Urteil des OLG Düsseldorf vom 15.10.2004

OLG Düsseldorf: sicherheitsleistung, aufrechnung, abnahme des werkes, treu und glauben, unternehmer, besteller, ersatzvornahme, nachfrist, werklohn, vergütung

Oberlandesgericht Düsseldorf, 22 U 108/03
Datum:
15.10.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
22. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 U 108/03
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 31. Juli 2003 verkündete
Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach unter
Zurückwei-sung der Berufung im übrigen zu einem geringen Teil
abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.525,07 EUR nebst Zinsen
in Hö-he von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus
8.280,09 EUR seit dem 19. März 2003 und aus weiteren 6.244,98 EUR
seit dem 14. April 2003 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage
abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
1
I.
2
Der Kläger, der durch Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 1. Januar 2002 zum
Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn F.-J. L. (im
Folgenden: Schuldner) ernannt wurde, verlangt von der Beklagten Zahlung
ausstehenden Werklohns. Der Schuldner hatte für die Beklagte aufgrund Vertrages vom
22. Februar 2001 (Bl. 4 GA), in dem die Geltung der VOB/B vereinbart worden war,
Marmorarbeiten an einem Mehrfamilienhaus in R. erbracht. Als Pauschalfestpreis war
ein Betrag in Höhe von 249.049,68 DM vereinbart; außerdem kam es während der
Bauarbeiten zu drei Nachtragsaufträgen in einem Gesamtvolumen von 6.724,38 DM.
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In dem Ursprungsvertrag war vereinbart, dass die Beklagte 5 % der
"Gesamtabrechnungssumme" als Sicherheit für die Dauer der mit fünfeinhalb Jahren
vereinbarten Gewährleistungsfrist einbehalten durfte und gegen Vorlage einer
Bankbürgschaft ("auf erste schriftliche Anforderung") auszuzahlen hatte.
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Im Rahmen der zwischen den Parteien geführten Korrespondenz über die Abrechnung
des Bauvorhabens teilten die Bevollmächtigten der Beklagten dem Kläger unter dem 23.
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August 2002 mit, dass sich unter Berücksichtigung von Gegenansprüchen der
Beklagten zugunsten des Schuldners ein offener Restbetrag in Höhe von 8.280,09 EUR
ergebe (Bl. 14 GA). Dieser Betrag errechnete sich wie folgt:
Auftragssumme Hauptauftrag
249.049,68 DM
./. 1,1 % für Baustrom, Versicherung und Schuttbeseitigung
2.739,55 DM
./. 5 % Sicherheitseinbehalt
12.452,48 DM
./. Gegenforderungen wg. Mängeln
27.386,17 DM
Auftragssumme Nachträge
6.724,38 DM
./. 6,1 % für Baustrom, Versicherung, Schuttbeseitigung und
Sicherheitseinbehalt
410,19 DM
Berechtigte Nachforderungen der Gesamtschuldnerin
4.781,92 DM
./. 6,1 % für Baustrom, Versicherung, Schuttbeseitigung und
Sicherheitseinbehalt
291,70 DM
Zwischensumme
217.275,89 DM
./. 3 % Skonto
6.518,28 DM
Zwischensumme
210.757,61 DM
./. Abschlagszahlungen
194.563,17 DM
Restbetrag
16.194,44 DM
8.280,09 EUR
6
Zugleich baten die Bevollmächtigten der Beklagten den Kläger um Bestätigung, dass
ausstehende Arbeiten an den Innenfensterbänken der Wohnung Nr. 3.04 ausgeführt
seien.
7
Mit Schreiben vom 3.9.2002 (Bl. 186 d. GA) forderte die Beklagte den Schuldner auf, bis
zum 10. September die Fensterbänke der Wohneinheit 3-04 abzuschleifen. Eine
Nachfrist mit der Androhung, die Leistung abzulehnen und anderweitig durchführen zu
lassen, erfolgte mit Schreiben vom 19. September 2002 unter Fristsetzung bis zum 26.
September 2002 (Bl. 189 d. GA). Da eine Durchführung der Arbeiten nicht erfolgte,
beauftragte die Beklagte die Firma L. mit den Arbeiten, die sie gem. Rechnung vom
22.10.2002 (Bl. 191 d. GA) zum Preis von 121,87 EUR durchführte.
