteren
Vertragsschluss ursächlich war. Auch sieht das Gesetz einen engen zeitlichen
Zusammenhang zwischen der mündlichen Verhandlung gemäß § 1 Abs. 1 HaustürWG
und der Vertragserklärung nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs,
der sich der Senat anschließt, entfällt die Indizwirkung für die Kausalität jedoch bei
zunehmendem zeitlichen Abstand. Diesbezüglich hat der Bundesgerichtshof ausgeführt,
es sei eine Frage der Würdigung des Einzelfalles, ob sich der Darlehensnehmer auch
bei einem größeren zeitlichen Abstand zwischen der mündlichen Verhandlung und dem
Vertragsschluss durch einen Verstoß gegen § 1 HaustürWG in einer Lage befinde, in
der er in seiner Entschließungsfreiheit beeinträchtigt sei, den ihm später angebotenen
Vertrag zu schließen oder davon Abstand zu nehmen (vgl. BGH WM 2003, 1370, 1372 =
Bl. 159 ff., 166 GA m.w.N.). Hier lagen zwischen dem Besuch des Zeugen G. in der
Wohnung der Kläger am 10. Mai 1990 und der Abgabe der auf den Darlehensvertrag
gerichteten Willenserklärungen der Kläger am 15. Juni 1990 mehr als fünf Wochen.
27
Angesichts dessen und angesichts des Umstands, dass – wie den Klägern zuvor
bekannt war – zwischenzeitlich, und zwar am 31. Mai 1990, der Notartermin stattfand, in
dem der notarielle Kaufvertrag geschlossen wurde, den die Kläger am 15. Juni 1990
genehmigten, ist die Indizwirkung für eine Fortdauer des Überrumpelungseffekts
entfallen. Dies gilt vorliegend umso mehr, als die Kläger unter dem 9. August 1990, also
etwa drei Monate nach dem von ihnen behaupteten Besuch des Zeugen G.,
ausdrücklich ihr Einverständnis mit dem Darlehensvertrag bestätigt haben (Anlage B 2
zur Klageerwiderung). Umstände, die dafür sprechen, dass der Überrumpelungseffekt
dennoch fortdauerte und zumindest noch am 15. Juni 1990 bestand, als die Kläger den
Darlehensvertrag unterzeichneten, haben diese nicht vorgetragen. Auch in ihrem nicht
nachgelassenen Schriftsatz vom 27. April 2005 haben sie nicht nachvollziehbar
dargetan, dass die Haustürsituation ursächlich dafür war, dass sie den Darlehensvertrag
abgeschlossen haben, so dass keine Veranlassung besteht, die Wiederöffnung der
mündlichen Verhandlung anzuordnen.
Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Dezember 2001
(WM 2001, 2434 ff.) ist insoweit – entgegen der Ansicht der Kläger – ohne Bedeutung.
Der Europäische Gerichtshof hat darin zu den Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 1
der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den
Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen
Verträgen (im Folgenden: Haustürgeschäfterichtlinie) keine Stellung genommen,
sondern eine Haustürsituation im Sinne dieser Richtlinie vorausgesetzt (BGH WM 2003,
1370, 1372).
28
Im Hinblick darauf, dass nicht festgestellt werden kann, dass die Kläger zum Abschluss
des Darlehensvertrages durch die etwaigen mündliche Verhandlungen im Bereich ihrer
Privatwohnung bestimmt worden sind, bedarf es entgegen der Ansicht der Kläger nicht
der Vorlegung der Sache an den Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung der Frage,
ob es für die Anwendung von Art. 1 Abs. 1, 2. Spiegelstrich Buchstabe i) der
Haustürgeschäfterichtlinie ausreicht, dass die Anbahnung des später geschlossenen
Vertrages zwischen dem Gewerbetreibenden und dem Verbraucher in seiner Wohnung
begonnen hat oder ob insoweit ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem
Besuch des Gewerbetreibenden und dem eigentlichen Vertragsschluss zu fordern ist.
Denn ein enger zeitlicher Zusammenhang ist – wie oben ausgeführt – nicht
Voraussetzung, sondern begründet nur die Indizwirkung.
