Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.06.2006

OLG Düsseldorf: treu und glauben, vermieter, berechtigung, hotel, einsichtnahme, betriebskosten, abrechnung, heizungsanlage, wartung, stadt

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-10 U 164/05
Datum:
22.06.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
10. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-10 U 164/05
Leitsätze:
BGB §§ 242, 535
ZPO § 138 Abs. 3
NMV § 29
1. Will der Mieter sich erfolgreich gegen eine
Betriebskostennachforderung des Vermieters verteidigen, setzt dies in
Ausübung seines Prüfungsrechts grund-sätzlich die vorherige
Einsichtnahme in die Berechnungsunterlagen voraus.
2. Ausnahmsweise kann der (hier: gewerbliche) Mieter nach Treu und
Glauben Übermittlung von Fotokopien der Rechnungsbelege verlangen,
wenn ihm die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen in den
Räumen des Vermieters oder dessen ortsnaher Hausverwaltung nicht
zugemutet werden kann, etwa weil Mieter und Vermieter heillos
zerstritten sind, der Ort der Belegeinsicht nicht in zumutbarer Weise und
angemessener Zeit mit öffentlichen Verkehrs-mitteln zu erreichen ist
oder der in einer entfernt liegenden Stadt wohnende Vermieter sich trotz
Aufforderung des Mieters weigert, die Belege am Ort des Mietobjekts zur
Einsicht bereit zu stellen.
3. Durchgreifende Bedenken gegen die materielle Berechtigung des
Kostenan-satzes ergeben sich nicht allein daraus, dass einzelne der im
Folgejahr aus-gewiesenen Kosten niedriger sind als die des Vorjahres.
4. Betreut der Hausmeister eine aus mehreren Gebäuden bestehende
Liegen-schaft, kann der Pächter auch dann anteilig mit den vertraglich
als umlagefä-hig vereinbarten Hausmeisterkosten belastet werden,
wenn er für das gepach-tete Hotel selbst nicht unmittelbar tätig
geworden ist.
Tenor:
Das Versäumnisurteil des Senats vom 4. Mai 2006 wird aufrechterhal-
ten.
Die weiteren Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
I.
1
Der gemäß §§ 339 Abs. 1, 340 ZPO zulässige Einspruch der Beklagten gegen das
Versäumnisurteil des Senats ist nicht begründet, so dass das Versäumnisurteil gemäß §
343 ZPO aufrechtzuerhalten ist.
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Die Beklagten berufen sich ohne Erfolg darauf, das Versäumnisurteil sei nicht in
gesetzlicher Weise ergangen, weil die Ladung ihrem erstinstanzlichen
Prozessbevollmächtigten zugestellt worden sei, der sich insoweit weder bestellt habe
noch von ihnen für den Berufungsrechtszug mandatiert gewesen sei. Da die jetzigen
Prozessbevollmächtigten die zweitinstanzliche Vertretung der Beklagten erstmals mit
ihrem am 8.3.2006 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 7.3.2006 angezeigt
haben, sind Berufungsbegründung und Terminsladung gemäß § 172 Abs. 2 ZPO am
10.2.2006 in zulässiger Weise noch an den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten
der Beklagten erfolgt.
3
II.
4
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagten
entgegen der Auffassung des Landgerichts ein fälliger Anspruch auf Zahlung
rückständiger Betriebskosten für die Abrechnungsjahre 2000 (= 4.196,83 €) und 2001 (=
8.914,47 €) in Höhe von insgesamt 13.111,40 € zu. Dies beruht im Einzelnen auf
folgenden Überlegungen:
5
1.
6
Die Beklagten haften dem Kläger gesamtschuldnerisch entweder unmittelbar als
Pächter aus § 535 Abs. 2 BGB oder jedenfalls aus § 128 HGB als Gesellschafter der
von ihnen gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts für die fälligen
streitgegenständlichen Betriebskostennachforderungen.
