Urteil des OLG Dresden vom 23.08.2001

OLG Dresden: Kart (nicht rechtskräftig), leistungserbringer, versorgung, ärztliche verordnung, krankenversicherung, markt, krankenkasse, ausschluss, anbieter, einzelnes mitglied

Oberlandesgericht Dresden, Kartellsenat, Urt. v. 23.08. 2001 - U 2403/00
Kart (nicht rechtskräftig)
Leitsätze:
1. Auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen
Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 vom 22.12. 1999 (BGBl. I 2626 =
GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) ist das GWB auf Beziehungen
zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern anwendbar.
2. Die Gesamtheit der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung bilden
auf dem Markt der wiederverwendbaren Hilfsmittel i. S. des § 33 SGB V ein
Oligopol. Für die Anwendung des § 20 Abs. 1 GWB ist dabei ausreichend,
wenn ein einzelnes Mitglied das Fehlen einer wirksamen wettbewerblichen
Kontrolle dazu ausnutzt, andere Unternehmen unbillig zu behindern oder
ohne sachlichen Grund unterschiedlich zu behandeln.
3. Jedenfalls aber stellt eine Krankenkasse unabhängig von ihrem
Marktanteil auf dem Nachfragemarkt nach wiederverwendbaren Hilfsmittel i.
S. des § 33 SGB V ein relativ marktstarkes Unternehmen i. S. des § 20 Abs.
2 GWB dar, da auf diesem Markt keine ausreichenden und zumutbaren
Ausweichmöglichkeiten für kleinere und mittlere Unternehmen als Anbieter
von Leistungen bestehen.
4. Eine Krankenkasse verstösst gegen das Diskrimierungsverbot des § 20
Abs. 1 GWB, wenn sie das Ergebnis einer von ihr durchgeführten
öffentlichen Ausschreibung für Leistungen im Zusammenhang mit dem
Einsatz von wiederverwendbaren Hilfsmitteln in der Weise umsetzt, dass sie
eine Kostenübernahme gegenüber allen anderen Leistungserbringern, die
nicht zu dem Kreis der Ausschreibungsgewinner gehören, ablehnt.
5. Auch bei einer leihweisen Überlassung von Hilfsmitteln an die
Versicherten hat eine Krankenkasse den Grundsatz der Vielfalt der
Leistungserbringer, den Rechtsanspruch auf Zulassung des
Leistungserbringers und das System der (Verbände-)Vereinbarungen nach
§§ 33 Abs. 2, 127 SGB V zu beachten. Das SGB V enthält mit diesen
Grundsätzen, die auch Wirkungsbedingungen für das Recht des
Versicherten auf freie Wahl des Leistungserbringers darstellen, ein
Wettbewerbsmodell, von dem weder die Regelung des § 33 Abs. 5 SGB V
noch das Wirtschaftslichkeitsgebot eine Ausnahme zulässt.
6. Das deutsche Sozialversicherungsrecht ist in diesem Punkt auch nicht
europarechtswidrig. Krankenkassen treten in Bezug auf Leistungen bei dem
Einsatz von wiederverwendbaren Hilfsmitteln nach dem SGB V nicht als
öffentliche Auftraggeber in Erscheinung. Nachfrager sind vielmehr die
Versicherten, während die Krankenkasse lediglich die Kostenübernahme
trifft.
Aktenzeichen: U 2403/00 Kart
Oberlandesgericht
2 HKO 7200/00 LG Leipzig
Dresden
verkündet am 23.08. 2001
Die Urkundsbeamtin
Schwarze
Justizobersekretärin
Im Namen des Volkes!
U R T E I L
In dem Rechtsstreit
Landesinnung , Körperschaft des Öffentlichen Rechts,
vertreten durch den Innungsvorstand, dieser vertreten durch den
Landesinnungsmeister , ,
- Klägerin und Berufungsklägerin -,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ,
,
g e g e n
Bundesknappschaft, Körperschaft des Öffentlichen Rechts, vertreten durch
die Verwaltungsstelle , ,
- Beklagte und Berufungsbeklagte -,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin ,
,
hat das Oberlandesgericht Dresden - Kartellsenat -
im schriftlichen Verfahren nach Schriftsatzfrist bis zum 28.06. 2001
durch Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Werber,
Richter am Oberlandesgericht Dr. Kazele und
Richter am Amtsgericht Alberts
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Leipzig, 2. Kammer
für Handelssachen, vom 01.09. 2000 (Az.: 2 HKO 7200/99) abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen,
a)
das Ausschreibungsergebnis der Ausschreibung vom Februar 1998 mit
Abgabeende 17.04. 1998 und auch zukünftige Ausschreibungsergebnisse in
der Weise anzuwenden, dass nur ein oder mehrere Leistungserbringer von
Hilfsmitteln i. S. v. § 33 SGB V an der Versorgung der Versicherten der
Beklagten mit wiederverwendbaren Hilfsmitteln i. S. v. § 33 SGB V unter
Ausschluss aller anderen zugelassenen Leistungsanbieter, die Mitglied der
Klägerin sind, beteiligt werden,
b)
bei durch Mitglieder der Klägerin eingereichte Kostenvoranschläge über die
Versorgung von Versicherten der Beklagten mit wiederverwendbaren
Hilfsmitteln i. S. von § 33 SGB V die Versorgung durch andere
Leistungserbringer zu veranlassen und die Kostenvoranschläge ohne die
ärztliche Verordnung an das einreichende Mitglied der Klägerin
zurückzusenden.
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu
500.000 DM oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an den
gesetzlichen Vertretern der Beklagten, angedroht.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/8 und die Beklagte zu 7/8.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicher-
heitsleistung in Höhe von 7.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Voll-
streckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 44.000 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin
vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Den Parteien wird nachgelassen, die Sicherheit in Form einer unbedingten,
unwiderruflichen und unbefristeten selbstschuldnerischen Bürgschaft eines als Zoll-
und Steuerbürgen zugelassenen inländischen Kreditinstituts zu erbringen.
Der Wert der Beschwer der Klägerin und der Beklagten wird jeweils auf über 60.000
DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Unterlassung eines ihrer Ansicht nach kartell- und
sozialrechtswidrigen Verhaltens der Beklagten im Zusammenhang mit der
Versorgung von Versicherten mit wiederverwendbaren orthopädischen Hilfsmitteln.
Die Klägerin ist eine Handwerksinnung, deren Sitz ist und deren Bezirk sich auf
das Gebiet des Freistaates Sachsen erstreckt. Nach ihrer Satzung (Anlage 1 =
Anlagenband Kl.) hat sie die Aufgabe die gemeinsamen gewerblichen Interessen
ihrer Mitglieder zu fördern. Ihr Fachgebiet umfasst die Handwerke Orthopädie- und
Chirugiemechaniker sowie Bandagisten. Die Mitglieder der Klägerin - zum Zeitpunkt
der Klageerhebung 68 - erzielen mehr als 90% ihres Umsatzes aus Verträgen,
innerhalb deren Sozialversicherungsträger zur Kostenerstattung verpflichtet sind.
Die Beklagte ist ein gesetzlicher Krankenversicherungsträger, der die im Bergbau
Beschäftigten versichert. Sie verfügte 1999 bundesweit über 1.431.867 und im
Freistaat Sachsen über 143.917 Versicherte. Die Anzahl ihrer Versicherten beträgt in
dem Bereich ihrer Bezirksvertretung Z 20.200 und in dem Bereich ihrer
Bezirksvertretung Aue 24.967 Personen.
Am 12.01. 1991 schloss die Klägerin mit dem AOK-Landesverband Baden-
Württemberg, dem Landesverband der Betriebskrankenkassen Sachsen, dem IKK-
Landesverband Baden-Württemberg und dem Verband der Angestellten-
Krankenkassen e. V. einen “Rahmen-vertrag gemäß § 127 SGB V für Sachsen” (Bl.
80 - 100 d. A.) ab, der die Versorgung der Anspruchsberechtigten der
Krankenkassen mit handwerklichen Leistungen und sonstigen orthetischen und
orthopädischen Heil- und Hilfsmitteln zum Gegenstand hatte. In diesem Vertrag wird
das Verfahren für die Zulassung von Leistungserbringern geregelt. Ferner enthält der
Vertrag in § 13 Regelungen über die Vergütung von Leistungen sowie in § 14 über
das Abrechnungsverfahren.
Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 23.08. 1991 (Bl. 79 d. A.) gegenüber der
Klägerin ihre Zustimmung zu diesem Rahmenvertrag und bat um entsprechende
Berücksichtigung, was in der Folgezeit geschah.
Im Februar 1998 führte die Beklagte über ihre Hauptverwaltung in B eine
“Öffentliche Ausschreibung zur Versorgung knappschaftlich Berechtigter mit
Krankenfahrzeugen nach Produktgruppe 18 des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 128
SGB V, sonstigen nicht preisvereinbarten, wiederverwendbaren Hilfsmitteln mit
einem Verkaufspreis von mehr als DM 300,- (z. B. Badewannenlifter, Inhalations- und
Atemtherapiegeräte usw.) und Sitzschalen nach Produktgruppe 26 des
Hilfsmittelverzeichnisses nach § 128 SGB V einschließlich Adaptionen/Untergestelle
sowie Zubehör” durch. Die Ausschreibung umfasste ferner Sekret-Absauggeräte
nach Produktgruppe 01, Lesehilfen nach Produktgruppe 02, Gehgestelle -
Gehwagen nach Produktgruppe 10, Deltaräder, Rollatoren, Hilfsmittel gegen
Dekubitus nach Produktgruppe 11, Apparate zur Kompressionstherapie nach Pro-
duktgruppe 17, SIDS-Monitore nach Produktgruppe 21, Lifter, Raupensysteme,
Hebebühnen nach Produktgruppe 22.
Als Teilnehmer waren Leistungserbringer, nicht aber deren Verbände zugelassen.
Die Ausschreibungsunterlagen, hinsichtlich deren Inhalt auf die Anlage 2
(Anlagenband Kl.) verwiesen wird, sollten bis zum 27.04. 1998 bei der Beklagten
eingegangen sein.
Nach § 1 des den Ausschreibungsunterlagen (Anlagenkonvolut 2 = Anlagenband Kl.)
beigefügten Mustervertrages ist sein Gegenstand mit der Abgabe von Hilfsmitteln
nach § 33 SGB V umschrieben, die aufgrund ihrer Bauart für einen mehrfachen
Einsatz geeignet sind, sowie die Zurücknahme, Lagerung, Instandsetzung und
Wiederausgabe gebrauchsfähiger Hilfsmittel an knappschaftlich Berechtigte
entsprechend den Anlagen zu diesem Vertrag. Die Versorgung insbesondere mit
Hilfsmitteln nach der Bundesprothesenliste, der Benennungs- und Preisliste für
Bandagen und Orthopädische Hilfsmittel, sowie anderer landesweit geltender
Preislisten oder nicht für eine Wiederverwendung geeigneter Hilfsmittel wird durch
diesen Vertrag nicht berührt.