8
Mit Schreiben vom 10. Oktober 2002 (Bl. 43 GA) forderte die Beklagte den Kläger auf,
weitere im Einzelnen bezeichnete Mängel an den von dem Schuldner vorgenommenen
Arbeiten beseitigen zu lassen und setzte hierfür eine Frist bis zum 23. Oktober 2002.
Daraufhin ließ der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 16. Oktober 2002 (Bl. 65
GA) mitteilen, dass er grundsätzlich bereit sei, "die gerügten Mängel kurzfristig zu prüfen
bzw. prüfen zu lassen und, sofern eine Verantwortlichkeit der Firma L. vorliegt, diese
auch beheben zu lassen". Zugleich ließ der Kläger die Beklagte unter Hinweis auf § 648
a BGB auffordern, eine Sicherheitsleistung in Höhe von 28.500,00 DM zu erbringen. Der
Kläger ließ der Beklagten für die Erbringung der Sicherheitsleistung eine Frist bis zum
21. Oktober 2002 setzen und kündigte an, weitere Arbeiten, insbesondere die
geforderten Nachbesserungsarbeiten zu verweigern, falls die Sicherheit nicht gestellt
9
werde. Mit Anwaltsschreiben vom 24. Oktober 2002 (Bl. 67 GA) ließ die Beklagte dem
Kläger mitteilen, dass die Sicherheitsleistung "in Ansehung eines rechnerisch
ausstehenden Werklohnanspruches von 28.500,00 DM = 14.316,17 EUR (...) in Form
einer Bankbürgschaft" erbracht werde. Mit weiterem Anwaltsschreiben vom 21.
November 2002 (Bl. 88 GA) ließ die Beklagte dem Kläger mitteilen, die
Vorraussetzungen für eine Sicherheitsleistung seien inzwischen geschaffen worden.
Der Kläger möge jedoch dazu Stellung nehmen, ob er als Insolvenzverwalter bereit und
in der Lage sei, die vorhandenen Mängel zu beseitigen.
Unter dem 28. Februar 2003 ließ der Kläger die Beklagte auffordern, den als
Sicherheitsleistung einbehaltenen Betrag in Höhe von 6.366,85 EUR bis zum 10. März
2003 auf ein Sperrkonto einzuzahlen (Bl. 32 GA). Mit weiterem Schreiben vom 17. März
2003 (Bl. 33 GA) ließ er Kläger der Beklagten hierfür eine Nachfrist bis zum 26. März
2003 setzen.
10
Mit Schreiben vom 30. April 2003 (Bl. 76 GA) rügte die Beklagte gegenüber dem Kläger
einen weiteren Mangel ("Natursteinbelag im Treppenhaus EG gelöst" (Bl. 79 GA) und
forderte den Kläger auf, diesen bis zum 10. Mai 2003 zu beseitigen.
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Mit seiner Klage begehrt der Kläger Zahlung des nach dem Schreiben der
Beklagtenvertreter vom 23. August 2002 offenen Betrages in Höhe von 8.280,09 EUR
sowie des als Sicherheit einbehaltenen Betrages in Höhe von weiteren 6.366,85 EUR.
12
Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.646,94 EUR nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz aus 8.280,09 EUR seit Rechtshängigkeit der Klage (19. März 2003)
und aus 6.366,85 EUR seit Zustellung des Schriftsatzes vom 3. April 2003 (14.
April 2003) zu zahlen.
14
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
16
Sie hat sich auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen und dies damit begründet, dass die
von dem Schuldner nach dem Bauvertrag eingebauten Fußmatten noch im
Vorbehaltseigentum der Lieferantin stünden. Durch die deshalb notwendig werdende
Beschaffung neuer Fußmatten entstünden ihr Kosten in einer die Klageforderung
übersteigenden Höhe. Außerdem hat die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit
Mangelbeseitigungskosten und sonstigen Ansprüchen in Höhe von insgesamt
10.034,47 EUR erklärt, die sich wie folgt zusammensetzen:
17
Beseitigung von Mängeln an den Fensterbänken der Wohnung 3.04 (Bl. 42
GA)
140,15
EUR
Erneuerung von abgerissenen Versiegelungsfugen (Bl. 45 GA)
319,14
EUR
Beseitigung der weiteren in dem Schreiben der Beklagten vom 10.10.2002
genannten Mängel (Bl. 56 GA)
8.572,28
EUR
Befestigung gelösten Natursteinbelages im Erdgeschoss des
1.002,90
18
Befestigung gelösten Natursteinbelages im Erdgeschoss des
Treppenhauses (Bl. 80 GA)
1.002,90
EUR
Gesamtbetrag
10.034,47
EUR
Das Landgericht hat der Klage durch das angefochtene Urteil stattgegeben. Zur
Begründung ist ausgeführt: Ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten wegen des
angeblich noch bestehenden Vorbehaltseigentums an den von dem Schuldner
gelieferten Fußmatten bestehe nicht, da ein weitergeleiteter Eigentumsvorbehalt in den
Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Lieferantin nicht wirksam habe vereinbart
werden können und im Übrigen davon auszugehen sei, dass der Schuldner nach
diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen ermächtigt gewesen sei, das Eigentum an
den Matten im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes weiter zu
übertragen. Die von der Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung scheitere an § 95
Abs. 1 Satz 3 InsO, da die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen zeitlich nach
der Klageforderung fällig geworden seien.
