Urteil des OLG Düsseldorf vom 16.01.2009

OLG Düsseldorf: fristlose kündigung, treu und glauben, ordentliche kündigung, wichtiger grund, gesellschafter, zerrüttung, zusammenarbeit, gesellschaftsvertrag, zerstörung, gespräch

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-16 U 30/08
Datum:
16.01.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-16 U 30/08
Vorinstanz:
Landgericht Wuppertal, 4 O 391/07
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11. Januar 2008 verkündete
Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal abgeändert und
wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils
vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leisten.
G r ü n d e :
1
I.
2
Der Erstbeklagte gründete als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater vor Jahrzehnten eine
Kanzlei; der Beklagte zu 2 ist sein Sohn. Der Kläger war seit 1990 für den Erstbeklagten
zunächst als Steuerfachangestellter und seit 1996 als Steuerberater tätig. Am 28.
Dezember 1998 beschlossen die Beteiligten eine Änderung des zwischen dem Kläger
und dem Erstbeklagten am 5.1.1998 geschlossenen Sozietätsvertrags; hiernach waren
an der Sozietät der Kläger zu 50%, der Erstbeklagte zu 40% und der als Rechtsanwalt
tätige Zweitbeklagte zu 10% beteiligt.
3
Gemäß dem Gesellschaftsvertrag vom 8. September 2004 (Anl. K 1) sind an dem
Gesellschaftsvermögen nunmehr der Kläger zu 50% und die Beklagten zu 1. und 2. zu
jeweils 25% beteiligt. Gem. § 12 Nr. 2 sind die Vergütungen für Tätigkeiten der
Gesellschafter grundsätzlich als Vorabgewinne vereinbart und betragen ab dem 1. Juli
4
2004 für den Kläger 75.000 € jährlich, für den Beklagten zu 2 60.000 € jährlich und für
den Beklagten zu 1, der sich altersbedingt zunehmend aus dem Erwerbsleben
zurückziehen sollte, 25.000 € jährlich. Nach § 12 Nr. 3 sollte diese Differenzierung
zwischen dem Kläger und dem Zweitbeklagten nur gelten, wenn und solange die aus
dem Steuerbereich erzielten Umsätze den Betrag von jährlich 700.000 € überschreiten;
wird dieser Umsatz unterschritten, sind die Vorabgewinne dieser beiden Partner
grundsätzlich in gleicher Höhe anzusetzen, wobei das Gleiche gelten sollte, wenn
überschlägige Berechnungen ergeben, dass aus dem Anwaltsbereich Überschüsse
erwirtschaftet werden, die höher als der für den Zweitbeklagten angesetzte
Vorabgewinne sind. An dem sich nach Abzug der Kosten und nach Berücksichtigung
von Zinsen auf positive oder negative Kapitalkonten der Gesellschafter ergebenden
Ergebnis der Sozietät sind die Gesellschafter nach § 12 Nr. 7 im Verhältnis ihre
Beteiligungen am Gesellschaftsvermögen beteiligt. Gemäß § 18 Nr. 1 Satz 1 ist die
Gesellschaft bis zum 31.12.2012 fest abgeschlossen; die Kündigung muss gem. Satz 4
durch eingeschriebenen Brief gegenüber allen Mitgesellschaftern ausgesprochen
werden. § 18 Nr. 3 und 4 bestimmen Folgendes:
"Liegt ein wichtiger Grund in der Person des Mitgesellschafters oder der Mehrheit
der übrigen Gesellschafter vor, so kann der berechtigte Gesellschafter die
Mitgliedschaft in der Gesellschaft fristlos kündigen.
5
Durch die Kündigung wird die Gesellschaft nicht aufgelöst. Der kündigende
Gesellschafter scheidet aus der Gesellschaft aus.".
6
Nach § 18 Nr. 6 erhält der ausscheidende Gesellschafter für den Fall, dass die
verbleibenden Gesellschafter von der ihnen in § 18 Nr. 5 eingeräumten Kaufoption
fristgerecht Gebrauch machen, eine Abfindung. Auf das Abfindungsguthaben ist gemäß
§ 21 Nr. 2 der Wert von dem ausscheidenden Gesellschafter übernommener Mandate
anzurechnen.
7
In § 23 (Schlussbestimmungen) heißt es in Nr. 5:
8
"Für den Fall, dass während zwei aufeinanderfolgender Jahre nicht wenigstens die
Hälfte des vereinbarten Vorabgewinns erwirtschaftet werden kann, hat jeder
Gesellschafter ein außerordentliches Kündigungsrecht. Das Gleiche gilt, wenn sich
nach Ablauf eines Geschäftsjahrs ein Verlust ergibt.".
9
Nachdem der Kläger und der Beklagte zu 2 an einem Gespräch mit einem als Mediator
zugelassenen … teilgenommen und der Kläger im Oktober 2006 die wirtschaftliche
Situation der Sozietät überprüft hatte, kündigte er mit Einschreiben vom 1. November
2006 (Anl. K 3) den bestehenden Sozietätsvertrag außerordentlich zum 30. Juni 2007.
Als Kündigungsgründe nannte der Kläger hierin eine seit Neubeginn der Sozietät 2004
permanente Verlustsituation im Anwaltsbereich, die sich in den Jahren 2005 und 2006
noch jeweils deutlich verschärft habe und das Ergebnis der Sozietät stark belaste.
Zudem bestünden auch im Sozietätsverhältnis unüberbrückbare Differenzen, weswegen
der aufgesuchte Mediator die unbedingte Empfehlung ausgesprochen habe, die
Sozietät so schnell als möglich zu beenden. Ihm unzumutbar seien die in eindeutigem
Widerspruch zum Sozietätsvertrag stehenden Personalentscheidungen der letzten
Monate; so seien zuletzt Rechtsanwalt … und Frau … entgegen seiner versagten
Zustimmung eingestellt worden. Schließlich seien die dem Sozietätsvertrag zu Grunde
liegenden bzw. erhofften Entwicklungen wie Synergieeffekte ausgeblieben.
10
Die Beklagten traten der von dem Kläger erklärten fristlosen Kündigung und den hierin
aufgeführten Gründen entgegen. In der Folgezeit verhandelten die Parteien durch ihre
außergerichtlichen Bevollmächtigten über ein Ausscheiden des Beklagten zu 2 und
eine Fortsetzung der Sozietät durch den Kläger und den Beklagten zu 1.
11
Nachdem der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 23. April 2007 einen anberaumten
Besprechungstermin abgesagt und sein Ausscheiden zum 30. Juni 2007 angekündigt
und sodann vier Mitarbeiter der Sozietät gekündigt hatten, wandten sich die Beklagten
mit Schreiben vom 7. Mai 2007 (Anl. K 7) persönlich an den Kläger und warfen ihm
hierin u.a. Unzumutbarkeiten, uneinsichtiges, die Belange der Beklagten nicht einmal im
Ansatz berücksichtigendes und ausschließlich auf den eigenen Vorteil bedachtes
Verhalten vor, durch welches die wertvolle Steuerberatungspraxis mutwillig zerstört
werde; weiter hielten sie dem Kläger vor, er habe anscheinend die Verhandlungen in
den letzten Monaten nur zum Schein geführt, sein ganzes Verhalten sei von Anfang an
nur auf Zerstörung gerichtet gewesen und sei es weiterhin, offenbar lege er es auf eine
streitige Auseinandersetzung an.
12
Die Bevollmächtigten des Klägers traten dem mit Schreiben vom 14. Mai 2007 (Anl. K
10) entgegen, lehnten die Forderung einer Fortsetzung des Sozietätsvertrages ab und
erklärten "aufgrund der zwischenzeitlichen weiteren Vorfälle und der teilweise äußerst
unsachlichen Vorwürfe" im Schreiben vom 7. Mai 2007 nochmals die außerordentliche
Kündigung des Sozietätsvertrages.