29
b)
30
Aber selbst wenn die Kläger zur Abgabe ihrer auf den Darlehensvertrag gerichteten
Willenserklärungen durch mündliche Verhandlungen im Bereich ihrer Privatwohnung
bestimmt worden sind, wäre eine solche Haustürsituation der Beklagten als
Erklärungsempfängerin nicht zuzurechnen. Bei der Beantwortung der Frage der
Zurechnung einer Haustürsituation ist auf die zu § 123 BGB entwickelten Grundsätze
zurückzugreifen. Denn nichts spricht dafür, denjenigen, der in einer Haustürsituation
überrumpelt und zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst worden ist, besser zu
stellen als denjenigen, der hierzu durch eine arglistige Täuschung bestimmt wurde.
Nach § 123 Abs. 1 BGB ist das Verhalten des Verhandlungsführers dem
Erklärungsempfänger zuzurechnen, wenn er dessen Angestellter, Mitarbeiter oder
Beauftragter ist oder wenn er wegen seiner Beziehungen zu diesem als dessen
Vertrauensperson erscheint. Ist der Verhandlungsführer Dritter im Sinne des § 123 Abs.
2 BGB, ist sein Handeln dem Erklärungsempfänger nur zuzurechnen, wenn dieser es
31
kannte oder kennen musste, wobei für eine fahrlässige Unkenntnis in diesem Sinne
ausreichend ist, dass die Umstände des einzelnen Falles den Erklärungsempfänger
veranlassen mussten, sich danach zu erkundigen, auf welchen Umständen die ihm
übermittelte Willenserklärung beruht (BGH WM 2003, 61, 63; BGH WM 2004, 521, 522
f.).
aa) Eine Zurechnung nach § 123 Abs. 1 BGB ist hier nicht gegeben. Es ist nicht
ersichtlich, dass der Zeuge G. Angestellter, Mitarbeiter oder Beauftragter der Beklagten
war. Er erschien auch nicht infolge einer engen Beziehung zur Beklagten als deren
Vertrauensperson. Hierfür reicht es insbesondere nicht aus, dass G. der Beklagten eine
Selbstauskunft der Kläger zukommen ließ, damit sie den schriftlichen Darlehensvertrag
vorbereiten konnte. Hierbei handelt es sich lediglich um eine der Beschleunigung der
Darlehensgewährung dienende Serviceleistung eines Immobilienvermittlers für seinen
Kunden, die nicht darauf schließen lässt, der Zeuge G. sei als Beauftragter oder gar
Vertrauensperson der Beklagten erschienen. Der weitere Vortrag der Kläger, der Zeuge
G. habe mit ihnen insbesondere die Darlehensbedingungen ausgehandelt, ist zum
einen schon zu pauschal, um beachtlich zu sein, und lässt zum anderen nicht erkennen,
dass die Beklagte den Zeugen G. diesbezüglich tatsächlich beauftragt hatte oder dass
G. deshalb als Vertrauensperson der Beklagten hätte erscheinen können. Den etwaigen
Erklärungen G., die Beklagte stehe hinter dem Objekt und finanziere alle Erwerber, lässt
sich gleichfalls nicht entnehmen, dass G. der Beauftragte oder eine Vertrauensperson
der Beklagten gewesen sein könnte. Schließlich führt der Umstand, dass die Beklagte
dem Vermittlungsunternehmen eine Provision in Höhe von 0,5 % der Darlehensvaluta
aus eigenem Ertrag gezahlt hat, auch nicht weiter. Insbesondere aus Sicht der Kläger
folgt daraus nicht, dass G. Beauftragter oder Vertrauensperson der Beklagten war,
zumal nicht einmal Anhaltspunkte dafür bestehen, dass den Klägern eine etwaige
Provisionsvereinbarung zwischen der Beklagten und dem Vermittlungsunternehmen,
der K. GmbH, bzw. dem Zeugen G. bekannt war.
32
bb) Eine Zurechnung nach § 123 Abs. 2 BGB scheidet gleichfalls aus.
33
(1) Es lässt sich nicht feststellen, dass die Beklagte das Handeln des Zeugen G. kannte
oder kennen musste. Für eine Kenntnis haben die Kläger nichts dargetan. Es ist auch
nicht ersichtlich, dass die Beklagte sich aufgrund der konkreten Gegebenheiten
veranlasst sehen musste, sich danach zu erkundigen, auf welchen Umständen die ihr
übermittelten Willenserklärungen der Kläger beruhten. Eine Erkundigungspflicht ist nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Finanzierung des Erwerbs einer
Eigentumswohnung durch eine Bank noch nicht allein deshalb anzunehmen, weil die
Bank Kenntnis davon hat, dass die Eigentumswohnung nicht von einer Privatperson,
sondern von einer gewerblich tätigen Bauträgergesellschaft und über einen Vermittler
verkauft und der Darlehensvertrag über ihn vermittelt wurde (BGH ZIP 2004, 521, 523).