Nach § 4 Abs. 1 des Mustervertrages dürfen die Lieferung der Hilfsmittel sowie
spätere Ausbesserungen und Ergänzungen nur nach vertragsärztlicher Verordnung
aufgrund eines konkreten Auftrages der Beklagten erfolgen. § 5 des Mustervertrages
legt die konkreten Pflichten des Leistungserbringers, darunter Beratungspflichten
gegenüber den Versicherten, die Vorhaltung eines Lagers und von Räumlichkeiten,
die eine entsprechende Abgabe der Hilfsmittel ermöglichen sowie die
Gewährleistung von sachgerechten und kurzfristig möglichen Instandsetzungen und
Umrüstungen, fest.
Ausgeschrieben werden durch die Beklagte Fachlose wie auch Gebietslose. Je
Gebietslos sind vier Fachlose zu vergeben. Pro Gebiets- und Fachlos erteilt sie
jeweils zwei Bietern den Zuschlag für einen Sondervertrag, um den Versicherten in
einem gewissen Rahmen eine Ausweichmöglichkeit zu bieten. Den Vergabezeitraum
beschränkt sie auf zwei Jahre.
Im Oktober 1998 ließ die Beklagte bundesweit bei allen Betrieben zum Wiedereinsatz
geeignete Hilfsmittel, wie etwa Rollstühle, Badewannenlifter, Rollatoren, die von den
Versicherten nicht mehr benötigt wurden und aus diesem Grund eingelagert waren,
abholen und in zentrale Lager verbringen.
Im Jahr 2000 nahm die Beklagte wiederum eine entsprechende öffentliche
Ausschreibung vor. Für das Gebiet des Freistaates Sachsen hat sie mit 11 Anbietern
Sonderverträge für die ausgeschriebenen Produktarten abgeschlossen.
Der “Rahmenvertrag gemäß § 127 SGB V für Sachsen” wurde von der Beklagten
zum 31.07. 2000 gekündigt.
Wird von einem
Leistungserbringer, der nicht zu dem Kreis der
Ausschreibungsgewinner gehört, eine ärztliche Verordnung über ein Hilfsmittel
eingereicht, so beauftragt die Beklagte einen Ausschreibungsgewinner mit der
Versorgung aus ihren Beständen bzw. mit der Neuversorgung. Im Anschluss daran
wird der Patient über das Unternehmen, über welches er das wiederverwendbare
verordnete Hilfsmittel beziehen werden wird, informiert. Die ärztlichen Verordnungen
verbleiben grundsätzlich bei der Beklagten. Den Leistungserbringern, die
Kostenvoranschläge bei der Beklagten einreichen, wird regelmäßig - und zwar auch
dann, wenn ihre Preise jenen der Ausschreibungsgewinner entsprechen - mitgeteilt,
dass eine Versorgung über einen Vertragslieferanten (aus dessen Lagerbestand)
veranlasst worden ist.
Neuzulassungen von Leistungserbringern durch die Beklagte erfolgen grundsätzlich
nur mit Einschränkungen. Von der Zulassung ausgenommen sind regelmäßig die
Neuversorgung, der Wiedereinsatz und Reparaturen von Krankenfahrzeugen,
Sekret-Absauggeräten, Lesehilfen, Badewannenlifter, Gehgestelle und - wagen,
Hilfsmittel gegen Dekubitus, Inhalations- und Atemtherapiegeräte, Apparate zur
Kompressionstherapie, SIDS-Monitore, Lifter, Raupensysteme/Hebebühnen, Sitz-
und Stehhilfen, fremdkraftbetriebene Beintrainer und Toilettensitze.
Die Klägerin hat die Ansicht bezogen, die durch die Beklagte vorgenommene
Ausschreibung verstosse gegen das Zulassungs- und Vertragssystem des SGB V.
Dieses sehe eine sog. “K.O.-Ausschreibung” nicht vor. Der Ausschluss ihrer
Mitglieder zugunsten der Ausschreibungsgewinner sei unzulässig. Der Beklagten
komme überdies eine monopolartige Nachfragerstellung zu. Deren Anteil an den
gesetzlich Versicherten betrage in Aue und Zwickau mehr als 50%. Zumindest aber
bilde sie mit dem anderen gesetzlichen Krankenkassen ein Oligopol. Ihre Mitglieder
würden durch die Vorgehensweise der Beklagten in unbilliger Weise behindert. Die
Beklagte müsse vielmehr mit ihr Verträge über die Versorgung mit Hilfsmitteln
schliessen und dürfe die Versorgung nicht über eine Ausschreibung regeln. Sie hat
daher die Unterlassung der Vorgehensweise der Beklagten und deren Verpflichtung
begehrt, mit ihr in Vertragsverhandlungen einzutreten mit dem Ziel, alle ihre
Mitglieder zu noch zu verhandelnden Preisen, hilfsweise zu den Preisen der
Ausschreibungsgewinner an der Versorgung ihrer Versicherten mit Hilfsmitteln nach
§ 33 SGB V teilhaben zu lassen.
Die Beklagte hat die Klage als unzulässig angesehen, da die Klageanträge nicht hin-
reichend bestimmt seien. Im Übrigen stelle sie auch kein marktbeherrschendes
Unternehmen i. S. des § 20 Abs. 1 GWB dar. Unzutreffend sei auch der Verweis auf
das Vorliegen eines Oligopols. Auch stehe es ihr frei, Ausschreibungen mit dem
Zweck des Abschlusses von Lieferverträgen durchzuführen, wenn und soweit dies
der wirtschaftlichen Sicherstellung ihrer Leistungsfähigkeit diene. Aus einer
Wahlfreiheit der Versicherten könne die Klägerin keine Rechte ableiten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes,
insbesondere der vor dem Landgericht gestellten Anträge wird auf den Tatbestand
des angegriffenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht, welches mit nicht angefochtenem Beschluss vom 28.04. 2000 (Bl.
212f. d. A.) den Rechtsweg zu den ordentlichen Gericht als gegeben angesehen hat,
hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass die
Klageanträge lfd. Nrn. 1 bis 3 sowie die Hilfsanträge lfd. Nrn. 3. a., 5 und 6 mangels
hinreichender Bestimmtheit nicht zulässig seien. Der Klageantrag lfd. Nr. 4 sei
unbegründet. Die Beklagte sei nicht Normadressatin des Diskriminierungsverbotes
des § 20 Abs. 1 GWB i. V. m. § 19 Abs. 3 S. 1 GWB. Zudem liege mit dem Ziel der
Kostendämpfung im Gesundheitswesen auch ein sachlicher Grund vor, der die
Vorgehensweise der Beklagten rechtfertige.
Gegen das am 06.09. 2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.09. 2000
Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 13.11.
2000 begründet.
Sie hat ihre Anträge präzisiert, ohne in der Sache von ihren erstinstanzlichen
Klagezielen abzurücken. Die in den Anträgen verwandten Begriffe “Heilmittel”,
“Versorgung” und “Mitglied” seien jedoch entgegen der Ansicht des Landgerichts
keineswegs unbestimmt. Sie seien durch den auf der Grundlage von § 128 SGB V
erstellten Hilfsmittel-Katalog sowie durch § 33 SGB V definiert. Es handele sich um
sozialrechtliche Fachbegriffe. Auch sei eine namentliche Aufzählung aller ihrer
Mitglieder nicht geboten, zumal diese einer Fluktuation unterlägen. Zu Unrecht sei
das Landgericht auch davon ausgegangen, dass die Beklagte nicht Normadressatin
des § 20 Abs. 1 GWB sei. Eine große Krankenkasse, wie die Beklagte, stelle
grundsätzlich ein marktbeherrschendes Unternehmen dar. Auch habe die Beklagte
hinsichtlich ihrer Mitglieder nach § 177 SGB V ein Monopol. Die ver-
sicherungspflichtig Beschäftigten im Bergbau könnten die Beklagte als Krankenkasse
nicht abwählen. Das Verhalten der Beklagten verstosse zudem gegen Artt. 81f. EGV.
Die Beklagte habe den Hilfsmittelmarkt unter den Ausschreibungsgewinnern verteilt
und verweigere anderen Leistungserbringern den Zugang zum Markt. Ein vom
Patienten ausgewähltes Sanitätshaus erhalte - auch wenn es zu den gleichen oder
gar günstigeren Preisen liefern wolle - keinen Auftrag mehr, wenn es nicht zu dem
Kreis der Ausschreibungsgewinner gehöre. Ein rechtfertigender Grund für die
Vorgehensweise der Beklagten liege nicht vor. Der Grundsatz der Wahlfreiheit der
Versicherten werde durch das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit aus §§
2 Abs. 1, 4, 12 Abs. 1 SGB V überlagert. Hinzu komme, dass sämtliche
Leistungserbringer nach § 126 SGB V zuzulassen seien, wenn sie die
Voraussetzungen hierzu nachwiesen. Der Gesetzgeber habe sich bei der Diskussion
um das Gesundheitsreformgesetz für die Beibehaltung des bewährten Zulas-
sungssystems und der Einführung von Festbeträgen nach § 36 SGB V sowie die
Information der Krankenkassen an ihre Versicherten nach § 127 Abs. 3 SGB V
entschieden. Die von der Beklagten praktizierte “K.O.-Ausschreibung” finde keine
gesetzliche Grundlage. Durch die ausschließliche Berücksichtigung von
Ausschreibungsgewinnern würden gerade alle anderen zugelassenen
Leistungserbringer von der Versorgung der bei der Beklagten Versicherten
ausgeschlossen. Dies sogar dann, wenn im Einzelfall die Preise der
Leistungserbringer unter jenen der Ausschreibungsgewinner lägen. Die Beklagte
gebe ihren Mitgliedern auch keine Gelegenheit entsprechende niedrigere Preise
auszuhandeln. Sie verheimliche sogar die Preise der Ausschreibungsgewinner.
Zudem sei auch anerkannt, dass das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V eine
Bezugssperre nicht rechtfertigen könne. Hinsichtlich der wirtschaftlichen
Auswirkungen des von der Beklagten praktizierten Systems hat die Klägerin diverse
Statistiken (Anlagenband OLG Kl.) vorgelegt. Bei einer Beteiligung am Reha-Umsatz
von ca. 10% seien Umsatzeinbußen in sechsstelliger Höhe jährlich bei einem Betrieb
durchaus realistisch. Eine effektive Kostendämpfung könne auch unter Beachtung
der Vorgaben des SGB V erfolgen, wie das von der AOK Sachsen praktizierte
System zeige. Diese habe mit ihr einen Vertrag über den Neukauf, den
Wiedereinsatz und die Reparatur von Rehabilitationsmitteln (Anlagenband Kl. OLG)
geschlossen und erfasse wiedereinsetzbare Hilfsmittel über eine private Gesellschaft
im Wege der elektronischen Datenverarbeitung. Der jeweilige Leistungserbringer
nehme, wenn ein Versicherter mit einer entsprechenden Verschreibung bei ihm
vorstellig werde, eine Abfrage bei der Datenbank vor, ob in seinem Umkreis in einem
Lager das erforderliche Hilfsmittel vorhanden ist. Sei dies der Fall, hole der jeweilige
Leistungserbringer das Hilfsmittel dort ab und bereite dieses für den Wiedereinsatz
vor, wofür er von der AOK Sachsen eine entsprechende Pauschale erhalte. Sei das
Hilfsmittel im Wiedereinsatzbestand der AOK nicht vorhanden, erfolge ein sog.