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Der Anspruch des Vermieters auf Bezahlung der vom Mieter zu tragenden
Betriebskosten wird grundsätzlich mit der Erteilung einer formell ordnungsgemäßen
Abrechnung fällig (BGH, Urt. v. 8.3.2006, VIII ZR 78/05). Nach ständiger
Rechtsprechung (zuletzt BGH, Urt. v. 20.7.2005, GE 2005, 1118 = ZMR 2005, 937) ist
eine Betriebskostenabrechnung formell ordnungsgemäß, wenn sie den allgemeinen
Anforderungen des § 259 BGB genügt und bei Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten
folgende Mindestangaben enthält: Eine Zusammenstellung der Gesamtkosten, die
Angabe und Erläuterung der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel, die Berechnung des
Anteils des Mieters und den Abzug der Vorauszahlungen des Mieters. Diesen
Anforderungen genügen aus den insoweit zutreffenden Gründen der angefochtenen
Entscheidung sowohl die Betriebskostenabrechnung des Klägers für 2001 als auch die
Betriebskostenabrechnung 2000 in ihrer mit Schriftsatz vom 25.5.2004 überreichten
korrigierten Fassung.
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Erhebliche Einwendungen gegen den Kostenansatz haben die Beklagten insgesamt
nicht erhoben. Will der Mieter sich erfolgreich gegen eine Betriebskostennachforderung
des Vermieters verteidigen, darf er sich im Prozess nicht darauf beschränken, die
materielle Berechtigung des Kostenansatzes insgesamt oder hinsichtlich einzelner
Betriebskostenarten zu bestreiten. Sein Bestreiten erfüllt nur dann die prozessualen
Anforderungen des § 138 Abs. 2 ZPO, wenn er konkret zu den einzelnen
Abrechnungsposten Stellung bezieht und seine Bedenken gegen die materielle
Berechtigung der Abrechnung plausibel darlegt. Das setzt in Ausübung seines
Prüfungsrechts grundsätzlich die vorherige Einsichtnahme des Mieters in die
Berechnungsunterlagen voraus. Macht der Mieter – wie hier die Beklagten - von seinem
Einsichtsrecht keinen Gebrauch, bleibt sein Bestreiten nach § 138 Abs. 3 ZPO
unberücksichtigt (OLG Düsseldorf, NZM 2000, 762; ZMR 2003, 570; LG Berlin, GE
2003, 1492; GE 2001, 1469).
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Auf die Überlassung von Fotokopien gegen Kostenerstattung hat der Mieter weder aus
einer entsprechenden Anwendung des § 29 NMV noch aus § 242 BGB einen Anspruch
(BGH, Urt. v. 8.3.2006, VIII ZR 78/05 für die Wohnraummiete; Senat, WuM 93, 411 für
gewerbliche Mietverhältnisses). Ausnahmsweise kann der Mieter nach Treu und
Glauben Übermittlung von Fotokopien der Rechnungsbelege verlangen, wenn ihm die
Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen in den Räumen des Vermieters oder
dessen ortsnaher Hausverwaltung nicht zugemutet werden kann, etwa weil Mieter und
Vermieter heillos zerstritten sind oder der Ort der Belegeinsicht nicht in zumutbarer
Weise und angemessener Zeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist.
Gleiches gilt, wenn der – wie der Kläger - in einer entfernt liegenden Stadt (hier: Berlin)
wohnende Vermieter sich trotz Aufforderung des Mieters weigert, die Belege am Ort des
Mietobjekts zur Einsicht bereit zu stellen. Dass ein solcher Ausnahmefall hier vorliegt,
ergibt sich nicht bereits aus der nicht näher konkretisierten Behauptung der Beklagten,
der Kläger sei ihrer vorprozessualen Aufforderung, die Gesamtkosten zu belegen, nur
fragmentarisch nachgekommen.