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Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, soweit sie
zur Zahlung eines über 4.612,47 EUR hinausgehenden Betrages verurteilt worden ist.
Sie beanstandet die Auffassung des Landgerichts zur Unzulässigkeit der Aufrechnung
als rechtsfehlerhaft und meint, § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO sei schon deshalb nicht
anwendbar, weil ihr - der Beklagten - ein die Fälligkeit der Klageforderung hinderndes
Zurückbehaltungsrecht wegen der gerügten Mängel zugestanden habe. Auch sei der
Kläger nicht berechtigt gewesen, Sicherheitsleistung wegen ausstehenden Werklohns
zu verlangen. Sie ist weiter der Ansicht, der Kläger könne seinen Werklohn nur
gemindert um die von ihr aufgewandten Mängelbeseitigungskosten verlangen.
20
Die Beklagte beantragt,
21
das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 31. Juli 2003 abzuändern und
die Klage abzuweisen, soweit sie zur Zahlung eines 4.612,47 EUR nebst 5 %
Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14. April 2003 übersteigenden Betrages
verurteilt worden ist.
22
Der Kläger beantragt,
23
die Berufung, ausgenommen einen Betrag in Höhe von 121,87 EUR,
zurückzuweisen.
24
Er verteidigt das angefochtene Urteil unter vertiefender Wiederholung seines
erstinstanzlichen Vorbringens. Mit Schriftsatz vom 12. August 2004 hat er erklärt, den
Betrag aus der Rechnung L. in Höhe von 121,87 EUR ohne Anerkennung einer
Rechtspflicht von seiner Forderung in Abzug zu bringen.
25
II.
26
Die Berufung der Beklagten ist - ausgenommen eines Betrages in Höhe von 121,87
EUR - nicht begründet.
27
Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung von Werklohn auch in Höhe des in der
Berufung noch streitigen Betrages von 9.912,26 EUR verlangen.
28
1. Die - rechnerisch unstreitige - Werklohnforderung ist in Höhe des gesamten mit der
Klage noch geltend gemachten Betrages von 14.525,07 EUR (14.646,94 EUR
abzüglich 121,87 EUR) fällig.
29
a) Die für die Fälligkeit erforderliche Abnahme der von dem Schuldner erbrachten
Leistungen liegt vor. Soweit die Beklagte die Abnahme in erster Instanz ohne nähere
Begründung in Frage gestellt hat (Bl. 35 GA), hat ihre Rechtsverteidigung keinen Erfolg.
Denn die Beklagte hat das Bauvorhaben, nachdem der Schuldner seine Arbeiten
ausgeführt hatte, mit Anwaltsschreiben vom 23. August 2002 (Bl. 14 GA) abschließend
abgerechnet. Auf eine fehlende Abnahme hat sie sich insoweit - auch in der weiteren
Korrespondenz - nicht berufen, so dass - auch angesichts des Zeitablaufs - ohne
weiteres davon auszugehen ist, dass die von dem Schuldner erbrachten Leistungen in
Benutzung genommen wurden, weshalb das Werk gemäß § 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B als
abgenommen gilt.