13
Nachdem weitere Einigungsversuche ergebnislos geblieben waren, setzte der Kläger
entsprechend den in Anwaltsschreiben vom 11. und 18. Juni 2007 (Anl. K 14 und Anl.
CC9, Bl. 300 GA) gemachten Mitteilung seine Tätigkeit in der Sozietät über den 30. Juni
2007 hinaus fort, nach seiner Ankündigung längstens bis zum 30. Juni 2009; es gelang,
die Mitarbeiter der Sozietät zur Rücknahme ihrer Kündigungen zu bewegen.
14
Mit Schreiben vom 25. Juni 2007 (Anl. K 15) erklärte der Kläger vorsorglich bzw.
hilfsweise die ordentliche Kündigung des Sozietätsvertrages zum 30.6.2008, hilfsweise
zu späteren Zeitpunkten mit der Begründung, er sei in Anbetracht der aktuellen
Rechtsprechung und Rechtslehre zu der Überzeugung gelangt, dass die im
Sozietätsvertrag vorgenommene Vertragsbindung nicht angemessen sei, weil länger als
die maximal zulässigen vier Jahre.
15
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, seine Kündigung vom 1. November 2006 sei
wirksam, weil die Voraussetzungen von § 23 Nr. 5 des Gesellschaftsvertrages,
jedenfalls aber die des § 723 BGB erfüllt seien. Während bei Abschluss des
Gesellschaftsvertrages der Anwaltsbereich noch einen Gewinn von ca. 12.000 €
monatlich ausgewiesen habe, seien in 2006 dort Verluste von über 9.000 € monatlich
und unter Berücksichtigung der geschätzten Forderungsverluste von mehr als 16.000 €
angefallen. Beide Sozien seien bei Abfassung des Sozietätsvertrages von einer
Trennung des Steuer- und des Anwaltsbereich ausgegangen. Nicht aber enthalte § 23
Nr. 5 einen wichtigen Grund ausschließlich für einen völlig undenkbaren Fall von
negativen Ergebnissen der Gesamtsozietät; für ihn jedenfalls sei diese Regelung völlig
zweifelsfrei, anderenfalls völlig sinnlos gewesen, da die Wahrscheinlichkeit von
Verlusten einer derartigen Sozietät jahrzehntelanger Tradition wohl am ehesten mit
einem Lotteriehauptgewinn vergleichbar sei.
16
Die Beklagten hätten trotz rückläufiger Umsätze im Anwaltsbereich keine
Kostenreduzierung vorgenommen, sondern entgegen seinem ausdrücklich erklärten
Willen und unter Verletzung des Sozietätsvertrages weitere Mitarbeiter eingestellt. Auch
habe der eingeschaltete Mediator den Parteien dringend und unmissverständlich die
Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses nahe gelegt.
17
Der Kläger hat nach Umstellung der zunächst angekündigten Anträge beantragt,
18
1. festzustellen, dass er durch die außerordentliche Kündigung vom 14. Mai 2007,
hilfsweise durch die außerordentliche Kündigung vom 1. November 2006, aus der
Sozietät gemäß dem Sozietätsvertrag der Parteien am 8. September 2004
ausgeschieden ist;
19
20
2. hilfsweise festzustellen, dass er durch die ordentliche Kündigung vom 25. Juni
2007 des Sozietätsvertrages zum 30. Juni 2008 oder, jeweils hilfsweise, zum 31.
Dezember 2008 oder 30. Juni 2009 aus der Sozietät gemäß Sozietätsvertrag der
Parteien vom 8. September 2004 ausscheiden wird.
21
22
Die Beklagten haben beantragt,
23
die Klage abzuweisen.
24
Sie haben alle Kündigungserklärungen für unwirksam gehalten und insbesondere
bestritten, dass der Rechtsanwaltsbereich der Gesellschaft Verluste erwirtschaftet.
25
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht haben die Beklagten
mit nachgelassenem Schriftsatz vom 27. Dezember 2007 eine Hilfswiderklage
eingereicht und für den Fall, dass das Gericht die Kündigung insbesondere unter dem
Gesichtspunkt, dass das Vertrauensverhältnis der Parteien unrettbar zerrüttet sei, als
wirksam ansehen sollte oder der Klage stattgeben sollte, den Antrag angekündigt,
festzustellen, dass der Kläger die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses verursacht
beziehungsweise die Kündigungsgründe selbst provoziert hat und verpflichtet ist, den
Beklagten jeden Schaden zu ersetzen, der aus der Kündigung des Klägers entstanden
ist oder noch entsteht.
26
Das Landgericht, welches den vorgenannten Schriftsatz der Gegenseite nicht zugestellt
hat, hat der Klage stattgegeben. Die außerordentliche Kündigung vom 14. Mai 2007 sei
nach § 723 Abs. 1 S. 2 BGB wirksam, weil spätestens im Mai 2007 das
Vertrauensverhältnis der Parteien zerrüttet und so tief zerstört gewesen sei, dass ein
gedeihliches Zusammenwirken im Sinne des Gesellschaftsvertrages unmöglich
gewesen sei. Auf die Frage, ob die Zerrüttung von beiden Parteien in gleicher Weise
27
oder von einer Partei überwiegend zu vertreten, insbesondere verschuldet worden ist,
komme es nicht an. Dem Kläger sei die Ausübung des Kündigungsrechtes nicht
verwehrt. Für eine Arglist des Klägers fehle es an substanziiertem Vorbringen der
Beklagten. Der Schriftsatz der Beklagten vom 27. Dezember 2007 gebe keine
Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Die Zulassung der
Hilfswiderklage sei nicht sachdienlich.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie sind der Ansicht, das
Landgericht habe in einigen Punkten den Tatbestand unvollständig erfasst, falsch
dargelegt und einseitig ausgewertet. Bis zur ersten Kündigung des Klägers vom 1.
November 2006 habe es keine Unstimmigkeiten zwischen dem Kläger und dem
Zweitbeklagten gegeben. Der Kläger habe seine Angriffe mit seinem nicht zu
akzeptierenden Verhalten begonnen, sich ohne besonderen Anlass grußlos durch die
Kanzlei zu bewegen. Alleine dieses Verhalten des Klägers habe den Zweitbeklagten
veranlasst, ein klärendes Gespräch mit dem Kläger zu führen. In diesem Gespräch habe
der Kläger erstmals erklärt, dass er am liebsten aus dem Vertrag von September 2004
entlassen werden wolle; er werde die Zusammenarbeit mit den Beklagten nicht mehr bis
zum Ende des geschlossenen Vertrages aushalten und werde eher die Kanzlei vor die
Wand fahren. Es habe auch keine Mediation im technischen Sinne stattgefunden. …
habe lediglich ein Gespräch zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2 als
Unparteiischer begleiten sollen. … habe nicht dringend empfohlen, die Sozietät
kurzfristig aufzulösen.
28
Zu Unrecht habe das Landgericht die Hilfswiderklage nicht beachtet. Auslöser der
Hilfswiderklage sei der überraschende Hinweis des Gerichts gewesen, dass auch eine
Zerrüttung der Gesellschafter vorliegen könne. Da den Beklagten Schriftsatzfrist erteilt
worden sei, sei der 23. November 2007 nicht der Schluss der mündlichen Verhandlung
und die Beklagten in keiner Weise bei den Anträgen beschränkt gewesen.
29
Das Landgericht habe nicht erläutert, warum es dem kündigenden Kläger nach Treu und
Glauben nicht zugemutet werden könne, die Gesellschaft bis zum nächsten ordentlichen
Kündigungstermin fortzusetzen. Auch habe das Landgericht bei dem Gesichtspunkt der
- nicht gegebenen - Zerrüttung nicht die Ursache hierfür berücksichtigt. Der Kläger habe
das Interesse verfolgt, die Sozietätsbindung zu lösen und sich mit der Klientel der
Sozietät selbstständig zu machen. Die Beklagten hätten alles getan, um die Sozietät zu
retten. Das Landgericht habe zu Unrecht die erste Kündigung des Klägers vom 1.
