Urteil des OLG Düsseldorf vom 13.09.2007

OLG Düsseldorf: broschüre, anleger, erwerb, treu und glauben, grad des verschuldens, geschäftsführer, geschäftsleitung, öffentliche urkunde, depot, unternehmen

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-6 U 96/06
Datum:
13.09.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-6 U 96/06
Tenor:
Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten zu 4.) bis 6.) wird
unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels des Klägers
sowie der Berufungen der Beklagten zu 1.) bis 3.) und 7.) das am 24.
März 2006 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts
Düsseldorf teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten zu 1.) bis 3.) und 7.) werden als Gesamtschuldner
verurteilt, an den Kläger 9.225,53 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von
4 % vom 3. Mai 2000 bis zum 14. November 2003 und in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Mai 2004,
die Beklagten zu 1.) bis 3.) in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz vom 15. November 2003 bis zum 13. Mai 2004,
der Beklagte zu 7.) in Höhe von 4 % vom 15. November 2003 bis zum
13. Mai 2004,
Zug um Zug gegen Übertragung von 3.000 Stück Aktien der S. B.T In-
ternational Inc., Santa Ana, Kalifornien (WKN: ..., Depot des Klägers bei
der D. B. M. AG Nr. ...).
2. Die Beklagten zu 1.) bis 3.) und 7.) werden als Gesamtschuldner
verurteilt, an den Kläger weitere 4.275, 25 € zu zahlen nebst Zinsen in
Höhe von 4 % vom 14. Juni 2000 bis zum 14. November 2003 und in
Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Mai
2004,
die Beklagten zu 1.) bis 3.) in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz vom 15. November 2003 bis zum 13. Mai 2004,
der Beklagte zu 7.) in Höhe von 4 % vom 15. November 2003 bis zum
13. Mai 2004,
Zug um Zug gegen Übertragung von 2.000 Stück Aktien der S. B. BT
International Inc., Santa Ana, Kalifornien (WKN: ..., Depot des Klägers
bei der D. B. M. AG Nr. ...).
3. Die Beklagten zu 1.) bis 3.) und 7.) werden als Gesamtschuldner ver-
urteilt, an den Kläger weitere 23.903,93 € zu zahlen nebst Zinsen in
Höhe von 4 % vom 12. Juli 2000 bis zum 14. November 2003 und in
Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Mai
2004,
die Beklagten zu 1.) bis 3.) in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz vom 15. November 2003 bis zum 13. Mai 2004,
der Beklagte zu 7.) in Höhe von 4 % vom 15. November 2003 bis zum
13. Mai 2004,
Zug um Zug gegen Übertragung von 10.000 Stück Aktien der S. BT In-
ternational Inc., Santa Ana, Kalifornien (WKN: ..., Depot des Klägers bei
der D. B. M. AG Nr. ...).
4. Die Beklagten zu 1.) bis 3.) und 7.) werden als Gesamtschuldner ver-
urteilt, an den Kläger weitere 11.707,82 € zu zahlen nebst Zinsen in
Höhe von 4 % vom 14. September 2000 bis zum 14. November 2003
und in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
14. Mai 2004,
die Beklagten zu 1.) bis 3.) in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz vom 15. November 2003 bis zum 13. Mai 2004,
der Beklagte zu 7.) in Höhe von 4 % vom 15. November 2003 bis zum
13. Mai 2004.
5. Die Beklagten zu 1.) bis 3.) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an
den Kläger weitere 4.996,61 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 4 %
vom 26. September 2000 bis zum 14. November 2003, in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Novem-ber 2003.
6. Die Beklagten zu 1.) bis 3.) und 7.) werden als Gesamtschuldner ver-
urteilt, an den Kläger weitere 399.208,19 € zu zahlen nebst Zinsen in
Höhe von 4 % vom 21. November 2000 bis zum 14. November 2003 und
in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.
Mai 2004,
die Beklagten zu 1.) bis 3.) in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz vom 15. November 2003 bis zum 13. Mai 2004,
der Beklagte zu 7.) in Höhe von 4 % vom 15. November 2003 bis zum
13. Mai 2004,
Zug um Zug gegen Übertragung von 200.000 Stück Aktien der S. B.T
International Inc., Santa Ana, Kalifornien (WKN: ..., Depot des Klägers
bei der D. B. M. AG Nr. ...).
7. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten zu 1.) bis 3.) und 7.) mit
der Annahme der unter Ziffer 1. bis 3. und 6. genannten 215.000 Stück
Aktien der S. B. T. International Inc., Santa Ana, Kalifornien (WKN: ...,
Depot des Klägers bei der D. B. M. AG Nr. ...) in Verzug befinden.
8. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten werden dem Kläger zu 20 %, den Beklagten zu 1.)
bis 3.) und 7.) als Gesamtschuldnern zu 79 % sowie den Beklagten zu
1.) bis 3.) als Gesamtschuldnern zu 1 % auferlegt. Die außergerichtli-
chen Kosten der Beklagten zu 4.) bis 6.) trägt der Kläger. Von seinen
außergerichtlichen Kosten werden 79 % den Beklagten zu 1.) bis 3.) und
7.) als Gesamtschuldnern und 1 % den Beklagten zu 1.) bis 3.) als
Gesamtschuldnern auferlegt. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung
nicht statt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung
in Höhe von 110 % des für die jeweils andere Partei aufgrund dieses
Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstre-
ckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
G r ü n d e:
1
I.
2
Der Kläger begehrt Schadensersatz in Höhe von insgesamt 453.317,33 € (456.405,68 €
- 3.088,35 € Erlöse {1.065,64 € + 2.022,71 €}) wegen angeblich unzureichender
Aufklärung und sittenwidriger Schädigung beim Erwerb von Aktien der beiden
amerikanischen Aktiengesellschaften S. BT International Inc. (nachfolgend SGBI) und P.
Inc. (nachfolgend: PTI) in der Zeit von Mai bis November 2000 durch die zuletzt in
Düsseldorf ansässige E. A. Beteiligungsvermittlungsgesellschaft mbH (nachfolgend:
EA), die seit Dezember 2000 umfirmiert in E. A. Wertpapierhandelsgesellschaft mbH.
Der Kläger nimmt die Beklagten zu 1.) und 2.) als Mitgründer und Mitglieder der
3
Aufsichtsräte der streitgegenständlichen Aktiengesellschaften sowie als Gesellschafter
und Prokuristen der EA mit uneingeschränkter Einzelvertretungsbefugnis, den
Beklagten zu 3.) als eingetragenen Geschäftsführer der EA, die Beklagten zu 4.) bis 6.)
als bei der EA tätige Telefonverkäufer und den Beklagten zu 7.) als Mitgründer und
Vorstand der SGBI und ihrer Tochtergesellschaften in Anspruch. Im Übrigen wird auf die
tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (
Anlage
Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Wegen der Begründung wird
auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
4
Gegen dieses Urteil richten sich die form- und fristgerecht eingereichten sowie
rechtzeitig begründeten Berufungen des Klägers und der Beklagten.
5
Die
Beklagten zu 1.) und 3.) bis 6.)
Tenorierungsfehler vor, weil bei der Verurteilung der Beklagten zu 1.), 2.), 3.) und 5.) als
Gesamtschuldner zur Zahlung weiterer 4.519,32 € nebst Zinsen der Zusatz fehle, wie
viele Aktienstücke hierfür Zug um Zug zu übertragen wären.
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Sie behaupten, bei K 191 und K 192 handele es sich um Totalfälschungen. Es gebe
keinen unter der angegebenen Anschrift jemals wohnhaften G. G., SGBI habe nie ein
solches Schreiben erhalten und der Beklagte zu 7.) habe es auch nie beantwortet. Im
Rahmen eines Treffens am 7. Juni 2006 ab 19.00 Uhr in der Gaststätte "R." in München
habe der Beklagte zu 1.) die Erkenntnisse über den nicht existierenden Herrn G. dem
Prozessbevollmächtigten des Klägers übergeben. Den Fälschungsvorhalt habe dieser
nicht abgestritten, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass es auf diese Dokumente
für den Prozessausgang gar nicht ankomme, weil man viele andere Dokumente zu den
Akten gereicht habe.
7
Die Protokolle der Board-Sitzung der SGBI (K 138 und K 233) seien ebenfalls gefälscht.
Weder Frau Dr. B. –K. noch der Beklagte zu 7.) hätten jemals ein solches Protokoll
verfasst, zumal es ein ordentliches, von Herrn J. A. verfasstes Protokoll dieser Sitzung
gebe.
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Es müsse bezweifelt werden, dass durch die als Anlagen K 30 – K 39, K 42, K 43a, K 48
– K 50 und K 54 – K 56 vorgelegten Fotokopien ein hinreichender Nachweis geführt
worden sei, dass der Kläger die behaupteten Käufe zu den behaupteten Konditionen
überhaupt getätigt habe. Ebenfalls müsse bezweifelt werden, dass durch die
vorgelegten Kopien K 61 bis K 61L ein hinreichender Nachweis geführt sei, dass es sich
bei den vom Kläger Zug um Zug angebotenen Aktien um Originalzertifikate handele.
Auch müsse bezweifelt werden, dass die den Anlagen K 22, K 24 und K 24a zugrunde
liegenden "Originale" echt seien.
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Sämtliche Schriftstücke, die der Kläger in diesem Prozess vorlege, seien unter Bruch
gesetzlicher Bestimmungen durch Rechtsanwältin M. oder seinen
Prozessbevollmächtigten zur Verfügung gestellt worden. Frau M. habe über mehrere
Jahre hinweg als Mitglied der Gremien der S. –G. Dokumente derselben gesammelt, um
diese später den von ihr vertretenen Anlegern zur Verfügung zu stellen. So habe sie
auch den Kläger und die im Parallelprozess klagende C. D. bereits im Februar 2001
beraten. Sämtliche nicht öffentlich zugänglichen Informationen stammten von ihr bzw.
dem jetzigen Prozessbevollmächtigten.
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Sämtliche Aktien, die der Kläger gekauft habe, stammten aus Aktienverkäufen der SGBI
an die EA, die vor dem Focus-Artikel von 1999 ausgegeben worden seien, bzw.
stammten aus Kontingenten, welche die EA zuvor von anderen freien Aktionären
erworben habe.
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Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass die D. B. AG ihrer Aufklärungsverpflichtung
gegenüber dem Kläger nachgekommen sei.
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Der Kläger habe spekulieren wollen, so dass er nicht in dem Maße aufklärungsbedürftig
sei wie ein absolut unerfahrener Anleger.
13
Es sei bereits in I. Instanz vorgetragen worden, dass die EA in der Zeit von 1999 – 2001
in allen wichtigen Angelegenheiten von der im Kapitalanlagebereich erfahrenen
Rechtsanwältin M. beraten worden sei. Sie habe die Verkaufsbroschüre überprüft und
als ausreichend befunden. Die Beklagten zu 4.) – 6.) hätten auf die Aussagen von
Rechtsanwältin M., die ihnen von der Geschäftsleitung weitergegeben worden seien,
vertrauen können. Sie hätten in ihren Verkaufsgesprächen auch ausschließlich die
Argumente aus der Broschüre verwendet.
14
Der Beklagte zu 1.) sei faktisch schon zum 31. Oktober 2000 aus der EA
ausgeschieden. Dass sein Ausscheiden erst am 16. November 2000 protokolliert
worden sei, habe zum einen daran gelegen, dass für die Beklagten zu 2.) und 3.) sowie
den Notar ein freier Termin habe gefunden werden müssen, zum anderen habe sich der
Beklagte zu 1.) einer Strafverhandlung vor der 29. Großen Strafkammer des
Landgerichts Frankfurt am Main ausgesetzt gesehen, deren Hauptverhandlungstermine
am 6., 8., 13. und 20. November 2000 stattgefunden hätten, so dass er sich an den
Tagen vor dem 6. November 2000 darauf vorbereitet habe.
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Sie berufen sich im Übrigen auf die Einrede der Verjährung.
16
Der
Beklagte zu 2.)
nicht faktisch beherrscht. An den Entscheidungen über die Preisbildung für den Verkauf
habe er nicht mitgewirkt und sich bei Entscheidungen des Direktoriums (board of
directors) zum Verkauf von Aktien stets der Stimme enthalten. Dass die Beklagten zu 1.)
und 2.) Posten bei SGBI innegehabt hätten, sei im Internet nachzulesen gewesen. Er
bezweifele nach wie vor, dass durch die vorgelegten Kopien der Anlagen K 61 A bis K
61 L der Nachweis geführt sei, dass es sich um die Originalzertifikate handele. Im
Übrigen werde die Einrede der Verjährung erhoben.
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Der
Beklagte zu 7.)
und 3.) bis 6.) zu K 191, K 192, K 138 und K 233 an. Er habe im Rahmen des
erstinstanzlichen Verfahrens keinen Anlass gehabt, an der Echtheit der vorgelegten
Urkunden zu zweifeln, zumal K 191, K 233 und K 236 seine Unterschrift trügen. Erst
aufgrund der vom Beklagten zu 1.) angestellten Nachforschungen hinsichtlich des
vermeintlichen Anlegers G. G. und damit nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils
habe sich dieser Anlass ergeben. Der Umstand, dass seine Ehefrau als Zeugin für die
Auslegung ihres eigenen Aktenvermerks benannt worden sei, beweise nicht, dass ihr K
138 bereits vor Zustellung des landgerichtlichen Urteils vorgelegt worden sei.
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Der Kläger habe seine "Kenntnisse" über den Vorgang "Kleinkorres" ausschließlich
dadurch erlangt, dass dessen Prozessbevollmächtigte nach dem "Einzug" von Frau M.
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in die Gremien der S. –G. dieses Wissen rechtswidrig an den Kläger weitergegeben
hätten. Das treffe auch auf die Zeichnungsvereinbarungen und sämtliche weiteren
Dokumente zu.
Den beiden Aktienkäufen bei der D. B. im September 2000 und bei der EA im November
2000 habe nach dem eigenen Vortrag des Klägers sowie seinen Angaben im
Ermittlungsverfahren ausschließlich die falsche Geschichte von einer angeblichen
Beteiligung der Firma B. an der SGBI zugrunde gelegen. Damit liege eine
Unterbrechung des Kausalverlaufs bezüglich dieser Aktienpakete vor, die seine Haftung
ausschließe.