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Durchgreifende Bedenken gegen die materielle Berechtigung des Kostenansatzes
ergeben sich entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Beklagten auch nicht
allein daraus, dass einzelne der im Jahr 2001 ausgewiesenen Kosten niedriger sind als
die des Jahres 2000. Weder ist – wie das Landgericht ohne tatsächliche Grundlage
angenommen hat – üblicherweise das Gegenteil zu erwarten noch widerspricht die
hinsichtlich der Kostenpositionen "Gebäudeversicherung Hotel", "Grundsteuer Hotel",
"Hausmeister Gewerbe" und "Straßenreinigung" für 2001 ausgewiesene
Kostensenkung – wie die Beklagten meinen - jeglicher Lebenserfahrung. Auch insoweit
hätten die Beklagten zunächst Einsicht in die Abrechnungsbelege nehmen und sich
danach verbleibende Unklarheiten durch den Vermieter oder eine von diesem
beauftragte sachkundige Person erläutern lassen müssen. Insoweit trifft den Vermieter,
der den Mieter auf die Belegeinsicht verweist, bereits vor Ort eine entsprechende
Erläuterungspflicht (BGH, Urt. v. 8.3.2006, VIII ZR 78/05).
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Mangels Ausübung ihres Einsichtsrechts ist es den Beklagten schon aus diesem Grund
verwehrt, sich insbesondere darauf zu berufen, der von dem Kläger eingesetzte
Hausmeister sei auch noch für andere Objekte des Klägers tätig. Dass der Hausmeister
– wie die Beklagten vortragen – für die W. 4 nicht tätig geworden sein soll, steht dem
Kostenansatz nicht grundsätzlich entgegen. Betreut der Hausmeister eine – wie hier –
aus mehreren Gebäuden bestehende Liegenschaft, kann der Pächter auch dann anteilig
mit den vertraglich als umlagefähig vereinbarten Hausmeisterkosten belastet werden,
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wenn er für das gepachtete Hotel selbst nicht unmittelbar tätig geworden ist (vgl. Senat,
Urt. v. 23.12.1999, DWW 2000, 54). Im Übrigen ist der Vortrag der Beklagten auch
substanzlos.
Soweit die Beklagten den Ansatz der Heiznebenkosten bestreiten, handelt es sich um
die Kosten der Heizungswartung, die der Kläger für die auf die Beklagten bzw. auf die
von ihnen gebildete BGB-Gesellschaft entfallende Vertragszeit (1.8.-31.12.2000) in
Einklang mit § 9 Ab. 3 HeizKV für das Rumpfabrechnungsjahr 2000 zeitanteilig
umgelegt hat. Die von den Beklagten insoweit beanstandete Kostensteigerung von
164,9 % für 2001 hat der Kläger plausibel damit erklärt, dass den Beklagten in 2001 die
vertraglich vereinbarten zwei Heizungswartungen anteilig berechnet worden sind,
während in der Abrechnung 2000 lediglich eine Wartung angesetzt sei.
Rechtserhebliches hierzu ist dem Vorbringen der Beklagten nicht zu entnehmen. Ihre
Behauptung, die Heizungsanlage werde von der Pächterin des Restaurants, der M. und
L. Restaurations GmbH betrieben, ist substanzlos und steht zudem in Widerspruch zu
den in § 4 Nrn. 1 und 7 PV hinsichtlich der Wartung der Heizungsanlage durch den
Kläger getroffenen Regelungen. Dass die Wartungsrechnung an die Hausverwaltung H.
GmbH und nicht unmittelbar an den Kläger als Hauseigentümer adressiert ist, stellt die
sachliche Richtigkeit der Umlage nicht in Frage. Ob der Kläger die in Rechnung
gestellten Betriebskosten bezahlt hat, ist für die materielle Berechtigung der
streitgegenständlichen Betriebskostenabrechnungen ohne Belang. Durch den
Nichtansatz von Müllabfuhrkosten für 2000 werden die Beklagten nicht benachteiligt.
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2.
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Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
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3.
16
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht
vor.
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Streitwert: 13.111,40 €
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