Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.08.2009

OLG Düsseldorf (stand der technik, bundesrepublik deutschland, anlage, umfang, kunststoff, herstellung, lizenz, patentanspruch, abstand, verhältnis zu)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-2 U 52/08
Datum:
20.08.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-2 U 52/08
Tenor:
I.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 29. Mai 2008 verkündete Urteil
der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der
Beklagten wegen ihrer Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von
120 % des jeweils zwangsweise durchzusetzenden Betrages
abzuwenden, falls nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
IV.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt bis zum 1. Juli 2009
2.000.000,-- Euro und danach 400.000,-- Euro.
I.
1
Die Klägerin ist Mitinhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland
erteilten und in deutscher Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patents 1
115 xxx (Anlage K 1; Klagepatent), dessen weitere Inhaberin die A Werner B GmbH &
Co. KG ist. Aufgrund einer zwischen den Inhabern getroffenen Aufteilungsvereinbarung
steht der deutsche Teil des Klagepatents, aus welchem die Klägerin die Beklagte in
Anspruch nimmt, allein der A Werner B GmbH & Co.KG (nachfolgend: Patentinhaberin)
zu.
2
Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung wurde am 24. August 1999 unter
Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 22. September 1998 eingereicht. Die
3
Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung im Patentblatt erfolgte am 16.
April 2003. Das Klagepatent steht in Kraft.
Die Patentinhaberin und die Klägerin schlossen am 23. November 2001 einen
"Entwicklungs- sowie Lizenz- und Know-How-Vertrag", mit welchem der Klägerin nach
dem Vertragswortlaut (§ 3 Lizenz) eine "ausschließliche Lizenz" u. a. an dem
Gegenstand der dem Klagepatent zugrundeliegenden Anmeldung erteilt wurde. Dieser
Vertrag wurde zuletzt durch eine Vereinbarung vom 11. März 2006 ("Vierte Ergänzung
und Änderung des Entwicklungs-, Lizenz- und Know-how-Vertrag") ergänzt bzw.
geändert. Wegen des genauen Inhalts der beiden Verträge wird auf die von der Klägerin
zu den Akten gereichten Vertragsablichtungen verwiesen. Zwischen den Parteien ist
streitig, ob es sich bei der der Klägerin erteilten Lizenz tatsächlich um eine
ausschließliche oder nur um eine einfache Lizenz handelt.
4
Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zur Herstellung von Kunststoffrohren. Der
erteilte Patentanspruch 1 lautet wie folgt:
5
"Vorrichtung zur Herstellung von Kunststoffrohren mit einem Extruder, einem sich in
Produktionsrichtung anschließenden Rohrkopf (1) und einer Kalibrierstation (3), die
Kalibrierwerkzeuge (40) aufweist, die der Außenwandung des Rohres (10)
anliegen, dadurch gekennzeichnet, dass als Kalibrierwerkzeuge eine Vielzahl von
Lamellen (40) über den Umfang des zu kalibrierenden Rohres (10)
aufeinanderfolgend im Abstand voneinander verteilt angeordnet sind, wobei auch
in Produktionsrichtung des Rohres (10) gesehen eine Vielzahl solcher
Lamellenkränze (42, 43) vorgesehen sind, deren jeweilige Lamellen (40) auf Lücke
zu den Lamellen (40) des vorhergehenden Lamellenkranzes angeordnet sind."
6
Wegen des Wortlauts der nur "insbesondere" geltend gemachten Unteransprüche 2 und
4 wird auf die Klagepatentschrift Bezug genommen.
7
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 14. Mai 2007 (Anlage B & B 2) Nichtigkeitsklage
gegen den deutschen Teil des Klagepatents erhoben. Dieser hat die Patentinhaberin
mit Schriftsatz vom 21. August 2007 (Anlage B & B 2) zum Teil widersprochen und
beantragt, das Patent im Umfang geänderter Ansprüche beschränkt aufrecht zu erhalten.
Außerdem hat die Patentinhaberin erklärt, "dass sie auf das Patent sowie auf die
Geltendmachung jeglicher Ansprüche aus dem Patent betreffend sowohl die Zukunft als
auch die Vergangenheit verzichtet, soweit das Patent über den mit diesem
Teilwiderspruch verteidigten Umfang hinausgeht".
8
Der von der Patentinhaberin im Nichtigkeitsverfahren verteidigte Patentanspruch 1
lautet wie folgt:
9
"Vorrichtung zur Herstellung von Kunststoffrohren mit einem Extruder, einem sich in
Produktionsrichtung anschließenden Rohrkopf und einer Kalibrierstation, die
Kalibrierwerkzeuge aufweist, die der Außenwandung des Rohres anliegen, wobei
als Kalibrierwerkzeuge eine Vielzahl von Lamellen über den Umfang des zu
kalibrierenden Rohres aufeinanderfolgend im Abstand voneinander angeordnet
sind, wobei auch in Produktionsrichtung des Rohres gesehen eine Vielzahl solcher
Lamellenkränze vorgesehen sind, deren jeweilige Lamellen auf Lücke zu den
Lamellen des vorhergehenden Lamellenkranzes angeordnet sind, wobei ein sich in
Produktionsrichtung gesehen an die Kalibrierstation anschließendes Vakuum-
10
Kalibrierbad vorgesehen ist, in dem das Auskühlen und Aushärten des
Kunststoffrohres erfolgt, und eine Vakuumabdichtung vorgesehen ist, durch die das
Rohr das Vakuum-Kalibrierbad verlässt, die sich entweder selbständig auf den
Rohrdurchmesser einstellt oder in Abhängigkeit der eingestellten
Rohrdimensionen in der Kalibrierstation und/oder im Vakuum-Kalibrierbad
eingestellt wird."
Vor der Verhandlung über die Nichtigkeitsklage – nach Erlass des landgerichtlichen
Urteils – hat die Patentinhaberin mit der Beklagten einen Vergleich geschlossen, in
dessen Vollzug die Beklagte ihre Nichtigkeitsklage zurückgenommen hat. Im Gegenzug
ist der Beklagten eine einfache Lizenz an dem Gegenstand des Klagepatents erteilt
worden.
11
Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren stammen aus der Klagepatentschrift und
erläutern die Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels. Figur 1 zeigt
die Gesamtansicht einer Produktionseinrichtung gemäß dem Klagepatent, Figur 2 zeigt
einen Schnitt durch einen erfindungsgemäßen Kalibrierkopf, wobei die Schnittfläche
senkrecht zur Rohrachse verläuft, und Figur 3 zeigt im Schnitt gemäß der Linie 3 - 3 in
Figur 2 die hintereinander angeordneten Lamellenkränze.
12
Die Beklagte stellt her und vertreibt unter der Bezeichnung "Advantage" ein System für
Vorrichtungen zur Herstellung von Kunststoffrohren, welches in dem von der Klägerin
als Anlage K 4 überreichten Auszug aus der Internetwerbung der Beklagten, der als
Anlage K 8 vorgelegten Pressemitteilung der Beklagten und der ferner als Anlage K 9
zu den Akten gereichten Präsentation der Beklagten beschrieben wird. Mit diesem
System können bestehende Extrusionsanlagen umgerüstet werden. Die Durchführung
einer solchen Umrüstung bietet die Beklagte ebenfalls an.
13
Bestandteil des Systems "Advantage" ist eine so genannte Kalibrierhülse (angegriffene
Ausführungsform), mit der Rohre verschiedenen Durchmessers produziert werden
können. Die Kalibrierhülse umfasst einen Einlauf und einen Kalibrierkorb. Der
Kalibrierkorb wird von zwei flexiblen Bänderlagen gebildet, die sich nach Art eines
Scherengitters kreuzen und an den Kreuzpunkten gelenkig miteinander verbunden sind.