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Er, der Beklagte zu 7.), habe keinen Einfluss auf die Entscheidungen der Beklagten zu
1.) bis 6.) gehabt. Er habe auch weder Kenntnis von der Preisbildung und den Preisen
der von der EA an die Anleger verkauften Aktien noch von den von der EA gegenüber
den Anlegern erhobenen Ausgabeaufschlägen gehabt. Als ihm, dem Beklagten zu 7.),
im Focus-Artikel vom 21. Juni 1999 (K 136) vorgeworfen worden sei, sich als
Wissenschaftlicher mit einem unseriösen Vertriebsunternehmen des Grauen
Kapitalmarkts eingelassen zu haben, habe er sich mit dem CEO von SGBI, Herrn J. A.,
der auch ausgebildeter Jurist sei, beraten. Von diesem und den Beklagten zu 1.) und 2.)
sei ihm versichert worden, dass die Vorwürfe nicht gerechtfertigt seien. Über
Verkaufspreise der EA sowie vom Inhalt des von der EA an die Anleger ausgegebenen
Prospekts habe er zu diesem Zeitpunkt und auch davor oder danach keine Kenntnis
gehabt. Herr J. A. habe für sich und für ihn in seiner Funktion als Vorstand der S. B.T AG
sowie in seiner eigenen Funktion als CEO der SGBI eine Stellungnahme zu den
Vorwürfen verfasst (K 201). Er habe dieses Schreiben unterzeichnet, weil er davon
ausgegangen sei und darauf vertraut habe, dass die von Herrn A. erarbeitete
Stellungnahme den Tatsachen entspreche.
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Aus der nach dem Focus-Artikel ausgegebenen fünften Tranche von Aktien seien keine
Verkäufe von der EA an den Kläger erfolgt. Die EA habe einen Großteil der fünften
Tranche (ca. 5,6 Mio. Aktien) an die M. Vermögensverwaltung sowie die Firma T.
verkauft; die restlichen Aktien seien an andere private Anleger veräußert worden.
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Der Kläger sei durch die intensive Lektüre von Fachzeitschriften, Börsenbriefen und
sonstigen Informationen aus dem Internet umfassend über S. und das OTC-BB
informiert gewesen.
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Etwaige Ansprüche gegen ihn, den Beklagten zu 7.), seien verjährt, weil die
Verjährungsfrist spätestens im Februar 2001 zu laufen begonnen habe. Zu diesem
Zeitpunkt sei dem Kläger nach eigenem Vortrag bekannt geworden, dass der angeblich
für ihn kaufentscheidende Vertrag mit B. nicht zustande gekommen sei. Spätestens mit
dem gescheiterten Verkauf der Aktien über Rechtsanwalt B. habe der Kläger jegliche
seinen Anspruch begründenden Tatsachen gekannt. Darüber hinaus werde bestritten,
dass der Kläger erstmalig im August 2001 von seinem erstinstanzlichen
Prozessvertreter beraten worden sei und erst zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von den
anspruchsbegründenden Tatsachen erlangt habe. Denn der Kläger sei bereits im
Januar/Februar 2001 von Frau Rechtsanwältin M. und seinem jetzigen
Prozessbevollmächtigten rechtlich beraten worden. Er habe nur mit rechtlicher Beratung
das Verkaufsangebot an Rechtsanwalt B. gemacht.
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In einem seinem Prozessbevollmächtigten am 19. April 2007 zugesandten
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Aktenvermerk der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vom 16. Februar 2005 in dem
Ermittlungsverfahren –130 Js 1/05 – gegen die Beklagten zu 1.) und 2.) u. a., der ihm
zuvor nicht bekannt gewesen sei, werde ausdrücklich festgestellt, dass nach den
vorliegenden Erkenntnissen, die mit denen in diesem Verfahren übereinstimmten, ein
Tatbeitrag von ihm, dem Beklagten zu 7.), ausgeschlossen sei. Daher sei der
vorliegende Rechtsstreit bis zum Abschluss des vorgenannten Ermittlungsverfahrens
auszusetzen und die Vollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts ohne
Sicherheitsleistung einzustellen, was er neben der Einsicht in die beizuziehende Akte
der Staatsanwaltschaft Düsseldorf –130 Js 1/05 – ausdrücklich beantrage.
Die Beklagten zu 1.) bis 7.) beantragen,
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das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 24. März 2006 abzuändern und
die Klage abzuweisen,
27
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
28
Der Kläger beantragt,
29
die Berufungen aller Beklagten zurückzuweisen;
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das am 24. März 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Düsseldorf wie folgt
abzuändern
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1. In Ziffer 3 vor "Zug um Zug" im letzten Satz einfügen: "die Beklagten zu 1.), 2.), 3.)
und 7.) ..."
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2. hinter Ziffer 5 wird eine neue Ziffer 6 wie folgt eingefügt:
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"Die Beklagten zu 1.), 2.), 3.) und 7.) werden als Gesamtschuldner verurteilt,
dem Kläger weitere 11.707,82 € zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von
4 % vom 14. September 2000 bis 14. November 2003 und in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Mai 2004,
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die Beklagten zu 1.) bis 3.) in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz vom 15. November 2003 bis 13. Mai 2004,
36
der Beklagte zu 6.) in Höhe von 4 % vom 15. November 2003 bis 21.
Dezember 2003 und in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
vom 22. Dezember 2003 bis 13. Mai 2004,
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der Beklagte zu 7.) in Höhe von 4 % vom 15. November 2003 bis 13. Mai
2004."
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3. Ziffer 6 wird Ziffer 7 und erhält hilfsweise folgenden 2. Absatz:
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"Es wird festgestellt, dass sich auch die Beklagten zu 4.), 5.) und 6.) mit der
Annahme der ihnen gemäß Ziffer 3 und Ziffer 5 Zug um Zug anzubietenden
Aktien im Verzug befinden."
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4. seinen Antrag gemäß mündlicher Verhandlung vom 11. November 2005
sowie gemäß schriftlichem Antrag vom 19. April 2005 zu Ziffer 1) dahin zu
präzisieren, dass er mit den Worten beginnt: "aufgrund vorsätzlich begangener
unerlaubter Handlung die Beklagten zu 1, zu 2 und zu 3
gesamtschuldnerisch...". Außerdem sollte in den Entscheidungsgründen der
zweiten Instanz an prominenter Stelle stehen, dass die Ansprüche nach § 826
BGB aufgrund vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung begründet sind;
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5. im Wortlaut des Tenors an allen Stellen, in denen die Verurteilung von
Beklagten von Zug um Zug zu erbringenden Leistungen seinerseits abhängig
gemacht sei, anzufügen:
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"und zwar an die Beklagten dieser Urteils-Ziffer als Gesamtgläubiger".
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Der Kläger verfolgt die vom Landgericht abgewiesenen Teile seines Begehrens in der
Berufungsinstanz weiter: die Aberkennung des Schadensersatzanspruchs gegen die
Beklagten zu 1.), 2.), 3.) und 7.) aus dem bei der D. B. .. AG über 5.000 SGBI-Aktien zum
Preis von 12.773,46 € getätigten Kauf sowie die Absetzung des Erlöses aus dem
Verkauf von 1.000 PTI-Aktien im Juli 2004 mit 2.500,- € statt mit richtig 2.072,71 €.
Ferner beanstandet er mit seiner Berufung, dass auch die Beklagten zu 4.) bis 6.) nur
Zug um Zug gegen Übertragung von Aktien zum Schadenersatz verpflichtet seien.
Hilfsweise begehrt er auch gegenüber den Beklagten zu 4.) bis 6.) die Feststellung,
dass sie sich mit dieser Leistung im Annahmeverzug befinden. Denn er biete auf
freiwilliger Basis jedem der Beklagten zu 4.)bis 6.) die im Tenor des Landgerichts
genannte Anzahl von Aktien Zug um Zug gegen Zahlung der dort genannten
Urteilssumme nochmals an. Wenn die Beklagten zu 4.) bis 6.) hierauf nicht zahlten,
befänden sie sich im Annahmeverzug.
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Der Kauf bei der D. B. .. AG sei eine adäquate Folge der vorausgegangenen falschen
Risikoberatungen der Beklagten. Der gemäß § 826 BGB zu ersetzende Schaden
umfasse deshalb auch den Kaufpreis für den Folgekauf der 5.000 Stück SGBI-Aktien in
Höhe von 12.773,46 €. Zur vereinfachten Abrechnung werde dieser Betrag jetzt um den
Verkaufserlös von 1.065,64 € auf 11.707,82 € ermäßigt.
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Das Landgericht hätte den zu ersetzenden Schaden nur um 2.022,71 €, dem
tatsächlichen Erlös aus dem Verkauf der PTI-Aktien (K 235), und nicht um 2.500,-- €
kürzen dürfen. Es stelle einen Verstoß gegen § 139 ZPO dar, dass das Gericht nicht vor
Schluss der mündlichen Verhandlung auf die Diskrepanz zwischen 2.500,00 € und
2.022,71 € und seine vermeintliche Bindung daran aufmerksam gemacht habe. Auf
richterlichen Hinweis hätte er seinen Antrag, auch hilfsweise, angepasst.
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Die Zug um Zug-Bindung bei der Verurteilung der Beklagten zu 4.) bis 6.) sei nicht
gerechtfertigt.
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Im Übrigen verteidigt er das angefochtene Urteil.
48
Entgegen der Ansicht der Beklagten gelte für die in diesem Verfahren zum Beweis
49
eingeführten Belege kein Verwertungsverbot. Eine der wesentlichen Quellen seien die
Akten der Staatsanwaltschaft Düsseldorf in den Verfahren 18 Js 1308/01 und 130 Js
1/05 (K 291), die sich – unter anderem - gegen die Beklagten zu 1.) und 2.) richteten und
in die er Einsicht genommen habe. Im Übrigen seien alle Zeichnungsvereinbarungen
und Platzierungsmemoranden auch im Internet unter http://www.xxx.xxx unter den
Reports von SGBI veröffentlicht. Quellen seien ferner Herr M. W., andere anwaltliche
Vertreter, Eigenrecherchen, Informationen zur freien Verwendung, Behördenschreiben,
Internetausdrucke, zahlreiche Rundschreiben von Gutachtern, die Dokumente anbieten.
K 191 und K 192 (und weitere) hätten sich in Form von Kopien in zwei dicken
Leitzordnern befunden, die Frau Dr. B. am 10. Dezember 2001 seinem
Prozessbevollmächtigten in München persönlich übergeben habe, um sich im
Zusammenhang mit seiner anwaltlichen Beratung zu Themen aus dem Komplex "K."
über den Sachverhalt, mögliche Ansprüche und das weitere Vorgehen zu informieren.
Im Anschluss an das Treffen am 10. Dezember 2001 in München habe Frau Dr. B. die
weitere Übersendung von Unterlagen, die er zur Beurteilung der Sachlage noch
benötigt habe, bestätigt (K 280 - K 282). Frau Dr. B. sei damit einverstanden gewesen,
dass sie von ihm und/oder Frau Rechtsanwältin M. zur Durchsetzung von
Anlegeransprüchen im Zusammenhang mit dem Erwerb der SGBI-Aktien eingesetzt
werden. Sein Prozessbevollmächtigter sei es zudem selbst gewesen, der zur
Beurteilung der Vorgänge um "K." um Gedächtnisprotokolle zur S. -Board-Sitzung im
Februar 1999 in Koblenz gebeten habe (K 183 = BB7 A 2). Die Gesprächsnotiz von
Frau Dr. B. –K. vom 19. Januar 2002 (K 138) sei ihm vereinbarungsgemäß nur per Fax
von Frau Dr. B. vom Faxgerät der S. BT AG und der Kennung xxx am 14. Februar 2002
um 16:50 Uhr übermittelt worden (K 286, K 287).
Die Aufnahme des Zusatzes "aufgrund vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung
die Beklagten zu 1.), zu 2.) und zu 3.) gesamtschuldnerisch..." in den Tenor habe den
Vorzug, dass etwaige Vollstreckungsakte mit abgekürzten vollstreckbaren
Urteilsausfertigungen durchgeführt werden könnten.
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Der Aktenvermerk der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vom 16. Februar 2005 in dem
Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigten "K., K. und S." sei inzwischen überholt,
weil er, der Kläger, unter dem 9. August 2005 eine ausführliche Strafanzeige gegen den
Beklagten zu 7.) wegen dessen Beteiligung am betrügerischen Aktienvertrieb
eingereicht habe, weshalb sich die strafrechtlichen Ermittlungen auch gegen den
Beklagten zu 7.) richteten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug
genommen auf den Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Instanzen gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge sowie die
nachstehend getroffenen tatsächlichen Feststellungen.
52
II.
53
Die Berufung des Klägers hat überwiegend, die Berufungen der Beklagten zu 4.) bis 6.)
haben vollen Erfolg, während die Berufungen der Beklagten zu 1.) bis 3.) und 7.)
unbegründet sind.
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Die Klage ist gegenüber den Beklagten zu 1.) bis 3.) und 7.) überwiegend begründet.
Gegenüber den Beklagten zu 4.) bis 6.) bleibt ihr der Erfolg versagt.
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Dem Kläger stehen wegen unzureichender Aufklärung beim Erwerb von SGBI- und PTI-
Aktien über die EA in der Zeit von Mai bis November 2000 Schadensersatzansprüche in
Höhe von insgesamt 453.317,33 € zu, wobei die Beklagten zu 1.) bis 3.) in voller Höhe
und der Beklagte zu 7.) entsprechend dem Maß seiner Beteiligung in Höhe von
448.320,72 € wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung, nämlich
sittenwidriger Schädigung, gemäß §§ 826, 830, 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner
haften.
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Zum Haftungsgrund und überwiegend auch zur Haftungshöhe folgt der Senat hier fast
vollständig den zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des Landgerichts.
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1. Der Kläger kann von den Beklagten zu 1.), 2.) und 3.) Schadensersatz in Höhe von
453.317,33 € (1. bis 6. Tranche) beanspruchen.
