Urteil des OLG Düsseldorf vom 13.06.2003

OLG Düsseldorf: treu und glauben, rechtliches gehör, nachbesserung, hinterlegung, sicherstellung, materialien, reform, handbuch, offenkundig, vorleistungspflicht

Oberlandesgericht Düsseldorf, 21 U 26/02
Datum:
13.06.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
21. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
21 U 26/02
Tenor:
Die Gehörsrüge der Beklagten vom 22.04.2003 wird als unzulässig
verworfen.
G r ü n d e
1
I.
2
Die Gehörsrüge betrifft nach dem eindeutigen Wortlaut des § 321a ZPO nur das
Verfahren erster Instanz. Vorliegend richtet sie sich indes gegen das im Verfahren
zweiter Instanz ergangene Berufungsurteil des Senats und ist deshalb unstatthaft.
3
Eine analoge Anwendung des § 321a ZPO auf verfahrensabschließende
Berufungsurteile, gegen die eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen § 26 Nr. 8
EGZPO nicht zulässig wäre, ist nicht veranlasst. Mit Recht verweist das OLG Oldenburg
unter Bezugnahme auf die Materialien zur ZPO-Reform (Hannich/Meyer-Seitz/Engers,
ZPO-Reform - Einführung - Texte - Materialien, zu § 321a ZPO, S. 276f.) auf die
Entstehungsgeschichte der Norm, wonach die im Wortlaut der Vorschrift unzweifelhaft
zum Ausdruck kommende Beschränkung der Gehörsrüge auf erstinstanzliche Verfahren
dem erklärten Willen des Gesetzgebers entspricht (OLG Oldenburg, Beschluss v.
14.10.2002, MDR 2003, 229f.). Deshalb kommt es entgegen der in der Literatur
vertretenen Gegenmeinung (Thomas/Putzo/Reichold ZPO, 24. Aufl., § 321a Rn 18;
Schmidt MDR 2002, 915ff., 918; Müller NJW 2002, 2743ff., 2746) in diesem
Zusammenhang auf den allgemeinen Zweck der Gehörsrüge, das
Bundesverfassungsgericht zu entlasten, nicht an. Denn maßgebend für den
Geltungsbereich einer Norm ist der an ihrem Zweck orientierte objektive Nutzen der
Vorschrift nur im Rahmen des in ihr feststellbar zu Tage tretenden Regelungswillen des
Gesetzgebers. Der ist hier im obigen Sinne eindeutig; er umfasst die Möglichkeit einer
Gehörsrüge für das Berufungsverfahren gerade nicht.
4
II.
5
Nur ergänzend ist anzumerken, dass der Gehörsrüge auch in der Sache kein Erfolg
hätte beschieden sein können. Der Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör ist im
Berufungsverfahren nicht entscheidungserheblich verletzt (§ 321a Abs. 1 Nr. 2 ZPO.
6
Der Sachvortrag der Beklagten zur Begründung eines angeblichen
Leistungsverweigerungsrechtes betraf den durch § 648 a Abs. 1 S. 1 BGB gesetzlich
geregelten Fall, dass der auch insoweit grundsätzlich vorleistungspflichtige
Unternehmer die geschuldete Nachbesserung durch Geltendmachung eines
Leistungsverweigerungsrechtes von der Sicherstellung des offenstehenden
Restwerklohns abhängig macht. Dementsprechend hat der Senat diesen Einwand im
Urteil vom 31.03.2003 beschieden. Der nunmehr erhobene Vorwurf, damit sei die
Möglichkeit eines sich anderweitig aus §§ 273, 274, 320, 322 ergebenden
Leistungsverweigerungsrechtes übergangen worden, geht fehl. Ein solches bestand
nicht, weil der Besteller nicht über die gesetzlichen Bestimmungen des § 648 a Abs. 1
S. 1 BGB hinaus auch noch nach Treu und Glauben verpflichtet ist, die Bezahlung des
Werklohns durch Hinterlegung sicherzustellen. Die von der Beklagten hiergegen in
Bezug genommene Kommentierung von Kleine-Möller/Oelmaier/Merl (Handbuch des
privaten Baurechts, 2. Aufl., § 20, Rn 274) beruht offenkundig auf der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs aus der Zeit vor der Einführung des § 648 a BGB im Jahre 1994
und geht deshalb an der nun veränderten Gesetzeslage vorbei; ihr kann deshalb
jedenfalls darin nicht zugestimmt werden, dass der Auftraggeber auch ohne vorherige
fristgebundene Aufforderung des Auftragnehmers zur Hinterlegung des Restwerklohns
verpflichtet sein soll. Im vorliegenden Fall fehlt es im übrigen nicht nur an der
Bestimmung einer entsprechenden (Hinterlegungs-) Frist, sondern die Klägerin ist nicht
einmal konkret zur Hinterlegung aufgefordert worden. Sie wird im Schreiben vom
15.11.2000 einen Tag vor Ablauf der Nachbesserungsfrist lediglich um Mitteilung
gebeten, ob der Vergütungsanspruch im Falle einer Nachbesserung gesichert sei. Dass
die Vorleistungspflicht der Beklagten nicht schon durch diese Anfrage entfallen und die
Aufrechterhaltung des Nachbesserungsverlangens ohne Sicherstellung des
Restwerklohns in Erwägung all dessen nicht treuwidrig war, liegt auf der Hand und
bedurfte schon im Urteil keiner näheren Begründung.
7
Abschließend:
8
Die Behauptung der Beklagten, die Mängelbeseitigungsfrist sei entgegen der
Auffassung des Senats ersichtlich nicht bis zum 16.11.2001, sondern bis zum
26.11.2001 gesetzt worden, ist aktenwidrig und auch in dem Punkt falsch, dass ihre
dahingehende "Richtigstellung" im Schreiben vom 13.11.2001 ohne Widerspruch
geblieben sei. Die Klägerin hat im anwaltlichen Schreiben vom 31.10.2001 (nicht
13.10.2001, wie unstreitig) klar und unmissverständlich eine Frist zur Nachbesserung
bis zum 16.11.2001 sowie im folgenden Abschnitt eine in zeitlicher Hinsicht logisch
vorrangige Stellungnahmefrist "bis zum kommenden Montag" gesetzt. Das war - für die
Beklagte erkennbar und bei verständiger Würdigung aus dem Sinnzusammenhang
eindeutig - der 05.11.2001 (und nicht der 19.11.2001), was die Klägerin entgegen dem
jetzigen Vorbringen der Beklagten im übrigen auch schon im Schriftsatz vom 20.11.2001
(dort S. 5, Bl. 59 GA) ausdrücklich klargestellt hat. Es kann also keine Rede davon sein,
dass der Senat bei der Beklagten hätte nachfragen müssen, wie die Fristbestimmung im
Schreiben vom 30.11.2001 zu verstehen sei.
9
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (KV 1960, Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 GKG; §
37 Nr. 5 BRAGO).
10
Gegenstandwert für das Verfahren nach § 321 a ZPO: 6.603,39 EUR
11