November 2006 nicht auf arglistige Beschuldigungen des Klägers hin geprüft und sich
nicht damit befasst, wer für die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses verantwortlich
war und dass derjenige, der bewusst eine Zerrüttung herbeiführt, kein Recht zur
Kündigung unter Berufung auf Zerrüttung herleiten könne. So habe der Kläger mit seiner
Kündigung vom 1. November 2006 ohne jegliche Vorwarnung Vorwürfe gegen den
Zweitbeklagten erhoben, welche sich bei näherer Betrachtung als völlig haltlose
Beanstandungen erwiesen und welche ausschließlich dem Ziel gedient hätten, dem
Kläger ein außerordentliches Kündigungsrecht zu eröffnen. Das Vorbringen
unberechtigter Vorwürfe gegen einen Mitgesellschafter habe zwangsläufig zu einer
schweren Störung des Gesellschaftsverhältnisses geführt.
30
Das Landgericht hätte im Rahmen der Gesamtwürdigung die Interessenlage der
Beteiligten berücksichtigen müssen. Für die Beklagten bedeute der Weigerung des
Klägers, dem Vertrag zu erfüllen, die Existenzvernichtung der Steuerkanzlei.
31
Das Schreiben der Beklagten vom 7. Mai 2007 dokumentiere nicht die Zerrüttung. Aus
Sicht der Beklagten habe der Kläger damals seit über einem Jahr versucht, die Sozietät
zu verlassen, und habe in seinem Schreiben vom 22. April 2007 die für die Sozietät
existenzvernichtende Aussage getroffen, die Arbeit einseitig zum 30. Juni 2007
einzustellen. Wenn ein Gesellschafter versuche, aus reinem Eigennutz die Gesellschaft
zu vernichten, müssten deutliche Worte erlaubt sein. Das Schreiben der Beklagten vom
7. Mai 2007 sei eine Reaktion auf das Verhalten des Klägers Anzeige zu diesem
Zeitpunkt die tiefe Enttäuschung und Verankerung der Beklagten auf. Die Beklagten
hätten sich zu diesem Zeitpunkt bereits monatelang unberechtigt und bewusst falsche
Vorwürfe von dem Kläger anhören müssen.
32
Die aus Sicht des Landgerichts fehlende Entkrampfung zwischen der
Kündigungserklärung vom Mai und der mündlichen Verhandlung vom November 2007
habe nachweislich einzig und allein einen Verhalten des Klägers gelegen, der in der
Folgezeit die Beklagten mit einem Prozess überzogen habe.
33
Der Kläger habe durch sein eigenes Verhalten, seine freiwillige Weiterarbeit, bewiesen,
dass er eine weitere Zusammenarbeit für zumutbar hält.
34
Die Wirksamkeit einer Kündigung erfordere eine vorherige Abmahnung, die seitens des
Klägers nicht erfolgt sei.
35
Die Beklagten beantragen,
36
1. das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen;
37
38
2. hilfsweise für den Fall, dass das Gericht die Kündigung insbesondere unter dem
Gesichtspunkt, dass das Vertrauensverhältnis der Parteien unrettbar zerrüttet sei,
als wirksam ansehen sollte oder die Berufung zurückweisen sollte, festzustellen,
dass der Kläger die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses verursacht
beziehungsweise die Kündigungsgründe selbst provoziert hat und verpflichtet ist,
den Beklagten jeden Schaden zu ersetzen, der aus der Kündigung des Klägers
entstanden ist oder noch entsteht;
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40
3. hilfsweise, den Rechtsstreit an eine andere Kammer des Landgerichts Wuppertal
zurückzuverweisen.
41
42
Der Kläger beantragt,
43
die Berufung zurückzuweisen,
44
hilfsweise festzustellen, dass er durch die ordentliche Kündigung vom 25. Juni
2007 des Sozietätsvertrages zum 30. Juni 2008 oder, jeweils hilfsweise, zum 31.
Dezember 2008 oder 30. Juni 2009 aus der Sozietät gemäß Sozietätsvertrag der
Parteien vom 8. September 2004 ausgeschieden ist bzw. ausscheiden wird.
45
Er verteidigt das angefochtene Urteil wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches
Vorbringen. Er verweist auf weitere Umstände, die - aus seiner Sicht - die Zerrüttung
belegen: So bezeichnete - unstreitig - die Ehefrau des Beklagten zu 2 …, die zumindest
zeitweise in der Kanzlei mitarbeitet, den Kläger gegenüber Mitarbeitern der Kanzlei am
10. März 2008 als "Arschloch", wofür sie sich mit an den Kläger gerichtetem Schreiben
vom 18. März 2008 entschuldigte (Anlagenkonvolut K 30).
46
Der Zweitbeklagte verstoße gegen das im Gesellschaftsvertrag vereinbarte
Wettbewerbsverbot. Dessen Behauptung, er habe das Honorar in die
Gesellschaftskasse eingelegt, werde bestritten. Die Behauptung der Beklagten, man
habe gemeinsam noch am 15. Dezember 2007 eine schwierige Personalentscheidung
gelöst, sei "glatt gelogen".
47
Wegen des Sachverhaltes im Übrigen und der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen
Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze
nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
48
II.
49
A.
50
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist insgesamt unbegründet.
Über die Hilfswiderklage hat der Senat daher nicht zu befinden.
51
1.
52
Weil die Parteien wirksam eine bestimmte Laufzeit des Vertrags vereinbart haben (siehe
unten unter 4.), ist die ordentliche Kündigung bis zu deren Ablauf ausgeschlossen, §
723 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB.
53
Gem. § 18 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages kann der berechtigte Gesellschafter die
Mitgliedschaft in der Gesellschaft fristlos kündigen, wenn ein wichtiger Grund in der
Person des Mitgesellschafters oder der Mehrheit der übrigen Gesellschafter vorliegt.
Damit knüpft der Gesellschaftsvertrag an die gesetzliche Regelung (§ 723 Abs. 1 S. 2
BGB) und greift diese auf. Wollte man dies anders sehen und die vorstehende
Bestimmung des Gesellschaftsvertrages als Beschränkung der wichtigen Gründe i. S. v.
§ 723 Abs. 1 S. 2 BGB verstehen, wäre diese Beschränkung gem. § 723 Abs. 3 BGB
nichtig.
54
Gemäß § 723 Abs. 1 S. 2 BGB kann die, wie hier, für eine bestimmte Zeit eingegangene
Gesellschaft aus wichtigem Grund gekündigt werden. Ein
Personengesellschaftsverhältnis kann aus wichtigem Grund dann gekündigt werden,
55
wenn dem kündigenden Gesellschafter nach Treu und Glauben eine Fortsetzung der
Gesellschaft bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin nicht zugemutet werden
kann, wobei neben den in § 723 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 BGB genannten Tatsachen alle
Einzelumstände des Falles - u.a. der Zweck und die Struktur der Gesellschaft, ihre
Dauer, die Intensität der persönlichen Zusammenarbeit und der bis zur ordentlichen
Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses verbleibende Zeitraum - in eine
Gesamtabwägung einzubeziehen sind (vgl. BGH WM 2002, 597 und BGH NJW 1996,
2573 m.w.N.).
2.
56
Die fristlose Kündigung des Klägers vom 1. November 2006 (Anl. K 3), welche aus
Verständnisgründen zunächst geprüft wird, ist mangels wichtigen Grundes im
vorgenannten Sinne unwirksam.
57
a)
58
Die im Vordergrund der Kündigung stehende, angeblich seit Neubeginn der Sozietät
2004 gegebene permanente Verlustsituation im Anwaltsbereich, die sich in den Jahren
2005 und 2006 noch jeweils deutlich verschärft habe, rechtfertigt eine fristlose
Kündigung nicht.