Die Bänderlagen bilden zusammen einen perforierten Hohlzylinder, der auf den
gewünschten Durchmesser des Rohres einstellbar ist. Dem Kalibrierkorb vorgeschaltet
ist der Einlauf. In diesem sind mehrere radial verstellbare Segmente vorgesehen, die
gleichmäßig auf dem Umfang des zu kalibrierenden Rohres verteilt sind. Diese
Segmente weisen Schlitze und Stege auf, wobei die Schlitze und Stege benachbarter
Segmente im eingebauten Zustand verzahnend ineinander greifen. Dabei weist ein
Segment immer sechs Stege auf, und zwar fünf dünne Stege und einen breiten Steg.
Der Durchmesser der Öffnung im Einlauf ist kleiner als der Durchmesser des sich
anschließenden Kalibrierkorbes. Der "Durchmessersprung" ist – wie die Beklagte im
Berufungsrechtszug unwidersprochen vorgetragen hat (Schriftsatz vom 11.12.2008, S.
16 f. [Bl. 222 f. GA] und Untersuchungsbericht Reißmann vom 20.06.2008, Anlage B & B
17 – in Abhängigkeit von dem zu kalibrierenden Außendurchmesser des Rohres
veränderlich groß und liegt relativ (zum jeweils eingestellten Außendurchmesser)
zwischen 1,82 % und 5,56 %. Die absolute Größe des Durchmessersprungs beträgt – je
nach Typ der angegriffenen Ausführungsform – 4,17 mm bzw. 4,54 mm. Die Segmente
des Einlaufbereichs und die Bänderlagen des Kalibrierkorbs sind fest miteinander
verbunden und können koordiniert und gleichzeitig verstellt werden.
14
Die grundsätzliche Ausgestaltung der Kalibrierhülse der Beklagten ergibt sich aus der
nachstehend eingeblendeten Figur 2 des der Beklagten zu 1. auf eine Anmeldung vom
20. Januar 2005 erteilten deutschen Patents 10 2005 002 820 (Anlage B & B 10).
15
Die konkrete Ausgestaltung der angegriffenen Kalibrierhülse ergibt sich aus den von der
Klägerin als Anlage K 5 überreichten drei Fotografien, von denen nachfolgend zwei –
verkleinert – wiedergegebenen werden,
16
sowie aus der nachstehend ferner eingeblendeten Abbildung (vgl. Schriftsatz der
Beklagten vom 29.02.2008, S. 12 unten [Bl. 86 GA] und Urteil des Landgerichts vom
22.07.2008 – 4b 183/07, Anlage B & B 15, S. 21), die den Kantensprung zwischen
Einlauf und Kalibrierkorb erkennen lässt.
17
Die nachfolgend ferner wiedergegebene schematische Darstellung (vgl. Schriftsatz der
Beklagten vom 29.02.2008, S. 12 oben [Bl. 86 GA] und Urteil des Landgerichts vom
22.07.2008 – 4b 183/07, Anlage B & B 15, S. 6 unten) zeigt ein Segment, wie es im
Einlaufbereich der angegriffenen Kalibrierhülse vorgesehen ist.
18
Die Klägerin sieht in Angebot und Lieferung dieser Kalibrierhülse eine mittelbare und in
der Umrüstung bestehender Extrusionsanlagen mit dem System "Advantage" durch die
Beklagte eine unmittelbare Verletzung des Klagepatents. Mit ihrer Klage hat sie die
Beklagte deshalb auf Unterlassung, Rechnungslegung sowie Feststellung ihrer
Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch genommen.
19
Die Klägerin hat vor dem Landgericht geltend gemacht, dass ihr von der Patentinhaberin
eine ausschließliche Lizenz an dem Klagepatent erteilt worden und sie deshalb
aktivlegitimiert sei. Der Einlauf der angegriffenen Kalibrierhülse sei ein
Kalibrierwerkzeug im Sinne des Klagepatents. Während der hintere Teil der
Kalibrierhülse aus den zu einem rohrförmigen Gitter gewundenen Bändern bestehe,
folge der vordere Teil mit dem verstellbaren Einlauf der Lehre des Klagepatents. In
diesem Bereich seien eine Vielzahl von Lamellen über den Umfang des zu
kalibrierenden Rohres aufeinanderfolgend im Abstand voneinander verteilt angeordnet,
wobei – in Produktionsrichtung des Rohres gesehen – eine Vielzahl solcher
Lamellenkränze vorgesehen seien. Eine Kalibrierung des Kunststoffrohres erfolge in
diesem Bereich. Dass sich die Lamellenkränze nicht über die gesamte Länge der
Kalibrierhülse fortsetzten, sei unerheblich; der Einlauf sei der sensibelste Bereich der
Kalibrierstation und damit bereits als solcher ein Kalibrierwerkzeug. Der
Rohrdurchmesser werde bereits in dem Einlaufbereich festgelegt und im nachfolgenden
Kalibrierkorb nur aufrechterhalten. Ein geringfügiger Durchmessersprung stehe dem
nicht entgegen.
20
Die Beklagte, die um Klageabweisung und hilfsweise um Aussetzung des Rechtsstreits
bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent gerichtete
Nichtigkeitsklage gebeten hat, hat eine Verletzung des Klagepatents in Abrede gestellt.
Sie hat geltend gemacht, dass es sich bei dem Einlauf der angegriffenen Kalibrierhülse
um kein Kalibrierwerkzeug im Sinne des Klagepatents handele, weil der
Außendurchmesser des Rohres im Einlauf der angegriffenen Ausführungsform nicht
dauerhaft, maßgenau und endgültig festgelegt werde. Im Einlauf erfolge lediglich eine
"Vordimensionierung". Die endgültige Festlegung des Rohraußendurchmessers,
welche entscheidend sei, erfolge erst anschließend in den Bänderlagen des
Kalibrierkorbes. Eine Kalibrierung des Rohres könne im Einlauf auch deshalb nicht
21
vorgenommen werden, weil im Einlauf noch kein Vakuum vorliege. Außerdem schließe
sich bei ihrem System das Vakuum-Kalibrierbad in Produktionsrichtung gesehen nicht
an die Kalibrierstation an, weil es sich nicht um zwei separate Bauteile, sondern um
eine kombinierte Einheit handele.
Durch Urteil vom 29. Mai 2008 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
22
Die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre des Klagepatents
keinen Gebrauch. Es fehle jedenfalls an einer Verwirklichung des Merkmals, wonach
als Kalibrierwerkzeuge der Vorrichtung eine Vielzahl von Lamellen über den Umfang
des zu kalibrierenden Rohres verteilt angeordnet seien, und zwar aufeinander folgend
im Abstand voneinander. Mit "Kalibrierwerkzeugen" seien solche Vorrichtungsteile
gemeint, die der Kalibrierung des Rohrdurchmessers dienten. Nicht zur Kalibrierstation
gehörten der sich in Produktionsrichtung an den Extruder anschließende Rohrkopf und
das sich an die Kalibrierstation anschließende Vakuum-Kalibrierbad. Der
Klagepatentbeschreibung entnehme der Fachmann, dass das Klagepatent unter der
"Kalibrierstation" den Bereich der Vorrichtung verstehe, welcher – in
Produktionsrichtung gesehen – hinter dem Rohrkopf und einer etwaigen Vakuumglocke,
aber vor dem Vakuum-Kalibrierbad liege, und in welchem der Außendurchmesser des
Rohres und die Rohrwanddicke mittels Kalibrierwerkzeugen endgültig, maßgenau und
dauerhaft festgelegt werde. Vor diesem Hintergrund könne die Kammer nicht feststellen,
dass die angegriffene Ausführungsform über "Kalibrierwerkzeuge" im Sinne des
Klagepatents verfüge. Der in Rede stehende Einlauf gehöre noch nicht zur
Kalibrierstation. Als "Kalibrierwerkzeuge" fungierten bei der angegriffenen
Ausführungsform vielmehr allein die flexiblen Bänderlagen, welche einen Hohlzylinder
bildeten, der auf den gewünschten Rohrdurchmesser eingestellt werden könne.