Negativ-Ausdruck. Mit diesem zusammen werde bei der AOK die Lieferung eines
neuwertigen Hilfsmittels beantragt. Dieses System solle gegen Ende des Jahres von
diesem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung bundesweit praktiziert werden,
wobei die AOK selbst entsprechende Datenbanken betreiben und nicht mehr auf
private Unternehmen zurückgreifen wolle. Bislang liege bei diesem System die
Wiedereinsatzquote bei annähernd 80% im Vergleich zum Neukauf. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung (Bl. 305 - 326 d.
A.) sowie der Schriftsätze vom 19.03. 2001 (Bl. 415 - 421 d. A.), vom 02.04. 2001 (Bl.
436 - 438 d. A.), vom 19.04. 2001 (Bl. 442 - 445 d. A.), vom 15.05. 2001 (Bl. 457 -
459 d. A.) und vom 16.05. 2001 (Bl. 474f. d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Leipzig
vom 01.09. 2000 - Az.: 02 HKO 7200/99 - zu verurteilen, es bei An-
drohung von Ordnungsmitteln für jeden Fall der Zuwiderhandlung
zu unterlassen:
1. Ausschreibungen mit dem Ziel durchzuführen, sämtliche Versorgungs-
fälle ihrer Versicherten mit Hilfsmitteln i. S. v. § 33 SGB-V von einem oder
mehreren Leistungserbringern unter Ausschluss aller anderen zugelassenen
Leistungsanbieter, die Mitglied der Klägerin sind, durchführen zu lassen,
2. das Ausschreibungsergebnis der Ausschreibung vom Februar 1998 mit
Abgabeende 27.04. 1998 und auch zukünftige Ausschreibungsergebnisse
in der Weise anzuwenden, dass nur ein oder mehrere Leistungserbringer
von Hilfsmitteln i. S. v. § 33 SGB-V an der Versorgung der Versicherten
der Beklagten mit Hilfsmitteln i. S. v. § 33 SGB-V unter Ausschluss aller
anderen zugelassenen Leistungsanbieter, die Mitglied der Klägerin sind,
beteiligt werden,
3. durch Mitglieder der Klägerin eingereichte Kostenvoranschläge über die
Versorgung von Versicherten der Beklagten mit Hilfsmitteln i. S. v. § 33
SGB-V die Versorgung durch andere Leistungserbringer zu veranlassen
und die Kostenvoranschläge ohne die ärztliche Verordnung und ohne
Genehmigung an das einreichende Mitglied der Klägerin zurückzusenden,
hilfsweise,
3. a) eingereichte Kostenvoranschläge der Mitgliedsbetriebe der Klägerin
mit dem Bemerken zurückzusenden, dass ein Vertragslieferant den Auftrag
erhalte,
3. b) ihre Versicherten dahingend zu informieren, dass eine Versorgung mit
Hilfsmitteln nach § 33 SGB-V nur mit bestimmten Vertragslieferanten
vorgenommen wird,
3.c) den Mitgliedern der Klägerin bei der Versorgung mit
wiederverwendbaren Hilfsmitteln gemäß § 33 Abs. 5 SGB-V die Teilnahme
zu ermöglichen, wenn diese zu dem Preis abrechnen, der auch den
Ausschreibungsgewinnern gezahlt wird und auf dieser Grundlage die
eingereichten Kostenvoranschläge zu genehmigen,
hilfsweise für den Fall, dass das Gericht die vorgenannten Anträge als zu
unbestimmt ansehen sollte,
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen,
1. Ausschreibungen über die Versorgung ihrer Versicherten über
Krankenfahrzeuge nach Produktgruppe 18 des Hilfsmittelverzeichnisses nach
§ 128 SGB V,
Absauggeräte für die Atmungsorgange,
Adaptionshilfen für den häuslichen Bereich (Lesehilfen),
Badewannenlifter,
Gehhilfen für den Innenraum, insbesondere Gehgestelle und fahrbare
Gehhilfen,
Hilfsmittel gegen Dekubitus,
Inhalations- und
Atemtherapiegeräte, insbesondere
Beatmungsinhalationsgeräte,
Sauerstofftherapiegeräte, Flaschenständer für
Druckgas-
Sauerstoffversorgungen,
Meßgeräte für Körperzustände, insbesondere Überwachungsgeräte für
Säuglinge,
SIDS Monitore,
Mobilitätshilfen für den häuslichen Bereich, insbesondere fahrbare Lifter
nach der Produktgruppe 22 des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 128
SGB V,
Stehhilfen nach der Produktgruppe 28 des Hilfsmittelverzeichnisses nach
§ 128 SGB V,
Therapeutische Bewegungsgeräte nach der Produktgruppe 32 des
Hilfsmittelverzeichnisses nach § 128 SGB V,
sowie
Toilettenhilfen für den häuslichen Bereich nach der Produktgruppe 33
des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 128 SGB V, insbesondere
Toilettensitzerhöhungen
mit dem Ziel durchzuführen, sämtliche Versorgungsfälle von einem
oder mehreren
Leistungserbringern von Hilfsmitteln unter
Ausschluss der Mitglieder der Klägerin durchführen zu lassen,
2. das Ausschreibungsergebnis der Ausschreibung vom Februar 1998 mit
Abgabeende 27.04. 1998 und zukünftiger Ausschreibungen in der Weise
anzuwenden, dass nur ein oder mehrere Leistungserbringer von Hilfs- und
Rehabilitationsmitteln an der Versorgung unter Ausschluss aller anderen
zugelassenen Leistungsanbieter, die Mitglied der Klägerin sind, beteiligt
werden.
3. von den eingereichten Kostenvoranschlägen der Mitgliedsbetriebe der
Klägerin, insbesondere über die in der Ausschreibung genannten
Rehabilitationsmittel, wie
Krankenfahrzeuge nach Produktgruppe 18 des Hilfsmittelverzeichnisses
nach § 128 SGB V,
Absauggeräte für die Atmungsorgange,
Adaptionshilfen für den häuslichen Bereich (Lesehilfen),
Badewannenlifter,
Gehhilfen für den Innenraum, insbesondere Gehgestelle und fahrbare
Gehhilfen,
Hilfsmittel gegen Dekubitus,
Inhalations- und
Atemtherapiegeräte, insbesondere
Beatmungsinhalationsgeräte, Sauerstofftherapiegeräte, Flaschenständer
für Druckgas-Sauerstoffversorgungen,
Meßgeräte für Körperzustände, insbesondere Überwachungsgeräte für
Säuglinge, SIDS Monitore,
Mobilitätshilfen für den häuslichen Bereich, insbesondere fahrbare Lifter
nach der Produktgruppe 22 des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 128
SGB V,
Stehhilfen nach der Produktgruppe 28 des Hilfsmittelverzeichnisses nach
§ 128 SGB V,
Therapeutische Bewegungsgeräte nach der Produktgruppe 32 des
Hilfsmittelverzeichnisses nach § 128 SGB V,
sowie
Toilettenhilfen für den häuslichen Bereich nach der Produktgruppe 33
des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 128 SGB V, insbesondere
Toilettensitzerhöhungen
die ärztlichen Verordnungen zu entfernen und an Dritte mit dem Ziel
weiterzugeben, dass diese den betreffenden Patienten versorgen,
3. a) eingereichte Kostenvoranschläge der Mitgliedsbetriebe der Klägerin
insbesondere über die in der Ausschreibung genannten Hilfsmittel wie
Krankenfahrzeuge nach Produktgruppe 18 des Hilfsmittelverzeichnisses
nach § 128 SGB V, Absauggeräte für die Atmungsorgange,
Adaptionshilfen für den häuslichen Bereich (Lesehilfen),
Badewannenlifter,
Gehhilfen für den Innenraum, insbesondere Gehgestelle und fahrbare
Gehhilfen,
Hilfsmittel gegen Dekubitus,
Inhalations- und Atemtherapiegeräte, insbesondere Beatmungs-
inhalationsgeräte, Sauerstofftherapiegeräte, Flaschenständer für Druckgas-
Sauerstoffversorgungen,
Meßgeräte für Körperzustände, insbesondere Überwachungsgeräte für
Säuglinge, SIDS Monitore,
Mobilitätshilfen für den häuslichen Bereich, insbesondere fahrbare Lifter nach
der Produktgruppe 22 des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 128 SGB V,
Stehhilfen nach der Produktgruppe 28 des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 128
SGB V,
Therapeutische Bewegungsgeräte nach der Produktgruppe 32 des
Hilfsmittelverzeichnisses nach § 128 SGB V,
sowie
Toilettenhilfen für den häuslichen Bereich nach der Produktgruppe 33 des Hilfs-
mittelverzeichnisses nach § 128 SGB V, insbesondere Toilettensitzerhöhungen
mit dem Bemerken unbearbeitet zurückzusenden, dass ein anderer
Leistungserbringer, mit dem spezielle Verträge bestehen, den Auftrag
erhalte,
4. ihre Versicherten dahingehend zu informieren, dass eine Versorgung mit
Hilfsmitteln, insbesondere Rehabilitationsmitteln, nach § 33 SGB V nur
mit Vertragslieferanten oder den Ausschreibungsgewinnern
vorgenommen wird,
5. die Mitglieder der Klägerin zu Preisen der/des Ausschreibungs-
gewinner(s) an der Versorgung ihrer Versicherten mit Hilfsmitteln nach
§§ 33 SGB V teilhaben zu lassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Klage nach wie vor für unzulässig, da die Anträge nicht
hinreichend bestimmt seien. Der in den Anträgen verwandte Begriff der
Mitgliedsbetriebe sei zu unbestimmt. Gleiches gelte für die in dem Antrag lfd.
Nr. 2 verwandten Begriff des Ausschreibungsergebnisses. Die zu
untersagende Handlung sei präzise zu umschreiben. In der Sache sei darauf
hinzuweisen, dass seit dem 01.01. 2000 gemäß § 87 Abs. 1 S. 2 GWB i. V.
m. § 69 SGB V das GWB auf das vorliegende Streitverhältnis keine
Anwendung finde. Im Übrigen sei sie weder ein marktbeherrschendes
Unternehmen noch bilde sie zusammen mit anderen
Sozialversicherungsträgern ein Oligopol. Der Anteil ihrer Versicherten in
Sachsen müsse ins Verhältnis zu der Gesamtzahl der Einwohner dieses
Bundeslandes gesetzt werden. Dieser betrage dann lediglich 3,19% und sei
damit weit entfernt von der Annahme einer Marktstärke oder
Marktbeherrschung. Auch könne sie nicht als Mitglied eines markt-
beherrschenden Oligopols angesehen werden. Abzustellen sei auf die Sicht
des Anbieters. Unstreitig verhalte sie sich gerade nicht so wie die anderen
Krankenversicherungsträger, die sämtliche
Leistungserbringer ohne
Ausschreibung an der Versorgung ihrer Mitglieder teilhaben liessen. Hieraus
folge, dass unterschiedliche Versorgungsmodelle und damit auch
Nachfragemodelle für wiederverwendbare Hilfsmittel am Markt bestünden.
