Urteil des OLG Düsseldorf vom 29.06.2010

OLG Düsseldorf (rücknahme der klage, auftrag, tätigkeit, zpo, prüfung, mandat, akteneinsicht, höhe, betrag, erklärung)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 212/09
Datum:
29.06.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-24 U 212/09
Vorinstanz:
Landgericht Mönchengladbach, 10 O 58/09
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 15. Oktober 2009 verkündete
Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach wird auf
seine Kosten zurückgewiesen.
Berufungsstreitwert: 3.521,49 EUR
G r ü n d e :
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Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das Landgericht hat die
Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die gegen die Entscheidung vorgebrachten
Berufungsgründe rechtfertigen keine dem Kläger günstigere Entscheidung.
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I
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Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf seinen
Hinweisbeschluss vom 4. Mai 2010. Dort hat er im Wesentlichen ausgeführt:
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1. Die von dem Landgericht zutreffend berechnete und insoweit von dem Beklagten
nicht angegriffene Gebührenforderung steht der Klägerin zu, weil der Beklagte sie am 1.
Juni 2006 beauftragt hat, in dem Rechtsstreit 11 O 262/05 Landgericht
Mönchengladbach für ihn in der Weise tätig zu werden, dass Rechtsanwalt W.
Akteneinsicht nehmen und die Erfolgsaussichten der weiteren Rechtsverfolgung prüfen
solle; entsprechend ist der Rechtsanwalt auch in der Folgezeit vorgegangen und hat
dem Beklagten als Ergebnis seiner Prüfung mitgeteilt, er rate zu einer Rücknahme der
Klage. Der Vortrag der Klägerin zu ihrer Beauftragung und deren Inhalt ist bereits
aufgrund des erstinstanzlichen Vorbringens des Beklagten als zugestanden anzusehen
(§ 288 Abs. 1 ZPO). So hat der Beklagte etwa mit dem Klageerwiderungsschriftsatz vom
17. März 2009 ausgeführt, er habe der Klägerin das Mandat in dem genannten
Rechtsstreit zum Zweck der Einsichtnahme in die Gerichtsakten übertragen sollen und
dazu eine Vollmacht unterschrieben. Mit der Berufung wendet sich der Beklagte
folgerichtig auch nicht mehr dagegen, die Klägerin beauftragt zu haben.
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Zutreffend ist auch, dass die Klägerin die Gebühren für ihre Tätigkeit in dem
gerichtlichen Verfahren gesondert abgerechnet hat; bei den anschließend geführten
Vergleichsverhandlungen handelte es sich nicht um dieselbe Angelegenheit im Sinne
des § 15 Abs. 2 RVG. Zur Bestimmung des Begriffs der Angelegenheit können als
Abgrenzungskriterien herangezogen werden, ob es sich um einen einheitlichen Auftrag
handelt, die anwaltliche Tätigkeit in Inhalt und Zielsetzung übereinstimmt und ein
innerer Zusammenhang der einzelnen Handlungen oder Gegenstände der anwaltlichen
Tätigkeit besteht (vgl. Hartung/Römermann/Schons. RVG., 2. Auflage, § 15 Rdn. 14;
Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Auflage, § 15 Rdn. 5 ff.); jedenfalls endet im Sinne des
Gebührenrechts die Angelegenheit mit dem Auftrag (vgl. Riedel/Sußbauer, a.a.O., Rdn.
8). Mit der Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung und der erteilten
Empfehlung, die Klage zurückzunehmen, war der der Klägerin zunächst erteilte Auftrag
erledigt; dementsprechend hat der Rechtsanwalt auch das Mandat in dem Rechtsstreit
mit Schriftsatz vom 19. Juli 2006 niedergelegt. Die Aufnahme der
Vergleichsverhandlungen über die Erbauseinandersetzung insgesamt, mit denen die
Klägerin anschließend beauftragt wurde, beruhte auf einem neuen Auftrag, der auch
eine neue Zielsetzung hatte, nämlich die außergerichtliche Bereinigung der
Erbangelegenheit.