Selbst wenn die Beklagte auch mit allen anderen Wohnungskäufern betreffend das hier
in Rede stehende Immobilienobjekt Darlehensverträge geschlossen hat, ist nicht
ersichtlich, dass sie sich hätte veranlasst sehen müssen, sich hier über die Umstände
der Vertragsanbahnung zu erkundigen, etwa weil G. auch andere potentielle
Darlehensnehmer in deren Wohnungen aufgesucht und die Beklagte hiervon Kenntnis
gehabt hätte. Allerdings kann sich nach der Rechtsprechung des II. Zivilsenats des
Bundesgerichtshofs eine Pflicht zur Erkundigung auch dann ergeben, wenn die Bank in
irgendeiner Form in das Vertriebssystem eingebunden ist, etwa indem sie dem
Vermittler die Anbahnung auch des Kreditvertrages durch das Zurverfügungstellen ihrer
Formulare überlässt, und wenn aufgrund des Inhalts der Kreditunterlagen Anhaltspunkte
34
dafür bestehen, dass der Anleger in einer Haustürsituation geworben worden ist (vgl.
hierzu BGH ZIP 2004, 1402, 1404). Dass die Beklagte in irgendeiner Form in das
Vertriebssystem des Vermittlungsunternehmens eingebunden war, etwa indem sie der
K. GmbH oder G. die Anbahnung auch des Kreditvertrages durch das
Zurverfügungstellen ihrer Kreditunterlagen überließ, ist nicht ersichtlich. Die Parteien
haben in erster Instanz vielmehr übereinstimmend vorgetragen, die Beklagte selbst
habe die Darlehensverträge per Post an die Kläger versandt. Außerdem hat die
Beklagte in erster Instanz unwidersprochen vorgetragen, dass die Kläger die von ihnen
unter dem 10. Mai 1990 unterzeichnete Selbstauskunft auf Formularen der K. GmbH
unterzeichnet hätten. Das damit in Widerspruch stehende pauschale neue Vorbringen
der Kläger in zweiter Instanz, die Beklagte habe ihre Vertragsformulare den Vermittlern
überlassen, ist unschlüssig und wäre, seine Schlüssigkeit unterstellt, mangels
Vorliegens der Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Damit fehlt es
schon an der ersten Voraussetzung, nämlich dass die Beklagte dem
Vermittlungsunternehmen die Anbahnung auch des Kreditvertrages überlassen hat.
Allein aufgrund des Umstands, dass die Kläger die Selbstauskunft (Anlage B 1 zur
Klageerwiderung) für die Beklagte erkennbar an ihrem Wohnort in XY unterzeichneten,
musste sich die Beklagte nicht veranlasst sehen, sich zu erkundigen, auf welchen
Umständen die Vertragsanbahnung beruhte. Nichts anderes folgt daraus, dass die
Kläger den Reservierungs- und Vermittlungsauftrag (Anlage K 1 zur Klageschrift)
gleichfalls an ihrem Wohnort unterzeichneten. Es ist schon nicht ersichtlich, dass der
Reservierungs- und Vermittlungsauftrag, der die K. GmbH betraf, der Beklagten
zusammen mit der Selbstauskunft übermittelt worden ist, die Beklagte hiervon also
Kenntnis hatte. Selbst wenn dies anders war und die K. GmbH der Beklagten mit der
Selbstauskunft auch den Reservierungs- und Vermittlungsauftrag übersandte, hätte sich
die Beklagten nicht veranlasst sehen müssen, sich zu erkundigen, auf welchen
Umständen die Vertragsanbahnung beruhte, zumal die K. GmbH selbst den
Reservierungs- und Vermittlungsauftrag nicht am Wohnort der Kläger unterzeichnete.
(2) Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften – entsprechend
Ziffer 1 des Vorlagebeschlusses des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen vom
27. Mai 2004 (NJW 2004, 2238 ff.) – oder zumindest eine Aussetzung des Rechtsstreits
gemäß § 148 ZPO bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften über die dortigen Vorlagefragen ist nicht veranlasst. Die Zurechnung
einer Haustürsituation in entsprechender Anwendung von § 123 Abs. 2 BGB steht nicht
im Widerspruch zu gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (BGH ZIP 2004, 521, 523).