Damit aber bestehe aus Anbietersicht ein Wettbewerb und zwar zwischen ihr
als nachfragenden Unternehmen mit geringem Marktanteil und den übrigen
Sozialversicherungsträgern. Sie sei als einziger Sozialversicherungsträger
aus der im Übrigen gleichgereichteten Schar der Versorgungsnachfrager
ausgeschert. Dies mache deutlich, dass gerade nicht eine Marktmacht erst
ihr Verhalten ermögliche. Auch verkenne die Klägerin, dass sie mit anderen
Krankenversicherungsträgern in einem Kostenwettbewerb stehe. Außerdem
habe auch den Mitgliedern der Klägerin die Teilnahme an der Ausschreibung
offengestanden. Zutreffend habe das Landgericht überdies darauf
verwiesen, dass ihr Vorgehen jedenfalls durch das Vorliegen sachlicher
Gründe gerechtfertigt sei. Das von ihr praktizierte System biete gegenüber
der von der Klägerin beschriebenen Handhabung durch die AOK Sachsen
Vorteile. Letztere sei mit erheblichen Datenzugriffszeiten befrachtet. Hinzu
trete eine mangelnde Aktualität aufgrund verzögerter Nachspeicherungen
bei Abholungen sowie der Zeitverzug durch die postalische
Hilfsmittelversendung, wobei diesbezüglich auch Kosten entstünden. Das
System werde wegen dieser Schwächen auch von der breiten Masse der
Leistungserbringer und den beteiligten Krankenkassen nicht mehr genutzt.
Bei der von ihr gewählten Konzentration der Lagerführung auf wenige
Unternehmen sei zu berücksichtigen, dass diese jeweils einen guten
Überblick über den eigenen Lagerbestand hätten. Aufgrund des direkten
Zugriffs könnten diese auch zeitnah agieren. Es bestehe ein vertraglich
vereinbartes, stark fristen- sowie formorientiertes System der täglichen
Lageraufnahme und regelmäßigen Lagergesamtbestandsmeldungen. Das
System erfordere weder eine zeitintensive Recherche noch einen
Hilfsmittelversand. Hinzu träten verwaltungsökonomische Vorteile, da die
Auftragsabwicklung gebündelt erfolgen könne. Im Übrigen sei auch durch die
Auswahl der Leistungserbringer gewährleistet, dass für die Versicherten
keine Nachteile hinsichtlich der Beratung und der sonstigen
Serviceleistungen entstünden. Ferner könne die Klägerin auch nicht mit
Erfolg auf sozialrechtliche Grundsätze verweisen. Von einem etwaigen
Grundsatz der freien Wahl des Leistungserbringers durch den Versicherten
bestünden jedenfalls Ausnahmen. Ein solcher Fall sei in § 33 Abs. 5 SGB V
normiert, wonach der Krankenversicherungsträger die erforderlichen
Hilfsmittel dem Versicherten auch leihweise überlassen könne. Davon
mache sie Gebrauch, so dass hier per se schon das Recht auf freie Wahl
des Leistungserbringers nicht gegeben sei. Unabhängig davon stehe ein
solches Recht nur dem Versicherten zu. Die Klägerin könne sich darauf nicht
berufen. Auch wäre die Beibehaltung der von der Klägerin eingeforderten Art
und Weise der Versorgung
europarechtswidrig. Als öffentliches
Unternehmen sei sie bei der Beschaffung von Leistungen verpflichtet
europaweit auszuschreiben und die Ausschreibungsgewinner die
Versorgung durchführen zu lassen. Insoweit werde das deutsche Sozialrecht
jedenfalls durch höherrangiges Recht verdrängt. Wegen der weiteren Einzel-
heiten wird auf den Inhalt der Berufungserwiderung (Bl. 328 - 339 d. A.) und
der Schriftsätze vom 21.03. 2001 (Bl. 422 - 435 d. A) sowie vom 03.05. 2001
(Bl. 447 - 454 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zum überwiegenden Teil begründet.
I.
1.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts sind sämtliche Hauptanträge
hinreichend bestimmt i. S. des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Die Begriffe Hilfsmittel und Versorgungsfälle stellen Rechtsbegriffe dar, die
durch das SGB V eine inhaltliche Präzisierung erhalten. Der Begriff des
Hilfsmittels ist in § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V definiert. Insoweit kann zwischen den
Parteien kein Streit bestehen, was mit diesem Begriff inhaltlich umfasst sein
soll, zumal auch die Beklagte außer dem pauschalen Hinweis auf die fehlende
Bestimmtheit keine Begründung angibt, welche konkreten Unklarheiten sich bei
der Verwendung dieses Begriffs ergeben sollen. Sie selbst bedient sich dieses
Begriffes im Rahmen des angegriffenen Verhaltens, wie aus den vorliegenden
Ausschreibungsunterlagen zu entnehmen ist. Die Frage, ob sich diese
Ausschreibung auf sämtliche Hilfsmittel oder nur einem Teilbereich bezieht,
ändert nichts an der inhaltlichen Bestimmtheit des Klageantrages, sondern hat
lediglich Bedeutung für die Frage der Begründetheit der Klage. Nichts anderes
gilt hinsichtlich der in den Anträgen enthaltenen Formulierungen
“Versorgungsfälle” und “Versorgung”, von welchem ebenfalls das SGB V
ausgeht und welche auch die Beklagte bei ihrer Ausschreibung verwendet.
Soweit die Beklagte schließlich rügt, dass es erforderlich sei, sämtliche
Mitglieder der Klägerin in die Klageanträge aufzunehmen kann dem ebenfalls
nicht beigetreten werden. Auch der Begriff des Mitglieds lässt an seiner
inhaltlichen Bestimmtheit der Klageanträge keine Zweifel. Ob dieses
hinreichend konkrete Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, lässt sich anhand einer
aktuellen Mitgliedsliste der Klägerin ohne weiteres ermitteln. Einer Aufnahme
sämtlicher Mitglieder bedarf es unter dem Gesichtspunkt der Umschreibung der
Verletzungshandlung nicht. Ein Streit um die Frage, ob ein konkret
benachteiligtes Unternehmen tatsächlich Mitglied der Klägerin ist, ist vielmehr
auf der Vollstreckungsebene zu klären, zumal der Bestand der Mitglieder der
Klägerin Schwankungen unterworfen ist.
2.
Auch fehlt dem Hauptantrag lfd. Nr. 2 sowie dem Hilfsantrag lfd. Nr. 2 nicht das
Rechtsschutzbedürfnis. Er umschreibt mit der Unterlassung der Anwendung der
Ausschreibungsergebnisse in globaler Form das Rechtsschutzziel der Klägerin.
Danach soll es die Beklagte unterlassen, lediglich einen oder mehrere
Leistungserbringer unter
Ausschluss aller anderen zugelassenen
Leistungserbringer mit der Versorgung von Hilfsmitteln zu betrauen. Die
angeführten Anträge
beinthalten mit einem derartig formulierten
Unterlassungsgebot einen hinreichend vollstreckungsfähigen Inhalt. Auch
enthalten weder der Hauptantrag lfd. Nr. 3 noch die Hilfsanträge zu lfd. Nr. 3
eine bloße Wiederholung der bereits mit dem Haupt- und Hilfsanträgen lfd. Nrn.
2 beschriebenen Verletzungshandlung. Das in den Haupt- und Hilfsanträgen lfd.
Nrn. 3 formulierte Rechtsschutzziel betrifft vielmehr eine weitere Ausprägung
des inkriminierten Verhaltens der Beklagten und ergänzt somit den Hauptantrag
lfd. Nr. 2 bzw. die Hilfsanträge lfd. Nr. 2.
3.
Über die Frage, ob der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist,
hat das Landgericht vorab mit Beschluss vom 28.04. 2000 entschieden. Das
Landgericht hat darin die mit dem Inkrafttreten des Gesundheitsreformgesetzes
2000 vom 22.12. 1999 (BGBl. I, S. 2626) eingetretene Änderung der
Rechtslage unberücksichtigt gelassen. Aus der Neufas-sung der §§ 87 Abs. 1
GWB, 69 SGB V und 59 Abs. 2 SGG folgt vielmehr, dass für die Entscheidung
des Rechtsstreits die Sozialgerichte zuständig sind (BGH, Beschl. v. 14.03.
2000 - KZB 34/99, NJW 2000, 2749). Da der Beschluss des Landgerichts vom
28.04. 2000, mit dem es rechtsfehlerhaft den Rechtsweg zu den ordentlichen
Gerichten als zulässig angesehen hat, von den Parteien nicht angefochten
wurde, ist der Senat nach § 17a Abs. 5 GVG an die Entscheidung des
Landgerichts gebunden.
II.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Unterlassungsanspruch
nach §§ 20 Abs. 1, 33 GWB im Umfang der Hauptanträge lfd. Nrn. 2 und 3 zu, wobei
eine Beschränkung auf wiederverwendbare Hilfsmittel vorzunehmen war. Nur in
diesem Bereich erfolgt das beanstandete Verhalten der Beklagten. Dass die
Beklagte darüberhinausgehend die Versorgung ihrer Versicherten mit sämtlichen
Hilfsmitteln über im Wege einer öffentlichen Ausschreibung ermittelte Unternehmen
vornehmen will, ist von der Klägerin weder vorgetragen worden noch sonst
ersichtlich.
1.
Entgegen der Ansicht der Beklagten findet auf das hier in Rede stehende
Rechtsverhältnis zwischen Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung und
den Leistungserbringern auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform
der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-
Gesundheitsreformgesetz 2000) vom 22.12. 1999 (BGBl. I 2626) das GWB
Anwendung.
a) Durch dieses Gesetz erhielt § 69 SGB-V eine neue Fassung. Nach dessen
Abs. 1 S. 1 regelt das vierte Kapitel (Beziehungen der Krankenkassen zu den
Leistungserbringern) des SGB V sowie §§ 63, 64 SGB V abschliessend die
Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten,
Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen
Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der Beschlüsse der
Bundes- und Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94 SGB V. Ferner
bestimmt § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V, dass für diese Rechtsbeziehungen im
Übrigen die Vorschriften des BGB entsprechend gelten, soweit sie mit den
Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der
Beteiligten nach dem vierten Kapitel des SGB V vereinbar sind.
b) Diese Gesetzesänderung wird zum Teil dahingehend verstanden, dass die
Rechtsbeziehungen zwischen den Trägern der gesetzlichen
Krankenversicherung und den
Leistungserbringern pauschal dem
öffentlichen Recht zugewiesen und der Anwendung des deutschen
Kartellrechts entzogen worden seien (Langen/Bunte-Bornkamm, Kommentar
zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 9. Aufl. 2001, § 87 Rn. 6b;
Frankfurter Kommentar-Meyer-Lindemann, GWB, 46. Erg.-Lief., § 87 Rn. 17,
19; Boecken, NZS 2000, 269ff., 271; Neumann, WuW 1999, 961ff., 963, 965;
Schwerdtfeger, Die Neufassung des § 69 SGB-V im Gesetzentwurf “GKV-
Gesundheitsreform 2000” - ein rechtsstaatlicher Rückschritt ohne sachliche
Rechtfertigung, S. 4ff.; Peikert/Kroel, MedR 2001, 14ff., 19f.). Verwiesen wird
zur Begründung insbesondere auf die Gesetzesmaterialien, in denen
ausgeführt ist, dass die Krankenkassen und ihre Verbände in den genannten
Rechtsbeziehungen ihren öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag erfüllen
und nicht als Unternehmen i. S. des Privatrechts, einschließlich des
Wettbewerbs- und Kartellrechts handeln (BT-Drs. 14/1245, 67f.).
c) Demgegenüber sieht eine andere Ansicht in der am 01.01. 2000 in Kraft
getretenen Einfügung des § 87 Abs. 1 S. 3 GWB und der Änderung des § 51
Abs. 2 SGG und des § 69 SGB V lediglich eine Rechtswegzuweisung. Ziel
der Neuregelungen sei allein die Zuweisung des Rechtswegs in diesen
Leistungsbereichen zu den Sozialgerichten, während ihnen ein genereller
Ausschluss des UWG und des GWB ebenso wie des europäischen
Wettbewerbsrechts nicht zu entnehmen sei. Daher seien die Sozialgerichte
nunmehr auch verpflichtet zu prüfen, ob die Auswirkungen des Handelns der
Institutionen der gesetzlichen Krankenversicherung im Verhältnis zu den
Leistungserbringern materiell kartellrechtswidrig seien (BSG, Urt. v. 28.06.