Entscheidend sei, dass zwischen dem Einlauf und dem Kalibrierkorb der angegriffenen
Ausführungsform ein "Durchmessersprung" bestehe. Nach dem Vorbringen der
Beklagten weise der Enddurchmesser der von der angegriffenen Ausführungsform
kalibrierten Rohre eine Abweichung von 3 % gegenüber dem zunächst im Einlauf
festgelegten Durchmesser auf. Daraus ergebe sich, dass im Einlauf der angegriffenen
Ausführungsform noch nicht die für die Annahme einer Kalibrierung erforderliche
dauerhafte Festlegung des Rohrdurchmessers erfolge. Eine derartige Abweichung sei
auch nicht etwa als bloße Fertigungstoleranz zu werten.
23
Mit ihrer Berufung gegen dieses Urteil verfolgt die Klägerin ihr vor dem Landgericht
erfolglos gebliebenes Begehren weiter. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vortrages macht sie geltend:
24
Der bei der angegriffenen Ausführungsform vorgesehene "Durchmessersprung" erkläre
sich zwanglos daraus, dass das die Kalibrierstation durchlaufende, im
Übergangsbereich zur Bänderlage noch weiche Rohr davor geschützt werden solle, an
den Enden des Scherengitters anzustoßen. Das ändere aber nichts daran, dass sich im
Einlaufbereich ganz wesentliche Schritte des Kalibriervorgangs vollzögen. Der
dynamische Prozess des Kalibrierens sei nicht mit dem Vorgang in der Kalibrierstation
gleichzusetzen, weshalb von einem Kalibrierwerkzeug nicht nur dann gesprochen
werden könne, wenn die Kalibrierwerkzeuge bereits dem genauen Nenndurchmesser
des Rohres entsprächen. Eine endgültige und dauerhafte Festlegung des
Rohrdurchmessers erfolge überhaupt erst in dem an die Kalibrierstation anschließenden
Vakuum-Kalibrierbad. Bis zum vollständigen Aushärten des Rohres unterliege der
25
Außendurchmesser noch Änderungen, die insbesondere auf ein Schrumpfen des
Materials zurückgingen, und denen durch Einstellung der Kalibrierwerkzeuge auf ein
Übermaß und Aufrechterhalten des Vakuums Rechnung getragen werden müsse. Das
Rohr sei daher beim Austritt aus der Kalibrierstation weder dauerhaft noch maßgenau
noch endgültig festgelegt.
Der Begriff "Kalibrieren" umfasse die gesamte Ausbildung des angestrebten Rohres,
also nicht nur die Festlegung des Durchmessers, sondern auch die Ausbildung einer
konstanten und genauen Wandstärke und einer einwandfreien Oberfläche. Bei der
angegriffenen Ausführungsform werde bereits im Einlaufbereich die Oberflächenqualität
des Rohres weitgehend stabil ausgebildet. "Kalibrieren" bedeute für den Fachmann
auch immer die Herstellung eines Rohres mit einer konstanten Wanddicke. Genau diese
Funktion erfülle der Einlaufbereich der angegriffenen Ausführungsform. Dass auch der
durch die Bänderlagen gebildete Teil der Kalibriereinrichtung eine Kalibrierfunktion
erfülle, indem hier der Rohrdurchmesser noch geringfügig aufgeweitet und dabei auch
die Rundheit verbessert werde, ändere nichts daran, dass auch der Einlaufbereich
Bestandteil der Kalibrierstation sei und dort im Wesentlichen die Voraussetzungen dafür
geschaffen würden, dass am Ende der Kalibrierstation ein Rohr mit dem angestrebten
Durchmesser, mit der angestrebten, konstanten Wanddicke und mit einer einwandfreien
Oberfläche die Kalibrierstation verlasse.
26
Nachdem der Beklagten aufgrund des mit der Patentinhaberin abgeschlossenen
Vergleichs eine einfache Lizenz an dem Klagepatent erteilt worden ist, haben die
Parteien den Rechtsstreit betreffend den Unterlassungsantrag in der Berufungsinstanz
übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
27
Die Klägerin beantragt nunmehr,
28
1.
29
das angefochtene Urteil abzuändern und
30
2.
31
die Beklagte zu verurteilen
32
2.1
33
ihr – der Klägerin – Auskunft zu erteilen über alle in der Bundesrepublik
Deutschland in der Zeit vom 01.06.2003 bis zum 22.10.2008 erfolgten Angebote
und Lieferungen nachfolgend beschriebener Kalibrierhülsen an zur Nutzung des
deutschen Teils des EP 1 115 xxx B1 nicht berechtigte Personen: Verstellbare
Kalibrierhülsen für Vorrichtungen zur Herstellung von Kunststoffrohren mit einem
Extruder und einem sich in Produktionsrichtung anschließenden Rohrkopf, bei
denen im Einlaufbereich eine Vielzahl von Lamellen über den Umfang des zu
kalibrierenden Rohres aufeinanderfolgend im Abstand voneinander verteilt
angeordnet sind, wobei auch in Produktionsrichtung des Rohres gesehen, eine
Vielzahl solcher Lamellenkränze vorgesehen sind, deren jeweilige Lamellen auf
Lücke zu den Lamellen des vorhergehenden Lamellenkranzes angeordnet sind,
34
insbesondere wenn die Verstellung der Lamellen motorisch erfolgt und die
35
Lamellen als Verstellsegmente ausgebildet sind, die einen in Längsrichtung des
Rohres gesehen ringförmigen Körper schaffen, wobei die diesen Körper bildenden,
einzelnen Segmentstreifen sich verzahnend ineinander greifen;
2.2
36
ihr – der Klägerin – Auskunft zu erteilen über alle in der Bundesrepublik
Deutschland in der Zeit vom 01.06.2003 bis zum 22.10.2008 angebotenen und
ausgeführten Aufträge zur Herstellung von Vorrichtungen zur Herstellung von
Kunststoffrohren mit einem Extruder, einem sich in Produktionsrichtung
anschließenden Rohrkopf und einer Kalibrierstation, die Kalibrierwerkzeuge
aufweist, die der Außenwandung des Rohres anliegen, wobei als
Kalibrierwerkzeuge eine Vielzahl von Lamellen über den Umfang des zu
kalibrierenden Rohres aufeinanderfolgend im Abstand voneinander angeordnet
sind, wobei auch in Produktionsrichtung des Rohres gesehen eine Vielzahl solcher
Lamellenkränze vorgesehen sind, deren jeweilige Lamellen auf Lücke zu den
Lamellen des vorhergehenden Lamellenkranzes angeordnet sind, wobei ein sich in
Produktionsrichtung gesehen an die Kalibrierstation anschließendes Vakuum-
Kalibrierbad vorgesehen ist, in dem das Auskühlen und Aushärten des
Kunststoffrohres erfolgt, und eine Vakuumabdichtung vorgesehen ist, durch die das
Rohr das Vakuum-Kalibrierbad verlässt, die sich entweder selbständig auf den
Rohrdurchmesser einstellt oder in Abhängigkeit der eingestellten
Rohrdimensionen in der Kalibrierstation und/oder im Vakuum-Kalibrierbad
eingestellt wird,
37
insbesondere wenn die Verstellung der Lamellen motorisch erfolgt und die
Lamellen als Verstellsegmente ausgebildet sind, die einen in Längsrichtung des
Rohres gesehen ringförmigen Körper schaffen, wobei die diesen Körper bildenden,
einzelnen Segmentstreifen sich verzahnend ineinander greifen;
38
und zwar durch Vorlage je eines chronologischen Verzeichnisses, dem zu
entnehmen sind:
39
a) alle Angebote und Lieferungen von Kalibrierhülsen gemäß Ziffer 2.1, unter
jeweiliger Angabe des Zeitpunktes der Angebote/Lieferungen, des Angebots-
/Lieferpreises und der Empfänger der Angebote bzw. Lieferungen, sowie der
jeweils erzielten Gewinne, unter exakter Aufschlüsselung aller der
Verletzungshandlung zurechenbaren Gestehungskosten;
40
b) alle angebotenen und ausgeführten Aufträge zur Herstellung von
Vorrichtungen gemäß Ziffer 2.2, wiederum unter jeweiliger Angabe des
Zeitpunktes der Angebote bzw. Leistungen, des Angebots-/Leistungspreises
und der Empfänger der Angebote bzw. Leistungen sowie des damit erzielten
Gewinns unter exakter Aufschlüsselung der der Verletzungshandlung jeweils
zurechenbaren Gestehungskosten;
41
3.