59
Hinsichtlich der Ertragssituation der Sozietät haben die Parteien im Gesellschaftsvertrag
eine klarstellende und konkretisierende und damit rechtlich unbedenkliche Regelung
getroffen, unter welchen Voraussetzungen insoweit einem Gesellschafter ein
außerordentliches Kündigungsrecht zukommen soll. In § 23 (Schlussbestimmungen)
heißt es in Nr. 5:
60
"Für den Fall, dass während zwei aufeinanderfolgender Jahre nicht wenigstens die
Hälfte des vereinbarten Vorabgewinns erwirtschaftet werden kann, hat jeder
Gesellschafter ein außerordentliches Kündigungsrecht. Das Gleiche gilt, wenn sich
nach Ablauf eines Geschäftsjahrs ein Verlust ergibt.".
61
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
62
aa)
63
Dies gilt zum einen, so weit der Kläger meint, § 23 Nr. 5 differenziere zwischen den
beiden Bereichen der Sozietät, nämlich dem Steuerberater- und dem
Rechtsanwaltsbereich. Der Wortlaut von § 23 Nr. 5 differenziert tatsächlich nicht
ansatzweise zwischen den beiden Bereichen, sondern behandelt in seinen beiden
Sätzen beide Bereiche als Einheit, erwähnt diese Bereiche nicht einmal, was bei einer
Sozietät (anders als bei einer hier nicht gegebenen Bürogemeinschaft) auch nahe
liegend ist.
64
Der in Satz 1 erwähnte Begriff des Vorabgewinns findet sich u. a. auch in § 12 wieder.
Gem. § 12 Nr. 2 sind die Vergütungen für Tätigkeiten der Gesellschafter grundsätzlich
als Vorabgewinne vereinbart und betragen ab dem 1. Juli 2004 für den Kläger 75.000 €
jährlich, für den Beklagten zu 2 60.000 € jährlich und für den Beklagten zu 1 25.000 €
jährlich. § 12 Nr. 3 bestimmt sodann, dass diese Differenzierung zwischen dem Kläger
und dem Zweitbeklagten (Unterstreichung vom Senat vorgenommenen) nur gilt, wenn
65
und solange die aus dem Steuerbereich erzielten Umsätze den Betrag von jährlich
700.000 € überschreiten; wird dieser Umsatz unterschritten, sind die Vorabgewinne
dieser beiden Partner grundsätzlich in gleicher Höhe anzusetzen, wobei das Gleiche
gelten sollte, wenn überschlägige Berechnungen ergeben, dass aus dem
Anwaltsbereich Überschüsse erwirtschaftet werden, die höher als der für den
Zweitbeklagten angesetzte Vorabgewinne sind. Der Gesellschaftsvertrag stellt somit
klar, das der Kläger als Vergütung für seine Tätigkeiten der Gesellschafter grundsätzlich
einen Vorabgewinn von 75.000 € jährlich erhalten soll, der Beklagte zu 2 hingegen
(lediglich) 60.000 € jährlich, und dass sowohl der Kläger wie der Zweitbeklagte einen
Vorabgewinn in gleicher Höhe erhalten sollen, wenn der von dem Kläger im
Steuerbereich erzielte Umsatz 700.000 € jährlich unterschreitet oder wenn der von dem
Zweitbeklagten bearbeitete Anwaltsbereich Überschüsse erwirtschaftet, die höher als
der für den Zweitbeklagten angesetzte Vorabgewinn sind. Der Gesellschaftsvertrag
differenziert mithin gerade nicht danach, welcher der beiden Bereiche der Sozietät
welchen Vorabgewinn erreicht, herbeiführt oder ermöglicht.
Das Gleiche gilt für Satz 2, wonach jeder Gesellschafter auch dann ein
außerordentliches Kündigungsrecht hat, wenn sich nach Ablauf eines Geschäftsjahrs
ein Verlust ergibt. Auch hier ergibt sich nach dem Wortlaut nicht ansatzweise etwas für
die Ansicht des Klägers. Es ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass die Parteien den
übereinstimmenden Willen hatten, dass einem Gesellschafter dann ein
außerordentliches Kündigungsrecht zustehen soll, wenn einer der beiden
Tätigkeitsbereiche der Gesellschaft mit Verlust arbeitet. Soweit sich dies - entgegen der
Ansicht des Senats - aus der Behauptung des Klägers entnehmen lassen sollte, beide
Sozien seien bei Abfassung des Sozietätsvertrages von einer Trennung des Steuer-
und des Anwaltsbereich ausgegangen, hat er seine Behauptung jedenfalls nicht unter
Beweis gestellt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass § 23 Nr. 5 bei der von den Beklagten
vorgenommenen, vom Senat geteilten und dem Wortlaut entsprechenden Auslegung
leer läuft. Denn die Behauptung des Klägers, negative Ergebnisse der Gesamtsozietät
seien völlig undenkbar, da die Wahrscheinlichkeit von Verlusten einer derartigen
Sozietät jahrzehntelanger Tradition wohl am ehesten mit einem Lotteriehauptgewinn
vergleichbar sei, überzeugt nicht. Es kann vielerlei Gründe geben, dass es trotz des
über die gesamten Jahre der Sozietät erfolgreichen Steuerbereichs einmal zu einem
negativen Ergebnis der Gesamtsozietät kommt, beispielsweise, weil der Anwaltsbereich
sehr hohe Verluste einfährt, oder aber weil beispielsweise - auch - der Steuerbereich
verlustbehaftet ist, etwa weil wichtige Mandanten wegbrechen oder der Kläger als
Hauptansprechpartner der Mandanten längerfristig - krankheitsbedingt - ausfällt usw.
66
bb)
67
Sofern der Kläger sein Vorbringen in seinem Schriftsatz vom 25. Juni 2008 auf S. 53
(Blatt 422 GA) dahin verstanden wissen will, dass auch ohne Differenzierung zwischen
Anwalts- und Steuerbereich nach dem von den Beklagten vorgelegten Zahlenwerk die
Voraussetzungen von § 23 Nr. 5 erfüllt sind, weil in zwei aufeinanderfolgenden Jahren
nicht wenigstens die Hälfte des vereinbarten Vorabgewinns erwirtschaftet worden ist, ist
sein Vorbringen nicht nur zweitinstanzlich neu und deswegen nicht zu berücksichtigen,
sondern auch nicht nachvollziehbar. Weder auf der von ihm an der angegebenen Stelle
zitierten "S. 42" (der Senat vermutet, dass der Kläger hiermit die S. 42 dieses seines
Schriftsatzes meint) noch auf der von ihm dort bezeichneten, von den Beklagten zur
Akte gereichten Anl. CC 5 findet der Senat die von dem Kläger dort als Grundlage für
seine nicht weiter erläuterten Ausführungen gemachten Zahlen.
68
cc)
69
Ergänzend sei angemerkt, dass der Kläger dem Vorbringen der Beklagten nicht
widersprochen hat, dass die Sozietät bislang in keinem Jahr Verluste eingefahren hat;
auch der Kläger behauptet nicht substanziiert, dass er den ihm gesellschaftsvertraglich
zustehenden Vorabgewinn auch nur einmal nicht erhalten hat; vielmehr hat er in seinem
Schriftsatz vom 30. Oktober 2008 auf S. 23 das Gegenteil klargestellt.
70
b)
71
Der Senat vermag nicht festzustellen, dass vor November 2006 die von dem Kläger in
seinem Kündigungsschreiben erwähnten unüberbrückbaren Differenzen bestanden.
Insoweit fehlt jeglicher substanziierte Vortrag des Klägers. Die Beklagten hingegen
haben wiederholt vorgetragen, dass es vor November 2006 keine Streitigkeiten
gegeben hat.
72
Der Umstand, dass der Kläger und der Beklagte zu 2 an einem Gespräch mit einem als
Mediator zugelassenen … teilgenommen haben, belegt für sich gesehen keine
Zerrüttung, sondern vielmehr die Bereitschaft, konstruktiv an der Überwindung
bestehender Probleme mitzuwirken. Die angebliche Empfehlung des Mediators, das
Gesellschaftsverhältnis kurzfristig aufzulösen, ist ebenfalls kein Indiz für eine Zerrüttung.