2000 - B 6 KA 26/99 R, UA 14 = Anlagenband OLG Kl.; Engelmann, NZS
2000, 213ff., 220f.; Stelzer, SozVers 2000, 141ff., 145; ders., SozVers 2000,
169ff., 171f.; Hänlein/Kruse, NZS 2000, 165ff., 173, Knispel, NZS 2000,
379ff., 380).
d) Wiederum eine andere Ansicht geht zwar davon aus, dass nach der
Neuregelung das
Leistungserbringungsrecht der gesetzlichen
Krankenversicherung dem Anwendungsbereich von GWB und UWG
entzogen sei. Jedoch stehe diese Regelung unter Berücksichtigung der
Rechtsprechung des
EuGH, der von einem funktionalen
Unternehmensbegriff ausgehe und gerade auch das Verhalten von Trägern
der Sozialversicherung an Artt. 81f. EGV messe, zu Art. 86 Abs. 1 EGV nicht
in Einklang. Insoweit handele es sich um eine offensichtliche
Kompetenzanmaßung des deutschen Gesetzgebers, die gerade wegen
dieses krassen Verstosses gegen die aus dem Vorrangprinzip i. V. m. Art. 10
EGV folgende Pflicht, keine gemeinschaftsrechtswidrigen Rechtsakte zu
setzen, schon a priori keine Rechtswirkungen entfalten könne. Da die Art.
81f. EGV in vollem Umfang anwendbar blieben, laufe die Neuregelung ins
Leere (Gassner, VSSR 2000, 121ff., 144f.; Schwerdtfeger, Die Neufassung
des § 69 SGB-V im Gesetzentwurf “GKV-Gesundheitsreform 2000” - ein
rechtsstaatlicher Rückschritt ohne sachliche Rechtfertigung, S. 32f.).
e) Dieser zuletzt dargestellten Auffassung kann indessen nur insoweit gefolgt
werden, als der nationale Gesetzgeber über die Anwendbarkeit der Art. 81f.
EGV nicht disponieren kann (vgl. auch Langen/Bunte-Bornkamm,
Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 9. Aufl., § 87 Rn.
6c). Jedoch können Artt. 81f. EGV nur dann herangezogen werden, wenn
die wettbewerbsbeschränkende Maßnahme geeignet ist, den Handel
zwischen den Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen. Daran fehlt es, wenn sich
die Wirkungen - wie vorliegend - völlig auf das Gebiet eines Mitgliedstaates
beschränken (vgl. Emmerich, Kartellrecht, 8. Aufl., § 33 sub 2. m. w. Nw.).
Demgegenüber kann nach Ansicht des Senats § 69 SGB V schon nicht i. S.
eines Ausschlusses der Anwendbarkeit des Kartellrechts verstanden
werden.
aa) Der Wortlaut des § 69 SGB V beantwortet zunächst nicht die Frage, was
gilt, wenn ein Handeln im Wettbewerb vorliegt, dieses Handeln aber
gerade nicht in den Vorschriften des SGB V geregelt wird.
Diskrimierungen von
Leistungserbringern,
wettbewerbswidrige
Bezugssperren u. ä. sind keine Vorgänge, die im SGB V ihre Regelung
erfahren. Auch § 69 S. 3 SGB V mit der Anordnung der “entsprechenden
Geltung” des BGB sagt für sich gesehen noch nichts über die Frage der
unmittelbaren Anwendung des UWG und des GWB aus (Bill, Sgb 2000,
359ff., 360; Engelmann, NZS 2000, 213ff., 221). Vielmehr ist mit dem
Wortlaut des § 69 SGB V auch lediglich ein Verständnis vereinbar,
wonach das Handeln der darin angesprochenen Subjekte einheitlich dem
öffentlichen Recht i. S. einer Rechtswegzuweisung zugeordnet werden
soll. Allein dies aber schliesst die Anwendbarkeit des Kartellrechts nicht
aus (vgl. nur Neumann, WuW 1999, 961ff., 964; Stelzer, SozVers 2000,
141ff., 146ff.; Engelmann, NZS 2000, 213ff., 221 jeweils m. w. Nw.).
bb) Auch der Verweis auf die Gesetzgebungsgeschichte ist entgegen der
Ansicht der Vertreter eines Ausschlusses des Wettbewerbsrechts nicht
durchschlagend. Zwar wird in der Begründung des Gesetzesentwurfs
ausgeführt, dass die Krankenkassen und ihre Verbände in den von § 69
SGB V erfassten Rechtsbeziehungen ihren öffentlich-rechtlichen Versor-
gungsauftrag erfüllen und nicht als Unternehmen im Sinne des
Privatrechts, einschließlich des Wettbewerbs- und Kartellrechts handeln
(BT-Drs. 14/1245, S. 68). Zugleich heißt es dort jedoch in Bezug auf § 69
S. 4 SGB V, dass es sich insoweit nur um eine Klarstellung und um eine
Beseitigung von Unklarheiten bei der Rechtswegzuweisung handele.
Damit aber ist die Gesetzesbegründung selbst keineswegs eindeutig.
cc) Weiter führt demgegenüber die Systematik des Gesetzes. Aus der
Neufassung des § 51 Abs. 2 S. 2 SGG ergibt sich gerade nicht, dass das
GWB insgesamt auf das Verwaltungshandeln der Institutionen der GKV
nicht anzuwenden ist. Die Vorschrift lautet vielmehr: “§§ 87 und 96 des
Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen finden keine Anwen-
dung”. Sie schliesst damit über die Nichtanwendung der §§ 87, 96 GWB
lediglich den Rechtsweg zu den Zivilgerichten, nicht aber die Anwendung
des GWB ingesamt aus. In die gleiche Richtung weist der neue S. 3 des
§ 87 Abs. 1 GWB. Danach gilt Abs. 1 S. 1 der Vorschrift mit seiner
Begründung der ausschließlichen Zuständigkeit der Landgerichte für
Kartellrechtsstreitigkeiten nicht für Rechtsstreitigkeiten, soweit hierdurch
Rechte Dritter betroffen sind. Auch mit dieser Regelung wird die
Anwendbarkeit des GWB nicht ausgeschlossen. Im Gegenteil bedürfte
es dieser Anordnung nicht mehr, wenn sich bereits aus § 69 SGB V der
Ausschluss des Kartellrechts ergäbe. Hinzu tritt als weiterer maßgeb-
licher Gesichtspunkt der Umstand, dass der Gesetzgeber in § 130 GWB
nach wie vor die Anwendung des GWB auch auf öffentliche
Unternehmen postuliert und insoweit keine Bereichsausnahme für
gesetzliche Krankenkassen angeordnet hat, obgleich dies der syste-
matisch zutreffende Standort gewesen wäre. Die Systematik der
gesetzlichen Regelungen deuten somit darauf hin, dass insoweit allein
die Zuweisung des Rechtswegs für die genannten Streitigkeiten zu den
Sozialgerichten beabsichtigt war (Engelmann, NZS 2000, 213ff., 221).
dd) Hinzu treten schließlich
verfassungsrechtliche Bedenken bei
Zugrundelegung eines Ausschlusses des Kartellrechts speziell im
Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG, da das Verständnis des § 69 SGB V als
Bereichsausnahme eines hinreichend sachlichen Grundes entbehrt.
Unternehmen, denen gegenüber sich Krankenkassen(verbände) in
eigentlich kartell-rechtlich zu sanktionierender Art und Weise verhalten,
würden weitgehend schutzlos gestellt. Der Gesetzgeber entzöge den
Unternehmen, die mit Krankenkassen und deren Verbänden
kontrahieren, den Schutz des Kartell- und Wettbewerbsrechts, während
sich Unternehmen, die Leistungen an Privatversicherte erbringen, nach
wie vor auf diesen Schutz berufen können. Ein sachlicher Grund für
diese Differenzierung ist nicht erkennbar. Zudem liegt in der gänzlichen
Versagung
kartell- und
wettbewerbsrechtlicher Ansprüche ein
unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit der betroffenen
Unternehmen, wobei ist insbesondere zu berücksichtigen ist, dass es
sich bei den sog. Leistungserbringern überwiegend um kleinere und
mittlere Unternehmen mit einer entsprechend geringen Marktmacht
handelt (Neumann, WuW 1999, 961ff., 965; Schwerdtfeger, Die
Neufassung des § 69 SGB-V im Gesetzentwurf “GKV-Gesundheitsreform
2000” - ein rechtsstaatlicher Rückschritt ohne sachliche Rechtfertigung,
S. 41ff.; vgl. auch Peikert/ Kroel, MedR 2001, 14ff., 18f.). Geht man von
dieser Prämisse aus, so spricht auch dies dafür, § 69 SGB V
verfassungskonform auszulegen und auf die Rechtswegfrage zu
reduzieren.
2.
Die Klagebefugnis der Klägerin ergibt sich aus § 33 S. 2 GWB. Nach dieser
Vorschrift kann der Unterlassungsanspruch nach § 33 S. 1 GWB nicht nur von
den Betroffenen, sondern auch von rechtsfähigen Verbänden zur Förderung
gewerblicher Interessen geltend gemacht werden. Hierzu gehören auch die
öffentlich-rechtlich verfassten Berufsorganisationen (BGH, Urt. v. 14.03. 2000 -
KZR 15/98, WRP 2000, 759ff., 760 sub II. 2. a.), zu deren Kreis die Klägerin
gehört. Diese macht zudem mit der Behauptung der Verletzung des
Diskriminierungsverbotes einen Verstoss gegen eine Norm geltend, die
Individualschutzwirkungen entfaltet, wobei unabhängig von der Darlegung der
konkreten Verletzung von Mitgliedern durch die Klägerin bereits ausreichend ist,
dass ihr Aufgaben- und Tätigkeitskreis berührt ist (vgl. Wiedemann-Topel,
Handbuch des Kartellrechts, 1999, § 50 Rn. 76; Immenga/Mestmäcker-
Emmerich, GWB, 2. Aufl., § 35 Rn. 109 jeweils m. w. Nw.).
3.