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2. Gegenüber der damit entstandenen Gebührenforderung der Klägerin kann sich der
Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, ihm sei nicht erkennbar gewesen, dass
hierdurch eine "weitere, immens hohe" Gebühr ausgelöst werden würde, und er hätte
den Auftrag nicht bzw. nicht in der Form erteilt, wenn er hiervon gewusst hätte.
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a) Auf die durch einen Vertragsschluss kraft Gesetzes entstehenden Anwaltsgebühren
muss der Rechtsanwalt regelmäßig nicht ungefragt hinweisen, weil kein Mandant ein
unentgeltliches Tätigwerden des Anwalts erwarten darf und dessen gesetzliche
Gebühren allgemein zu erfahren sind. Nur auf Verlangen des Auftraggebers hat der
Rechtsanwalt die voraussichtliche Höhe des Entgelts mitzuteilen (BGH, NJW 2007,
2332; 1998, 136; NJW 1998, 3486). Dass er nach der Höhe der Gebühren für die
begehrte Prüfung der Erfolgsaussichten nach Akteneinsicht gefragt hätte, hat der
Beklagte nicht dargetan. Lediglich zu dem Erstgespräch, innerhalb dessen das hier
abgerechnete Mandat erteilt worden ist, soll Rechtsanwalt W. dem Zeugen H. erklärt
haben, dieses sei kostenfrei; solle dann - wie geschehen - ein Auftrag erteilt werden,
werde nach Gebührenordnung abgerechnet. Die behauptete weitere Gebührenauskunft
soll dagegen erst im Anschluss an die Akteneinsicht in dem Gespräch vom 18. Juli 2006
erteilt worden sein.
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b) Überdies ist auch nicht davon auszugehen, dass der Beklagte von seinem Begehren
Abstand genommen hätte, wenn er um die Höhe der entstehenden Gebühren gewusst
hätte. Der Vortrag des Beklagten in der Berufungsinstanz geht dahin, entscheidend für
ihn sei gewesen, dass "die Regelung der erblichen Auseinandersetzung" bzw. der
"erbrechtlichen Problematik" mit einer Gebühr von ca. 15.000 EUR abgegolten sein
solle (Berufungsbegründung). Tatsächlich beläuft sich die Gebührenforderung der
Klägerin für die Tätigkeit in der Sache G. unter Berücksichtigung der durch das
Landgericht insoweit unangefochten vorgenommenen Kürzung der Kostennote vom 11.
Juni 2007 auf insgesamt 16.682,89 EUR (13.161,40 EUR für die Aushandlung des
Vergleichs zzgl. der hier zugesprochenen 3.521,49 EUR). Hierbei handelt es sich um
keine so gravierende Abweichung von den (angeblichen) Angaben der Klägerin, dass
davon ausgegangen werden könnte, der Beklagte hätte den hier im Streit stehenden
Auftrag bei einer entsprechenden Belehrung nicht erteilt.
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Nicht ersichtlich ist zudem, auf welche sonstige, kostengünstigere Weise der Beklagte
das von ihm unstreitig erstrebte Ziel einer Überprüfung der anhängigen
Erbangelegenheit bzw. seiner Chancen in dem Rechtsstreit hätte erreichen wollen. Zu
seinem wiederholten Vortrag, der beauftragte Rechtsanwalt habe ihn um Aushändigung
der ihm vorliegenden Unterlagen oder seinen bisherigen Prozessbevollmächtigten um
Aushändigung der Prozessakten bitten können, hat bereits das Landgericht darauf
hingewiesen, dass die Klägerin nur anhand der Gerichtsakten zuverlässige
Informationen gewinnen konnte. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass es gerade um
die Überprüfung der Vorgehensweise des bereits tätigen Bevollmächtigten ging und die
Klägerin zudem unwidersprochen vorgetragen hat, dass der Beklagte selbst keine
genügenden Informationen über den Stand des Verfahrens geben konnte und dem
bearbeitenden Rechtsanwalt lediglich ein ungeordnetes Konglomerat verschiedener
Unterlagen übergeben hatte, entsprach es anwaltlicher Sorgfalt, selbst Einsicht in die
Gerichtsakten zu nehmen.