58
a) Die Beklagten zu 1.) und 2.) haften als faktische und der Beklagte zu 3.) als
eingetragener Geschäftsführer der EA gesamtschuldnerisch wegen einer in
Mittäterschaft begangenen vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung durch unrichtige und
unvollständige Broschürenangaben.
59
Die Beklagten zu 1.) und 2.) waren Gesellschafter der EA mit einem Geschäftsanteil von
jeweils 49 % und verfügten jeweils über unbeschränkte Einzelprokura. Der Beklagte zu
3.) war Inhaber des verbleibenden Gesellschaftsanteils von 2 % und vom 13. Februar
1998 bis zum 27. August 2000 (K 1) eingetragener Geschäftsführer der EA. Die
Beklagten zu 1.) und 2.) waren zudem Initiatoren, Gründungsgesellschafter,
Aufsichtsratsmitglieder bzw. Mitglieder des Board of Directors der S. B.T AG, der G.MT
AG, der amerikanischen S. B. Inc. und der amerikanischen SGBI, in die sie die
erworbene amerikanische C. I. S. Inc. umfirmierten und die sie zur Muttergesellschaft der
beiden deutschen Aktiengesellschaften und der S. B. Inc. machten.
60
Zur Förderung des mit diesem Firmengeflecht zu finanzierenden medizinischen
Forschungsprojekts zur Entwicklung und Vermarktung künstlicher Sauerstoffträger und
implantierbarer Glukosesensoren des Beklagten zu 7.) emittierte die SGBI auf der
Grundlage eines entsprechenden Beschlusses des Board of Directors, dem die
Beklagten zu 1.), 2.) und 7.) angehörten, Mitte Mai 1997 (K 119) 3,5 Mio Aktien zu einem
Subskriptionspreis von 0,235 US-$, den sie zu diesem Preis an die EA als alleinigem
Investment-Banker zwecks Vertriebs verkaufte. Es folgten weitere Tranchen solcher
Billigaktien, wie sie im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung dargestellt werden.
61
Die beiden Beklagten zu 1.) und 2.) lenkten maßgeblich die Geschicke sowohl der EA
als auch der SGBI, so dass sie neben dem Beklagten zu 3.) faktisch die Geschäfte
führten und die Verantwortung für den Vertrieb der SGBI-Aktien trugen. Außerdem
waren sie als Prokuristen mit uneingeschränkter Einzelvertretungsbefugnis gemäß den
§§ 49 Abs. 1 HGB, 35 Abs. 1 GmbHG in gleichem Maße bevollmächtigt wie ein
Geschäftsführer und daher ebenso wie ein Geschäftsführer verpflichtet, ihr Handeln auf
die Erreichung des Gesellschaftszwecks auszurichten. Als faktische Geschäftsführer der
EA hatten sie daher wie der Beklagte zu 3.) dafür Sorge zu tragen, dass die Gesellschaft
ihre unerfahrenen Kunden über die wirtschaftlichen Zusammenhänge und Risiken der
empfohlenen Aktiengeschäfte umfassend und vollständig schriftlich aufklärte.
62
Geschäftsführer, die Warenterminoptionen ohne gehörige Aufklärung der Kunden
vermitteln, den Erwerb veranlassen oder bewusst nicht verhindern, missbrauchen ihre
63
geschäftliche Überlegenheit in sittenwidriger Weise und haften dem Kunden deshalb
gemäß § 826 BGB auf Schadensersatz (BGHZ 105, 108, 109 f.; BGH, NJW 1994, 997).
Gleiches gilt für den Vermittler von mit besonderen Risiken behafteten Wertpapieren.
Diese Verantwortlichkeit traf die Beklagten zu 1.) bis 3.) aufgrund ihres gemeinsamen
Handelns bei der Geschäftsführung.
Im vorliegenden Fall haben die Beklagten zu 1.) bis 3.) die Benutzung einer
unzureichenden Broschüre zur Werbung von Kapitalanlegern geduldet. Denn ihre
Verkaufsbroschüre (K 28) enthielt falsche Angaben, die zu einer sittenwidrigen
Schädigung des Klägers führten.
64
aa) Die EA hatte im Vorfeld der Veräußerung durch die Zusendung der Broschüre "E. –
A." (K 28) ein besonderes Vertrauen des Klägers in Anspruch genommen. In der
Broschüre hat sie unter der Überschrift "Wer ist E. –A.?" auf ihre Fachkompetenz bei der
Auswahl und Überprüfung von Unternehmensbeteiligungen durch mehrjährige
internationale Erfahrung und den Zugriff auf über 4.000 Datenbanken verwiesen und
dem Kläger sowohl eine Beratung über die angebotene Beteiligung als auch eine
Betreuung nach dem Erwerb von Anteilen der SGBI angeboten (K 28, S. 6). Damit hat
sie ihre Beratung und Hilfe beim Erwerb von Unternehmensanteilen in Aussicht gestellt,
ohne dies von irgendwelchen einschlägigen Erfahrungen des betreuten Kunden
abhängig zu machen. Dies bringt schon im Vorfeld die Verpflichtung mit sich, dem
Anleger ein zutreffendes Bild von den Chancen und Gefahren der vermittelten
Geschäfte zu verschaffen, so dass er sachgerechte Entschlüsse fassen kann (BGH,
NJW 1981, 1266; NJW 1991, 1108; OLG Düsseldorf NJW-RR 2002, 1051).
65
bb) Ein Vermittler von P. S. muss den Erwerber auf die bei O.-Titeln vorhandene
Marktenge und damit verbundene fehlende marktwirtschaftliche Regulierung der Kurse
sowie die Möglichkeiten von Kursmanipulationen durch Broker und Inhaber größerer
Aktienpakete hinweisen. Dabei muss für den unbefangenen Betrachter deutlich werden,
dass die Gefahr eines Betruges oder Kapitalanlagebetruges besteht, weil die am
Handel Beteiligten den unwissenden Anleger mit kriminellen Machenschaften um sein
Geld bringen können (OLG Düsseldorf, NJW-RR 2002, 1051). Bestehen kapitalmäßige
und/oder personelle Verflechtungen zwischen dem Vermittler und der Gesellschaft,
deren Aktien vermittelt werden, gebieten Treu und Glauben im Hinblick auf die Gefahr
von Interessenkollisionen, derartige Verflechtungen unmissverständlich offen zu legen.
Die Aufklärung kann wirksam nur schriftlich erfolgen, weil der typischerweise
unerfahrene Käuferkreis nur durch eine schriftliche Belehrung ein zutreffendes Bild von
solchen Gefahren gewinnen kann (BGH, NJW 1991, 1947 f.). Die schriftliche Information
muss zutreffend, vollständig, gedanklich geordnet und auch von der Gestaltung her
geeignet sein, einem unbefangenen, mit Geschäften dieser Art nicht vertrauten Leser
einen realistischen Eindruck von den Eigenarten und Risiken solcher Geschäfte zu
vermitteln (OLG Düsseldorf, NJW-RR 2002, 1051 f.).
66
Auch wenn die SGBI-Aktien im amerikanischen Freiverkehr (over the counter bulletin
board, OTC BB) innerhalb eines registrierten Kurssystems wie dem NASDAQ und im
deutschen Freiverkehr gehandelt wurden, sind die Risiken dieser Billigaktien mit
denjenigen der sog. P. S., die außerhalb eines registrierten Kurssystems gehandelt
werden, vergleichbar.
67
cc) Den genannten verschärften Anforderungen zur Aufklärung über die Risiken im O.-
BB-Handel wird die Broschüre der EA in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
68
Zwar enthält sie auf den Seiten 19 und 20 ausschließlich Risikohinweise, die sich
neben allgemeinen Verlustrisiken und dem Risiko unmittelbarer
Unternehmensbeteiligungen auch auf die Risiken von P. S., insbesondere die
Marktenge, beziehen und in Fettdruck darauf hinweisen, dass sog. Reg-S Aktien nur
erwerben sollte, wer auf eine Liquidation der Anlage innerhalb der Haltefrist von
mindestens 12 Monaten nicht angewiesen und in der Lage ist, auch das Risiko des
vollständigen Verlusts der Investition zu tragen. Diese Hinweise sind entgegen der
Auffassung des Landgerichts jedoch nicht schon aufgrund ihrer Platzierung ungeeignet,
einen unbefangenen Leser hinreichend aufzuklären. Denn die Broschüre ist so
aufgebaut, dass bis Seite 7 die SGBI, die EA und der Aktienerwerb dargestellt und im
vorletzten Absatz von Seite 7 durch Unterstreichung und Ausrufezeichen deutlich darauf
hingewiesen wird, dass die Risikohinweise am Ende der Broschüre zu beachten seien.
Es trifft zwar zu, dass das Risiko des Totalverlusts sowohl durch die Darstellung auf
Seite 1 bis 7 als auch durch die in der Broschüre nachfolgenden ausschließlich
positiven Presseartikel in gewissem Maße relativiert wird, wenn es heißt auf Seite 3:
"sie [die Produktlinien] konzentrieren sich auf ausgewählte Märkte mit weniger
massivem Preiskampf und attraktiven Renditen", auf Seite 5: "ein Unternehmen mit
einer außergewöhnlichen Zukunftsperspektive" und auf Seite 7: "E. –A. bietet somit
Beteiligungen an, die zwar ein gewisses Risiko beinhalten, auf der anderen Seite aber
ganz außergewöhnliche Perspektiven eröffnen", aber unmittelbar nach dieser Aussage
der Hinweis darauf folgt, dass sich die zu beachtenden Risikohinweise am Ende der
Broschüre befinden.
69
Entscheidend ist jedoch, dass über die spezifischen Risiken der hier vorliegenden O.-
BB-Aktien nur unzureichend aufgeklärt wurde.
70
(1) Zwar war auf Seite 7 mitgeteilt worden, dass es sich um Anteile handelt, die "nicht an
einer Börse oder einem anderen geregelten Markt gehandelt werden", was auf Seite 19
wiederholt wird, wo es heißt, dass es "keinen öffentlichen, geregelten Markt gibt", und
auf Seite 20 ergänzt wird mit dem Hinweis, dass für die Aktien "nur ein sehr begrenzter
Markt besteht, dessen Aufrechterhaltung nicht gewährleistet werden kann", aber damit
sind nicht alle Risiken erfasst. Dass die für O.-Titel typische Marktenge die Gefahr von
Kursmanipulationen durch Broker und Inhaber größerer Aktienpakete begünstigt und
demzufolge für den Anleger ein unkontrollierbares zusätzliches Risiko besteht, welches
in keinem Zusammenhang mit der Ungewissheit über den wirtschaftlichen Erfolg der
emittierenden Aktiengesellschaft steht, verschweigt die Broschüre. Dem Anleger wird
auch nicht vor Augen geführt, dass die Gefahr eines Betruges oder
Kapitalanlagebetruges besteht, weil die am Handel Beteiligten den unwissenden
Anleger mit kriminellen Machenschaften um sein Geld bringen können. Es wird auch
nicht hinreichend deutlich, dass der Anleger aufgrund des eingeschränkten Marktes für
diese Aktien bei Kursverlusten unter Umständen nicht angemessen durch sofortigen
Verkauf reagieren kann und dass die Gefahr plötzlicher und nicht vorhersehbarer
Kursverluste im O.-Handel groß ist.
71
(2) Die Broschüre verschleiert zudem die Rolle der EA als Verkäuferin der Aktien und
damit unmittelbarer Nutznießerin der Investition der Anleger. Die Präsentation des
eigenen Unternehmens auf Seite 6, wonach die EA für ihre Kunden
Unternehmensbeteiligungen aussucht und überprüft und sich als "Schnittstelle
zwischen dem Unternehmen und seinem Management einerseits und dem informierten
Anleger andererseits" versteht, legt dem unbefangenen Leser nahe, dass die EA
72
lediglich eine Vermittlerrolle einnimmt, ohne selbst als Vertragspartei an dem
Erwerbsgeschäft beteiligt zu sein. Hierauf deuten auch die zweite Überschrift auf Seite 6
"Die direkte Unternehmensbeteiligung" und der zweite Satz im 5. Absatz auf Seite 6 hin:
"Der unmittelbare Kapitalzufluss versetzt das Unternehmen in die Lage, die
Voraussetzungen zur Verwirklichung seiner innovativen Konzepte zu schaffen. Dem
Investor wird die Chance geboten, durch sein Engagement in einem frühen Stadium der
Unternehmensentwicklung an einem zukünftigen Wachstum überdurchschnittlich zu
partizipieren". Gleiches gilt für den widersprüchlichen Hinweise auf Seite 7 der
Broschüre, wonach EA zwar eine Emission neuer Stammaktien übernehme und auf
eigenes Risiko im freien Markt platziere und – dennoch – "durch den unmittelbaren
Kapitalzufluß" "das Unternehmen in die Lage versetzt, die Realisierung seiner
Geschäftsvorhaben unverzüglich anzugehen": Den Anlegern wurde damit
vorgespiegelt, sie erwürben neu ausgegebene Aktien vermittels der EA unmittelbar von
dem Beteiligungsunternehmen, dem der von den Anlegern bezahlte Preis unmittelbar
zufließe. Auf eine Beschränkung der EA auf eine Rolle als bloße Anlagevermittlerin
deutet auch das auf Seite 21 der Broschüre abgedruckte Auftrags/Order-Formular (K
31). Nach dessen Inhalt erteilten die Anleger der EA den Auftrag, für sie Aktien zu
ordern. Damit wurde der tatsächliche Inhalt der Rechtsgeschäfte zwischen der EA und
den Anlegern – nicht Auftrag oder Order, sondern Kaufvertrag über von der EA
gehaltene Aktien – ebenso verschleiert wie die Rolle der EA, die tatsächlich nicht
Vermittlerin, sondern Verkäuferin der Aktien war. Den Anlegern wurden auf diese Weise
das sich aus der Rolle der EA als Verkäuferin ergebende wirtschaftliche Interesse an
dem Aktienvertrieb sowie Art und Umfang des mit dem Erwerb verbundenen
unmittelbaren oder mittelbaren Kapitalzuflusses bei dem Beteiligungsunternehmen
verschwiegen. Der Kläger ist ferner nicht darüber aufgeklärt worden, dass die Aktien im
Wege dieses Eigenhandels zu einem weit über den Emissionswert hinausgehenden
Kaufpreis veräußert werden können und der sich dabei bildende Kurs von der EA als
eigengewinnorientiertem Hauptvertreiber willkürlich bestimmt werden kann.