30
b) Die Werklohnforderung des Schuldners ist auch hinsichtlich der von der Beklagten
einbehaltenen Sicherheit fällig. Dem steht nicht die Regelung auf Seite 4 des
Bauvertrages (Bl. 6 GA) entgegen, wonach die Beklagte für die Dauer der mit
fünfeinhalb Jahren vereinbarten Gewährleistungsfrist berechtigt sein sollte, 5 % der
"Gesamtabrechnungssumme" als Sicherheit einzubehalten. Denn der
Sicherheitseinbehalt ist nicht wirksam vereinbart, da dem Schuldner lediglich das Recht
eingeräumt ist, den einbehaltenen Betrag - unter Ausschluss anderer in § 17 VOB/B
genannter Sicherheiten - gegen Zahlung einer Bankbürgschaft abzulösen, die die
"Zahlungsverpflichtung des Bürgen auf erst(e( schriftliche Anforderung" enthält. Die
Wirksamkeit dieser Regelung scheitert indes an § 9 Abs. 1 AGBG a. F., da sie den
Unternehmer unangemessen benachteiligt (allgem. Meinung, vgl. BGH BauR 2002, 463
(464(; 2001, 1093 (1095(; 2000, 1052 (1053(). Außerdem wäre die Verpflichtung des
Schuldners zur Sicherheitsleistung jedenfalls gem. § 17 Nr. 6 Abs. 3 VOB/B entfallen,
nachdem die Beklagte den einbehaltenen Betrag trotz der von dem Kläger mit
Schreiben vom 17. März 2003 (Bl. 33 GA) gesetzten Nachfrist nicht auf ein Sperrkonto
eingezahlt hatte.
31
2. Auf das in erster Instanz geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht wegen nicht
erbrachter Vertragsleistungen, dessen Vorliegen das Landgericht mit zutreffender
Begründung verneint hat, ist die Beklagte in der Berufung nicht mehr zurückgekommen.
32
3.
33
Soweit die Beklagte gegenüber der Klageforderung in Höhe des in der Berufung noch
streitigen Betrages die "Aufrechnung" mit Schadensersatzansprüchen bzw. Ansprüchen
auf Erstattung der Kosten der Ersatzvornahme erklärt hat, hat ihre Rechtsverteidigung
auch in zweiter Instanz keinen Erfolg.
34
a) Der Senat folgt allerdings nicht der in dem angefochtenen Urteil vertretenen Ansicht,
die von der Beklagten erklärte "Aufrechnung" scheitere an der Vorschrift des § 95 Abs. 1
Satz 3 InsO. Denn Schadensersatzansprüche des Bestellers sowie Ansprüche des
Bestellers auf Erstattung von Ersatzvornahmekosten sind auch dann bloße
Rechnungspositionen bei der Ermittlung der Restvergütung, wenn der Besteller am
35
Vertrag festhält und das mangelhafte Werk behalten will (vgl. dazu Werner/Pastor, Der
Bauprozess, 10. Aufl., Rn. 2576 ff.; s. auch OLG Düsseldorf (5. Zivilsenat( BauR 1984,
308; OLG Naumburg BauR 2001, 1615 (1617( i.V.m. dem Nichtannahmebeschluss des
BGH vom 05.04.2001 - VII ZR 161/00 -; a.A. OLG Düsseldorf (21. Zivilsenat( BauR
2001, 290). Für eine Aufrechnung, deren Zulässigkeit an der Vorschrift des § 95 Abs. 1
Satz 3 InsO zu messen wäre, ist daher kein Raum.
Doch selbst wenn man mit dem Landgericht von einer Aufrechnung ausginge, würde
diese nicht an § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO scheitern. Denn indem der Kläger mit Schreiben
vom 1. Oktober 2002 (Bl. 65 GA) seine Bereitschaft erklärte, berechtigte Mängel
beheben zu lassen, hat er gemäß § 103 InsO die Erfüllung des Vertrages gewählt.
Damit sind eventuelle auf Zahlung von Geld gerichtete Gewährleistungsansprüche der
Beklagten in Höhe des Nachbesserungsaufwandes zu Masseverbindlichkeiten
geworden (vgl. BGH NJW 2002, 2783). § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO betrifft jedoch nur die
Aufrechnung durch Insolvenzgläubiger und nicht auch die Aufrechnung durch
Massegläubiger (vgl. BGH BKR 2003, 951 (954(), so dass die Aufrechnung jedenfalls in
Höhe des hier geltend gemachten Nachbesserungsaufwandes möglich gewesen wäre.
Ob § 95 Abs. 1 InsO überhaupt für Forderungen gilt, die - wie hier - zueinander in einem
synallagmatischen Verhältnis stehen (insoweit verneinend: MüKo-InsO/Kreft, § 103 Rn.
35), kann daher dahinstehen.