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3. Der Vortrag des Beklagten ist schließlich für eine Gebührenvereinbarung nicht
schlüssig, so dass es auf die - von dem Landgericht im Übrigen zutreffend bewertete -
Frage der Wirksamkeit einer solchen nicht ankommt. Denn der Beklagte hat schon den
Umfang der anwaltlichen Tätigkeiten, auf die sich die angebliche Zusage beziehen
sollte, widersprüchlich und zudem so wenig konkret dargestellt, dass er hieraus keine
Rechte herleiten kann. So hatte er erstinstanzlich zunächst ausgeführt, ein Vergleich mit
der Gegenseite in der Sache G. habe nach Angaben der Klägerin 13.000 – 15.000 EUR
kosten sollen (so auch in dem Parallelverfahren 10 O 189/09 Landgericht
Mönchengladbach); mit Schriftsatz vom 7. September 2009 hat er dagegen behauptet,
Rechtsanwalt W. habe zugesagt, "für die Abwicklung der Erbangelegenheit bzw. der
Vergleichsverhandlungen im Rahmen der Erbauseinandersetzung 13.000,00 € bis
15.000,00 € insgesamt für die gesamt Arbeit maximal" erheben zu wollen. Eine
Vereinbarung, für eine bestimmte Tätigkeit einen bestimmten Betrag oder jedenfalls
nicht mehr als diesen abrechnen zu wollen, lässt sich dem nicht entnehmen.
Insbesondere spricht die zeitliche Abfolge dagegen, dass sich die Erklärung auf den
Prozess 11 O 262/05 LG Mönchengladbach bezog. Denn bei der angeblichen Abgabe
der Erklärung war der der Klägerin erteilte Auftrag erledigt.
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Aus dem von dem Beklagten vorgetragenen Schreiben zu der Abrechnung betreffend
den Vergleich (vgl. 11 O 262/05 Landgericht Mönchengladbach) geht im Übrigen
lediglich hervor, dass die Klägerin ihre Tätigkeit für den Beklagten in der Angelegenheit
als erledigt, d.h. beendet, ansah und dass sie davon ausging, sämtliche Ansprüche des
Beklagten seien ausgeglichen; bezüglich etwa noch ausstehender Honoraransprüche
hat das Schreiben keinen Erklärungswert.
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An dieser Beurteilung hält der Senat fest. Die dagegen vorgebrachten Einwände des
Beklagten im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 21. Juni 2010 geben
keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Dem Vortrag des Beklagten, ihm sei
zugesagt worden, dass für die Bearbeitung "des Falles" nicht mehr als dreizehn- bis
fünfzehntausend Euro anfielen, ist nach wie vor eine Vereinbarung, für eine bestimmte
Tätigkeit einen bestimmten Betrag oder jedenfalls nicht mehr als diesen abrechnen zu
wollen, nicht schlüssig. Dass kostengünstigere Lösungen als die von den Beklagten
gewählte nicht ersichtlich sind, hat der Senat bereits in dem vorstehend dargestellten
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Beschluss ausgeführt; hierzu trägt der Beklagte nichts Neues vor. Gleiches gilt zu der
Frage einer Hinweispflicht auf entstehende Gebühren.
III
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Auch die sonstigen Voraussetzungen für eine Entscheidung im Beschlussverfahren sind
erfüllt. Die Rechtssache hat nämlich weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr.
2 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats im Urteilsverfahren (§ 522 Abs. 2 Nr. 3
ZPO).
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IV
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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