42
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr – der Klägerin – allen Schaden
zu ersetzen, der ihr aus Handlungen gemäß Ziffer 2., die in der Zeit vom
01.06.2003 bis zum 22.10.2008 begangen wurden, entstanden ist und noch
43
entstehen wird.
Die Beklagte beantragt,
44
die Berufung zurückzuweisen.
45
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen der Klägerin unter
Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegen, wobei sie
geltend macht:
46
Dem Klagepatent lasse sich entnehmen, dass die Kalibrierung, d. h. die exakte
Feineinstellung des Rohraußendurchmessers, ausschließlich durch die
Kalibrierwerkzeuge in der Kalibrierstation bewirkt werde. Der Einlauf der angegriffenen
Ausführungsform sei kein Kalibrierwerkzeug in diesem Sinne, da aufgrund des
vorhandenen Durchmessersprungs dort keine Festlegung des gewünschten
Rohraußendurchmessers erfolge, sondern allenfalls eine Vordimensionierung
vorgenommen werde. Das Rohr werde erst in den sich in Produktionsrichtung an den
Einlauf anschließenden Bänderlagen genau kalibriert. Darüber hinaus sei nach der
Lehre des Klagepatents auch zwingend erforderlich, dass die Kalibrierung im Vakuum
stattfinde. Diese Voraussetzung werde bei der angegriffenen Ausführungsform ebenfalls
nicht erfüllt, weil sich der Einlauf nicht im Vakuum befinde. Dieser diene im Gegenteil
gerade der Abdichtung zu dem im Bereich der Bänderlagen vorhandenen Vakuum.
47
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.
48
II.
49
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht
die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehen die noch geltend gemachten Ansprüche auf
Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Schadensersatz nicht zu, weil die Beklagte
das Klagepatent weder mittelbar durch Anbieten und/oder Lieferung der angegriffenen
Kalibrierhülse noch unmittelbar durch die Umrüstung bestehender Extrusionsanlagen
mit dem diese Kalibrierhülse umfassenden System "Advantage" verletzt. Die
Kalibrierhülse der Beklagten entspricht nicht den Vorgaben des Klagepatents. Hieraus
folgt zugleich, dass der Klägerin auch der ursprünglich gegen die Beklagte geltend
gemachte Unterlassungsanspruch nicht zustand.
50
A.
51
Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zur Herstellung von Kunststoffrohren.
52
Wie die Klagepatentschrift in ihrer Einleitung ausführt (Abs. [0002]), besteht bei solchen
Vorrichtungen das Problem, dass Rohre unterschiedlicher Außendurchmesser mit
gleichzeitig unterschiedlichen Wanddicken hergestellt werden müssen. Im Stand der
Technik ist es dabei nach den Angaben in der Klagepatentschrift erforderlich, dass
entsprechend dem Außendurchmesser des Rohres und der gewünschten,
üblicherweise in Abhängigkeit des Außendurchmessers genormten Wanddicke des
Rohres entsprechende Werkzeuge ausgewechselt werden müssen. Das bedingt ein
Stillsetzen der Maschine, einen hohen Arbeitsaufwand für das Auswechseln der
Werkzeuge und einen Verlust an Kunststoffmaterial, bis das neue Rohr wieder gezogen
53
werden kann. Ein entsprechendes Ziehen des Rohres, um bei einem bestehenden
Außendurchmesser ein Rohr geringerer Wandstärke herstellen zu können, verbietet
sich nach den Erläuterungen der Klagepatentschrift, weil die Molekülkette des
Kunststoffes gereckt und damit orientiert wird, so dass dadurch die Festigkeit des
Rohres negativ beeinflusst wird, der Schrumpf und die Faltenbildung aber gefördert
werden.
Als gattungsbildende Druckschrift führt die Klagepatentschrift (Abs. [0003]) die DE 24 12
818 an, aus der eine Vorrichtung zum Kalibrieren eines aus einer Strangpresse
austretenden Rohres aus thermoplastischem Kunststoff bekannt ist, bei welcher in
Produktionsrichtung des Rohres gesehen Kalibrierlamellen aufeinanderfolgend
angeordnet sind. Jede Kalibrierlamelle weist einen Kalibrierdurchlass auf, der für alle
aufeinanderfolgenden Kalibrierlamellen gleich und unveränderbar ist. Jede
Kalibrierlamelle arbeitet mit einem nach oben abhebbaren Lamellensegment
zusammen, das während der Anlaufphase der Produktion abgehoben werden kann, so
dass das Einlegen des den Extruder bzw. den Rohrkopf verlassenden Rohres in den
Kalibrierdurchlass erleichtert wird. Die Klagepatentschrift beanstandet hieran als
nachteilig, dass eine Variation des Rohrdurchmessers während des
Produktionsverfahrens nicht möglich ist (Abs. [0003]).
54
Gemäß den weiteren Angaben in der Klagepatentschrift (Abs. [0004]) ist es aus der DE
3 521 321 bekannt, in einer Kalibrierstation Metallbälge vorzusehen, die durch Strecken
oder Zusammendrücken in ihrem inneren Durchmesser verändert werden können.
Hierdurch soll dem beim Abkühlen auftretenden Schwinden des Kunststoffmaterials und
dem sich infolgedessen ändernden Außendurchmesser entsprochen werden, um
dadurch auch während der Abkühlphase und dem ggf. sich verringernden
Außendurchmesser des Rohres ein gutes Führen des Rohres in der Kalibrierstation zu
ermöglichen.
55
Aus der WO 95/27 601 ist es nach den Angaben in der Klagepatentschrift bekannt, bei
einem – von der Klagepatentschrift als gattungsfremd bezeichneten –
Herstellungsverfahren für Kunststoffrohre im Inneren des zu bildenden Rohres
Formwerkzeuge, die durch einzelne Rollen gebildet werden, vorzusehen, wobei durch
ein mehr oder weniger großes Aufweiten des Außendurchmessers des von den
Formwerkzeugen bedingten Umfangskreises der Rohrdurchmesser verändert werden
kann. Hierbei soll aber das Rohr durch eine Platte gebildet werden, die um dieses
Formwerkzeug herum gewunden wird, wobei die Endkanten der Platten miteinander
verschweißt werden sollen. Besondere Druckrollen beaufschlagen die beim Verbinden
der beiden Platten hergestellte Schweißnaht derart, dass nach außen hin diese
Schweißnaht nicht mehr erkennbar sein soll (Abs. [0005]).