36
b) Letztlich kommt es auf die Frage, ob eine Aufrechnung zulässig gewesen wäre,
jedoch nicht an, da der Beklagten die geltend gemachten Gegenansprüche nicht
zustehen und der Vergütungsanspruch des Schuldners daher weder infolge einer
Aufrechnung noch im Wege der Verrechnung oder Minderung untergegangen bzw.
reduziert worden ist.
37
Der Kläger war nämlich berechtigt, die dem Schuldner obliegende Pflicht, die von der
Beklagten geltend gemachten Mängel zu beseitigen, zu verweigern, da die Beklagte
ihrerseits der Aufforderung des Klägers, eine Sicherheitsleistung für die ausstehende
Vergütung zu erbringen, nicht nachgekommen war. Dies hat zur Folge, dass es an dem
gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B für einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der
Ersatzvornahme bzw. für einen entsprechenden Schadensersatzanspruch
erforderlichem Verzug des Schuldners (Klägers) mit der Mangelbeseitigung fehlt.
38
Gemäß § 648 a Abs. 1 BGB kann der Unternehmer im Falle der Erstellung eines
Bauwerks von dem Besteller Sicherheit für die von ihm zu erbringenden Vorleistungen
verlangen. Gegenstand eines Verlangens nach Sicherheitsleistung können auch bereits
erbrachte, aber - zumindest teilweise - noch nicht bezahlte Werkleistungen sein (allgem.
Meinung vgl. BGH BauR 2001, 386 (389(; Schulze-Hagen BauR 1999, 210 (212(;
Ullrich MDR 1999, 1233 jeweils m.w.N.), so dass es im vorliegenden Fall nicht darauf
ankommt, ob auch der Aufwand für die geforderten Mangelbeseitigungsarbeiten eine
Sicherheitsleistung in der geforderten Höhe gerechtfertigt hätte. Denn jedenfalls
rechtfertigten die bereits erbrachten Leistungen das Verlangen nach einer
Sicherheitsleistung in Höhe des offenen Werklohnes.
39
Der Unternehmer kann die Sicherheitsleistung auch dann noch verlangen, wenn das
Werk - wie hier - bereits abgenommen ist, d. h. wenn es lediglich um Mängelbeseitigung
geht (BGH, Urteile vom 22.1.2004, NZBau 2004, 259 = NJW 2004, 1525; NZBau 2004,
261; NZBau 2004, 264 = NJW-RR 2004, 740; zuvor bereits OLG Düsseldorf (12.
Zivilsenat( BauR 2003, 1723 (1724(; OLG Brandenburg NZBau 2003, 678 (679(; OLG
40
Dresden NZBau 2000, 26 (27(; OLG Hamm (24. Zivilsenat( NJW-RR 2003, 520; OLG
Naumburg (6. Zivilsenat( NJW-RR 2001, 1165; (2. Zivilsenat( BauR 2001, 1603; OLG
München NZBau 2003, 676 (677(; OLG Stuttgart BauR 2001, 421 (422], Palandt/Sprau,
63. Auflage, § 648 a Rn. 9; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Auflage, Rn. 333). Denn
auch nach Abnahme der Werkleistung bleibt der Unternehmer in Ansehung eventueller
Mangelbeseitigungsarbeiten faktisch vorleistungspflichtig, weil der Besteller die
ausstehende Vergütung nur Zug-um-Zug gegen Mangelbeseitigung zahlen muss. Damit
unterscheidet sich jedoch die Interessenlage der Vertragsparteien wirtschaftlich nicht
von denjenigen vor Abnahme, weshalb der Unternehmer, dessen Werklohn noch nicht
vollständig gezahlt wurde und der noch (Mangelbeseitigungs-) Arbeiten zu erbringen
hat, auch nach der Abnahme gegen das sich aus der Vorleistungspflicht ergebende
Ausfallrisiko geschützt werden muss. Solange der Unternehmer daher in der Lage und
bereit ist, Mängel zu beseitigen, hat er auch ein grundsätzlich schützenswertes Interesse
an der Absicherung seines nach Mangelbeseitigung in voller Höhe durchsetzbaren
Vergütungsanspruchs. Soweit die Beklagte einwendet, der Kläger sei weder bereit noch
in der Lage gewesen, die gerügten Mängel zu beseitigen, weshalb er auch keine
Sicherheitsleistung habe verlangen können, hat ihre Rechtsverteidigung keinen Erfolg.