Die Beklagte ist auch Normadressat des in § 20 Abs. 1 GWB verankerten
Diskriminierungsverbotes.
a) Nach § 130 Abs. 1 S. 1 GWB (§ 98 Abs. 1 GWB a. F.) findet das GWB auch
auf Unternehmen Anwendung, die ganz oder teilweise im Eigentum der
öffentlichen Hand stehen oder die von ihr verwaltet oder betrieben werden.
Die Rechtsform des Unternehmens ist insoweit ebensowenig entscheidend,
wie die Frage, ob dieses auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist. Maßgebend
ist vielmehr, ob es sich um eine selbstständige, nicht rein private und
außerhalb des Erwerbslebens liegende Tätigkeit einer Person in der
Erzeugung oder Verteilung von Waren oder gewerblichen Leistungen
handelt (Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl., § 98 Rn. 42). Vor diesem
Hintergrund unterliegt auch die Beklagte als Körperschaft des öffentlichen
Rechts ebenso wie andere Sozialversicherungsträger bei der Nachfrage
nach Heil- und Hilfsmitteln den Vorschriften des GWB
(Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl., § 98 Rn. 56 m. w. Nw.). Der
Umstand, dass das beanstandete Verhalten der Beklagten in anderen
Zusammenhängen auch öffentlich-rechtliche Verhältnisse tangiert, etwa den
Leistungsanspruch der Versicherten oder die aus der Zulassung der
Leistungserbringer folgende Berechtigung zur bundesweiten Versorgung der
Versicherten der zulassenden Krankenkasse (Hauck, SGB V, 14. Erg.-Lief.
XII/93, K § 126 Rn. 1; Kasseler-Kommentar-Hess, Sozialversicherungsrecht,
10. Erg.-Lief. Feb. 1994, § 126 SGB V Rn. 1), führt gleichfalls nicht dazu, die
Anwendbarkeit des GWB zu verneinen. Ein Verhalten kann unmittelbar in
Wettbewerbsverhältnisse zwischen Unternehmen eingreifen und sich
zugleich auch als öffentlich-rechtlich darstellen. Auch bei dem Vorliegen
eines derartigen Verhaltens mit Doppelcharakter unterliegen seine
wettbewerbsbezogenen Auswirkungen einer kartellrechtlichen Überprüfung
(Langen/ Bunte-Schultz, GWB, 9. Aufl., § 20 Rn. 27 m. w. Nw.).
b) Die Beklagte und die Mitglieder der Klägerin sind auch Teilnehmer eines
Marktes. Abzustellen ist auf den Markt für Hilfsmittel, auf dem die Mitglieder
der Klägerin ihre Leistungen anbieten und auf dem sie sich durch das
beanstandete Verhalten beeinträchtigt sehen. Auf diesen Markt tritt die
Beklagte als Nachfrager auf.
aa) Die Leistungsbeziehungen innerhalb des Systems der gesetzlichen
Krankenversicherung sind durch verschiedene Ebenen geprägt. Zum
einen durch das Deckungsverhältnis zwischen dem Versicherten und
der Krankenkasse, die wiederum nach Maßgabe des SGB V mit den
sog. Leistungserbringern Rahmenvereinbarungen betreffend die
Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln schliessen können. Zwischen den
Versicherten und den Leistungserbringern kommen zum anderen unter
Beachtung ihres Versicherungsschutzes privatrechtliche Verträge über
die konkrete Leistungserbringung zustande, während die Abrechnung
mit den Trägern der Krankenversicherung erfolgt (Hauck, SGB-V, 52.
Erg.Lief. September 2000, § 125 Rn. 6ff. sowie Anl. zu Rn. 7 - 9, § 127
Rn. 3). Die fehlende vertragliche Bindung zwischen den
Leistungserbringern und den Krankenkassen auf der sog. Lei-
stungsebene führt dabei nicht zum Entfallen eines zwischen diesen
bestehenden Marktes. Entscheidend ist vielmehr die wirtschaftliche
Betrachtungsweise. In dieser Hinsicht sind die Rechtsbeziehungen
zwischen den Versicherten und den Leistungserbringern aber durch die
Kostenübernahme vorgeprägt. Dies kommt durch die in § 127 Abs. 1, 2
SGB V eröffnete Möglichkeit des Abschlusses von Verträgen über die
Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln und der
Abrechnungsmodalitäten zum Ausdruck. Bei einer funktionalen
Betrachtungsweise stellen die Versicherten mit ihrem
Nachfrageverhalten auf dem medizinischen Sach- und
Dienstleistungsmarkt in einem weiteren Sinne lediglich Repräsentanten
der Krankenkassen dar (Busche, OLG-NL 2000, 84ff., 85; grundlegend
BGH, Urt. v. 12.03. 1991 - KZR 26/89, BGHZ 114, 218ff., 229f.; zuletzt
BGH, Urt. v. 14.03. 2000 - KRZ 15/98, NJW 2000, 3426ff. 3427 r. Sp.
sub 2. b. m. w. Nw.).
bb) Das Vorliegen eines derartigen Marktes kann auch nicht mit dem
Hinweis darauf in Abrede gestellt werden, dass die Beklagte im
Rahmen des § 33 Abs. 5 SGB V die hier in Rede stehenden Hilfsmittel
ihren Versicherten lediglich leihweise zur Verfügung stellt. Die
Hilfsmittel müssen für ihren weiteren Einsatz desinfiziert, durchgesehen
und mitunter instandgestand sowie zum Teil auf die konkreten
Bedürfnisse der Versicherten eingestellt werden. Diese Leistungen wie
auch die Beratung der Versicherten und der weitere Kundendienst
können ebenso wie der Transport, die Lagerung und Verwaltung der
Hilfsmittel bis zu ihrem Wiedereinsatz gleichfalls durch die Mitglieder
der Klägerin als sog. Leistungserbringer erbracht werden. Auch die
Beklagte bestreitet in diesem Zusammenhang nicht, dass die
Leistungen, die sie im Wege der öffentlichen Ausschreibung vergibt,
ebenfalls durch die Mitglieder der Klägerin erbracht werden können.
Diesbezüglich hat sie gerade darauf verwiesen, dass sich diese an der
Ausschreibung hätten beteiligen können. Wie an späterer Stelle noch
zu zeigen sein wird, führt die der Beklagten nach § 33 Abs. 5 S. 1 SGB
V zustehende Möglichkeit, ihren Versicherten wiederverwendbare
Hilfsmittel leihweise zur Verfügung zu stellen, zudem noch nicht dazu,
dass die zuvor beschriebenen Leistungsebenen nicht gegeben sind.
Auch im vorliegenden Falle treten die sog. Ausschreibungsgewinner
gegenüber den Versicherten der Beklagten als Leistungserbringer i. S.
des § 2 SGB V auf.
c)
Die Beklagte ist weiterhin ein Unternehmen, das zusammen mit anderen
Unternehmen marktbeherrschend i. S. des § 19 Abs. 2 S. 2 GWB ist.
aa) Zunächst kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte allein ein
marktbeherrschendes Unternehmen i. S. des § 19 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
GWB darstellt. Nach § 19 Abs. 3 S. 1 GWB wird vermutet, dass ein
Unternehmen marktbeherrschend ist, wenn es einen Marktanteil von
einem Drittel hat. Der sachlich gegenständliche Markt, nach den obigen
Ausführungen der Markt mit medizinischen Sach- und Dienstleistungen,
ist hier in räumlicher Hinsicht abzugrenzen, da eine
marktbeherrschende Stellung immer in einem bestimmten Gebiet
besteht. Abzustellen ist dabei auf das Kriterium der Austausch-
möglichkeiten aus der Sicht der
Abnehmerdisponenten
(Immenga/Mestmäcker-Möschel, GWB, 2. Aufl., § 22 Rn. 35 m. w.
Nw.).
aaa) Bezogen auf das Gebiet des Freistaates Sachsen als dem hier
relevanten räumlichen Markt ist der Vortrag zu einer
marktbeherrschenden Stellung der Beklagten, nicht schlüssig. Die
Beklagte allein besitzt nach den unstreitigen Eckdaten von
4.489.415 Einwohnern des Freistaates Sachsen zum 01.01. 1999
und landesweit 143.917 Versicherten für sich gesehen keine
marktbeherrschende Stellung in diesem Bundesland.
bbb) Auch ist nicht in hinreichendem Maße vorgetragen, dass die
Beklagte auf einzelnen regionalen und lokalen Teilmärkten
innerhalb des Gebietes des Freistaates Sachsen über eine
marktbeherrschende Stellung verfügt. Zwar kann sich der
Wirkungskreis für kleinere und mittlere Unternehmen, die als sog.
Leistungserbringer für Hilfsmittel nach § 33 SGB V auftreten, auf
eine Gemeinde oder einen Landkreis beschränken. In einem
solchen Falle ist auf den Aktionsradius dieser Leistungserbringer
abzustellen und bezogen auf das entsprechende Gebiet zu fragen,
ob nicht der Beklagten eine marktbeherrschende Stellung zu-
kommt. Da als Nachfrager für Hilfsmittel i. S. des § 33 SGB V nicht
allein die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung
sondern auch die freiwillig Versicherten oder der geringe Anteil der
nicht versicherten Personen in Betracht kommt, ist insoweit auf die
Relation zwischen den bei der Beklagten versicherten
Personenkreis und der jeweiligen Einwohnerzahl abzustellen
(OLG Hamburg, Urt. v. 10.04. 1997 - 3 U 164/92, NJW-RR 1998,
404ff., 405). Die Klägerin hat jedoch trotz der Erörterungen im
Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 18.01. 2001 und des
Hinweisbeschlusses des Senats vom 08.02. 2001 nicht in
schlüssiger Weise das Bestehen lokaler Teilmärkte vorgetragen,
in denen die Beklagte als marktbeherrschend anzusehen ist. Die
Klägerin hat lediglich unter Bezugnahme auf Auskünfte der
Beklagten, bei der nach § 177 SGB V in Bergbaubetrieben
beschäftigte Personen versichert sind, dargelegt, dass diese in
Aue über 24.967 und in Zwickau über 20.200 Versicherte verfüge.
Dem Hinweis der Beklagten im Rahmen des Senatstermins vom
18.01. 2001, dass es sich diese Zahlen nicht auf die jeweiligen
Stadtgebiete, sondern die ihnen zuzuordnenden Bezirke bezögen,
ist die Klägerin nicht entgegengetreten.
bb) Die Beklagte ist jedoch als Mitglied eines Oligopols und damit als
marktstarkes Unternehmen i. S. des § 19 Abs. 2 S. 2 GWB anzusehen.
aaa) Nach § 19 Abs. 2 S. 2 GWB sind zwei oder mehr Unternehmen
marktbeherrschend, soweit zwischen ihnen für eine bestimmte Art
von Waren oder gewerblichen Leistungen ein wesentlicher
Wettbewerb nicht besteht und soweit sie in ihrer Gesamtheit die
Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 S. 1 GWB erfüllen. Diese
Voraussetzungen sind bezogen auf die Gesamtheit der
gesetzlichen Krankenkassen, zu welchen auch die Beklagte
gehört, gegeben.