Denn es fehlt bereits jeglicher Vortrag des darlegungspflichtigen Klägers dazu, auf
welcher Tatsachengrundlage der Mediator seine Empfehlung abgab und von welchen
Voraussetzungen er die Empfehlung für eine Beibehaltung bzw. Auflösung der Sozietät
abhängig gemacht hat bzw. hätte. Ohne dass es noch darauf ankäme, hat das
Landgericht es zu Unrecht als unstreitig angesehen, dass der Mediator nachdrücklich
empfohlen hat, die Sozietät zu beenden. Tatsächlich haben die Beklagten diese
Behauptung des Klägers bereits erstinstanzlich bestritten (Blatt 138 GA). Dieses
Bestreiten war hinreichend substanziiert, obgleich die Beklagten nicht vorgetragen
haben, welche Empfehlung der Mediator denn statt dessen gegeben hat. Denn
keineswegs zwingend muss ein derartiger Besprechungstermin mit einer konkreten
Empfehlung des Mediators enden.
73
Unüberbrückbare Differenzen ergeben sich auch weder unter Berücksichtigung der
nachfolgend unter c) behandelten Personalentscheidungen der Beklagten noch des
Umstandes, dass die Bemühungen des Klägers um eine Änderung der Kosten- und
Umsatzsituation des Anwaltsbereichs ergebnislos verlaufen sind. Dies sind
Unstimmigkeiten, wie sie zwischen Sozien häufiger vorkommen, und die nicht auf eine
irreparable Zerstörung des Vertrauensverhältnisses hindeuten.
74
c)
75
In Widerspruch zum Sozietätsvertrag stehende Personalentscheidungen hat der Kläger
substanziiert aufgezeigt allein hinsichtlich der Einstellungen von Rechtsanwalt … und
Frau …. Hier teilt der Senat zwar die Auffassung des Klägers, dass die
Erklärungsversuche der Beklagten nicht geeignet sind, ihren Verstoß gegen den
Gesellschaftsvertrag zu rechtfertigen, der darin liegt, dass sie gegen den Widerspruch
des Klägers die beiden vorgenannten Mitarbeiter eingestellt haben. Indes rechtfertigt ein
zweimaliger wenn auch vorsätzlicher Verstoß gegen den Gesellschaftsvertrag
insbesondere angesichts der von den Beklagten substanziiert aufgezeigten und vom
76
Kläger nicht erheblich widersprochenen, verhältnismäßig geringfügigen finanziellen
Belastungen, welche der Sozietät aus der Einstellung der beiden vorgenannten
Mitarbeiter erwachsen sind, keine fristlose Kündigung. Insoweit mögen dem Kläger
gegebenenfalls Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten zustehen; die beiden
Verstöße machten es dem Kläger auch in einer Gesamtschau mit den übrigen in dem
Kündigungsschreiben vorgebrachten Erwägungen nicht unzumutbar, weiterhin an der
Gesellschaft fest zu halten, zumal die Beklagten die Zusammenarbeit mit … kurze Zeit
später beendet haben.
d)
77
Das Ausbleiben der nach dem Kläger dem Sozietätsvertrag zu Grunde liegenden bzw.
erhofften Entwicklungen wie Synergieeffekte rechtfertigt ebenfalls keine fristlose
Kündigung des Gesellschaftsvertrages. Dies gilt insbesondere in einem Fall wie dem,
wie ausgeführt, hier gegebenen, dass der dem Kläger nach den Gesellschaftsvertrag
zustehende Vorabgewinn trotz der vermeintlich ausgebliebenen Synergieeffekte über
die gesamte Laufzeit des Sozietätsvertrages durchgehend erzielt wurde.
78
3.
79
Der Kläger ist auch nicht durch seine außerordentliche Kündigung vom 14. Mai 2007
aus der Sozietät ausgeschieden.
80
Hierin erklärten die Bevollmächtigten des Klägers "aufgrund der zwischenzeitlichen
weiteren Vorfälle und der teilweise äußerst unsachlichen Vorwürfe" im Schreiben vom
7. Mai 2007 nochmals die außerordentliche Kündigung des Sozietätsvertrages.
81
a)
82
Abgesehen von einer Zerrüttung der Parteien hat der Kläger keine Vorkommnisse
dargetan, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnten.
83
b)
84
Der Senat vermag nicht festzustellen, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der
außerordentlichen Kündigung vom 14. Mai 2007 das Vertrauensverhältnis zwischen
den Parteien zerrüttet war, und dass deswegen dem kündigenden Kläger nach Treu und
Glauben eine Fortsetzung der Gesellschaft bis zum nächsten ordentlichen
Kündigungstermin nicht zugemutet werden konnte und dass auf Grund der im Rahmen
der Gesamtabwägung einzubeziehenden Einzelumstände des Falles sich der Kläger
auf eine Zerrüttung berufen darf.
85
aa)
86
Es fehlt bereits eine irreparable Zerstörung des Vertrauensverhältnisses, welche einen
wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Gesellschaftsvertrages darstellt
(BGH NJW 2000, 3491 m.w.N.).
87
(1)
88
Wie ausgeführt, belegt der Umstand, dass der Kläger und der Beklagte zu 2 an einem
89
Gespräch mit einem als Mediator zugelassenen … teilgenommen haben, für sich
gesehen keine Zerrüttung.
(2)
90
In Widerspruch zum Sozietätsvertrag stehende Personalentscheidungen belegen keine
Zerrüttung, sondern lediglich Uneinigkeit darüber, ob - gegebenenfalls als Ersatz für
erkranktes Personal oder zur Aufstockung des Rechtsanwaltsbereich - neue Mitarbeiter
eingestellt werden sollen.
91
(3)
92
Das wort- und grußlose Vorbeigehen der Parteien innerhalb der Kanzlei macht es dem
Kläger nicht unzumutbar, bis zum regulären Kündigungstermin an der Sozietät fest zu
halten.
93
Denn der Kläger hat dem Vorbringen der Beklagten (Bl. 267, 354, 364 GA) nicht
widersprochen, dass er damit begann, wort- und grußlos an ihnen vorbeizugehen.
94
Der Kläger hat auch dem weiteren Vorbringen der Beklagten (Blatt 458 GA) nicht
widersprochen, dass er in einem persönlichen Brief vom Dezember 2007 gegenüber
dem Erstbeklagten verlangt hat, zukünftig nur noch schriftlich kontaktiert zu werden.
95
Insoweit verstößt der Kläger gegen Treu und Glauben, wenn er nunmehr die von ihm
herbeigeführte Situation zum Anlass einer außerordentlichen Kündigung nimmt. Ob eine
außerordentliche Kündigung als unzulässige Rechtsausübung anzusehen ist, lässt sich
hinreichend zuverlässig nur beurteilen, wenn eine Gesamtbetrachtung angestellt wird, in
die alle Umstände einbezogen werden. Dazu gehören naturgemäß in erster Linie die
vor dem Ausspruch der Kündigung liegenden Geschehnisse. Maßgeblich kommt es
darauf an, auf welche Ursachen das Zerwürfnis der Parteien zurückzuführen ist und in
welchem Umfang beide zu der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses beigetragen
haben (vgl. BGH NJW 2000, 3491; BGH NJW 1996, 2573; OLG München, NZG 1999,
294; vgl. auch Kleine-Cosack, Kündigung einer zweigliedrigen Sozietät aus wichtigem
Grund, NZG 2002, 563: "Sein eigenes vorausgegangenes Fehlverhalten musste bei der
Frage, ob für ihn ein wichtiger Grund vorlag, miteinbezogen werden. Wer allein,
verschuldet oder auch nur objektiv vertragswidrig den Streit veranlasst hat, kann in der
Regel schließlich im Regelfall nicht selbst kündigen"; siehe weiterhin Habermeier, in:
Staudinger, BGB - Neubearbeitung 2003, § 723 BGB Rn. 31: "Im übrigen kann ein
Gesellschafter, der selbst wesentlich zur Verschärfung der Spannungen in der
Gesellschaft beigetragen hat, die fristlose Kündigung nicht ohne weiteres auf
unfreundliche Reaktionen der Mitgesellschafter stützen".