(3) Vor allem aber werden die überaus engen personellen Verflechtungen zwischen der
EA und der SGBI nicht offengelegt, die ein besonders großes Kursmanipulationsrisiko in
sich bergen. Der Hinweis auf Seite 19 unter Ziffer 1, dass die Geschäftsführer und
leitenden Angestellten des Beteiligungsunternehmens und seiner Tochtergesellschaften
Interessenkonflikten unterliegen können, lässt nicht erkennen, dass die Beklagten zu 1.)
bis 2.) sowohl Mehrheitsgesellschafter und Prokuristen der EA als auch
Gründungsaktionäre und Mitglieder des Board of Directors bzw. Aufsichtsmitglieder
sämtlicher S. -Mutter- und Tochtergesellschaften waren und zudem eine Agentur
gegründet hatten, die durch den am 18. August 2000 verlängerten
Dienstleistungsvertrag vom 26. April 1999 (K 167) zusätzliche Einnahmen aus dem
Aktienvertrieb erzielte. Wegen dieser personellen Verflechtung der Beklagten zu 1.) und
2.) mit der SGBI und der EA waren die Kurse manipulierbar und die Chancen des
Klägers mit den SGBI-Aktien Kursgewinne zu erzielen, erheblich beeinträchtigt.
73
dd) Ein weiterer Aufklärungsmangel liegt in der irreführenden Darstellung der
Preisbildung. Durch die Mitteilung auf Seite 7 der Broschüre, dass der jeweilige
Verkaufspreis von dem an der NASDAQ BB (Bulletin Board) notierten Kurs und der Zahl
der zu erwerbenden Anteile abhängig sei, im Zusammenhang mit der Darstellung der
EA als Vermittlerin konnte zumindest der Eindruck erweckt werden, die SGBI emittiere
die Aktien zu einem dem Kurs an der NASDAQ BB angenäherten Preis. Durch die von
der EA verwendeten und am Ende der Broschüre abgedruckten Orderformulare, die
nach der Nennung des Einzel- und Gesamtpreises einen prozentualen Abschlag von
74
5 % bis 25 % auswiesen, erweckte sie zudem den Eindruck, Abnehmern größerer
Mengen einen Emissionsabschlag einzuräumen. Damit hat die EA verschleiert, dass
der Ausgabepreis des Beteiligungsunternehmens SGBI nur einen Bruchteil des Preises
ausmachte, den die EA von privaten Anlegern forderte. Der Beklagte zu 1.) hat in
seinem Schriftsatz vom 15. Dezember 2004 (Bl. 803 ff., 840 ff. GA) dargestellt, dass die
EA die Aktien zu ganz unterschiedlichen Preisen veräußert hat. Es ist zudem unstreitig,
dass die EA aus der fünften Tranche von 8 Mio. Aktien, die sie gemäß
Zeichnungsvereinbarung vom 21. Februar 2000 (K 24, K 24a) zu einem Stückpreis von
0,964 US$ erworben hatte, einen Großteil zu einem Stückpreis von 1,145 US$ an die M.
Vermögensverwaltung AG verkaufte. Soweit die Beklagten in der Berufungsinstanz
erstmals pauschale Zweifel an der Echtheit der Anlagen K 24 und K 24a äußern, ist
dieser Vortrag nicht nur unsubstantiiert und verspätet, sondern im Hinblick auf den
insoweit unstreitigen Sachverhalt auch unerheblich. Darüber hinaus haben sich für die
EA unstreitig Kosten dadurch ergeben, dass sie mitunter Aktien von unzufriedenen
Kunden zurückgekauft und diese Kosten im Rahmen der Preisbildung im Sinne einer
Mischkalkulation berücksichtigt hat.
ee) Über die mit dem Erwerb von PTI-Aktien verbundenen Risiken hat die EA ebenfalls
nicht aufgeklärt. Soweit hierzu überhaupt schriftliches Aufklärungsmaterial existierte,
namentlich die als Anlage K 47 zur Akte gelangte Broschüre, war dies zur
ordnungsgemäßen Aufklärung über die Anlage in Aktien der PTI schon deshalb
ungeeignet, weil sich die Broschüre im Wesentlichen auf Angaben zu dem deutschen
Tochterunternehmen P. B. AG beschränkte. Risikohinweise fehlen hier vollständig.
Darauf, dass die Beklagten zu 1.) und 2.) Mitgründer, Gesellschafter sowie
Aufsichtsratsmitglieder bzw. Mitglieder des Board of Directors der P. B. AG (K 18) und
der PTI (K 18a) sind, ist ebenfalls nicht hingewiesen worden.
75
b) Die unter a) genannten Aufklärungsmängel sind für den Erwerb der Aktien und den
damit eingetretenen Schaden des Klägers ursächlich gewesen. Der Kläger hat
schlüssig dargelegt, dass er die Aktien nicht erworben hätte, wenn diese Risiken seiner
Anlage zutreffend dargestellt worden wären. Die Darlegungs- und Beweislast für das
Gegenteil tragen die Beklagten, wenn wie hier nur ein aufklärungsrichtiges Verhalten in
Betracht kommt (BGH, NJW-RR 1988, 831; NJW 1991, 1108 [1109]; OLG Düsseldorf,
NJW-RR 2002, 1051). Dass der Kläger die Aktien auch bei ordnungsgemäßer
Aufklärung erworben hätte, haben die Beklagten nicht dargetan.
76
Soweit die Beklagten zu 1.) bis 3.) behaupten, der Kläger habe sich durch einen Besuch
der S. BT AG in Witten und durch Gespräche mit deren Mitarbeiterin Dr. B. sowie dem
Beklagten zu 7.) selbst ein zutreffendes Bild über die Anlage gemacht, haben sie nicht
dargelegt, dass diese Gespräche die oben genannten aufklärungsbedürftigen Punkte
zum Gegenstand hatten.
77
Ebenso unerheblich ist die nicht näher konkretisierte Behauptung, der Kläger sei durch
die Lektüre von Fachzeitschriften, Börsenbriefen und Informationen aus dem Internet
über die SGBI und die Tatsache, dass die Beklagten zu 1.) und 2.) dort Posten
innehatten, informiert gewesen. Selbst wenn sich der Kläger auch anderweitig über die
Entwicklungen der SGBI informiert hat, folgt daraus nicht, dass er auf diesem Wege
Kenntnis über die in der Broschüre verschwiegenen Gefahren der Anlage erhalten hat
oder die Anlage auch in Kenntnis der verschwiegenen Umstände getätigt hätte.
78
Ebensowenig ist der pauschalen Behauptung nachzugehen, der Kläger habe
79
spekulieren wollen oder sei nicht aufklärungsbedürftig gewesen.
Die Beklagten haben auch nicht dargetan, dass der Kläger im Zuge des Erwerbs der 4.
Tranche durch die D. B. .. AG über die mit dem Erwerb von O.-Aktien verbundenen
Gefahren hinreichend aufgeklärt worden ist. Es ist schon nicht ersichtlich, dass die D. B.
.. AG überhaupt über entsprechendes schriftliches Aufklärungsmaterial verfügt und dem
Kläger ausgehändigt hat. Ebenso wenig ist dargelegt, dass die D. B. 24 AG über die
bloße Vermittlung hinaus besonderes Vertrauen in Anspruch genommen und eine
Beratungsleistung angeboten hat. Soweit der Beklagte zu 1.) behauptet, der Kläger
habe mit Herrn W. von der D. B. AG telefoniert, wobei ihm dieser bestätigt habe, dass
die SGBI bei der D. B. AG höchstes Ansehen genieße und eine von Herrn Dr. K.
erarbeitete Analyse zu einer ausgezeichneten Beurteilung gekommen sei, lässt dies
nicht auf die erforderliche Aufklärung schließen. Der Vortrag des Beklagten zu 1.), er
gehe davon aus, Herr W. habe sämtliche Risiken eines Investments in Aktien der SGBI
mit dem Kläger erörtert, stellt sich zum einen als bloße Vermutung dar, zum anderen
wäre diese mündliche Aufklärung ungenügend, weil sie nur schriftlich erfolgen kann
(BGH, NJW 1991, 1947 f.; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2002, 1051).
80
Aus demselben Grund ist auch die Behauptung der Beklagten unerheblich, der Kläger
sei durch die Telefonverkäufer der EA mündlich über sämtliche Risiken aufgeklärt
worden. Diese Behauptung entbehrt darüber hinaus der hinreichenden Substantiierung,
weil die Beklagten nicht dargelegt haben, welche über die Broschüre hinausgehenden
Hinweise konkret erteilt worden sein sollen. Sie behaupten im Gegenteil in der
Berufungsinstanz, sie hätten in ihren Verkaufsgesprächen ausschließlich Argumente
aus der Broschüre verwendet.
81
Soweit die Beklagten den Erwerbsvorgang als solchen pauschal bestreiten, ist ihr
Vortrag nach wie vor unerheblich. Der Kläger hat sämtliche Aktienkäufe anhand von
Ablichtungen der Orderformulare, Auftragsbestätigungen und Zahlungsbelege im Detail
dargelegt (K 30 – K 39, K 43, K 43a, K 48 – K 50, K 54 – K 56) und zu den bei der EA
erworbenen SGBI-Aktien Ablichtungen der Aktienzertifikate (K 61) beigebracht, die
sowohl hinsichtlich der Stückzahlen als auch hinsichtlich der Daten zu den dargelegten
Erwerbsvorgängen passen. Substantiierter Gegenvortrag ist nicht erfolgt.
82
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der durch die unzureichende Aufklärung in
Gang gesetzte Kausalverlauf nicht dadurch unterbrochen worden, dass der Kläger
seinen Aktienkauf im November 2000 im Vertrauen auf den ihm von den
Telefonverkäufern angeblich angekündigten "B. –D." getätigt hat. Es trifft zwar zu, dass
der Kläger in seiner Strafanzeige gegen EA u. a. vom 28. August 2001 (BB7 A10, Bl.
2282 ff., 2284 GA) und in seinem am 12. Mai 2003 ausgefüllten Fragebogen im
Ermittlungsverfahren - 18 Js 1308/01 - bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf (BB 7 A9,
Bl. 2273 ff., 2276 GA) erklärt hat, dass der "B. –D." absolut ausschlaggebend für seinen
Kauf von 200.000 SGBI-Aktien am 10. November 2000 gewesen sei, aber dieser
Umstand reicht nicht aus, die tatsächliche Vermutung für die Schadensursächlichkeit
der Aufklärungspflichtverletzung auszuräumen. Denn die durch Aufklärungsmängel vor
dem Abschluss des ersten Aktiengeschäfts begründete Vermutung, dass der Kunde von
diesem Geschäft bei gehöriger Aufklärung abgesehen hätte, äußert sogar auch dann
Wirkung in Bezug auf Folgegeschäfte, wenn sie nach gehöriger Aufklärung geschlossen
worden sind. Selbst ein nach dem Erstgeschäft erteilter warnender Hinweis lässt die
Schadensursächlichkeit der Aufklärungspflichtverletzung nicht entfallen, weil der
Anleger diesem Hinweis unter dem Eindruck des Erstgeschäfts nicht mehr
83
unvoreingenommen gegenüber steht (BGH, WM 1993, 1457, 1458; WM 1992, 770, 773).
Der durch die unter a) bereits dargestellten Aufklärungsmängel beim Kläger
hervorgerufene Irrtum hat bei seinem letzten Aktienkauf bei der EA im November 2000
sogar unverändert fortbestanden.
c) Auch die subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB sind erfüllt. Den Beklagten zu
1.) bis 3.) war bewusst, dass die Mitarbeiter der EA verpflichtet waren, deren Kunden
über die Risiken der angebotenen hochspekulativen und schwer durchschaubaren
Aktiengeschäfte aufzuklären. Denn sie tragen vor, die von der EA ausgegebenen
schriftlichen Risikohinweise in der Zeit von 1999 – 2001 zur Überprüfung der auf dem
Gebiet des Kapitalmarktrechts spezialisierten Rechtsanwältin M. gestellt und auf deren
fachkundigen Rat vertraut zu haben, als sie die Verkaufsbroschüre abgesegnet habe.
Eine solche Überprüfung hätten sie nicht in Auftrag gegeben, wenn sie sich über die
Aufklärungsbedürftigkeit der Kunden der EA in schriftlicher Form nicht bewusst
gewesen wären. Dass die Risikohinweise keine Hinweise auf die personellen
Verflechtungen enthielten und die Broschüre auch im Übrigen verschleierte, dass es
sich um gewinnbringenden Eigenhandel der EA handelte, der die Gewinnchancen der
Kunden erheblich einschränkte, war den Beklagten bekannt. Der Einsicht, dass durch
diese Hinweise der Kunde von den tatsächlichen Umständen des Aktienhandels und
den dadurch ausgelösten Gefahren nicht in Kenntnis gesetzt wurde, konnten sie sich
nicht verschließen. Sie nahmen damit eine Schädigung ihrer Kunden durch einen nur
unvollständig überlegten Geschäftsabschluss ohne hinreichende Aufklärung billigend in
Kauf. Als für die sachgerechte Information der Kunden verantwortliche faktische
Geschäftsführer missbrauchten sie damit ihre geschäftliche Überlegenheit und haben
deshalb gemäß § 826 BGB persönlich für den dem Kläger eingetretenen Schaden
einzustehen.
84
d) Die Beklagten zu 1.) bis 3.) können sich demgegenüber nicht damit entlasten, sie
hätten sich darum bemüht, das Informationsmaterial mit Hilfe von Rechtsanwältin M. den
Anforderungen der Rechtsprechung anzupassen, und seien im Vertrauen auf die
Fachkunde der Rechtsanwältin davon ausgegangen, dass die Anleger hinreichend über
die Risiken aufgeklärt wurden. Derartige Bemühungen haben die Beklagten, soweit es
um die Erstellung der streitgegenständlichen Broschüren geht, nicht schlüssig
dargelegt. Das von ihnen angeführte Schreiben der Rechtsanwältin M. vom 18.