) Zunächst besteht zwischen den Trägern der gesetzlichen
Krankenversicherung kein wesentlicher Wettbewerb bezogen auf den oben
umschriebenen Nachfragemarkt. Soweit verschiedentlich die Ansicht
vertreten wird, die gesetzlichen Krankenkassen seien nicht als Oligopol
anzusehen, weil sie bezogen auf den Kreis der Versicherten in einem
Wettbewerb stünden (OLG Düsseldorf (Urt. v. 02.02. 1999 - U (Kart) 4/98,
Zahntechniker-Handwerk II zit. bei Schultz/Wagemann, Kartellrechtspraxis
und Kartellrechtsprechung 1999/2000, 15. Aufl., Rn. 555), beruht dies auf
einem fehlerhaften Ansatzpunkt. Entscheidend ist nicht, ob es zwischen den
Unternehmen gänzlich an einem Wettbewerb fehlt, sondern lediglich, ob auf
dem in Rede stehenden Markt kein wesentlicher Wettbewerb vorhanden ist.
Insoweit geht es nicht um den Angebotsmarkt der Träger der gesetzlichen
Krankenversicherung, sondern um den Nachfragemarkt nach Hilfsmitteln
(OLG Jena, Urt. v. 23.03. 2000 - 2 U 1159/99, WuW/E D-ER 500ff., 504). Auf
diesem Markt aber besteht zwischen den Trägern der gesetzlichen
Krankenkassen kein wesentlicher Wettbewerb. Der Gesetzgeber hat im
Rahmen des SGB V ein System geschaffen, innerhalb dessen die
Modalitäten der Leistungserbringung geregelt werden sollen. Im Grundsatz
haben die Kassen auf der Grundlage teils sehr enger gesetzlicher Vorgaben
über ihre Verbände Rahmenvereinbarungen mit den Verbänden der
Leistungserbringer zu schliessen, in denen die wesentlichen Grundlagen
über die Voraussetzungen, Art und Kosten der Leistungen geregelt sind. Für
den Bereich der orthopädischen Hilfsmittel folgt dies aus § 127 SGB V. Nach
dessen Abs. 1 schliessen über die Einzelheiten der Versorgung mit
Hilfsmitteln sowie über die Abrechnung der Restbeträge die Landesverbände
der Krankenkassen sowie die Verbände der Ersatzkassen auf Landesebene
mit Wirkung für ihre Mitgliedskassen Verträge mit Leistungserbringern oder
den Verbänden der Leistungserbringer. Zweck dieser Regelung ist die
Gewährleistung einer bedarfsgerechten Hilfsmittelversorgung, die auch eine
qualitativ gleichwertige Versorgung sicherstellen soll. Wie aus § 128 SGB V,
aber auch aus § 125 Abs. 1 SGB V zu entnehmen ist, sollen dabei die
Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam und einheitlich handeln,
sich mithin über die zu treffenden Entscheidungen einigen. Unter
Berücksichtigung dieser funktionalen Vorgaben des Gesetzgebers ist nicht
erkennbar, dass es einen Wettbewerb der einzelnen Kassen um einzelne
Leistungserbringer gibt. Es gibt auf dieser Grundlage etwa kein
Sanitätshaus, das zu besseren oder schlechteren Bedingungen nur für einen
Träger der gesetzlichen Krankenversicherung tätig wird. Vielmehr ist das
gesetzgeberische Leitbild gerade von einem
harmoninisierten
Zusammenwirken der gesetzlichen Krankenkassen getragen, was auch für
die Wertung im Rahmen des § 19 Abs. 2 GWB von Bedeutung ist (OLG
Jena, Urt. v. 23.02. 2000 - 2 U 1159/99, WuW/E DE-R 500ff., 503)
) Darüberhinaus liegt auch eine Marktbeherrschung durch die Träger der
gesetzlichen Krankenversicherung vor. Diese verfügen über die erforderliche
Nachfragemacht. Jene ist davon abhängig, inwieweit die Marktgegenseite
der Anbieter auf andere Nachfrager ausweichen kann und dadurch dem
Verhaltensspielraum eines Nachfragers durch die konkurriende Nachfrage
anderer Abnehmer begrenzt ist. Maßgebend ist insoweit die
Austauschbarkeit der Nachfrager aus der Sicht der Anbieter, mithin
insbesondere die Frage nach alternativen Absatzwegen, die dem Anbieter
zur Verfügung stehen (Langen/Bunte-Ruppelt, GWB, 9. Aufl., § 19 Rn. 23 m.
w. Nw.). In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass 1996 die
Zahl der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung 88,46% der
Bevölkerung, gegenüber 9,05% Versicherungsnehmern in der privaten
Versicherungswirtschaft betrug. Der Zahl der Versicherten in der
gesetzlichen Krankenversicherung ist dabei auch in den Jahren 1997 bis
1999 nahezu konstant geblieben. Während sie sich 1994 auf 50,69 Mio.
belief, betrug sie 1997 50,847 Mio., 1998 50,686 Mio. und 1999 50,927 Mio.
(Taschenbuch des öffentlichen Lebens, 1999/2000, S. 634; Statistisches
Jahrbuch 2000 für die Bundesrepublik Deutschland, S.450). Ausgehend von
diesem Befund sind die gesetzlichen Krankenkassen auch unter
Berücksichtigung des Umstandes, dass auch Versicherte in den Sparten
Renten-, Unfall- und Pflegeversicherung als Nachfrager für Hilfsmittel in
Betracht zu ziehen sind, die bei weitem größten Nachfrager auf dem
Hilfsmittelmarkt, so dass jedenfalls eine überragende Marktstellung i. S. des
§ 19 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GWB der Träger der gesetzlichen
Krankenversicherung in ihrer Gesamtheit gegeben ist. Sie sind mithin in ihrer
Gesamtheit als marktbeherrschende Unternehmen i. S. des § 19 Abs. 2 S. 2
GWB auf dem medizinischen Sach- und Dienstleistungsmarkt anzusehen
(Beuthien, MedR 1994, 253ff., 261; Immenga/Mestmäcker-Rehbinder, GWB,
2. Aufl., § 98 Rn. 55 m. w. Nw.).
) Jedoch folgt daraus noch nicht ohne weiteres, dass jedwedes Verhalten
eines einzelnen Oligopolmitgliedes an dem Diskriminierungsverbot des § 20
Abs. 1 GWB zu messen ist (so aber offensichtlich OLG Jena, Urt. v. 23.02.
2000 - 2 U 1159/99, OLG-NL 2000, 82ff., 84). Für die Anwendung des § 20
Abs. 1 GWB ist zwar ein behinderndes oder differenzierendes Handeln aller
Oligopolmitglieder nicht erforderlich. Jedoch muss sich das Verhalten nur
eines Oligopolmitglieds ähnlich auswirken, wie ein entsprechendes
Vorgehen aller Oligopolmitglieder, was etwa bei einem führenden Mitglied
des Oligopols der Fall sein kann (Immenga/Mestmäcker-Markert, GWB, 2.
Aufl., § 26 Rn. 78; Bechthold, GWB, § 26 Rn. 13 jeweils m. w. Nw.). In dieser
Hinsicht wird es jedoch auch für ausreichend gehalten, wenn einzelne
Mitglieder eines marktbeherrschenden Oligopols das Fehlen einer
wirksamen
wettbewerblichen Kontrolle dazu ausnutzen, andere
Unternehmen unbillig zu behindern oder ohne sachlich gerechtfertigten
Grund unterschiedlich zu behandeln. Dem kann unter Berücksichtigung des
Berücksichtigung des Normzweckes des § 20 Abs. 1 GWB, nämlich des
Schutzes vor marktbedingten Behinderungen und Diskriminierungen,
beigetreten werden (Immenga/Mestmäcker-Markert, GWB, 2. Aufl., § 26 Rn.
78 m. w. Nw. zum Streitstand). Das beanstandete Verhalten der Beklagten
ist als Ausdruck des Umstandes, dass sie eines von mehreren
Oligopolunternehmen ist, zu werten. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass
die Beklagte zwar im Freistaat Sachsen bislang als einziger Träger der
gesetzlichen Krankenversicherung das von der Klägerin beanstandete Aus-
schreibungssystem verfolgt. Wie der dem Urteil des OLG Stuttgart vom
30.04. 1999 (WuW/E DE-R 307ff.) zugrundeliegende Sachverhalt belegt,
wird ein derartiges System jedoch auch von anderen Trägern der
gesetzlichen Krankenversicherung in anderen Teilen der Bundesrepublik
praktiziert. Dort hat eine Allgemeine Ortskrankenkasse ein vergleichbares
System der Errichtung und Verwaltung von zentralen Lagern für
wiederverwendbare Hilfsmittel verbunden mit deren Abgabe über besondere
Sanitätsfachhändler eingerichtet. Dies dokumentiert einmal den Umstand,
dass das Vorgehen der Beklagten keinen Einzelfall darstellt, sondern
durchaus auch von anderen Mitgliedern des Oligopols umgesetzt wird.
Insoweit bestehen sehr wohl Anhaltspunkte für ein gleichförmiges
Marktverhalten. Dass dieses auf unterschiedlichen regionalen Märkten
innerhalb der Bundesrepublik erfolgt, ist dabei ohne entscheidende
Bedeutung. Der Markt für wiederverwendbare Hilfsmittel im Freistaat
Sachsen ist selbst lediglich ein räumlich abgrenzbarer Teilmarkt innerhalb
der Bundesrepublik Deutschland und kann daher in diesem Zusammenhang
auch nicht isoliert betrachtet werden. Zu berücksichtigen ist ferner der
Nachahmungseffekt anderer Träger der gesetzlichen Krankenversicherung,
der bei einem Erfolg des beanstandeten Systems mit großer
Wahrscheinlichkeit eintreten wird. Hinzu tritt der Gesichtspunkt, dass die
Nachfragemacht der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ein
derartiges Vorgehen erst ermöglicht, zumindest aber in erheblicher Weise
begünstigt. Da für die Leistungserbringer alternative Absatzmöglichkeiten
nur in einem eingeschränkten Maße bestehen, hat die Beklagte als Mitglied
des Oligopols nicht die Gefahr zu befürchten, dass ihr Anbieter verloren
gehen. Dies erst ermöglicht ihr die Umsetzung des von ihr praktizierten
Systems der selektiven Auswahl einzelner, besonders günstiger Anbieter.