Dabei kann der Senat offen lassen, ob der Beklagten dieser Einwand bereits deshalb
abgeschnitten ist, weil sie sich mit Anwaltsschreiben vom 24. Oktober 2002 (Bl. 67 GA)
ausdrücklich zur Vorlage der Bürgschaft bereit erklärt und damit möglicherweise das
entsprechende Verlangen des Klägers als berechtigt anerkannt hat. Denn es ist nicht
ersichtlich, dass der Kläger aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen zur
Mangelbeseitigung außerstande oder hierzu nicht bereit gewesen wäre. Da die dem
Kläger gesetzte Frist zur Nachbesserung der in der Berufungsinstanz noch
streitgegenständlichen Mängel entsprechend dem Schreiben vom 23. Oktober 2002 (Bl.
43 GA) zum Zeitpunkt des Verlangens nach Sicherheitsleistung bzw. bei Ablauf der
hierzu gesetzten Frist (21. Oktober 2002, Bl. 66 GA) noch nicht abgelaufen war, war er
jedenfalls zur Nachbesserung "berechtigt". Auch der Umstand, dass über das Vermögen
des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, stand der Nachbesserung
durch den Kläger nicht entgegen. Eine auf § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B gestützte Kündigung
des Vertrages wäre aufgrund der Fertigstellung bzw. Abnahme der Leistungen ohnehin
nicht mehr in Betracht gekommen. Im Übrigen hat auch die Beklagte, wie ihr Schreiben
vom 10. Oktober 2002 zeigt, an dem Vertragsverhältnis festhalten wollen. Schließlich
hat der Kläger auch seinerseits mit Schreiben vom 16. Oktober 2002 (Bl. 65 GA)
mitteilen lassen, bereit zu sein, berechtigte Mängel prüfen und beheben zu lassen.
Damit hat er sich in Ausübung des ihm durch § 103 InsO eingeräumten Wahlrechts
ausdrücklich für die Vertragserfüllung entschieden. Aus diesem Grund hilft der
Beklagten auch der Hinweis auf das Urteil des OLG München vom 12. Juni 2003
(NZBau 2003, 675 = BauR 2004, 94) nicht weiter. Dort ist ausgeführt, dass ein auf § 648
a BGB gestütztes Leistungsverweigerungsrecht des Unternehmers ins Leere geht, wenn
er eine von dem Besteller verlangte Nachbesserung endgültig ablehnt. Eine derartige
Ablehnung des Nachbesserungsverlangens lag hier jedoch gerade nicht vor. Soweit der
Kläger im vorliegenden Rechtsstreit in Abrede gestellt hat, dass noch Schleifarbeiten in
der Wohnung Nr. 3.04 auszuführen waren (Bl. 60 GA), hatte dies jedenfalls keinen
Einfluss auf sein Nachbesserungsrecht in Ansehung der von der Beklagten mit
Schreiben vom 10. Oktober 2002 (Bl. 43 GA) geltend gemachten - weit umfangreicheren
- Mängel.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger aus tatsächlichen - insbesondere
wirtschaftlichen - Gründen außerstande gewesen wäre, dem
Mangelbeseitigungsverlangen der Beklagten nachzukommen. Denn es ist weder
41
ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen, dass der Schuldner seinen
Geschäftsbetrieb bereits eingestellt hatte und daher - nach Erbringung der
Sicherheitsleistung - eine Beseitigung der Mängel nicht mehr hätte vornehmen können.
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor
dem Landgericht die Möglichkeit der Mangelbeseitigung durch den Kläger sowie seine
entsprechende Bereitschaft hierzu unter Hinweis darauf in Abrede gestellt hat, dass
tatsächlich nicht nachgebessert worden sei (Bl. 97 GA), ergibt sich hieraus nichts
Abweichendes. Denn der Klägervertreter hat die unterbliebene Nachbesserung -
nachvollziehbar - damit erklärt, dass die geforderte Sicherheitsleistung nicht erbracht
worden sei. Im übrigen wäre die Beklagte für die fehlende Leistungsfähigkeit und
Leistungsbereitschaft des Klägers auch darlegungs- und beweispflichtig. Umstände, aus
denen (ansonsten) hierauf geschlossen werden könnte, hat sie jedoch nicht
vorgetragen.