September 2000 (BI. 925 – 927 GA) steht schon in zeitlicher Hinsicht nicht im
Zusammenhang mit der im Frühjahr 2000 vor den streitgegenständlichen Aktienkäufen
an den Kläger ausgehändigten Broschüre über die SGBI-Aktien (K 28). Darüber hinaus
beinhaltet das Schreiben keine Beratung über eine zutreffende Aufklärung von
Anlegern, sondern eine Zusammenstellung von Argumenten, mit denen man sich nach
Ansicht der Verfasserin in einem Zivilrechtsstreit mit Erfolg gegen eine
Schadensersatzklage verteidigen kann, wie z.B. die fehlende Aufklärungsbedürftigkeit
des Anlegers und das Ablehnen einer Aufklärung durch den Anleger. Soweit das
Schreiben auf die Erfordernisse einer ordnungsgemäßen Aufklärung eingeht, so z. B.
auf das Erfordernis einer schriftlichen Aufklärung nach der Rechtsprechung der
Oberlandesgerichte Düsseldorf und Frankfurt (Bl. 925 GA) sowie auf das Erfordernis von
Hinweisen darauf, dass die "für die meisten O.-Titel typische Marktenge
Kursmanipulationen der Broker und Inhaber größerer Aktienpakete" begünstige und
"Kursveröffentlichungen über die auf dem OTC-Markt gehandelte Aktie auf den
Kursangaben der als "M. M." fungierenden Broker beruhen, ohne daß den genannten
Kursen tatsächliche Abschlüsse zugrunde liegen müssen" (BI. 927 GA), haben die
Beklagten diese Hinweise in der streitgegenständlichen Broschüre gerade nicht
85
berücksichtigt.
e) Das Ausscheiden des Beklagten zu 1.) aus der EA, selbst wenn es, wie er behauptet,
bereits zum 31. Oktober 2000 geschehen wäre, ändert nichts an seiner Haftung, weil der
von ihm als Gesellschafter und Prokurist der EA geleistete Tatbeitrag durch seine
Mitwirkung am Aufbau der Firmenstruktur und der Erstellung der Werbebroschüren nach
Versendung der Broschüre an den Kläger im Frühjahr 2000 auch für den Erwerb der
letzten 200.000 Aktien im November 2000 ursächlich geblieben ist. Der Beklagte zu 1.)
hat auch nicht vorgetragen, sich im Zuge seines Ausscheidens darum bemüht zu haben,
die durch seine Mitwirkung an der Verwendung einer unzureichenden Broschüre und
dem Mitaufbau des Vertriebssystems eingeleitete sittenwidrige Schädigung von
Anlegern zu beenden. Darüber hinaus ist urkundlich nur dokumentiert, dass der
Beklagte zu 1.) seine Anteile an der EA erst am 16. November 2000 übertragen hat und
noch bis zum 27. November 2000 als Prokurist im Handelsregister (K 1) eingetragen
war. Der letzte Auftrag des Klägers vom 10. November 2000 fällt damit noch in die Zeit,
in welcher der Beklagte zu 1.) noch eingetragener Gesellschafter und Prokurist der EA
gewesen ist.
86
f) Der Kläger ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er die Aktien der SGBI bzw.
PTI nicht gekauft oder im Wege des Umtausches erworben hätte. Der Schaden des
Klägers besteht daher unabhängig von dem tatsächlichen Wert der erworbenen Aktien
darin, dass er eine Anlage erworben hat, die er in Kenntnis der personellen
Verflechtungen zwischen dem Beteiligungsunternehmen und der ihn beratenden EA,
der wahren Grundlagen der Preisbildung und den mit dem Erwerb von O.-Aktien
verbundenen besonderen Risiken nicht erworben hätte. Der Kläger hat seinen Schaden
bezüglich der bei der EA erworbenen Aktien – 1. bis 6. Tranche – vom rechtlichen
Ausgangspunkt her zutreffend berechnet, indem er auf die für die Aktien gezahlten
Beträge abstellt.
87
Wegen des Erwerbs der 1.000 Stück PTI-Aktien im September 2000 für umgerechnet
7.019,32 € steht dem Kläger nach dem Verkauf der Aktien am 8. Juli 2004 nur noch ein
Anspruch in Höhe von 4.996,61 € zu. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der
beim Verkauf erzielte Erlös nicht mit 2.500,00 €, sondern mit den tatsächlich erlösten
2.022,71 € schadensmindernd zu berücksichtigen.
88
Nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO hat das Gericht dahin zu wirken, dass die Parteien die
sachdienlichen Anträge stellen. Dazu gehört es, einen Widerspruch zwischen Antrag
und Begründung klarzustellen (OLG Köln, NJW 1973, 1848, 1849; Stein/Jonas/Leipold,
ZPO, 22. Aufl., § 139 ZPO Rdnr. 48; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 28. Aufl., § 139
Rdnr. 9).
89
Es trifft zwar zu, dass der Kläger, obwohl er ausweislich der Wertpapierabrechnung der
D. B. M. AG vom 8. Juli 2004 (K 235) nur einen Erlös von 2.022,71 € erzielt hatte, im
Termin vom 5. November 2004 den Antrag aus dem Schriftsatz vom 26. April 2004 (Bl.
276 f. GA) mit der Maßgabe gestellt hat, dass es bei den Beklagten zu 1.) bis 3.) und 5.)
heißen müsse: "jedoch abzüglich 2.500,-- € (Bl. 701 GA), und dass der in den letzten
Anträgen des Schriftsatzes vom 19. April 2005 enthaltene Abzugsposten in Höhe von
3.565,64 € (Bl. 1019 GA) sich aus den beim Verkauf der 5.000 SGBI-Aktien über die D.
B. .. AG erzielten 1.065,64 € (K 43a) und dem im Termin vom 5. November 2004 auf
2.500,00 € bezifferten Erlös aus dem Verkauf der PTI-Aktien zusammensetzt. Aber der
Kläger hat zu keinem Zeitpunkt die Diskrepanz zwischen dem beantragten
90
Abzugsposten von 2.500,-- € und dem tatsächlichen Erlösbetrag von 2.022,71 € näher
erläutert. Diesen offensichtlichen Widerspruch hätte das Landgericht zum Anlass einer
Klarstellung nehmen müssen. Aufgrund dieses Verfahrensfehlers ist nunmehr in der
Berufungsinstanz der richtige Betrag in Abzug zu bringen.
Der Erlös aus dem Verkauf der PTI-Aktien ist - wie das Landgericht zutreffend
entschieden hat und was der Kläger auch nicht angreift - nicht vorrangig auf die Zinsen
zu verrechnen. Für die Berechnung der Hauptforderung und der Zinsen ist daher davon
auszugehen, dass sich der mit dem Erwerb der PTI-Aktien am 14. September 2000 in
Höhe von umgerechnet 7.019,32 € eingetretene Schaden durch den Verkauf vom 8. Juli
2004 um 2.022,71 € auf 4.996,61 € gemindert hat.
91
Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann der Kläger jedoch auch Schadensersatz
für die über die D. B. .. AG erworbenen 5.000 SGBI-Aktien in Höhe von 12.773,46 € (K
43) abzüglich des Erlöses in Höhe von 1.065,64 € aus dem Verkauf an die D. B. AG am
6. Mai 2004 (K 43a), also in Höhe von 11.707,82 €, verlangen.
92
Es trifft zwar zu, dass er für die Behauptung, der Beklagte zu 5.) habe ihn namens der
EA bei dem Erwerb der Aktien über die D. B. .. AG beraten (Bl. 35 GA), beweisfällig
geblieben ist. Soweit er mit Schriftsatz vom 28.10.2005 (Bl. 1184 GA) zum Beweis
seines Vortrags zum Erwerbsvorgang das Zeugnis des Sachbearbeiters P. von der D. B.
.. AG angeboten hat, ist nach dem eigenen Vortrag des Klägers davon auszugehen,
dass sich dessen Wahrnehmungen auf den Erwerb der Aktien bei der D. B. .. AG
beschränken und nicht auf die entscheidende Frage erstrecken, ob der Beklagte zu 5.)
den Kläger bei dem Erwerb dieser Aktien beraten hat. Ferner ist es zutreffend, dass
weder aus der Broschüre der EA noch aus den weiteren von der EA herrührenden
Anlagen ersichtlich ist, dass die Beklagten zu 1.) bis 3.) einen Aktienerwerb bei der D. B.
.. AG beworben haben. Aber der Kauf bei der D. B. AG ist eine adäquate Folge der
vorausgegangenen falschen Risikoberatungen der Beklagten gewesen. Ihre
Aufklärungspflichtverletzung hat hier fortgewirkt. Denn die durch Aufklärungsmängel vor
dem Abschluss des ersten Aktiengeschäfts begründete Vermutung, dass der Kunde von
diesem Geschäft bei gehöriger Aufklärung abgesehen hätte, äußert sogar auch dann
Wirkung in Bezug auf Folgegeschäfte, wenn sie nach gehöriger Aufklärung geschlossen
worden sind. Selbst ein nach dem Erstgeschäft erteilter warnender Hinweis lässt die
Schadensursächlichkeit der Aufklärungspflichtverletzung nicht entfallen, weil der
Anleger diesem Hinweis unter dem Eindruck des Erstgeschäfts nicht mehr
unvoreingenommen gegenüber steht (BGH, WM 1993, 1457, 1458; WM 1992, 770, 773).
Der durch die unter a) bereits dargestellten Aufklärungsmängel beim Kläger
hervorgerufene Irrtum hinsichtlich der SGBI-Aktien hat daher auch bei seinem Kauf von
SGBI-Aktien über die D. B. .. AG im September 2000 unverändert fortbestanden, zumal,
wie oben bereits erörtert, die Beklagten weder dargelegt noch in geeigneter Weise unter
Beweis gestellt haben, dass die D. B. .. AG den Kläger über die mit dem Erwerb von
SGBI-Aktien verbundenen Risiken gesondert aufgeklärt und damit den Kausalverlauf
unterbrochen hat.
93
Der von den Beklagten zu 1.) bis 3.) zu ersetzende Schaden des Klägers berechnet sich
danach wie folgt:
94
95
1. Kauf von 3.000 SGBI-Aktien im Mai 2000 (K 30 – K 33, K 61) 9.225,53 €
2. Kauf von 2.000 SGBI-Aktien im Juni 2000 (K 34 – K 36, K 61) 4.275,25 €
3. Kauf von 10.000 SGBI-Aktien im Juli 2000 (K 37 – K 39, K 61) 23.903,93 €
4. Kauf von 5.000 SGBI-Aktien im September 2000 (K 43)
96
nach Abzug des Erlöses von 1.065,64 € (K 43a) 11.707,82 €
97
5. Kauf von 1.000 PTI-Aktien im September 2000 (K 48 – K 50, K 61)
98
99
nach Abzug des Erlöses von 2.022,71 € (Bl. 701 GA) 4.996,61 €
100
6. Kauf von 200.000 SGBI-Aktien im November 2000
101
102
(K 54 – K 56, K 61, K 107 = Bl. 235) 399.208,19 €
103
also insgesamt
453.317,33 €
104
Im Gegenzug ist der Kläger zur Übertragung der von ihm erworbenen 215.000 SGBI-
Aktien Zug um Zug gegen den geforderten Schadensersatz verpflichtet.
105
Entgegen der im Berufungsverfahren geäußerten Anregung des Klägers ist im Wortlaut
des Urteilstenors nicht an allen Stellen, an denen die Verurteilung der Beklagten von
Zug um Zug zu erbringenden Leistungen des Klägers abhängig gemacht wird, der
Zusatz "und zwar an die Beklagten dieser Urteils-Ziffer als Gesamtgläubiger"
anzufügen. Denn der Kläger muss die Aktien demjenigen aushändigen, der an ihn zahlt.
Nur derjenige, der die Forderung des Klägers befriedigt, hat auch Anspruch auf
Erfüllung der Zug um Zug-Verpflichtung.
106
Soweit die Beklagten zu 1.), 3.) bis 6.) beanstanden, dass das Landgericht unter Ziffer 4.
seines Urteil keine Zug um Zug-Verpflichtung in den Tenor aufgenommen hat, ist dieses
Unterlassen deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger die 1.000 PTI-Aktien nicht mehr im
Besitz hat, sondern im Juli 2004 veräußerte, weshalb auch nur der um den Erlös
verringerte Betrag ausgeurteilt worden ist.
107
Der Kläger hat auch nicht gegen die ihm grundsätzlich obliegende Pflicht zur
Schadensminderung (§ 254 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. BGB) verstoßen. Der Einwand der
Beklagten, der Kläger hätte die Aktien Anfang 2001 noch zu einem höheren Preis als
108
dem derzeitigen Wert verkaufen können, greift insoweit nicht durch. Das gilt ungeachtet
der Frage, ob der Kläger überhaupt verpflichtet war, sich Gedanken über den
günstigsten Veräußerungszeitpunkt für die nur aufgrund von Pflichtverletzungen der
Beklagten zu 1.) bis 3.) erworbenen Aktien zu machen, schon deshalb, weil die weiteren
Kursentwicklungen nicht voraussehbar waren. Die Folgen eines etwa ungünstigen
Veräußerungserlöses gehen deshalb zu Lasten der Beklagten (Senat, - 6 U 186/99,
OLGR 2002, 69, 72).
Abgesehen davon, dass dem Einwand der Beklagten, der Kläger könne die bei der EA
erworbenen Aktien zwischenzeitlich teuer verkauft und die in seinem Depot bei der D. B.
M. AG lagernden 215.000 SGBI-Aktien später billig angekauft haben, hinreichende
tatsächliche Anhaltspunkte fehlen, wird er durch K 61 und K 61A bis K 61L widerlegt.
Denn aus diesen Anlagen ergibt sich lückenlos, dass die D. B. M. AG die
Originalzertifikate der gesperrten SGBI-Aktien vom 25. Mai 2000, 6. Juli 2000, 2. August
2000, 28. November 2000 sowie das Originalzertifikat der gesperrten PTI-Aktien vom
25. April 2002 erhalten, die Entsperrung bewirkt und die entsperrten Aktien in das Depot
übernommen hat. Die Echtheit dieser Dokumente haben die Beklagten nicht
substantiiert bestritten.