56
Ferner beschreibt die DE 40 02 884 A1 eine Einrichtung zum Extrudieren von Rohren,
bei er eine nicht näher beschriebene Kalibriereinrichtung eingesetzt wird. Gegenstand
der Lehre dieser Druckschrift ist eine Messeinrichtung zur Bestimmung der Wanddicke
des extrudierten und kalibrierten Rohres, wobei in Umfangsrichtung des
Rohrquerschnittes mehrere Messköpfe vorgesehen sind, die an einem an der
Kalibriereinrichtung abgestützten Halter angeordnet sind. Hierdurch wird eine hohe
Anzahl von Messsignalen ermöglicht, so dass dadurch eine sehr gute Überwachung der
Dicke des extrudierten Rohrstranges erzielbar ist (Abs. [0006]).
57
Als weiteren Stand der Technik führt die Klagepatentschrift schließlich noch die WO
58
96/36 457 (Anlage K 15) an, aus der es nach ihren Angaben bekannt ist, geringfügige
Kalibriereinstellungen in einer Kalibrierstation dadurch vorzunehmen, dass durch eine
Keilwirkung einzelne Kalibrierringe geringfügig in ihrem Durchmesser verändert werden
können. An dieser Lösung kritisiert das Klagepatent, dass mit einer solchen Anordnung
eine Variation der Rohraußendimension nicht möglich ist, sondern so lediglich dem
Schrumpfverhalten entgegengewirkt werden kann (Abs. [0010]).
Ausgehend von diesem Stand der Technik hat es sich das Klagepatent zur Aufgabe
gemacht, eine Vorrichtung zu schaffen, die während der Produktionsphase des Rohres
ohne Unterbrechung des Produktionsganges eine vollautomatisch gesteuerte
Umstellung zwischen mehreren Kunststoffrohrdimensionen im kontinuierlichen
Extrusionsprozess ermöglicht, wobei der Außendurchmesser und die Rohrwanddicke
entsprechend den Kundenwünschen bzw. der Normung aufeinander abgestimmt sind
(Abs. [0007]).
59
Zur Lösung dieses technischen Problems schlägt der erteilte Anspruch 1 des
Klagepatents eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
60
(1) Vorrichtung zur Herstellung von Kunststoffrohren mit
61
(a) einem Extruder,
62
(b) einem sich in Produktionsrichtung anschließenden Rohrkopf (1)
63
(c) und einer Kalibrierstation (3).
64
(2) Die Kalibrierstation (3) weist Kalibrierwerkzeuge auf, die an der
Außenwandung des Rohres anliegen.
65
(3) Als Kalibrierwerkzeuge sind eine Vielzahl von Lamellen (40) vorgesehen,
die
66
(a) über den Umfang des zu kalibrierenden Rohres (10) verteilt angeordnet
sind,
67
(b) und zwar aufeinanderfolgend im Abstand voneinander.
68
(4) In Produktionsrichtung des Rohres gesehen ist eine Vielzahl solcher
Lamellenkränze (42, 43) vorgesehen.
69
(5) Die jeweilige Lamellen (40) der Lamellenkränze (42, 43) sind auf Lücke zu
den Lamellen (40) des vorhergehenden Lamellenkranzes angeordnet.
70
Der von der Patentinhaberin im zwischenzeitlich nicht mehr anhängigen
Nichtigkeitsverfahren beschränkt verteidigte Patentanspruch 1 sieht ferner folgende
weitere Merkmale vor:
71
(6) In Produktionsrichtung gesehen ist ein an die Kalibrierstation
anschließendes Vakuum-Kalibrierbad (4) vorgesehen, in dem das Auskühlen
und Aushärten des Kunststoffrohres (durch Sprühwasser) erfolgt.
72
(7) Es ist weiter eine Vakuumabdichtung (9) vorgesehen,
73
(a) durch die das Rohr das Vakuum-Kalibrierbad (4) verlässt,
74
(b) die sich entweder selbständig auf den Rohrdurchmesser einstellt oder
in Abhängigkeit der eingestellten Rohrdimensionen in der Kalibrierstation
(3) und/oder im Vakuum-Kalibrierbad (4) eingestellt wird.
75
In der Klagepatentbeschreibung wird erläutert, dass der ggf. schon vordimensionierte
Massestrang erfindungsgemäß in eine Kalibrierstation eintreten kann, in der
unterschiedliche Rohrdimensionen einstellbar sind (Abs. [0010]). Die
erfindungsgemäße Kalibrierstation wird durch eine Vielzahl von Lamellen gebildet, die
an der Außenseite des zu kalibrierenden Rohres über den Umfang verteilt und im
Abstand zueinander angeordnet jeweils einen Lamellenkranz bildend vorgesehen sind.
Hierbei sind in Produktionsrichtung des Rohres gesehen eine Vielzahl solcher
Lamellenkränze innerhalb der Kalibrierstation angeordnet, wobei die einzelnen
Lamellen der einzelnen Lamellenkränze auf Lücke zueinander stehen, so dass eine
problemlose Verstellung der einzelnen Lamellen des einzelnen Kranzes gegenüber den
Lamellen des nachfolgenden Kranzes oder des vorhergehenden Kranzes möglich ist
(Abs. [0011]). Die Verstellung der Lamellen kann – was Anspruch 1 offen lässt –
motorisch oder von Hand erfolgen, wobei durch eine einzige Handsteuerung alle
Lamellenkränze gleichzeitig verstellt werden können (Abs. [0012]).
76
B.
77
Mit der angegriffenen Kalibrierhülse ihres Systems "Advantage" benutzt die Beklagte
das Klagepatent nicht mittelbar, weil es sich bei dieser Kalibrierhülse nicht um ein Mittel
im Sinne des § 9 Abs. 1 PatG handelt, das sich auf ein wesentliches Element der
Erfindung bezieht. Die angegriffene Ausführungsform entspricht nicht den Vorgaben des
Klagepatents. Deshalb verletzt die Beklagte das Klagepatent durch die Umrüstung
bestehender Extrusionsanlagen mit dem System "Advantage" auch nicht unmittelbar.
78
1.
79
Dahinstehen kann, in welchem Umfang die Klägerin das Klagepatent im vorliegenden
Rechtsstreit geltend machen will.
80
Die A Werner B GmbH & Co. KG, die unstreitig alleinige Inhaberin des deutschen Teils
des Klagepatents ist, hat im Rahmen des zwischenzeitlich durch Vergleich beendeten
Nichtigkeitsverfahrens eine Selbstbeschränkung vorgenommen, indem sie dort mit
Schriftsatz vom 21. August 2007 (Anlage B & B 2) erklärt hat, nur einen beschränkten
Inhalt ihres Patents verteidigen zu wollen (vgl. zur Selbstbeschränkung Benkard/Rogge,
PatG/GebrMG, 10. Aufl., § 22 PatG Rdnr. 50 ff; Schulte, PatG, 8. Aufl., § 81 PatG Rdnr.
117 ff . jew. m. w. Nachw.).