Das Verlangen des Klägers nach Sicherheitsleistung verstieß auch nicht gegen Treu
und Glauben. Denn der Kläger hätte den für die Mangelbeseitigung erforderlichen
Aufwand aus der Masse bestreiten müssen, so dass es - auch unter Berücksichtigung
seiner persönlichen Haftung gemäß § 61 InsO - nachvollziehbar und verständlich ist,
dass er derartige Aufwendungen nur tätigen wollte, wenn er auch sicher sein konnte,
anschließend die ausstehende Vergütung zur Masse zu erhalten. Schließlich scheiterte
das berechtigte Verlangen des Klägers nach Sicherheitsleistung auch nicht daran, dass
er selbst vertragsuntreu geworden wäre, indem er - nach dem Vortrag der Beklagten zu
Unrecht - behauptet hat, Mangelbeseitigungsarbeiten in der Wohnung Nr. 3.04 bereits
ausgeführt zu haben. Denn allein hierauf konnte die Beklagte noch nicht die berechtigte
Annahme stützen, der Kläger werde sich auch im Übrigen vertragsuntreu verhalten,
insbesondere die von ihr gerügten Mängel nicht beseitigen.
42
Da die Beklagte somit - trotz vorheriger Ankündigung (Bl. 67 GA) - die geforderte
Sicherheitsleistung nicht erbrachte, konnte der Kläger seinerseits die von der Beklagten
verlangten Mangelbeseitigungsarbeiten verweigern mit der Folge, dass es an einem
Verzug mit der Mangelbeseitigung und somit an den Voraussetzungen für einen
aufrechenbaren Kostenerstattungs- oder Schadensersatzanspruch fehlt .
43
a) Damit scheiden aufrechenbare Ansprüche der Beklagten gem. § 633 Abs. 3 BGB a.F.
auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen aus einer Ersatzvornahme aus.
Voraussetzung des Selbsthilferechts ist ein vom Unternehmer nicht rechzeitig erfüllter
Mängelbeseitigungsanspruch (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. A., Rn. 1579). Wird
ein noch bestehendes Nachbesserungsrecht durch eine voreilige Ersatzvornahme
ausgeschaltet, besteht kein Anspruch auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten (BGH
BauR 1988, 82, 83; NJW-RR 1988, 208, 209; Kniffka/Koeble, Kompendium des
Baurechts, 2. A. 2004, Rn. 173; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. A., Rn. 1579).
"Voreilig" ist die Mängelbeseitigung auch dann, wenn infolge eines
Sicherheitsverlangens nach § 648 a BGB, dem der Besteller nicht nachgekommen ist,
ein Verzug des Werkunternehmers mit der Mängelbeseitigung nicht vorliegt und deshalb
sein Nachbesserungsrecht fortbesteht.
44
b) Ansprüche der Beklagten ergeben sich auch nicht aus den §§ 648 a Abs. 5, 643, 645
Abs. 1 BGB. Eine Vertragsauflösung liegt nicht vor. Das Schreiben vom 16.10.2002 (Bl.
65 d. GA) betrifft allein die Vorschrift des § 648 a Abs.1 S. 1 BGB. Die
Bauunternehmung hat (erstmals) Sicherheit verlangt und entsprechend dieser Vorschrift
der Beklagten eine Frist mit der Erklärung bestimmt, dass sie nach Ablauf dieser Frist
45
ihre Leistung, hier die Mängelbeseitigung, verweigert. Eine solche Erklärung führt aber
noch nicht zur Vertragsauflösung mit der Folge, dass der Werklohnanspruch nur
gemindert um ersparte Aufwendungen, zu denen auch die Kosten der
Mängelbeseitigung gehören können, verlangt werden kann. Dafür ist entsprechend §
648 a Abs. 5 S. 1, 643 BGB grundsätzlich erforderlich, dass eine (weitere) Nachfrist
gesetzt wird mit der Erklärung, dass nach Ablauf der Nachfrist der Vertrag aufgehoben
sein soll. Die Nachfristsetzungen nach § 648 a Abs. 1 BGB und nach § 648 a Abs. 5
BGB ermöglichen dem Werkunternehmer, unterschiedliche Ziele zu verfolgen: Mit der
Fristsetzung nach § 648 a Abs. 1 BGB erreicht der Werkunternehmer zunächst nur, dass
er nicht mehr leistungs- (hier: nachbesserungs-) pflichtig ist. Mit der Fristsetzung nach §
648 a Abs. 5 BGB kann er die Vertragsbeendigung herbeiführen, wenn er die
Abrechnung herbeiführen möchte, wobei er dann dem Risiko ausgetzt ist, nur eine um
die Mängelbeseitigungskosten geminderte Vergütung zu erhalten. Der
Werkunternehmer ist jedoch nicht verpflichtet, diesen Weg zu beschreiten (BGH NJW