109
2. Die Klage ist, soweit sie sich gegen die Beklagten zu 4.) bis 6.) richtet, nicht
begründet, weil es an schlüssigem Vortrag des Klägers zu ihrem Vorsatz fehlt.
110
Die Beklagten zu 4.) bis 6.) sind weder für die Organisation der EA noch deren
Broschüren verantwortlich gewesen. Zwar ist ihre Tätigkeit als Telefonverkäufer nicht
nur untergeordneter Natur gewesen ist, was in besonderem Maße auf den Beklagten zu
6.) zutrifft, der zugleich Abteilungsleiter in der EA gewesen ist. Der Inhalt des
Telefongesprächs steht regelmäßig im Mittelpunkt des Geschäftsabschlusses, weil von
seinem Inhalt mitentscheidend abhängt, ob der Anleger hinreichend gewarnt oder durch
anpreisende Erklärungen von den Risiken abgelenkt wird, so dass er schriftlichen
Warnhinweisen nicht mehr die nötige Aufmerksamkeit schenkt (OLG Düsseldorf, NJW
1995, 404, 405). Aber der darlegungs- und beweispflichtige Kläger hat, worauf er im
Termin vor dem Senat hingewiesen worden ist, nicht substantiiert vorgetragen, aufgrund
welcher tatsächlichen Umstände die Beklagten zu 4.) bis 6.) die personellen
Verflechtungen, die Rolle der EA beim Vertrieb der Aktien, die Verteilung der
Einnahmen auf Vertrieb und zu förderndes Unternehmen sowie die besonderen Risiken
der Anlagen in O.-Wertpapieren gekannt haben sollen, so dass ihnen die Unrichtigkeit
und der Täuschungscharakter der von ihnen verwendeten Verkaufsargumente bewusst
gewesen sei.
111
Die Beklagten zu 4.) bis 6.) sind nach ihrem Vortrag davon ausgegangen, dass die
Broschüre (K 28) eine ordnungsgemäße Aufklärung enthält. Sie hätten auf die
Aussagen von Rechtsanwältin M., die ihnen von der Geschäftsleitung weitergegeben
worden seien, vertraut. Weder aus der Widersprüchlichkeit angeblicher Aussagen der
Telefonverkäufer – einerseits die "B. -Geschichte" und andererseits die Empfehlung des
Umtauschs von SGBI-Aktien in PTI-Aktien – noch aus der Höhe der Grundgehälter und
der erfolgsabhängigen Provisionen kann, wie es der Kläger in der Klageschrift
darzustellen versucht, zwingend auf die Kenntnis oder auf eine auf Rechtsblindheit
beruhende Unkenntnis der Beklagten zu 4.) bis 6.) von der Unrichtigkeit ihrer von der
Geschäftsleitung erhaltenen Verkaufsargumente geschlossen werden. Wie der Kläger
auf Seite 71 der Klageschrift selbst vorbringt, haben die Telefonverkäufer überwiegend
weder über eine Ausbildung noch über einschlägige Kenntnisse im
112
Finanzdienstleistungsbereich verfügt, weshalb von Seiten des Beklagten zu 2.)
Schulungen durchgeführt worden seien, in welchen die Telefonverkäufer
eingeschüchtert und massiv unter Druck gesetzt worden seien. Es kann daher nicht
einmal davon ausgegangen werden, dass sie die Widersprüchlichkeit der
vorgegebenen Verkaufsargumente überhaupt hätten erkennen können. Dafür, dass die
Telefonverkäufer den Anweisungen der Geschäftsleitung vertrauten und ihnen folgten,
spricht auch der in der Berufungsinstanz unbestritten gebliebene Vortrag der Beklagten
zu 1.) und 3.) bis 6.), dass der Beklagte zu 2.) Anfang November 2000 die gesamte
Verkaufsmannschaft im Schulungsraum habe "antreten" lassen, wo der Leiter der
Abteilung Sondergeschäfte, Herr S., unter "top secret" mitgeteilt habe, dass er soeben
aus Hamburg von Be. gekommen sei und dort einen "Deal" über 150 Millionen
"eingestielt" habe, wonach B. sich in wenigen Wochen an SGBI beteiligen wolle. Dazu
hätten neue Aktien ausgegeben und bei Kunden geparkt werden sollen, um im Frühjahr
des Folgejahres von B. zu einem weit höheren Preis übernommen zu werden. Der
Beklagte zu 2.) habe die Anweisung erteilt: "An die Rohre". Bis zu diesem Zeitpunkt
wären alle Prognosen und Ankündigungen der Geschäftsleitung wie Börsengang
Düsseldorf und Berlin, Gründung der SGBI-Niederlassung in Singapur, Förderung der
Projekte durch das Land NRW usw. regelmäßig eingetroffen. Der "Starverkäufer" S. sei
eine absolute Autorität gewesen, weil er allein 30 % bis 40 % des Jahresumsatzes
produziert habe. Dafür, dass der vorgenannte B. -Deal von Seiten der Geschäftsleitung
damals als existent behandelt worden ist, spricht auch die im anwaltlichen Schreiben
vom 7. August 2001 (K 53) wiedergegebene Reaktion des Beklagten zu 1.), "es gäbe
verschiedene Versionen, der Vertragsabschluß mit B. sei ein Fakt, warum S. dies
bestreite, verstehe er nicht ...". Dafür, dass der Beklagte zu 6.) erklärt haben soll (Seite
44 der Klageschrift), er sei bei der Unterzeichnung des Lizenzvertrages in Hamburg
persönlich mit anwesend gewesen, hat der Kläger keinen Beweis angetreten. Die vom
Kläger behaupteten hohen Gehälter und Provisionszahlungen an die Beklagten zu 4.)
bis 6.) hat er nur für den hier nicht maßgeblichen Zeitraum September und Oktober 2001
(K 40, K 41, K 57) belegt. Der vom Kläger auf Seite 45 der Klageschrift aufgestellten und
unter Zeugenbeweis gestellten pauschalen Behauptung, dass bereits im Jahre 2000
unter den Telefonverkäufern bekannt gewesen sei, dass die von der Geschäftsleitung
zur Verbreitung angewiesenen Unternehmensinformationen nicht richtig waren, kann
mangels konkreter Anhaltspunkte, woraus sich deren Kenntnis hätte ergeben sollen,
nicht nachgegangen werden.
3. Der Beklagte zu 7.) haftet für den Schaden des Klägers aus dem Erwerb der SGBI-
Aktien bei der EA gemäß §§ 826, 830 Abs. 2, 840 Abs. 1 BGB neben den Beklagten zu
1.) bis 6.) in Höhe von 448.320,72 € als Beteiligter der sittenwidrigen Schädigungen.
113
a) Bereits dem unstreitigen Sachverhalt ist zu entnehmen, dass der Beklagte zu 7.) die
Beklagten zu 1.) und 2.) bei ihrem sittenwidrigen Aktienvertrieb der EA vorsätzlich
unterstützt hat und somit zumindest Gehilfe gewesen ist. Denn er hat den schädigenden
Vertrieb der SGBI-Aktien dadurch gefördert, dass er die Firmenstruktur der S. -Gruppe
mit den Beklagten zu 1.) und 2.) aufgebaut, in seiner Funktion als Direktoriumsmitglied
der SGBI am Verkauf der SGBI-Aktien an die EA mitgewirkt und den Vertrieb der Aktien
durch Werbemaßnahmen, wie z. B. die Mitwirkung an einem Werbefilm, unterstützt hat.
Ohne seine Mitwirkung hätten die Beklagten zu 1.) bis 3.) nicht über das Tatwerkzeug
für die sittenwidrige Schädigung, die SGBI-Aktien, verfügen können.
114
b) Für den Gehilfenvorsatz des Beklagten zu 7.) nach §§ 826, 830 Abs. 2 BGB genügt,
dass er die tatsächlichen Umstände kannte, die den Verkauf der Aktien als sittenwidrige
115
Schädigung erscheinen lassen, und dass er die Schädigung der Anleger durch den von
den Beklagten zu 1.) bis 3.) organisierten Vertrieb der Aktien sowie die Förderung des
Vertriebs durch seine eigenen Mitwirkungshandlungen wenigstens billigend in Kauf
genommen hat.
aa) Der Beklagte zu 7.) kannte die zur Aufklärung der Anleger unzureichende Broschüre
der EA (K 28), weil er selbst mehrfach auf diese Broschüre verwiesen hat, so in seiner
Stellungnahme vom 28. Juni 1999 (K 201) zu dem Focus-Artikel vom 21. Juni 1999 (K
136) sowie in einem Schreiben an den Anleger Gruber vom 9. September 1999 (K 191).
116
In dem Artikel vom 21. Juni 1999 (K 136) berichtete die Zeitschrift Focus unter Hinweis
auf Warnungen der Berliner Verbraucherzentrale und des Branchendienstes kmi über
"unvollständige Prospekte, mangelnde Transparenz und verbotene Telefonwerbung"
der EA beim Vertrieb der "hochriskante[n]" SGBI-Aktien. Sie warf dem Beklagten zu 7.)
vor, sich als Wissenschaftler mit einem unseriösen Vertriebsunternehmen des grauen
Kapitalmarktes eingelassen zu haben. In einer gemeinsamen Stellungnahme vom 28.
September 1999 (K 201) und damit vor dem ersten Aktienkauf des Klägers wiesen der
Beklagte zu 7.) und Herr J. A. die Vorwürfe zurück. Dem ihrer Ansicht nach falschen
Vorwurf mangelhafter Aufklärung der Anleger durch unvollständige Prospekte hielten
sie einen Hinweis auf den auf der Internetseite der EA veröffentlichten Verkaufsprospekt
entgegen.
117
Schließlich ist davon auszugehen, dass der Beklagte zu 7.) unter dem 9. September
1999 (K 191) das Schreiben eines Herrn G. G., der als Anleger Bedenken gegen die
SGBI-Aktie geäußert hatte, wie folgt beantwortete:
118
"Wunschgemäß bestätige ich Ihnen, dass
119
- wir uns einen Milliardenmarkt beim Sauerstoffträger und Glukosesensor erschließen,
120
- der Verkauf unserer Aktien weder unlauter noch riskant ist noch Kosten für Sie anfallen
und
121
- wir mit Hochdruck am Erfolg arbeiten und erste Erfolge sich bereits abzeichnen.
122
Ich empfehle erneut die Durchsicht vom Informationsmaterial über unser Unternehmen
und den Erwerb unserer Aktien, wie Sie es vor dem Kauf von E. A. bekommen haben;
das sind die wesentlichen Angaben über uns und unser Unternehmen;
zusammengefasst und allgemein verständlich...
123
Falls Sie weitere Fragen haben, stehen Ihnen unsere Spezialisten nach Anmeldung zur
Verfügung. Ich selbst lasse mich auch durch weitere Mitarbeiter entlasten, die über den
Aktienkauf und alle Fragen Bescheid wissen".
124
Aus diesen schriftlichen Erklärungen des Beklagten zu 7.) ist eindeutig zu entnehmen,
dass ihm jedenfalls im Sinne einer laienhaften Wahrnehmung ausreichende für eine
sittenwidrige Schädigung sprechende tatsächliche Umstände bekannt waren, nämlich
dass die EA das Anlagerisiko herabspielte, die personellen Verflechtungen mit der
SGBI verschwieg und den Anlegern vorspiegelte, das von ihnen angelegte Kapital
würde unmittelbar der SGBI als Beteiligungsunternehmen zufließen.
125
Soweit er demgegenüber einwendet, er habe die oben geschilderten Hinweise auf die
Broschüre in Unkenntnis deren Inhalts erteilt, weil er sich hinsichtlich der
Ordnungsmäßigkeit auf das Urteil des damaligen Präsidenten der SGBI, Herrn J. A.,
verlassen habe, ist dies unerheblich. Wenn sich der Beklagte zu 7.) trotz der massiven
Vorwürfe von Zeitschriften, Verbraucherschützern, Anlegerwarndiensten und einzelner
SGBI-Aktionäre einer eigenen Prüfung durch Kenntnisnahme von der Broschüre
verschlossen hat, so konnte dies nur unter billigender Inkaufnahme der Berechtigung
der Vorwürfe und damit der Schädigung von Anlegern durch die EA geschehen.
126
bb) Der Beklagte zu 7.) wusste auch, dass die EA die Aktien entgegen der mit den
Zeichnungsvereinbarungen eingegangenen Verpflichtung nicht mit einem
handelsüblichen Kommissionsaufschlag weiterveräußerte, sondern bei privaten
Anlegern weit darüber hinausgehende Aufschläge vornahm. Zum einen war ihm
bekannt, dass die EA den Anlegern ausweislich Seite 7 ihrer Broschüre (K 28)
vorspiegelte, der Verkaufspreis orientiere sich an dem an der NASDAQ BB gelisteten
Kurs. Zum anderen ist davon auszugehen, dass er die überhöhten Verkaufspreise der
EA durch das Schreiben des Herrn G. vom 13. Juli 2000 (K 192) kannte, aus dem
hervorgeht, dass Herr G. dem Beklagten zu 7.) bereits im Sommer 1999 über den von
ihm gezahlten Preis in Höhe von 3,975 US$ je Aktie aufgeklärt und hierzu die
Abrechnungsunterlagen der EA übersandt hatte. Dem Beklagten zu 7.) kann aufgrund
des zeitlichen Zusammenhangs nicht entgangen sein, dass die von Herrn G.
erworbenen 60.000 Aktien nur aus den ersten drei Tranchen stammen konnten, welche
die EA zu Stückpreisen zwischen 0,1 US$ und 0,50 US$ erworben hatte. Damit war
dem Beklagten zu 7.) klar, dass die EA GmbH im Fall des Herrn G. die SGBI-Aktien mit
einem Aufschlag von mindestens 695 % weiterveräußert hatte.