Denn Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 der Haustürgeschäfterichtlinie setzt den
Besuch eines Gewerbetreibenden oder einer Person, die im Namen und für Rechnung
des Gewerbetreibenden handelt, voraus. Eine den § 123 Abs. 2 BGB entsprechende
Regelung für die Zurechnung des Verhaltens Dritter enthält diese Richtlinie nicht. Damit
geht eine Zurechnung des Verhaltens Dritter in entsprechender Anwendung von § 123
Abs. 2 BGB über die Vorgaben der Richtlinie hinaus.
35
Auch die Anordnung des Ruhens des Verfahrens gemäß § 251 ZPO kam nicht in
Betracht. Die Beklagte ist nicht bereit, einen entsprechenden Antrag zu stellen, wie sie
in der mündlichen Verhandlung erklärt hat.
36
III. Aus dem Gesichtspunkt schuldhaft begangener Pflichtverletzung bei
Vertragsverhandlungen haben die Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch darauf,
so gestellt zu werden, als sei der Darlehensvertrag nicht geschlossen und die
persönliche Haftung nicht übernommen worden.
37
1. Die Beklagte trifft kein Eigenverschulden.
38
Aufklärungspflichten gegenüber einem Darlehensnehmer treffen die kreditgebende
Bank grundsätzlich nur in Bezug auf das Darlehensverhältnis selbst, soweit im Hinblick
auf dessen Bedingungen oder Besonderheiten entsprechende Hinweise erwartet
werden können. Demgegenüber ist nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs eine finanzierende Bank grundsätzlich nicht verpflichtet, einen
Darlehensnehmer über die Gefahren und Risiken der Verwendung des Darlehens
aufzuklären und vor dem Vertragsschluss zu warnen (BGH WM 2000, 1685, 1686
m.w.N.). Die Verwendung des Darlehens, die steuerlichen Auswirkungen der
Kapitalanlage und die Rückführbarkeit der Belastung für den Erwerber liegen allein in
dessen Verantwortungs- und Risikobereich. Er hat sich hierüber ggf. unter
Hinzuziehung fachkundiger Berater sachkundig zu machen und sich die erforderlichen
Informationen selbst zu beschaffen. Nur ausnahmsweise ist die Bank zur Aufklärung
über Umstände, die das zu finanzierende Objekt selbst betreffen, verpflichtet. Dazu sind
in der Rechtsprechung vier Fallgruppen entwickelt worden (BGH WM 2000, 1287, 1289;
BGH WM 1998, 1230, 1234; BGH WM 1992, 901, 902; OLG Köln WM 2000, 2139,
2141). Danach kommen Aufklärungspflichten der kreditgebenden Bank im Hinblick auf
das zu finanzierende Geschäft in Betracht, wenn sie
39
- im Zusammenhang mit der Planung, der Durchführung oder dem Vertrieb des
finanzierten Projekts nach außen erkennbar über ihre Rolle als Kreditgeberin
hinaus gegangen ist,
40
- einen zu den allgemeinen wirtschaftlichen Risiken des Projekts hinzutretenden
besonderen Gefährdungstatbestand für den Kunden schafft oder dessen
Entstehung begünstigt,
41
- sich im Zusammenhang mit der Kreditgewährung sowohl an den Bauträger als
auch an die einzelnen Erwerber in schwerwiegende Interessenkonflikte verwickelt,
oder
42
- in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten
Wissensvorsprung gegenüber dem Darlehensnehmer hat und dies erkennen kann.
43
Dass die Beklagte über ihre Rolle als Kreditgeberin hinaus gegangen sein könnte,
haben die Kläger nicht dargetan.
44
Ferner ist nicht erkennbar, dass die Beklagte einen besonderen Gefährdungstatbestand
für die Kläger geschaffen haben könnte.
45
Für einen schwerwiegenden Interessenkonflikt bestehen ebenfalls keine Anhaltspunkte.