96
(4)
97
Für den Senat ist es kein Zeichen einer irreparablen Zerstörung des
Vertrauensverhältnisses, dass die Parteien im Rahmen eines ihre Existenz
beziehungsweise die Existenz der gemeinsamen Gesellschaft betreffenden
Rechtsstreits auf ihrer jeweiligen Position beharren, was es naturgemäß schwer macht,
in der mündlichen Verhandlung einen harmonischen Eindruck zu hinterlassen. Zudem
hätte dies allenfalls - geringe - indizielle Wirkung, weil es sich um ein Verhalten nach
dem maßgeblichen Zeitpunkt der fristlosen Kündigung handelt.
98
(5)
99
Berechtigt ist die vom Landgericht geteilte Erwägung des Klägers, es finde keine
Zusammenarbeit in der Sozietät zwischen den drei Sozien mehr statt. Die Beklagten,
die dies mittlerweile anders darstellen, haben selbst auf S. 16 ihres Schriftsatzes vom
15. Oktober 2008 (Bl. 460 GA) festgestellt, dass de facto seit mindestens vier Jahren
keine gemeinschaftliche Bearbeitung irgendwelcher Aufgaben mehr stattfindet.
100
Dies ist auch nicht typisch, auch nicht im Verhältnis der Parteien zueinander. Denn die
Beklagten selbst haben in ihrem Schriftsatz vom 27. Dezember 2007 auf S. 10 (Bl. 237
GA) noch ausgeführt, dass früher eine Reihe von Fällen gemeinsam von Kläger und
dem Zweitbeklagten - also sowohl im Steuer- wie auch im Rechtsanwaltsbereich -
bearbeitet wurden; dies war auch bereits im Mai 2007 nicht mehr so; hieran hat sich bis
heute nichts geändert. Dies indiziert sicherlich die zunehmende Entfremdung der
Parteien voneinander; der Senat vermag dies indes nicht als Beleg für eine irreparable
Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zu werten.
101
Selbst wenn man dies anders sehen wollte, kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass
die fehlende Zusammenarbeit ersichtlich die Folge der fristlosen Kündigung des
Klägers ist; er behauptet selbst nicht, dass es bereits vor seiner ersten fristlosen
Kündigung von November 2006 keine Zusammenarbeit mehr gegeben hat. Da die
vorgenannte fristlose Kündigung indes unberechtigt war, ist es treuwidrig, wenn er
Kläger die fehlende Zusammenarbeit nunmehr zum Anlass nimmt, hieraus eine
Zerrüttung abzuleiten und darauf eine weitere fristlose Kündigung zu stützen. Zudem
trägt der Kläger selbst nicht vor, dass es der Zweitbeklagte ist, der die Zusammenarbeit
mit ihm verweigert.
102
(6)
103
Das Schreiben des Zweitbeklagten vom 7. Mai 2007 (Anl. K 9) zeugt zwar von einer
tiefen Verärgerung gegenüber dem Kläger.
104
Auch in einer Gesamtschau mit den übrigen Umständen folgt hieraus aber keine
irreparable Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Gesellschaftern. Das
Schreiben ist eine Reaktion auf die - wie oben gezeigt - unberechtigte fristlose
Kündigung von November 2006, die Absage eines für Ende April 2007 anberaumten
Besprechungstermins durch den Kläger und das damit verbundene Scheitern der
Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien und der von vier kaum entbehrlichen
Mitarbeitern der Sozietät erklärten Kündigung ihrer Arbeitsverhältnisse. Unter diesen
Umständen mussten die Beklagten davon ausgehen, dass die Existenz der Sozietät
akut bedroht ist und diese nicht weiter fortgeführt werden kann, zumindest nicht, ohne
eine Vielzahl von wichtigen Mandaten zu verlieren. Selbst wenn die dem Schreiben
vom 7. Mai 2007 zu Grunde liegende Annahme der Beklagten nicht zutreffen sollte, dass
der Kläger die Angestellten der Sozietät über sein Ausscheiden zum 30. Juni 2007
unterrichtet hat, sind die Beklagten jedenfalls davon ausgegangen. Auch wenn es den
Beklagten oblegen haben sollte, sich vor der Äußerung von Vorwürfen gegenüber dem
Kläger darüber zu informieren, ob er es war, der den Angestellten sein bevorstehendes
Ausscheiden mitgeteilt hat, ist aus Sicht der Beklagten ihre Verärgerung über den
Kläger gleichwohl verständlich und kein Ausdruck einer irreparablen Zerstörung des
Vertrauensverhältnisses. In der gegebenen Situation konnte aus Sicht der Beklagten
105
tatsächlich der Eindruck entstehen, dass es der Kläger mit allen Mitteln darauf anlegte,
das Gesellschaftsverhältnis zu beenden und es auf eine streitige Auseinandersetzung
anzulegen. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass auch in einer derartigen Situation
einige der im Schreiben vom 7. Mai 2007 verwandten Formulierungen über das Ziel
hinaus schießen und nicht hinnehmbar sind. Auch hier kann indes nicht
unberücksichtigt bleiben, dass es, wie bereits mehrfach ausgeführt, der Kläger war, der
durch seine unberechtigte fristlose Kündigung von November 2006 diese Situation
heraufbeschworen hat. Eine irreparable Zerstörung des Vertrauensverhältnisses, auf
welche sich der Kläger trotz seines Verursachungsbeitrages berufen kann, ist unter
diesen Umständen in diesem Schreiben nicht zu sehen.
Dies ergibt sich auch nicht aus der für den Fall, dass der Kläger nicht bis zum 11. Mai
2007 schriftlich mitteilt, den bestehenden Sozietätsvertrag einzuhalten und seine
Aufgaben wahrzunehmen, gemachten Ankündigung der Beklagten, sämtlichen
restlichen Mitarbeitern zu kündigen, ein Rundschreiben an die gesamte Mandantschaft
zu versenden, in welchem sie die Gründe für die Situation darlegen und sämtliche
Steuerberater- und Wirtschaftsprüfungsmandate niederlegen würden, und den Kläger
gerichtlich zur Einhaltung seiner Berufs- und Vertragspflichten zu zwingen. Dies ist
gerade keine Kampfansage gegenüber dem Kläger gewesen, sondern ersichtlich deren
Versuch, ihn zum Einlenken und damit zur Fortführung seiner Tätigkeit in der Sozietät
zu bewegen. Dies belegt, dass jedenfalls aus Sicht der Beklagten das
Vertrauensverhältnis nicht irreparabel zerstört war, sondern sie es für wünschenswert
erachteten, das Vertragsverhältnis mit dem Kläger fortzusetzen. Bei den von dem
Beklagten verwandten Formulierungen ist noch einmal darauf zu verweisen, dass aus
Sicht der Beklagten die Existenz der Sozietät akut bedroht war, und deswegen manche
Formulierungen, die, wie ausgeführt, nicht hinnehmbar sind, doch unter
Berücksichtigung dieser Ausnahmesituation der Beklagten zu würdigen sind.
106
Nichts anderes gilt letztlich auch für den unberechtigten (Beklagte Bl. 252 GA) Vorwurf
der Beklagten, aus den aktuellen Zahlen ergebe sich, dass der Kläger den Umsatz der
Kanzlei in 2007 bewusst heruntergefahren habe. Auch dieser in einer anderen Situation
schlechterdings nicht hinnehmbare Vorwurf erscheint hier in einem anderen, milderen
Licht, nicht nur wegen der Ausnahmesituation, in welche sich die Beklagten befanden,
sondern auch, weil die damals vorliegenden Zahlen diesen Schluss zuließen; dem
entsprechenden Vorbringen der Beklagten ist der Kläger nicht entgegengetreten.