127
Die Kenntnis des Beklagten zu 7.) von den wucherischen Aufschlägen der EA wird
schließlich durch seine eigene Notiz vom 14. Dezember 2001 (K 233) sowie durch die
Notiz seiner Ehefrau vom 19. Januar 2002 (K 138) zu den Preisverhandlungen über die
4. Tranche auf einer Direktoriumssitzung der SGBI in Koblenz 1999 belegt. Aus der
Notiz des Beklagten zu 7.) geht hervor, dass sich der Beklagte zu 7.) mit seinem
Anliegen, der EA die SBGI-Aktien mit einem Abschlag in Höhe von 20 % von dem an
der NASDAQ BB notierten Kurs zu verkaufen, nicht durchsetzen konnte, weil der
Beklagte zu 2.) dies im Hinblick auf die Vertriebskosten der EA ablehnte. Aus der Notiz
der Ehefrau des Beklagten zu 7.) ergibt sich, dass auf der vorgenannten Sitzung auch
der in ihren Augen "zu hohe Provisionsanteil des Aktienverkaufes der Firma E. –A.
diskutiert" worden sei.
128
Der Einwand des Beklagten zu 7), er habe den Kläger nicht gekannt und daher auch
nicht gewusst, dass er durch den Aktienvertrieb der EA geschädigt würde, ist
unerheblich, weil er durch seine Untätigkeit in Kenntnis der tatsächlichen Umstände die
Schädigung einer unbestimmten Anzahl von Anlegern und damit auch diejenige des
Klägers zumindest billigend in Kauf genommen hat.
129
Der weitere Einwand des Beklagten zu 7.), die Verkäufe an den Kläger seien ihm nicht
zuzurechnen, weil die EA dem Kläger die Aktien im Rahmen eines ihm nicht bekannten
unerlaubten Sekundärhandels veräußert habe, ist ebenfalls unerheblich. Soweit die EA
die Aktien nicht unmittelbar aus dem von der SGBI erworbenen Bestand veräußert hat,
sondern aus dem Bestand von Aktien, der sich aus Rücknahmen von unzufriedenen
Anlegern ergab, handelt es sich, wie schon das Landgericht ausgeführt hat, um eine
unwesentliche Abweichung des vorgestellten vom tatsächlichen Kausalverlauf, der die
130
Ursächlichkeit der Mitwirkung des Beklagten zu 7.) für den Schaden des Klägers nicht
berührt. Außerdem war dem Beklagten zu 7.) bekannt, dass die EA unzufriedene
Anleger auch durch die Rücknahme von Aktien beruhigte. Das ergibt sich aus seiner
Stellungnahme zu dem Focus-Artikel vom 28. Juni 1999 (K 201). Darin hat er
bezugnehmend auf den Fall des Tierarztes K. D., der sich mit Hilfe der
Verbraucherzentrale gegen die Forderungen der EA aus einem Aktienverkauf gewehrt
hatte, die EA mit der Begründung in Schutz genommen, diese habe die Aktien ohne
weiteres und ohne jegliche Berechnung zurückgenommen. Was mit solchen
zurückgenommenen Aktien seiner Meinung nach anderes geschehen sollte, als sie bei
nächster Gelegenheit einem anderen Anleger wie dem Kläger zu veräußern, ist nach
dem eigenen Vortrag des Beklagten zu 7.) nicht ersichtlich.
cc) Soweit die Beklagten zu 1.), 3.) bis 7.) erstmals in der Berufungsinstanz u. a. die
Fälschung der entscheidungserheblichen Anlagen K 191, K 192, K 138 und K 233
behaupten, ist dieser vom Kläger bestrittene Vortrag gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO
nicht zuzulassen, weil die Beklagten nicht dargelegt haben, dass der verspätete Vortrag
nicht auf einer Nachlässigkeit beruht und auch die Voraussetzungen des Absatzes 2 Nr.
1 und 2 dieser Vorschrift nicht vorliegen.
131
Den Beklagten waren die Anlagen K 138, K 191, K 192, K 233 bereits im ersten
Rechtszug bekannt, weil sie ihnen zusammen mit den Schriftsätzen des Klägers vom
26. April 2004 und 7. Dezember 2004 übersandt worden sind. Auf K 191 und die daraus
abzuleitende Kenntnis des Beklagten zu 7.) hat das Landgericht im Hinweis- und
Auflagenbeschluss vom 25. Februar 2005 (Bl. 918, 919 GA) ausdrücklich hingewiesen,
ohne dass die Beklagten im Anschluss daran deren Unechtheit geltend gemacht haben.
Im Gegenteil, der Beklagte zu 7.) hat noch in seinem Schriftsatz vom 6. Oktober 2005 auf
Seite 16 (Bl. 1168 GA) erklärt, dass es sich bei der Aussage in K 191 um seine eigene
handele. Außerdem hat er sich mit K 191 in seinem Schriftsatz vom 27. April 2005 auf
Seite 2 unter Ziffer 3 (Bl. 1078 GA) konkret auseinandergesetzt und die Ansicht
vertreten, dass dort "mit keinem Wort" "auf irgendwelche Broschüren von E. A.
verwiesen" werde. In seinem Schriftsatz vom 22. Juli 2004 auf Seite 48 unter Ziffer 80
(Bl. 441 GA) hat der Beklagte zu 7.) die Echtheit des Vermerks seiner Ehefrau in K 138
ebenfalls nicht in Frage gestellt, sondern ist statt dessen zu dem Ergebnis gelangt, dass
dieser Aktenvermerk ihn offensichtlich entlaste, weil darin festgehalten werde, dass er
wie seine Ehefrau mit eventuell überhöhten Preisen nicht einverstanden gewesen sei.
132
Keiner der Beklagten zu 1.) und 3.) bis 7.) hat einen Grund für die verspätete
Geltendmachung ihrer in der Berufungsinstanz erstmals eingeführten
Fälschungsbehauptungen benannt. Sie haben nicht vorgetragen, warum sie sich erst
nach Verkündung des angefochtenen Urteils am 24. März 2006 bzw. nach Zustellung
desselbigen im April 2006 mit den vorgenannten Schriftstücken befasst haben. Soweit
die Beklagten zu 1.) und 3.) bis 6.) vortragen, sie hätten bislang keinen Grund gehabt,
sich jedes einzelne Schreiben dieses Prozesses genau anzusehen und auf seine
Echtheit zu überprüfen, ist dieses Vorbringen nicht nachvollziehbar. Der Kläger hatte
diese Urkunden zum Nachweis seiner Behauptungen frühzeitig, nämlich noch im Jahre
2004, in den Prozess eingeführt und das Landgericht hatte auf die
Entscheidungserheblichkeit insbesondere auch der Anlage K 191 ausdrücklich
hingewiesen. Es wäre ausreichend Zeit vorhanden gewesen, sowohl die Urkunden
hinsichtlich ihrer Echtheit einer kritischen Prüfung zu unterziehen als auch eventuelle
weitere Erkundigungen einzuholen. Um dem Vorwurf der Nachlässigkeit zu entgehen,
wären sie sogar umgehend zu derartigen Untersuchungen verpflichtet gewesen. Auch
133
das Vorbringen des Beklagten zu 7.) in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 5.
Oktober ohne Jahresangabe (BB 7 A 8; Bl. 2084 f. GA) genügt nicht, um sich zu
entlasten. Dort teilt er zwar mit, dass er erst auf Grund der Recherchen des Beklagten zu
1.) nach Verkündung des angefochtenen Urteils von der Nichtexistenz des angeblichen
Aktionärs G. erfahren, sich erst auf Grund dieser Tatsache die Anlage K 233 nochmals
angesehen und erst dann seiner Ehefrau die Anlage K 138 vorgelegt habe, die sodann
sofort darauf hingewiesen habe, dass dieses Dokument nicht von ihr stammen könne,
aber er nennt keinen Grund, warum er diese eingehende Prüfung dieser seit langem in
den Prozess eingeführten und teilweise vom Landgericht ausdrücklich als
entscheidungserheblich bezeichneten Urkunden nicht schon lange vor dem Abschluss
des ersten Rechtszuges vorgenommen hat.
dd) Soweit die Beklagten zu 1.) und 3.) bis 7.) erstmals im Berufungsverfahren
behaupten, sämtliche vom Kläger vorgelegten Schriftstücke seien ihm unter Bruch
gesetzlicher Bestimmungen durch Frau Rechtsanwältin M. oder seinen
Prozessbevollmächtigten zur Verfügung gestellt worden, so dass ein absolutes
Beweisverwertungsverbot bestehe, fehlt es schon an hinreichender Substantiierung,
welche Urkunden, von wem, aus welchem Verfahren unter Verletzung welcher
Verschwiegenheitspflicht in den vorliegenden Prozess eingeführt worden sein sollen.
Darüber hinaus hat der Kläger diesen Vortrag substantiiert bestritten, indem er dargelegt
hat, dass die Urkunden im Wesentlichen aus den Akten der Staatsanwaltschaft
Düsseldorf in den Verfahren 18 Js 1308/01 und 130 Js 1/05, aus dem Internet unter
http://www.xxx.xxx, von Herrn M. W. sowie anderen frei zugänglichen Quellen stammten.
Die beiden Anlagen K 191 und K 192 u. a. hätten sich in Form von Kopien in zwei
dicken Leitzordnern befunden, die Frau Dr. B. am 10. Dezember 2001 seinem
Prozessbevollmächtigten in München persönlich übergeben habe, um sie zur
Durchsetzung von Anlegeransprüchen im Zusammenhang mit dem Erwerb der SGBI-
Aktien einzusetzen. Um die Fertigung der Gedächtnisprotokolle zur S. -Board-Sitzung
im Februar 1999 in Koblenz (K 138 und K 233) habe sein Prozessbevollmächtigter
selbst zur Beurteilung der Vorgänge um "Kleinkorres" gebeten. Die Gesprächsnotiz von
Frau Dr. B. –K. (K 138) sei ihm vereinbarungsgemäß von Frau Dr. B. am 14. Februar
2002 mit Anschreiben vom gleichen Tage von der S. B. AG aus per Fax übermittelt
worden (K 287).
134
Eines entsprechendes Hinweises auf die mangelnde Substantiierung bedarf es nicht,
weil die Beklagten auch hier keinen Grund nennen, warum sie diese Behauptung erst in
zweiter Instanz aufstellen, so dass dieses Verteidigungsmittel ebenfalls gemäß § 531
Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zugelassen werden kann.
135
ee) Der in der Berufungsinstanz neue und vom Kläger bestrittene Vortrag der Beklagten
zu 1.) und 3.) bis 7.), sämtliche Aktien, die der Kläger gekauft habe, stammten aus
Aktienverkäufen der SGBI an die EA vor dem Focus-Artikel vom 21.6.1999 bzw. aus
Kontingenten, welche die EA zuvor von anderen freien Aktionären erworben habe, ist
sowohl unerheblich als auch mangels einer Begründung für die Verspätung nach § 531
Abs. 2 Nr. 3 ZPO zurückzuweisen. Aber selbst wenn dieses Vorbringen zugelassen und
als richtig unterstellt würde, hafteten die Beklagten unverändert, weil damit erwiesen
wäre, dass dem Kläger eine "direkte Unternehmensbeteiligung" durch den Erwerb
emittierter Aktien vorgespiegelt worden wäre, obwohl er tatsächlich nur Aktien aus dem
Sekundärhandel erworben hätte.
136
ff) Der Senat sieht weder einen hinreichenden Anlass, die Akten der Staatsanwaltschaft
137
Düsseldorf – 130 Js 1/05 – beizuziehen, noch den vorliegenden Rechtsstreits nach
§ 149 Abs. 1 ZPO bis zur Erledigung des genannten Strafverfahrens auszusetzen. Der
vom Beklagten zu 7.) zur Rechtfertigung dieser Anträge herangezogene Aktenvermerk
der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vom 16. Februar 2005 in dem Ermittlungsverfahren
gegen die Beschuldigten K., K. und S., in welchem nach seinem Vortrag festgestellt
werde, dass nach den vorliegenden Erkenntnissen ein Tatbeitrag vom Beklagten zu 7.)
ausgeschlossen sei, ist nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen des Klägers
überholt, weil der Kläger unter dem 9. August 2005 eine Strafanzeige gegen den
Beklagten zu 7.) wegen dessen Beteiligung am betrügerischen Aktienvertrieb
eingereicht hat, so dass sich die strafrechtlichen Ermittlungen nunmehr auch gegen den
Beklagten zu 7.) richten. Da zu befürchten ist, dass der Abschluss des erst aufgrund der
vorgenannten Strafanzeige eingeleiteten Strafverfahrens später als in einem Jahr zu
erwarten ist, hat eine Aussetzung i. d. R. schon aus der Wertung in § 149 Abs. 2 ZPO zu
unterbleiben (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 149 Rdnr. 2).
gg) Die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Kausalität im Rahmen der
Informationsdeliktshaftung gemäß § 826 BGB in den "C.R."-Fällen (Urteile vom 4. Juni
2007 – II ZR 147/05 und II ZR 173/05) steht der vorgenannten Beurteilung nicht
entgegen. Anders als in den vom Beklagten zu 7.) angeführten "C.R."-Fällen wird hier
nicht auf den Nachweis des konkreten Kausalzusammenhangs zwischen der
Täuschung und der Willensentscheidung des Anlegers verzichtet und statt dessen an
das enttäuschte allgemeine Anlegervertrauen in die Integrität der Marktpreisbildung
angeknüpft. Im vorliegenden Rechtsstreit ist die von den Beklagten zu 1.) bis 3.) und 7.)
zu verantwortende unzureichende Aufklärung bzw. Täuschung über die besonderen
Risiken der SGBI-Aktien für die Anlageentscheidung des Klägers adäquat kausal
geworden.