81
Entsprechend dieser Selbstbeschränkung hat die Klägerin das Klagepatent im
vorliegenden Rechtsstreit in erster Instanz zuletzt nur noch in der von der
Patentinhaberin im Nichtigkeitsverfahren beschränkt verteidigten Fassung geltend
gemacht (Schriftsatz vom 10.08.2007, S. 1 und 3 [Bl. 30 und 32 GA]), wobei sie
allerdings nur den auf eine unmittelbare Patentverletzung gestützten
Unterlassungsantrag – und die hierauf rückbezogenen weiteren Klageanträge –
82
entsprechend angepasst hat. In zweiter Instanz hat die Klägerin beide mit der Berufung
weiterverfolgten Unterlassungsanträge ausweislich der ursprünglichen
Antragsformulierung (Berufungsbegründung vom 06.08.2008, S. 2 [Bl. 187 GA])
zunächst offenbar wieder auf den erteilten Patentanspruch 1 stützen wollen. Im
Verhandlungstermin vor dem Senat hat sie allerdings neue Berufungsanträge verlesen
(Bl. 247 GA), wobei von diesen zuletzt gestellten Berufungsanträgen (Bl. 249 – 251 GA)
nunmehr wiederum die die geltend gemachte unmittelbare Patentverletzung
betreffenden Anträge an den im vormaligen Nichtigkeitsverfahren beschränkt
verteidigten Patentanspruch 1 angepasst sind, wohingegen die die ferner geltend
gemachte mittelbare Patentverletzung betreffenden Anträge eine solche Einschränkung
nicht vorsehen.
Ob die Klägerin das Klagepatent damit – obgleich eine der Selbstbeschränkung
Rechnung tragende Nichtigkeitsentscheidung nicht ergangen ist – vorliegend nur in
dem Umfange geltend machen will, in dem es von der Patentinhaberin im früheren
Nichtigkeitsverfahren beschränkt verteidigt worden ist, kann jedoch dahinstehen.
Ebenso bedarf es keiner Entscheidung, wie die von der Patentinhaberin im
Nichtigkeitsverfahren mit Schriftsatz vom 21. August 2007 (Anlage B & B 2) abgegebene
Erklärung, dass sie auf das Patent sowie auf die Geltendmachung jeglicher Ansprüche
aus dem Patent betreffend sowohl die Zukunft als auch die Vergangenheit verzichtet,
soweit das Patent über den mit diesem Teilwiderspruch verteidigten Umfang
hinausgeht, rechtlich einzuordnen ist und ob die Klägerin als Lizenznehmerin an diese
Erklärung der Patentinhaberin gebunden ist. Hierauf kommt es im vorliegenden
Rechtsstreit nicht an, weil die Beklagte mit der angegriffenen Ausführungsform schon
von der weitergehenden technischen Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 keinen
Gebrauch macht.
83
2. Die angegriffene Kalibrierhülse verwirklicht die Merkmale 3 und 4 der oben
wiedergegebenen Merkmalsgliederung nicht.
84
a)
85
Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, besteht die erfindungsgemäße
Vorrichtung zur Herstellung von Kunststoffrohren aus folgenden Elementen:
86
einem Extruder (Merkmal (1) (a)),
einem Rohrkopf, der sich in Produktionsrichtung an den Extruder anschließt
(Merkmal (1) (b) und
einer Kalibrierstation (Merkmal (1) (c)), wiederum im Anschluss an den Rohrkopf.
87
88
Der Fachmann entnimmt dem, dass sich Extruder und Rohrkopf jeweils von der
Kalibrierstation unterscheiden und insbesondere der Rohrkopf nicht zur Kalibrierstation
gehört. Der Beginn der Kalibrierstation liegt – in Produktionsrichtung gesehen – hinter
dem Rohrkopf, wobei sich an den Rohrkopf gegebenenfalls zunächst noch eine
Vakuum-Saugglocke anschließen kann. Eine solche Einrichtung wird vom
89
Patentanspruch 1 allerdings nicht verlangt. Sie ist lediglich bei dem in Figur 1 gezeigten
bevorzugten Ausführungsbeispiel vorgesehen und wird in der zugehörigen
Patentbeschreibung erwähnt (Abs. [0017] und [0018]). Bei diesem Ausführungsbeispiel
schließt sich eine Vakuum-Saugglocke (2) in Produktionsrichtung an den in Figur 1
nicht dargestellten Extruder an (Abs. [0017]) und an die Vakuum-Saugglocke (2)
schließt sich wiederum die Kalibrierstation (3) an. Auch die Vakuum-Saugglocke gehört
damit noch nicht zur Kalibrierstation. Nach dem im früheren Nichtigkeitsverfahren
beschränkt verteidigten Patentanspruch 1 (Merkmal (6)) schließt sich – wie bei dem in
Figur 1 gezeigten bevorzugten Ausführungsbeispiel (vgl. Abs. [0018]) – in
Produktionsrichtung gesehen an die Kalibrierstation (3) ein Vakuum-Kalibrierbad (4) an,
in dem das Auskühlen und Aushärten des Kunststoffrohres (durch Sprühwasser) erfolgt.
Auch dieses – vom erteilten Anspruch 1 nicht geforderte – Vakuum-Kalibrierbad ist
damit kein Bestandteil der Kalibrierstation.
Wie sich bereits aus dem Begriff "Kalibrierstation" als solchem ergibt, wird der
extrudierte Kunststoff-Schmelzstrang, der aus dem Rohrkopf heraustritt, in diesem
Abschnitt der Vorrichtung "kalibriert".
90
Bei dem Begriff "kalibrieren" handelt es sich um einen Ausdruck, der in dem hier in
Rede stehenden Fachgebiet gebräuchlich und mit einem bestimmten Inhalt versehen
ist. Den von den Parteien überreichten Auszügen aus einschlägigen Fachbüchern
(Anlage K 12, Handbuch der Kunststoff-Extrusionstechnik, S. 475 ff.; Anlage K 15,
Kunststoffextrudiertechnik, 2. Aufl., S. 335 ff.; Anlage BB 9, Kunststoff-Lexikon, 8. Aufl.,
S. 295 f.) ist insoweit zu entnehmen, dass "kalibrieren" im Bereich der Kunststoff-
Extrusionstechnik eine solche Einwirkung auf den Kunststoff-Schmelzstrang bezeichnet,
dass die (äußeren/inneren) Abmessungen des zu produzierenden Rohres festgelegt
werden, und zwar in einer solchen Weise, dass Form und Maße mit Hilfe einer kurz
erstarrten Schmelze so weit "eingefroren" sind, dass das (kalibrierte) Extrudat den
notwendigen Abzugskräften standhält. Dem hat der im Verhandlungstermin vor dem
Senat anwesende Leiter der Patentabteilung der Klägerin ausdrücklich zugestimmt. Das
Klagepatent gebraucht den Begriff "kalibrieren" mit eben diesem, auf dem hier in Rede
stehenden Fachgebiet üblichen Inhalt. Dass es unter "kalibrieren" etwas anderes
versteht und diesen Begriff nicht in diesem geläufigen, sondern in einem davon
abweichenden Sinne verwendet, ist der Klagepatentschrift nicht zu entnehmen.
Dagegen spricht, dass die Klagepatentschrift den Begriff "kalibrieren" nicht näher
erläutert und damit offensichtlich als bekannt voraussetzt. Außerdem heißt es in der
Klagepatentbeschreibung (Abs. [0018]), wenn auch nur in Bezug auf das in den Figuren
1 bis 3 gezeigte Ausführungsbeispiel, dass in der Kalibrierstation "durch eine
mechanische Zentralverstellung das genaue Kalibrieren des Außendurchmessers des
Schmelzstranges und des schon teilweise ausgehärteten Rohres" erfolgt. Die
Patentbeschreibung bringt damit zum Ausdruck, dass in der in Rede stehenden
Kalibrierstation durch (aktive) Einwirkung auf den Schmelzstrang der gewünschte
Außendurchmesser festgelegt wird, wobei das zu produzierende Rohr in der
Kalibrierstation schon teilweise ausgehärtet ist, die Schmelze also bereits kurz erstarrt
ist, was im Einklang mit der vorstehend wiedergegebenen Definition steht.