107
(7)
108
Den Inhalt von von den Beklagten verfassten Schreiben an die Steuerberaterkammer,
die Wirtschaftsprüferkammer, an verschiedene Mandanten, an die DATEV und den
EDV-Administrator (Blatt 203 und 375 GA) hat der Kläger nicht ansatzweise
wiedergegeben, so dass hieraus ebenfalls nichts für eine irreparable Zerstörung des
Vertrauensverhältnisses zu entnehmen ist.
109
(8)
110
Auch das zwischen den Beklagten und dem Vorstand ihrer Hausbank, der
Stadtsparkasse …, im Mai 2007 geführte Gespräch belegt keine irreparable Zerstörung
des Vertrauensverhältnisses.
111
Das hierbei nach Behauptung des Klägers erfolgte Offenbaren des internen Streits mit
112
ihm mag zwar grundsätzlich geeignet gewesen sein, dessen Kredit bei der
Stadtsparkasse zu gefährden. Tatsächlich hat der Kläger jedoch bereits ein, zwei oder
sehr wenige Tage nach dem Gespräch der Beklagten mit dem Vorstand der
Stadtsparkasse die Vorwürfe erfolgreich aus der Welt zu räumen vermocht; jedenfalls
behauptet er selber nicht, dass er in der Folgezeit irgendwelche Nachteile gegenüber
der Stadtsparkasse … erlitten hat.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass der von den Beklagten angeblich offenbarte Streit
um die Kündigung aus Sicht der Beklagten von Anfang Mai 2007 ohnehin kaum noch
lange geheimzuhalten war, auch und insbesondere nicht gegenüber ihrer Hausbank.
Denn der Kläger hatte zuvor mit Anwaltsschreiben vom 23. April 2007 (Anl. CC2, Bl. 178
GA) den Vergleichsvorschlag der Beklagten als völlig inakzeptabel abgelehnt und
ausgeführt, dass eine vergleichsweise Regelung nicht in Betracht komme und er
aufgrund der erklärten Kündigung zum 30. Juni 2007 ausscheide. Dieses Ausscheiden
mussten die Beklagten naturgemäß ihrer Hausbank zur Kenntnis bringen. Es ist nicht zu
beanstanden und stellt auch kein Indiz für eine irreparable Zerstörung des
Vertrauensverhältnisses dar, dass die Beklagten bereits vor dem - nach Mitteilung des
Klägers feststehenden - Ausscheiden ihrer Hausbank eine derartige Mitteilung gemacht
haben. Die vermeintlich unzutreffende Angabe darüber, welche Partei welchen
Vergleichsvorschlag unterbreitet hat, war nicht geeignet, den Kredit des Klägers zu
gefährden. Die Mitteilung, die Beklagten hätten die Berufskammer eingeschaltet, war -
auf der Grundlage des Klägervorbringens - zutreffend. Die Beklagten waren auf
Grundlage ihrer - aus Sicht des Senats zutreffenden - Rechtsansicht, dass die fristlose
Kündigung des Klägers von November 2006 unberechtigt war, zu Recht der Meinung,
dass der Kläger sich durch sein unmittelbar bevorstehendes Ausscheiden ihnen
gegenüber schadensersatzpflichtig machen wird; die Mitteilung, sie beabsichtigten, den
Kläger mit einem Schadensersatzprozess zu überziehen, war deswegen zutreffend; die
mitgeteilte Rechtsansicht, der Kläger müsse ihnen Schadenersatz zahlen, war
zumindest dem Grunde nach nicht zu beanstanden.
113
Die angeblichen Äußerungen der Beklagten, der Kläger wolle sich die Kanzlei unter
den Nagel reißen und habe damit gedroht, "den Laden vor die Wand zu fahren", sind
unwahr und herabwürdigend. Es ist konkret nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger sich
die Kanzlei "unter den Nagel reißen" wollte. Die Beklagten haben zwar mehrfach eine
Äußerung des Klägers behauptet, er werde "den Laden vor die Wand fahren", hierfür
aber keinen Beweis angeboten.
114
Andererseits stellte es sich aus Sicht der Beklagten aufgrund der - unberechtigten, siehe
oben - fristlosen Kündigung des Klägers vom November 2006 so dar, dass er
rücksichtslos seinen eigenen Interessen Vorrang gab gegenüber denen der Beklagten
und der Sozietät. Dies gab den Beklagten nicht das Recht, unwahre Behauptungen
aufzustellen, und den Kläger dadurch in Misskredit zu bringen. Eine endgültige
Zerrüttung zeigt sich hierin jedoch noch nicht, sondern vielmehr eine - wenn auch
unangemessene - Reaktion auf das Beharren des Klägers, an der - unberechtigten -
fristlosen Kündigung festzuhalten und die Sozietät zu verlassen. Derjenige, der eine
fristlose Kündigung ausspricht, die unberechtigt ist, muss mit unfreundlichen Reaktionen
der Gesellschafter rechnen.
115
bb)
116
Selbst wenn man indes eine Zerrüttung der Parteien annehmen und den zuvor bejahten
117
Verstoß des Klägers gegen Treu und Glauben ablehnen wollte, stünde damit noch nicht
fest, dass der Kläger das Sozietätsverhältnis fristlos kündigen durfte.
Weitere Voraussetzung hierfür ist, dass dem Kündigenden nach Treu und Glauben eine
Fortsetzung der Gesellschaft bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin nicht
zugemutet werden kann, wobei neben den in § 723 I S. 2 Halbs. 2 BGB genannten
Tatsachen alle Einzelumstände des Falles - u.a. der Zweck und die Struktur der
Gesellschaft, ihre Dauer, die Intensität der persönlichen Zusammenarbeit und der bis
zur ordentlichen Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses verbleibende Zeitraum - in
eine Gesamtabwägung einzubeziehen sind.
118
Diese Gesamtabwägung hat das Landgericht zu Unrecht unterlassen.
119
Sie ergibt, dass dem Kläger eine weitere Zusammenarbeit bis zum Ende der
Vertragslaufzeit zuzumuten ist.
120
Er selbst hat sich bereits mit Anwaltsschreiben vom 11. Juni 2007 bereit erklärt, seine
Tätigkeit in der Sozietät hinaus fortzusetzen, und zwar, wie er mit Anwaltsschreiben vom
18. Juni 2007 mitgeteilt hat, längstens bis zum 30. Juni 2009. Der Senat verkennt nicht,
dass der Kläger - aus seiner Sicht - hiermit ein Entgegenkommen gegenüber den
Beklagten gezeigt hat und bestrebt war, einen Schaden für die Beklagten so weit als
möglich zu mindern. Gleichwohl kann nicht verkannt werden, dass der Kläger es selbst
für zumutbar erachtet hat, nach seiner fristlosen Kündigung von Mai 2007 weitere zwei
Jahre in der Sozietät zu arbeiten. Wieso ihm dies nicht weitere dreieinhalb Jahre
zumutbar sein sollte, erschließt sich dem Senat nicht.
121
Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der mit der Sozietät weiterhin erzielten
Gewinne, wodurch der Kläger jährlich seinen im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen
Vorabgewinn) erhält (siehe oben). Insoweit ist nichts dafür ersichtlich, dass bei einer
Tätigkeit des Klägers in der Sozietät bis zum Ende der vereinbarten Laufzeit der
Bestand der Gesellschaft gefährdet ist; weder ist die Ertragskraft des Unternehmens
durch das persönliche Zerwürfnis der Gesellschafter bereits beeinträchtigt noch ist damit
über kurz oder lang zu rechnen (vgl. BGH NJW 1981, 2302). Insoweit relativiert sich
auch wiederum der Gesichtspunkt der fehlenden Zusammenarbeit der Parteien
innerhalb der Sozietät. Auch der Kläger trägt nichts dafür vor, dass aufgrund der
Zusammenarbeit der Anwaltsbereich in der Vergangenheit in wesentlichem Umfang
Umsatz erzielt hat. Grundsätzlich sind sowohl der Steuer- wie auch der Anwaltsbereich
voneinander getrennt und haben im täglichen Betrieb nichts miteinander zu tun. Es ist
nichts dafür ersichtlich, dass die Intensität der persönlichen Zusammenarbeit zwischen
den Parteien jemals besonders hoch gewesen ist.