138
hh) Der Höhe nach schuldet der Beklagte zu 7.) als Gesamtschuldner den Ersatz der
448.320,72 €, die der Kläger für den Erwerb der 1. bis 4. sowie der 6. Tranche
aufgewendet hat, Zug um Zug gegen Übertragung der vom Kläger gehaltenen 215.000
SGBI-Aktien:
139
1. Kauf von 3.000 SGBI-Aktien im Mai 2000 9.225,53 €
140
2. Kauf von 2.000 SGBI-Aktien im Juni 2000 4.275,25 €
141
3. Kauf von 10.000 SGBI-Aktien im Juli 2000 23.903,93 €
142
4. Kauf von 5.000 SGBI-Aktien im September 2000
143
nach Abzug des Erlöses von 1.065,64 € 11.707,82 €
144
5. Kauf von 200.000 SGBI-Aktien im November 2000 399.208,19 €
145
also insgesamt 448.320,72 €
146
4. Die Ansprüche des Klägers sind nicht verjährt.
147
a) Sie unterlagen nach § 852 BGB a. F. einer Verjährungsfrist von drei Jahren,
beginnend mit der Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen. Da die
Verjährungsfrist nach § 852 BGB a. F. kürzer ist als diejenige nach § 199 Abs. 3 BGB,
148
gilt gemäß Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB, dass sich die Verjährung in der Frist des § 852
BGB a. F. vollendet.
Erforderlich ist dafür die Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen sowie der
Person des Ersatzpflichtigen. Dazu gehört bei einem Schadensersatzanspruch die
Pflichtverletzung oder die gleichstehende Handlung, der Eintritt des Schadens, die
eigene Schadensbetroffenheit und, wenn der Geschädigte das Verschulden des
Schädigers zu beweisen hat, auch die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis davon
(Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 199 Rdnr. 27 m. w. N.). Die Verjährung der
Ansprüche aus § 826 BGB begann danach mit der Kenntnis des Klägers von den
unrichtigen und unvollständigen Angaben in der Broschüre der EA, von den dafür bei
der EA Verantwortlichen sowie mit seiner Kenntnis von der schuldhaften Beteiligung
des Beklagten zu 7.) daran. Dass der Kläger diese Kenntnis bereits drei Jahre vor
Zustellung der Klagen gegen den Beklagten zu 1.) bis 3.) am 15. November 2003 und
gegen den Beklagten zu 7.) am 14. Mai 2004 hatte, haben die Beklagten nicht schlüssig
dargelegt.
149
b) Die Ansicht des Beklagen zu 7.), dem Kläger seien Schaden und Schädiger schon
aufgrund des mit Schreiben vom 22. August 2000 (K 200a) übersandten
Quartalsberichts der SGBI vom 12. Mai 2000 für das erste Quartal 2000 (K 200b, S. 13 u.
14) bekannt gewesen, weil er daraus habe ersehen können, dass die SGBI unter seiner
Beteiligung praktisch sämtliche Gelder verbraucht hatte, ohne nennenswerte Umsätze
zu erzielen oder Erträge zu erwirtschaften, geht fehl. Denn diesem Bericht konnten
weder die anspruchsbegründenden Aufklärungsmängel entnommen werden, noch
waren Umstände erkennbar, die eine Haftung der Beklagten für den eingetretenen
Schaden hätten begründen können. Dass sich die SGBI nach den Zahlen des
Quartalsberichts noch in der Entwicklungsphase befand, ist kein haftungsbegründender
Umstand.
150
c) Die dreijährige Verjährungsfrist hat bezüglich der Ansprüche aus der Schädigung des
Klägers durch den Erwerb der letzten 200.000 SGBI-Aktien auch nicht schon ab
November 2000 zu laufen begonnen, weil sich während der M. im November 2000
abzeichnete, dass die vom Kläger behauptete Versprechung des Beklagten zu 6.), die
B. AG werde sich an der SGBI beteiligen, nicht eintrat. Sichere Kenntnis davon, dass
eine Beteiligung der B. AG nicht beabsichtigt war, hatte der Kläger frühestens nach dem
Telefonat mit Frau B, am 27. Februar 2001. Eine ab dann laufende Verjährungsfrist wäre
jedenfalls gegenüber den Beklagten zu 1.) bis 3.) durch die Klageerhebung im
November 2003 gehemmt worden.
151
In Bezug auf den Beklagten zu 7.) konnte die Verjährungsfrist erst ab dem Zeitpunkt zu
laufen beginnen, in welchem dem Kläger Tatsachen bekannt geworden wären, aus
denen er den Schluss auf dessen vorsätzliche Teilnahme an der vorsätzlich
sittenwidrigen Schädigung der Beklagten zu 1.) bis 3.) hätte ziehen können. Entgegen
der Ansicht des Beklagten zu 7.) kann davon nicht schon im November 2000
ausgegangen werden, nur weil der Beklagte zu 7.) – nach dem Vorbringen des Klägers,
das der Beklagte zu 7.) sich hilfsweise zu eigen macht – dem Kläger auf der Messe im
November 2000 die Broschüre K 188 übergeben hat, in welcher auf Seite 3 vermerkt
war, dass die Beklagten zu 1.), 2.) und 7.) Aufsichtsratsmitglieder der SGBI waren, und
der Kläger bereits im April 2000 die Broschüre zum "C. A. K. MP. 2000" (K 29) erhalten
hatte, in welcher sich auf Seite 6/7 ein Grußwort des Beklagten zu 1.) findet, welches am
Ende dessen Funktion als "Geschäftsleitung E. –A." offenbart. Abgesehen davon, dass
152
es unwahrscheinlich ist, dass dem Kläger diese Details in den beiden Broschüren
überhaupt aufgefallen sind und er trotz des dazwischen liegenden halben Jahres einen
entsprechenden Zusammenhang erkannt hat, hätte allein die Kenntnis von der
Tatsache, dass der Beklagte zu 1.) und der Beklagte zu 7.) Mitglieder des "Aufsichtsrats"
der SGBI waren, noch keinen ausreichenden Anhaltspunkt dafür geben können, dass
der Beklagte zu 7.) die Broschüre der EA (K 28) kennt und billigt. Auch die Kenntnis von
dem Auftritt des Beklagten zu 7.) in dem ihm am 20. März 2000 übersandten
Werbevideo (K 190) ändert daran nichts. Daraus ergab sich nur, dass der Beklagte zu
7.) für die wissenschaftliche Entwicklung der beiden durch die Aktien finanzierten
Produkte zuständig war.
d) Entgegen der Ansicht des Beklagten zu 7.) hat der Kläger auch nicht spätestens am
15. April 2001 von den Umständen der sittenwidrigen Schädigung Kenntnis erhalten,
weil er zu diesem Zeitpunkt die Unverkäuflichkeit der Aktien gekannt habe. Es trifft zwar
zu, dass Rechtsanwalt B. mit Schreiben vom 20. März 2001 (B7 A1, Bl. 453 GA) dem
Kläger den Erhalt eines Verkaufsauftrages über 215.000 SGBI-Aktien bestätigte, der am
15. April 2001 enden sollte, und dass Rechtsanwalt B. mit Schreiben vom 15. April 2001
(B7 A2, Bl. 454 GA) dem Kläger mitteilte, dass ein Verkauf noch nicht möglich gewesen
sei und an Alternativlösungen gearbeitet werde, aber damit konnte eine endgültige
Unverkäuflichkeit der Aktien schon deswegen nicht feststehen, weil es sich um Aktien
handelte, die einer zweijährigen Handelssperre unterlagen und schon deshalb während
dieser Frist unverkäuflich waren.
153
Der Kläger hat schlüssig dargelegt, dass er erst dank der Beratung durch Rechtsanwalt
M., wie sie sich aus dessen Schreiben in seinem Auftrag an die EA vom 25. Juli 2001 (K
102) ergibt, und aufgrund der unstreitig erst unter dem 13. August 2001 (K 59) erfolgten
schriftlichen Bestätigung der vom 27. Februar 2001 stammenden mündlichen Auskunft
von Frau Dr. B., die aufgrund der im anwaltlichen Schreiben vom 7. August 2001 (K 53)
wiedergegebenen Reaktion des Beklagten zu 1.), "es gäbe verschiedene Versionen,
der Vertragsabschluß mit B. sei ein Fakt, warum S. dies bestreite, verstehe er nicht ..." in
Frage gestellt zu sein schien, im August 2001 Kenntnis von der angeblichen
Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten zu 1.) bis 6.) erlangt und zum Anlass
genommen hat, am 28. August 2001 Strafanzeige (K 62a) gegen den Beklagten zu 6.),
"die Firma E. –A., bzw. gegen die Verantwortlichen der Firma, wie auch gegebenenfalls
gegen die Initiatoren der Firma" zu erstatten. Dies haben die Beklagten nicht
substantiiert bestritten. Soweit der Beklagte zu 7.) in der Berufungsinstanz erstmals
behauptet, der Kläger habe nur mit rechtlicher Beratung das Verkaufsangebot an
Rechtsanwalt B. unterbreitet, denn er sei bereits im Januar/Februar 2001 rechtlich von
Frau Rechtsanwältin Malek und seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten beraten
worden, fehlt es schon an substantiiertem Vortrag, wer den Kläger über welche
Umstände aufgeklärt haben soll. Im Übrigen ist dieses neue, vom Kläger bestrittene
Vorbringen verspätet und mangels einer Begründung für die Verspätung nach § 531
Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen.
154
Ob es, wie der Kläger behauptet, danach noch weiterer Ermittlungen bedurfte, um die
Umstände zu erfahren, die eine Teilnahme des Beklagten zu 7.) an den sittenwidrigen
Schädigungen begründen, kann dahinstehen. Selbst wenn man für alle Beklagten von
einem Verjährungsbeginn im August 2001 ausgeht, haben die Klageerhebungen in der
Zeit von November 2003 bis Mai 2004 den Ablauf der Dreijahresfrist gemäß § 204 Abs.
1 Nr. 1 BGB im Verhältnis zu den Beklagten zu 1.) bis 3.) und 7.) gehemmt.
155
Entgegen der Ansicht des Beklagten zu 7.) ergibt sich die Verjährung auch nicht aus
einer entsprechenden Anwendung des § 37a WpHG, weil diese Verjährungsvorschrift
nur auf konkurrierende deliktische Schadensersatzansprüche wegen fahrlässiger
Beratungs- und Aufklärungspflichtverletzung anwendbar ist (BGH NJW 2005, 1579,
1581; OLG Hamburg, NJOZ 2006, 4101, 4104).
156
III.
157
1. a) Der Antrag auf Feststellung, dass sich die Beklagten zu 1.) bis 3.) und 7.) bezüglich
der angebotenen Übereignung von 215.000 SGBI-Aktien in Annahmeverzug befinden,
ist zulässig.
158
Als festzustellendes Rechtsverhältnis kommt der Annahmeverzug der vorgenannten
Beklagten in Betracht. Das besondere Feststellungsinteresse ist zu bejahen, weil mit
diesem Antrag die für §§ 756, 765 ZPO erforderliche öffentliche Urkunde über den
Annahmeverzug der Beklagten geschaffen werden soll.
159
b) Der Antrag ist auch begründet. Die Beklagten zu 1.) bis 3.) und 7.) befinden sich
gemäß §§ 293, 295 S. 1 BGB in Annahmeverzug, weil sie die Annahme der vom Kläger
wiederholt angebotenen Übertragung der Aktien abgelehnt haben.
160
IV.
161
Der vom Landgericht aberkannte Teil der Nebenforderungen wird vom Kläger nicht
angegriffen. Soweit er für den Schadensersatzbetrag aus dem Aktienkauf über die D. B.
AG in Höhe von 11.707,82 € Zinsen beansprucht, sind diese gerechtfertigt.
162
Der Kläger hat in entsprechender Anwendung des § 849 BGB Anspruch auf Verzinsung
der an die EA gezahlten Beträge ab dem Zeitpunkt ihrer Einzahlung in Höhe von 4 %
gemäß § 246 BGB. Ab der Erhebung der Klagen gegen die Beklagten zu 1.) bis 3.) am
15. November 2003 und gegen den Beklagten zu 7.) am 14. Mai 2004 kann der Kläger
gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beanspruchen.
163
V.
164
1. Einer Aufnahme des Zusatzes "aufgrund vorsätzlich begangener unerlaubter
Handlung" in den Urteilstenor, wie sie der Kläger in der Berufungsinstanz anregt, bedarf
es nicht.
165
Im Zwangsvollstreckungsverfahren erweitert die Vorschrift des § 850f Abs. 2 ZPO den
Zugriff des Gläubigers auf das Arbeitseinkommen des Schuldners, wenn er wegen
eines Anspruchs aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung vollstreckt.
Der Schuldner soll in diesen Fällen bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit auch mit
den Teilen seines Arbeitseinkommens einstehen, die ihm sonst nach der Vorschrift des
§ 850c ZPO zu belassen wären. Ob eine vorsätzlich begangene unerlaubten Handlung
vorliegt, kann nicht vom Vollstreckungsgericht geprüft werden. Dieses ist an die
Entscheidung des Prozessgerichts gebunden. Daher muss der Gläubiger, um den
Nachweis der vorgenannten Vollstreckungsprivilegierung zu erbringen, dem
Vollstreckungsgericht einen Titel vorlegen, aus dem sich gegebenenfalls im Wege der
Auslegung der deliktische Schuldgrund und der von § 850f Abs. 2 ZPO vorausgesetzte
166
Grad des Verschuldens ergeben (BGH, NJW 2005, 1663; NJW 2003, 515, 516;
Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 850f Rdnr. 8 ff.). Zwar wird in der Literatur (Musielak,
ZPO, 5. Aufl., § 850f Rdnr. 10) die Auffassung vertreten, der Gläubiger solle deshalb
darauf hinwirken, dass der deliktische Schuldgrund und der Verschuldensgrad in den
Urteilstenor aufgenommen würden. Aber dies ist nicht erforderlich, wenn sich wie hier
das Vorliegen einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung ausdrücklich aus
den Entscheidungsgründen ergibt.
2. Die vom Beklagten zu 7.) beantragte Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem
angefochtenen Urteil gemäß §§ 719 Abs. 1 Satz 1, 707 ZPO kommt schon wegen der
Erfolglosigkeit seiner Berufung nicht in Betracht. Im Übrigen hat der Beklagte zu 7.), der
bereits die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, auch nicht glaubhaft gemacht,
dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde (§ 707
Abs.1 Satz 2 ZPO).
167
VI.
168
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1, 100
Abs. 4 ZPO
169
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709
Satz 2 ZPO.
170
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
171
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 470.000,-- € festgesetzt (§§ 47,
48 Abs. 1 GKG, 3, 4 Abs. 1 ZPO).
172