91
Damit die "Kalibrierstation" (3) die ihr zugedachte technische Funktion erfüllen kann,
weist sie gemäß Merkmal (2) "Kalibrierwerkzeuge" auf, die an der Außenwandung des
Rohres anliegen. Mittels dieser "Kalibrierwerkzeuge" soll der Kunststoff-Schmelzstrang
"kalibriert" werden. Die Kalibrierwerkzeuge bilden zusammen die Kalibrierstation (vgl.
Abs. [0011]). Dem Begriff "Kalibrierwerkzeug" entnimmt der Fachmann, dass die
92
Kalibrierwerkzeuge auf den zu kalibrierenden Kunststoff-Schmelzstrang einwirken
sollen. Denn mit "Werkzeug" wird gewöhnlich ein Hilfsmittel bezeichnet, mit dem auf
Gegenstände (Werkstücke oder Materialien im weiteren Sinne) mechanisch eingewirkt
wird. Das sollen auch die klagepatentgemäßen Kalibrierwerkzeuge, was sich auch aus
der Angabe im Patentanspruch, dass die Kalibrierwerkzeuge an der Außenwandung
des Rohres anliegen, ergibt. Bei den "Kalibrierwerkzeugen" handelt es sich damit um
diejenigen Mittel, die so auf den Kunststoff-Schmelzstrang einwirken sollen, dass die
Abmessungen des Rohres festgelegt werden, und zwar in einer solchen Weise, dass
Form und Maße mit Hilfe einer kurz erstarrten Schmelze so weit "eingefroren" sind, dass
das Extrudat den notwendigen Abzugskräften, die im Rahmen des weiteren
Produktionsvorganges aufgebracht werden müssen, standhält.
Mit der näheren Ausgestaltung und Anordnung der Kalibrierwerkzeuge befassen sich
die weiteren Merkmale des (erteilten) Patentanspruchs 1. Gemäß der Merkmalsgruppe
(3) werden die Kalibrierwerkzeuge durch eine Vielzahl von Lamellen (40) gebildet, die
an der Außenseite des zu kalibrierenden Rohres über den Umfang verteilt und im
Abstand zueinander angeordnet jeweils einen Lamellenkranz bildend vorgesehen sind
(Abs. [0011]). Hierbei sind gemäß Merkmal (4) in Produktionsrichtung des Rohres
gesehen eine Vielzahl solcher Lamellenkränze (42, 43) angeordnet, wobei die
einzelnen Lamellen der einzelnen Lamellenkränze gemäß Merkmal (5) auf Lücke
zueinander stehen, so dass eine problemlose Verstellung der einzelnen Lamellen des
einzelnen Kranzes gegenüber den Lamellen des nachfolgenden Kranzes oder des
vorhergehenden Kranzes möglich ist (Abs. [0011]).
93
Nach der Lehre des Klagepatents sind damit als "Kalibrierwerkzeuge" hintereinander
geschaltete Lamellenkränze bestimmter Ausgestaltung vorgesehen. Bei sinngemäßem
Verständnis verlangt das Klagepatent, dass der Kalibriervorgang als solcher mittels
eben dieser (Kalibrier-)Lamellen vonstatten geht. Denn die in den Merkmalen (3) bis (5)
beschriebenen Lamellen sind die erfindungsgemäßen "Kalibrierwerkzeuge"; andere
Kalibrierwerkzeuge sieht das Klagepatent nicht vor. Auch schützt das Klagepatent nicht
ein einzelnes, flexibel einstellbares Kalibrierwerkzeug, sondern eine Vorrichtung zum
Herstellen von Kunststoffrohren, die u. a. über eine "Kalibrierstation" verfügt, welche
"Kalibrierwerkzeuge" aufweist, die von hintereinander geschalteten Lamellenkränzen
bestimmter Ausgestaltung gebildet werden. Diese flexibel einstellbaren
Kalibrierlamellen sollen die im Stand der Technik bekannten Kalibrierwerkzeuge
ersetzen, welche jeweils entsprechend dem gewünschten Außendurchmesser des
Rohres und der gewünschten Wanddicke des Rohres ausgewechselt werden mussten
(Abs. [0002]). Anstelle dieser bekannten Kalibrierwerkzeuge, deren Auswechslung ein
Stillsetzen der Maschine, einen hohen Arbeitsaufwand und einen Verlust an
Kunststoffmaterial bedingte (Abs. [0002]), soll das Kalibrieren nunmehr durch die im
Patentanspruch beschriebenen, speziellen Lamellenkränze erfolgen. Das Klagepatent
vermittelt dem Fachmann die Botschaft, die im Stand der Technik bekannten, nicht oder
nicht hinreichend verstellbaren Kalibrierwerkzeuge durch hintereinander geschaltete
Lamellenkränze bestimmter Ausgestaltung, die auf unterschiedliche
Kunststoffrohrdimensionen einstellbar sind, zu ersetzen und mit eben diesen Lamellen
den Kalibriervorgang zu bewirken. Auf diese Weise wird die dem Klagepatent zugrunde
liegende Aufgabe (Abs. [0007]) gelöst: Die erfindungsgemäß ausgestalteten
Kalibrierlamellen, welche die Kalibrierstation bilden, ermöglichen während der
Produktionsphase des Rohres ohne Unterbrechung des Produktionsganges eine
Umstellung zwischen mehreren Kunststoffrohrdimensionen im kontinuierlichen
Extrusionsprozess. Mit der klagepatentgemäßen Vorrichtung lassen sich so im
94
laufenden Betrieb Rohre mit unterschiedlichen Außendurchmessern und Wanddicken
produzieren, ohne dass hierfür ein Auswechseln der Kalibrierwerkzeuge erforderlich ist.
Für den Fachmann ist vor diesem Hintergrund klar, dass am Ende der patentgemäßen
Lamellen – wie bei Verwendung der aus der gattungsbildenden DE 24 12 818
bekannten, herkömmlichen "Kalibrierlamellen" (Abs. [0003]) – ein kalibriertes Erzeugnis
vorliegen soll. Das Rohr soll die erfindungsgemäßen Kalibrierlamellen als kalibriertes
Rohr verlassen, um dann in dem sich an die Kalibrierstation anschließenden Vakuum-
Kalibrierbad weiter abgekühlt und ausgehärtet zu werden. Nicht jede Vorrichtung, die in
Produktionsrichtung gesehen mehr als einen verstellbaren Lamellenkranz aufweist, der
zur Kalibrierung des Rohres beiträgt, ist deshalb eine klagepatentgemäße Vorrichtung
zur Herstellung von Kunststoffrohren mit Lamellen im Sinne der Merkmale (3) und (4).
Um "Kalibrierwerkzeuge" im Sinne des Klagepatents handelt es sich nur dann, wenn
die Lamellen als "Kalibrierlamellen" den Kalibriervorgang als solchen bewirken können,
wenn also im Anschluss an die Lamellen ein Produkt vorliegt, das das Adjektiv
"kalibriert" verdient. Andernfalls fiele unter das Klagepatent nämlich auch eine
Vorrichtung, die zwar auch mit z. B. zwei oder drei in Produktionsrichtung gesehen dicht
hintereinander angeordneten Lamellenkränzen mit verhältnismäßig schmalen Lamellen
arbeitet, die aber zum Kalibrieren zwingend auch herkömmliche Kalibrierwerkzeuge
verwenden muss.