122
Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Gesamtabwägung weiterhin der Zweck und die
Struktur der Gesellschaft. Unstreitig war der Sozietätsvertrag von 2004 darauf angelegt,
dass der Erstbeklagte nach und nach aus der Sozietät ausscheidet und der Kläger und
nur er den Mandantenstamm des Erstbeklagten übernimmt; neben dem sodann für den
Steuerbereich alleinverantwortlichen Kläger wäre sodann allein noch der Zweitbeklagte
als Sozius im Anwaltsbereich tätig. Insoweit liegt es auf der Hand und ist vom Kläger
auch nicht hinreichend bestritten, dass sein (des Klägers) Ausscheiden die Sozietät
wirtschaftlich besonders schwer treffen würde. Da es der Kläger ist, der die persönlichen
Beziehungen zu den Steuermandanten unterhält, würde es einem zudem erst noch
einzuarbeitenden Nachfolger des die Sozietät verlassenden Klägers naturgemäß sehr
123
schwer fallen, die Mandanten weiterhin an die Sozietät zu binden.
Nicht zuletzt angesichts der Gewinne, welche die Sozietät weiterhin abwirft, erscheint
dem Senat auch angesichts der zum Zeitpunkt der fristlosen Kündigung im Mai 2007
weiteren Laufzeit des Sozietätsvertrages von etwa fünfeinhalb Jahren ein Verbleib des
Klägers in der Sozietät für diesen Zeitraum zumutbar, zumal, wie bereits ausgeführt, der
Kläger selbst eine weitere Tätigkeit in der Sozietät für zwei Jahre als zumutbar erachtet
hat.
124
4.
125
Auch der Hilfsantrag des Klägers, festzustellen, dass er durch die ordentliche
Kündigung vom 25. Juni 2007 aus der Sozietät ausgeschieden ist, ist unbegründet.
Denn die Parteien haben eine bestimmte Laufzeit des Vertrags (mit etwas weniger als
achteinhalb Jahren) wirksam vereinbart.
126
Bindungsfristen von BGB-Gesellschaften sind nicht allein an § 138 BGB zu messen;
vielmehr müssen auch die grundlegenden Entscheidungen des Gesetzgebers vor allem
im Zusammenhang mit § 723 Abs. 3 BGB, nach dem Kündigungsbeschränkungen nicht
unbegrenzt zulässig sind, in die Bewertung einbezogen werden. Allerdings gilt diese
Einschränkung einer an sich als zulässig angesehenen Eingehung einer 30-jährigen
Bindung nicht schlechthin, vielmehr ist nach den Verhältnissen der jeweiligen
Gesellschaft und aufgrund einer Einzelfallbetrachtung zu entscheiden, ob die genannte
Frist überlang ist (Goette, DStR 2007, 36). In einem Rechtsanwalts-Sozietätsvertrag
stellt der Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung für einen Zeitraum von 30
Jahren auch dann eine unzulässige Kündigungsbeschränkung i. S. des § 723 Abs. 3
BGB dar, wenn sie Teil der Alterssicherung der Seniorpartner ist (BGH Urt. vom
18.9.2006 - II ZR 137/04, DStR 2007, 34).
127
Die Frage, wo die Grenze zulässiger Zeitbestimmungen verläuft, lässt sich nicht
generell abstrakt, sondern nur anhand des Einzelfalls unter Abwägung aller Umstände
beantworten. Hierbei sind einerseits die schutzwürdigen Interessen des einzelnen
Gesellschafters an einer absehbaren, einseitigen Lösungsmöglichkeit, andererseits die
Struktur der Gesellschaft, die Art und das Ausmaß der für die Beteiligten aus dem
Gesellschaftsvertrag folgenden Pflichten sowie das durch den Gesellschaftsvertrag
begründete Interesse an einem möglichst langfristigen Bestand der Gesellschaft in den
Blick zu nehmen (BGH, aaO Rn. 13).
128
Dies zugrundegelegt, ist die vereinbarte Laufzeit von etwas weniger als achteinhalb
Jahren als zulässig anzusehen. Es handelt sich um eine sehr kleine Sozietät mit
lediglich drei Gesellschaftern. Der Kläger war bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages
im Jahr 2004 bereits seit etwa 14 Jahren für den Erstbeklagten tätig und seit mehr als
sechs Jahren auf Grund eines am 5.1.1998 geschlossenen Sozietätsvertrags Sozius.
Dem Kläger war mithin bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages im Jahr 2004 - mit
Ausnahme des neu aufgenommenen Anwaltsbereichs - bewusst, welche Verhältnisse
ihn erwarten und worauf er sich durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrages
einlässt. Für die Zulässigkeit der vereinbarten Laufzeit spricht weiterhin der unstreitige
Vertragszweck, dass der Erstbeklagte als Gründer der Kanzlei nach und nach
altersbedingt seine Tätigkeit einschränken und schließlich beenden können soll und der
Kläger im Gegenzug nach und nach praktisch den gesamten Mandantenstamm aus dem
Steuerberaterbereich übernimmt und die Mandanten der Sozietät hierdurch erhalten
129
bleiben. Es liegt auf der Hand, dass eine derartige Übergabe eines seit Jahrzehnten
bestehenden Steuerberaterbereichs einer Sozietät eine gewisse Laufzeit des
Gesellschaftsvertrages erfordert.
Anders als bei einer Laufzeit von 30 Jahren nimmt eine Bindung für achteinhalb Jahre
einem Rechtsanwalt nicht nahezu für die gesamte Zeit seiner Berufstätigkeit die
Möglichkeit, beruflich auf Veränderungen des Anwaltsmarkts zu reagieren und die damit
gegebenen Chancen zu ergreifen; sie engt die aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende
Berufsausübungsfreiheit nicht unvertretbar ein.
130
Der vom Kläger zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart (OLGR
Stuttgart 2007, 659) ist nicht zu entnehmen, dass in jedem Fall bereits eine Bindung von
mehr als 5 Jahren unzulässig ist. Die dort erwähnte Frist von 5 Jahren ergab sich
vielmehr daraus, dass aus der Unzulässigkeit der vereinbarten Frist von 30 Jahren
keine Gesamtnichtigkeit des Gesellschaftsvertrages, sondern nur eine Unanwendbarkeit
der unzulässig langen Laufzeitklauseln folgte und an ihre Stelle tritt eine nach den
Umständen des Einzelfalls angemessene Laufzeit zu treten hatte; die sich ergebende
Pflicht zur Vertragsanpassung ergab, dass eine über 5 Jahre hinausgehende Bindung
von den Parteien bei Kenntnis der Teilnichtigkeit der überlangen Befristung nach Treu
und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht vereinbart worden
wäre.
131
5.
132
Ob angesichts der seit der fristlosen Kündigung von Mai 2007 eingetretenen Ereignisse
mittlerweile eine fristlose Kündigung rechtfertigende Zerrüttung zu bejahen wäre, kann
dahinstehen. Nach den Klageanträgen ist allein auf die außerordentlichen Kündigungen
von November 2006 und Mai 2007 abzustellen; zeitlich danach stattgefundene
Ereignisse vermögen diese Kündigungen nicht zu rechtfertigen und lassen auch nicht
indiziell den Schluss auf eine bereits bei den außerordentlichen Kündigungen von
November 2006 und Mai 2007 vorhandene Zerrüttung zu.
133
B.
134
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
135
Den Streitwert für die Berufung hat der Senat auf 51.129 € festgesetzt.
136
Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543
Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung
noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
137
… … …
138