Schließlich kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beklagte – für diese erkennbar
– einen konkreten Wissensvorsprung gegenüber den Klägern hatte. Kenntnisse der
Bank über den Zustand des zu finanzierenden Objekts begründen regelmäßig keinen
Wissensvorsprung über spezielle Risiken, der zur Aufklärung des Kreditsuchenden
verpflichten könnte. Die Bank darf vielmehr davon ausgehen, dass der Kunde sich über
den Zustand der Immobilie selbst ins Bild gesetzt hat. Deshalb ist zur Begründung einer
Aufklärungspflicht grundsätzlich auch ein Wissensvorsprung der Bank darüber, dass der
vom Erwerber zu zahlende Kaufpreis in keinem angemessenen Verhältnis zum Wert
46
des zu erwerbenden Objekts steht, nicht ausreichend. Das kann allenfalls dann anders
zu beurteilen sein, wenn die Bank bei einem Vergleich von Kaufpreis und Wert des
Objekts von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Kunden durch dessen
Vertragspartner ausgehen muss. Dabei führt aber nicht jedes, auch nicht jedes auffällige
Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zur Sittenwidrigkeit eines
Rechtsgeschäfts. Vielmehr kann von einem besonders groben, die Vermutung für die
subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit begründenden Missverhältnis erst
ausgegangen werden, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der
Wert der Gegenleistung (BGH WM 2003, 918, 921; BGH BKR 2003, 583, 585; BGH WM
2004, 172, 173; BGH WM 2004, 417, 418). Dass dies hier so war, haben die Kläger aber
nicht schlüssig dargetan. Sie haben in erster Instanz lediglich vorgetragen, die Beklagte
wolle ausschließlich oder überwiegend in ihr, der Kläger, Arbeitseinkommen und
übriges Vermögen vollstrecken, da das "Studentenzimmer", also die von ihnen
erworbene Eigentumswohnung, einen Wert von nur etwa 20.000,00 DM (ca. 10.000,00
€) habe. Daraus ergibt sich nicht ansatzweise, welchen Wert die Eigentumswohnung
zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages im Jahre 1990 hatte. Darauf, dass es
auf den heutigen Wert der Eigentumswohnung nicht ankommt, hat die Beklagte die
Kläger auch bereits in erster Instanz hingewiesen. Trotzdem haben die Kläger keine
Angaben betreffend den seinerzeitigen Wert der Eigentumswohnung gemacht.
2. Die Beklagte muss sich ebenso wenig ein Verschulden des Zeugen G. als eines
Dritten zurechnen lassen.
47
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat bereits in der
Vergangenheit gefolgt ist, wird der im Rahmen von Bauherren-, Bauträger- oder
Erwerbermodellen auftretende Vermittler als Erfüllungsgehilfe im Pflichtenkreis der
48
- wie hier - in den Vertrieb nicht eingeschalteten Banken nur insoweit tätig, als sein
Verhalten den Bereich der Anbahnung des Kreditvertrages betrifft (BGH WM 2002,
2501; BGH WM 2003, 918, 922; BGH WM 2003, 1710, 1713; BGH WM 2004, 417, 419).
Sofern die Kläger in diesem Zusammenhang im ersten Rechtszug vorgetragen haben,
der Zeuge G. habe ihnen erklärt, im ersten Jahr hätten die Einnahmen 5.060,00 DM und
die Ausgaben 11.631,00 DM betragen, wobei mit einer Steuererstattung von 7.565,00
DM zu rechnen sei, und im Übrigen würde sich der Wohnungserwerb selbst tragen, ist
schon nicht ersichtlich, dass dies unzutreffend ist. Auf den entsprechenden Hinweis der
Beklagten hin, es sei nicht klar, dass diese Prognosen nicht eingetreten seien, haben
die Kläger keine Angaben gemacht. Ihr weiterer Vortrag, sie seien davon ausgegangen,
dass der vom Zeugen G. genannte Kaufpreis von 119.970,00 DM korrekt sei, während
dieser tatsächlich 97.877,00 DM betragen haben, ist schon nicht nachvollziehbar.
Ausweislich Ziffer 2 des Reservierungs- und Vermittlungsauftrags, den die Kläger am
10. Mai 1990 unterzeichnet haben, beträgt der Gesamtaufwand inklusive aller
Nebenkosten 119.970,00 DM. Bereits daraus ergibt sich, dass der eigentliche Kaufpreis
niedriger sein musste als 119.970,00 SM. Schließlich führt auch der Vortrag der Kläger,
G. habe den Zinssatz fälschlich mit 7,35 % statt richtig mit 10,36 % angegeben, nicht
weiter. Eine etwaige schuldhafte Falschangabe des Zinssatzes könnte nur zum Ersatz
desjenigen Schadens führen, dessen Eintritt die Einhaltung der Pflicht verhindern sollte
(vgl. BGH WM 2004, 521, 524 m.w.N.). Die Kläger könnten danach allenfalls die durch
die etwa unrichtige Angabe des Zinssatzes entstandenen Mehrkosten ersetzt verlangen;
einen solchen Ersatz begehren sie aber nicht und haben dementsprechend Mehrkosten
nicht dargelegt.