2004, 1525, 1526).. Er kann sich auch dafür entscheiden, das Vertragsverhältnis
bestehen zu lassen und mit seiner Vergütungsklage den vollen Werklohn zu verlangen,
wobei er dann ggbfs. auch bei einem Sicherheitsverlagen einem Zurückbehaltungsrecht
des Bestellers ausgesetzt ist (BGH NJW2004, 1525, 1527). Dabei ist eine Verpflichtung
des Unternehmers, den Vertrag zu beenden, nicht gegeben. Es handelt sich um ein
weiteres Gestaltungsrecht, das dem Werkunternehmer die Vertragsauflösung lediglich
ermöglicht (vergl. BGH NZBau 2004, 261; NJW 2004, 1525, 1526). Entscheidet sich der
Werkunternehmer dafür, von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch zu machen, so
verbleibt dem Besteller, der keine Sicherheit leistet, die Möglichkeit, seinerseits eine
Vertragsbeendigung durch eine Kündigung nach § 649 BGB zu erreichen. Diese ist dem
Besteller auch nach Abnahme des Werkes, aber vor Abschluss von
Mängelbeseitigungsarbeiten, möglich (Palandt/Sprau, 63. A., § 649 BGB Rn. 1).
Die Klägerin hat vorliegend von der Möglichkeit, den vollen Werklohn zu verlangen,
Gebrauch gemacht. Die Erklärung vom 16.10.2002 (Bl. 65 d. GA) ist keine
Nachfristsetzung entsprechend § 648 a Abs. 5 BGB, sondern eine solche nach § 648 a
Abs. 1 BGB. Mit ihr hat die Klägerin zur Absicherung ihres Vergütungsanspruches bei
erfolgter Mängelbeseitigung erstmals Sicherheit verlangt. Damit ist nicht zugleich i.S.
des § 648 a Abs. 5 BGB das Begehren nach Vertragsaufhebung, hier gerichtet auf die
endgültige Ablehnung von Mängelbeseitigungsarbeiten, erklärt. Auch dann, wenn der
Unternehmer Sicherheit verlangt hat, der Besteller diese jedoch nicht geleistet hat, führt
dies nicht zugleich zu einer Vertragsauflösung. In dieser Situation ist in entsprechender
Anwendung des § 648 a Abs. 5 BGB erforderlich, dass der Unternehmer eine Erklärung
mit rechtsgestaltender Wirkung abgibt. Diese muss darauf gerichtet sein, die
Mängelbeseitigung abzulehnen, weil die Sicherheit nicht geleistet wurde (BGH NJW-
RR 2004, 740, 743; NJW-RR 2004, 1525, 1527). Dabei muss es sich um eine endültige
Ablehnung der Mängelbeseitung handeln. Soweit der Unternehmer diese lediglich
vorübergehend verweigert, weil Sicherheit nicht geleistet wurde und deshalb kein
Verzug besteht, macht er allein von der im nach § 648 a Abs. 1 BGB eingeräumten
Möglichkeit der Leistungsverweigerung Gebrauch.
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5.
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Ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten wegen der geltend gemachten Mängel kommt
nicht mehr in Betracht, da die Mängel - nach Ersatzvornahme durch die Beklagte - nicht
mehr bestehen. Aufrechenbare Bereicherungsansprüche der Beklagten scheiden schon
aus systematischen Gründen aus, da andernfalls jede gegenüber dem Unternehmer
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nicht gerechtfertigte Ersatzvornahme zu einem Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB führen
würde.
6. Der zugesprochene Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
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7. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO; die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.
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Es liegen keine Gründe i.S. von § 543 Abs. 2 ZPO vor, die Revision zuzulassen, da
sowohl die Frage der Rechtsfolgen einer voreiligen Nachbesserung als auch die der
erforderlichen Fristsetzungen bzw. Erklärungen nach § 648 a) Abs. 1, 5 BGB
höchstrichterlich geklärt sind und die Entscheidung damit insbesondere auch in
Übereinstimmung mit den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 22.1.2004 steht.
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Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 10.034,47 EUR festgesetzt.
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a. Dr. F.
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