Es reicht daher für eine Verwirklichung der Merkmalsgruppe (3) nicht aus, dass die
Vorrichtung mehr als einen verstellbaren Lamellenkranz aufweist, der einen Beitrag zur
Kalibrierung des Rohres leistet. Um "Kalibrierwerkzeuge" im Sinne des Klagepatents
handelt es sich nur dann, wenn die Lamellen alleine dazu in der Lage sind, den
Kunststoff-Schmelzstrang im vorbeschriebenen Sinne zu kalibrieren. Das setzt voraus,
dass in Produktionsrichtung gesehen eine hinreichende Anzahl von Lamellenkränzen
hintereinander angeordnet ist bzw. die Lamellen in diese Richtung eine ausreichende
Erstreckung haben. Denn nur dann können Form und Maße des zu produzierenden
Rohres mit Hilfe einer kurz erstarrten Schmelze bereits so weit verfestigt bzw.
eingefroren sein, dass das Extrudat den notwendigen Abzugskräften standhält.
Demgemäß verlangt Merkmal (4) auch, dass in Produktionsrichtung gesehen eine
"Vielzahl" von Lamellenkränzen vorgesehen ist. Bei dem in Figur 3 gezeigten
bevorzugten Ausführungsbeispiel sind dies 45 in Produktionsrichtung gesehen
hintereinander angeordnete Lamellenkränze (Abs. [0020]). Zwar rechtfertigt – was der
Senat nicht verkennt – dieses Ausführungsbeispiel keine einschränkende Auslegung
des die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs. Es verdeutlicht dem
Fachmann aber, dass die erfindungsgemäßen Lamellen in Produktionsrichtung
gesehen eine ausreichende Erstreckung aufweisen müssen, um ihre Funktion als
Kalibrierwerkzeuge erfüllen zu können.
95
b) Hiervon ausgehend verwirklicht die angegriffene Ausführungsform die Merkmale (3)
und (4) nicht.
96
Dass der Kalibrierkorb der angegriffenen Ausführungsform, welcher von zwei flexiblen
Bänderlagen gebildet wird, die sich nach Art eines Scherengitters kreuzen und an den
Kreuzpunkten gelenkig miteinander verbunden sind, kein "Kalibrierwerkzeug" ist, das
wortsinngemäß den Vorgaben der Merkmale (3), (4) und (5) entspricht, steht zwischen
den Parteien außer Streit. Dass in der Verwendung eines solchen Kalibrierkorbes eine
äquivalente Patentbenutzung zu sehen sei, behauptet die Klägerin nicht. Sie macht
allein geltend, dass die im Eingangsbereich der angegriffenen Kalibrierhülse
vorgesehenen, radial verstellbaren Lamellen (Segmente) Kalibrierwerkzeuge im Sinne
97
des Klagepatents seien und die Lamellen zusammen mit den Bänderlagen des
Kalibrierkorbes eine Kalibriereinheit bildeten, was für eine wortsinngemäße
Verwirklichung der Merkmalsgruppe (3) ausreiche. Dem kann jedoch vor dem
Hintergrund der vorstehenden Erläuterungen nicht beigetreten werden.
Zwar sind im Eingangsbereich der angegriffenen Ausführungsform sechs hintereinander
geschaltete, zusammen mit dem Kalibrierkorb radial verstellbare Lamellenkränze
vorgesehen. Diese sind aber für sich betrachtet nicht in der Lage, den Kunststoff-
Schmelzstrang zu kalibrieren. Unabhängig davon, dass bei der angegriffenen
Ausführungsform das herzustellende Rohr aufgrund des unstreitig vorhandenen
"Durchmessersprungs" zwischen Einlauf und Kalibrierkorb nach Durchlaufen des
Einlaufbereichs im Kalibrierkorb aufgeweitet wird, liegt nach dem Verlassen des
Eingangsbereichs überhaupt noch kein Erzeugnis vor, das die Bezeichnung "kalibriert"
verdient. Denn es ist nach den Erörterungen mit den Parteien im Verhandlungstermin
unstreitig, dass nach dem Verlassen des Eingangsbereichs der angegriffenen
Ausführungsform Form und Maße des zu produzierenden Rohres noch nicht mit Hilfe
einer bereits kurz erstarrten Schmelze so weit verfestigt bzw. eingefroren sind, dass das
Extrudat irgendwelchen Abzugskräften standhalten könnte. Hierzu ist das Extrudat nach
dem Verlassen des im Verhältnis zu dem sich anschließenden Kalibrierkorb ersichtlich
sehr kurzen Eingangsbereichs nicht hinreichend stabil genug. Ohne den sich an den
Eingangsbereich anschließenden Kalibrierkorb würde das Erzeugnis nach dem
Verlassen des Eingangsbereichs vielmehr unstreitig zusammenfallen. Zum Kalibrieren
benötigt die angegriffene Ausführungsform deshalb den sich – in Produktionsrichtung
gesehen – an den Eingang anschließenden Kalibrierkorb, auf den sie nicht verzichten
kann. Die im Eingangsbereich der angegriffenen Ausführungsform vorgesehenen
Lamellen sind damit allein nicht in der Lage, den Kunststoff-Schmelzstrang im
beschriebenen Sinne zu kalibrieren, weshalb es sich bei diesen Werkzeugen nicht um
"Kalibrierwerkzeuge" im Sinne des Klagepatents handelt.
98
Dass bei der angegriffenen Ausführungsform die im Eingangsbereich vorgesehenen
Lamellen einen wesentlichen Beitrag zur Kalibrierung des herzustellenden Rohres
leisten und die angegriffene Ausführungsform ohne diese Lamellen nicht einwandfrei
funktionieren würde, steht dem nicht entgegen. Entscheidend ist, dass am Ende der
Lamellen noch kein Produkt vorliegt, dass das Adjektiv "kalibriert" verdient. An dieser
Beurteilung ändert sich auch dann nichts, wenn – wie die Klägerin behauptet – im
Eingangsbereich bereits die Konstanz der Wanddicke, die Oberflächengüte und "im
Wesentlichen" auch der Rohrdurchmesser festgelegt wird. Selbst wenn dies so sein
sollte, sind die bei der angegriffenen Ausführungsform im Eingangsbereich
vorgesehenen Lamellen – wie ausgeführt – nicht in der Lage, derart auf den Kunststoff-
Schmelzstrang einzuwirken, dass bereits dort die Abmessungen des zu produzierenden
Rohres in einer solchen Weise festgelegt werden, dass Form und Maße mit Hilfe einer
bereits kurz erstarrten Schmelze so weit eingefroren sind, dass das Exdrudat weiteren
Produktionsschritten, etwa der nachfolgenden Behandlung in einem Vakuum-
Kalibrierbad zum weiteren Auskühlen und Aushärten, unterworfen werden könnte.
99
Scheidet eine Patentverletzung bzw. –benutzung schon aus dem vorstehenden Grund
aus, kommt es auf die zwischen den Parteien ferner diskutierten Fragen nicht an.
100
III.
101
Als im Berufungsverfahren unterlegene Partei hat die Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO
102
auch die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen. Soweit die Parteien den
Rechtsstreit betreffend den Unterlassungsantrag in der Berufungsinstanz
übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, sind die diesbezüglichen
Kosten des Rechtsstreits der Klägerin nach § 91a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung
des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen aufzuerlegen, weil der
Klägerin – wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt – ein
Unterlassungsanspruch aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 9 Nr. 1 und/oder § 10 Abs. 1
PatG nicht zustand.
Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10,
711, 108 ZPO.
103
Zur Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung. Die Voraussetzungen des
§ 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache
weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordert
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
104
Die Streitwertfestsetzung trägt der im zweiten Rechtszug eingetretenen Teilerledigung
Rechnung.
105