49
IV.
50
Die Kläger können sich ferner nicht darauf berufen, ihrer Inanspruchnahme stehe
entgegen, dass sie ihrerseits gegen die Beklagte einen Bereicherungsanspruch hätten,
weil die Darlehensschuld mangels Valutierung des Darlehens nicht entstanden sei.
Dass das Darlehen nicht valutiert wurde, kann nicht festgestellt werden. Vielmehr ist
davon auszugehen, dass die Darlehensvaluta in die - effektive - Verfügungsmacht der
Kläger ausgereicht worden ist. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass sie
die Darlehensvaluta auf das auf die Kläger lautende Konto Nr. .................... bei ihr
eingebucht habe, und dieses Konto keinerlei Sperrvermerk oder ähnliches enthalten
habe. Abgesehen davon hat die Beklagte – ebenfalls unwidersprochen – vorgetragen,
dass sie das Darlehen zur Abdeckung der Kaufpreisverbindlichkeiten und der
Nebenkosten tatsächlich ausgezahlt habe. Damit sind die Kläger jedenfalls so zu
behandeln, als hätten sie die Darlehensvaluta erhalten.
51
V. Die Kläger können der Beklagten schließlich nicht eine etwaige Nichtigkeit des
Kaufvertrages, etwa wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 BGB,
entgegenhalten. Insoweit fehlt es schon an den Voraussetzungen eines
Einwendungsdurchgriffs.
52
Ein Einwendungsdurchgriff nach § 9 VerbrKrG a.F. scheitert daran, dass das
Verbraucherkreditgesetz erst zum 1. Januar 1991 in Kraft getreten ist, der
Darlehensvertrages aber bereits im Jahre 1990 geschlossen wurde. Ein
Einwendungsdurchgriff nach § 242 BGB kommt nicht in Betracht. Nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Käufer und Darlehensnehmer trotz
rechtlicher Selbständigkeit des Darlehensvertrages nach Treu und Glauben
Einwendungen aus dem Kaufvertrag seiner Inanspruchnahme aus dem
Darlehensvertrag entgegensetzen, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit
bilden und die Risiken des finanzierten Kaufes anderenfalls nicht angemessen verteilt
würden. Eine wirtschaftliche Einheit zwischen Darlehensvertrag und finanziertem
Rechtsgeschäft ist aber nur dann gegeben, wenn beide Vereinbarungen über ein
Zweck-Mittel-Verhältnis hinaus derart miteinander verbunden sind, dass kein Geschäft
ohne das andere geschlossen worden wäre oder jeder der Verträge seinen Sinn erst
durch den anderen erhält. Bei Grundstückskäufen kann hiervon allerdings nur unter
besonderen Voraussetzungen ausgegangen werden. Die innere Verknüpfung von
Erwerbsgeschäft und Kreditgewährung liegt nicht schon darin, dass dem Käufer ein
zweckgebundenes Darlehen gewährt wird. Denn beim Immobilienerwerb weiß auch der
rechtsunkundige Laie, dass Kreditgeber und Grundstücksveräußerer in der Regel
verschiedene Personen sind. Deshalb kommt eine hinreichende wirtschaftliche
Verflechtung beider Rechtsgeschäfte nur in Betracht, wenn sich der Darlehensgeber
nicht mit seiner Finanzierungsrolle begnügt, sondern Funktionen des Verkäufers wie
Werbung und Vertrieb, rechtliche Ausgestaltung der Geschäfte im Zusammenwirken mit
diesem in einer Weise und in einem Umfang wahrnimmt, dass die Berufung auf die
rechtliche Selbständigkeit des Darlehensvertrages gegen Treu und Glauben verstößt
(BGH WM 2000, 1287, 1288 m.w.N.). Solche besonderen Voraussetzungen liegen hier
indes nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte die Funktionen des Verkäufers
der Eigentumswohnung wahrgenommen hat.
53
C.
54
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungen
55
zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2
ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 70.539,33 € festgesetzt.
56
Die Revision wird nicht zugelassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).
57