Wollen Leistungserbringer nicht Gefahr laufen, nicht mehr von der Beklagten
die Kosten erstattet zu bekommen, so müssen sie sich gerade wegen der
eingeschränkten
andererweitigen Absatzmöglichkeiten auf das
Ausschreibungsverfahren einlassen. In diesem Zusammenhang tritt bei der
Beklagten ein weiterer Aspekt verstärkend hinzu. Die Versicherten der
Beklagten, deren Nachfragemacht sich bei ihr bündelt, sind weitgehend an
diesen Versicherungsträger gebunden. Das in § 173 SGB V umschriebene
allgemeine Kassenwahlrecht für
Versicherungspflichtige und
Versicherungsberechtigte wird durch die Zuständigkeitsregelungen für die
Beklagte in § 177 SGB V, der von dem bisherigen System der gesetzlichen
Zuweisung von Versicherten ausgeht, weitgehend verdrängt (Hauck, SGB V,
33. Erg.-Lief. I/98, K § 173 Rn. 9). Einem nicht unerheblichen Teil der
Versicherungspflichtigen, für die die Beklagte zuständig ist, steht somit die
Möglichkeit eines Kassenwahlrechts nicht zu (vgl. Hauck, SGB V, 54. Erg.-
Lief. März 2001, § 177 Rn. 4 - 6). Ist es den Versicherten schon aus
rechtlichen Gründen nicht ohne weiteres möglich ihre Krankenversicherung
zu wechseln, so schränkt dies auch den Wettbewerb mit den anderen
Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung ein. Die Beklagte kann sich
für Maßnahmen entscheiden, die bei einem freien Wettbewerb zwischen den
Sozialversicherungsträgern für sie mit nicht unerheblichen Nachteilen
einhergingen. Während etwa bei einer Einschränkung der freien Wahl des
sog. Leistungserbringers die Versicherten den Sozialversicherungsträger
wechseln könnten, bleibt ihr eine solche Konsequenz aufgrund des
bestehenden Sozialversicherungssystems erspart. Diese mangelnde bzw.
erheblich eingeschränkte Konkurrenz-situation auf der horizontalen Ebene
stellt ein zusätzliches Element dar. Die erheblich eingeschränkte
Sanktionsdrohung durch die Versicherten erleichert ihr im Verhältnis zu den
Anbietern von Hilfsmitteln i. S. des § 33 SGB V, zu einem Verhalten zu
greifen, das einzelne Leistungserbringer gegenüber anderen bevorzugt.
d) Aber selbst wenn man die Beklagte nicht als ein Unternehmen ansehen
wollte, dass zusammen mit den anderen Trägern der gesetzlichen
Krankenversicherung marktbeherrschend ist, wäre diese jedenfalls nach §
20 Abs. 2 S. 1 GWB Adressat des Diskriminierungsverbotes. Danach gilt
das Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB auch für Unternehmen,
soweit von ihnen kleine oder mittlere Unternehmen als Anbieter oder
Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen
in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare
Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen.
aa) Im Rahmen dieses Tatbestandes kommt es nicht entscheidend darauf
an, wie hoch der Marktanteil der Beklagten als Nachfragerin nach
Hilfsmitteln i. S. des § 33 SGB V ist (vgl. BGH, Urt. v. 22.03. 1994 -
KZR 9/93, GRUR 1994, 526f., 527). Maßgebend ist allein, ob die
Mitglieder der Klägerin jedenfalls keine ausreichenden und zumutbaren
Ausweichmöglichkeiten auf andere Unternehmen als Nachfrager
haben. Von einer ausreichenden Ausweichmöglichkeit kann dabei nicht
schon deshalb gesprochen werden, weil Ausweichmöglichkeiten
tatsächlich bestehen. Selbst wesentlicher Wettbewerb unter den
möglicherweise unter § 20 Abs. 2 S. 1 GWB fallenden Unternehmen
kann mit einer ausreichenden Ausweichmöglichkeit nicht gleichgesetzt
werden. Dies folgt unmittelbar aus dem Sinn und Zweck des § 20 Abs.
2 S. 1 GWB. Mit dieser Norm sollte gerade der Adressatenkreis auf
Unternehmen erweitert werden, die nicht marktbeherrschend sind, also
wesentlichem Wettbewerb ausgesetzt sind und auch keine
überragende Marktstellung innehaben. Bewertungsmaßstab kann daher
nur der wettbewerbliche Handlungsspielraum sein, den die Aus-
weichmöglichkeit dem behinderten und diskrimierten Unternehmen
vermittelt (Langen/ Bunte-Schultz, GWB, 9. Aufl., § 20 Rn. 54;
Immenga/Mestmäcker-Markert, GWB, 2. Aufl., § 20 Rn. 104). Auch das
kumulativ zu dem Vorliegen ausreichender Ausweichmöglichkeiten
hinzutretende Kriterium der Zumutbarkeit ist mit einem wettbewerblich
bestimmten Beurteilungsmaßstab zu erfassen. Danach bleiben
Ausweichmöglichkeiten wegen fehlender Zumutbarkeit nur dann außer
Betracht, wenn sie die Wettbewerbsposition des betreffenden
Unternehmens negativ beeinflussen können, da gerade dieses
Ergebnis von der Rechtsordnung mißbilligt wird (Langen/Bunte-Schultz,
GWB, 9. Aufl., § 20 Rn. 55 m. w. Nw.). Ausgehend von diesen Kriterien
ist die Beklagte als ein relativ marktstarkes Unternehmen i. S. des § 20
Abs. 2 S. 1 GWB anzusehen.
bb) Bei den Mitgliedern der Klägerin handelt es sich ersichtlich um kleine
und mittelere Unternehmen. Für diese bestehen auch keine
ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten. Die Nachfrage
nach wiederverwendbaren Hilfsmitteln geht nur von Sozialver-
sicherungsträgern und von Privatpersonen aus, die jedoch nach dem
klaren Wortlaut des § 20 Abs. 2 GWB außer Betracht bleiben, soweit es
um die Ausweichmöglichkeiten des behinderten oder diskrimierten
Unternehmens geht (BGH, Urt. v. 22.03. 1994 - KZR 9/93, NJW-RR
1994, 1199ff., 1199 r. Sp.). Von den Sozialversicherungsträgern aber
sind die Mitglieder der Klägerin schon aufgrund deren oben
dargestellter Nachfragemacht abhängig. Die Mitglieder der Klägerin
können bei Behinderung oder Diskrimierung durch einen der
Sozialversicherungsträger auch nicht in zumutbarer Weise auf einen
anderen als
Nachfrager ausweichen. Unter den
Sozialversicherungsträgern herrscht nach den obigen Feststellungen
auf dem Nachfragemarkt nach wiederverwendbaren Hilfsmitteln und
den diesbezüglich zu erbringenden Leistungen kein Wettbewerb. Der
Umstand, dass den Mitgliedern der Beklagten sämtliche anderen
Sozialversicherungsträger als Nachfrager verbleiben, rechtfertigt keine
andere Betrachtung. Entscheidend ist vielmehr, dass der auf die
Beklagte entfallende Marktanteil aufgrund der herrschenden
Marktverhältnisse von den Mitgliedern der Klägerin nicht kompensiert
werden kann. Für diese bestehen - nicht wie in einem freien
Wettbewerb auf einem Markt - anderweitige Absatzmöglichkeiten, die
geeignet sind, die durch den Ausschluss von der Leistungserbringung
bedingten Umsatzrückgänge auszugleichen.
4.
Ist die Beklagte somit auch für das Gebiet des Freistaates Sachsen als
Normadressatin des Diskriminierungsverbotes anzusehen, ist es ihr nach § 20
Abs. 1 GWB verboten, ein anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr,
der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, unbillig zu
behindern oder gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich
gerechtfertigten Grund unterschiedlich zu behandeln.
a) Die beanstandete Kostenübernahme der Beklagten nur gegenüber
Leistungserbringern, mit welchem sie aufgrund einer öffentlichen
Ausschreibung Bezugs- und Lieferverträge geschlossen hat, stellt sowohl
eine Behinderung als auch eine unterschiedliche Behandlung der Mitglieder
der Klägerin dar. Diese sind ebenso wie die von der Beklagten bevorzugten
Leistungserbringer Hilfsmittellieferanten. Die Ablehnung der
Kostenübernahme gegenüber den Mitgliedern der Klägerin selbst bei
gleichen oder sogar günstigeren Preisangeboten stellt dabei in evidenter
Hinsicht eine Ungleichbehandlung dar. Die Steuerung der Auftragsvergabe
durch die Beklagte bedingt zugleich eine Benachteiligung der Mitglieder der
Klägerin auf dem Markt.
b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts fehlt es hinsichtlich dieser
Ungleichbehandlung an einem sachlich gerechtfertigten Grund. Auch stellt
sich die Behinderung als unbillig dar.
aa)
Nach st. Rspr. ist die nach § 20 Abs. 1 GWB vorzunehmende
Interessenabwägung unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des
Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen
Wettbewerbsbeschränkungen vorzunehmen. Bei der erforderlichen Ge-
samtschau dürfen wirtschaftliche Individualinteressen nur einbezogen
werden, wenn sie von der Rechtsordnung anerkannt sind und wenn sie
nicht gegen die Wertungen des GWB verstossen, welches die
Voraussetzungen für den Leistungswettbewerb gewährleisten, ins-
besondere die Offenheit der Marktzugänge sichern soll. Zielt die
Interessenverfolgung darauf ab, den Leistungswettbewerb außer Kraft
zu setzen, und führt sie zu einer im Einzelfall unangemessenen
Einschränkung der Handlungsfreiheit des diskriminierten
Unternehmens, so kann diese nicht als sachlich berechtigt angesehen
werden (BGH, Urt. v. 12.03. 1991 - KZR 26/89, BGHZ 114, 218ff., 233f.
m. w. Nw.).
bb) Eine an diesen Kriterien orientierte Gesamtabwägung lässt das
beanstandete Verhalten der Beklagten nicht als sachlich gerechtfertigt
erscheinen. Das Landgericht hat im Rahmen seiner Gesamtwürdigung
wesentliche Aspekte außer Betracht gelassen. Zwar ist zutreffend, dass
es auch einem marktbeherrschenden Unternehmen frei steht, seine
Bezugswege nach eigener kaufmännischer Entscheidung zu
bestimmen. Insoweit können sich aus einer auf der Grundlage einer
öffentlichen Ausschreibung erfolgten gebündelten Vergabe von
Aufträgen an bestimmte Anbieter wirtschaftliche Vorteile ergeben.
Weder die Öffentlichkeit der Ausschreibung noch der Aspekt der
Kostendämpfung rechtfertigen aber die Verfahrensweise der Beklagten.
aaa) Die ausschließliche Vergabe von Aufträgen im Zusammenhang
mit wiederverwendbaren orthopädischen Hilfsmitteln an einen
bestimmten Kreis von
Leistungserbringern widerspricht
wesentlichen Grundsätzen des SGB V.
) Zwar schließt dieses eine auf einer Ausschreibung beruhende
Auftragsvergabe nicht ausdrücklich aus. Das von der Beklagten
gewählte Modell beachtet jedoch zunächst nicht die nach § 2 Abs.
3 S. 1 SGB V bestehende Pflicht der Krankenkassen zur Wahrung
der Vielfalt der Leistungserbringer. Aus ihr folgt, dass auf dem
Markt für die Versicherten hinreichend viele Leistungserbringer zur
Verfügung stehen müssen, die zudem im Leistungswettbewerb
verschiedenartige Leistungen anbieten können. Die Vielzahl von
Anbietern und die Vielfalt des Angebots aber stellen elementare
Rahmenbedingungen des Wettbewerbs dar, die gerade auch
sozialversicherungsrechtlich verankert und auch von den
Sozialversicherungsträgern zu berücksichtigen sind. Dieser in § 2
Abs. 3 S. 1 SGB V statuierten Pflicht zur Wahrung der Vielfalt der
Leistungserbringer korrespondieren weitere Grundsätze. Gemäß §
140 SGB V können Krankenkassen nur unter engen Vorausset-
zungen neue Eigeneinrichtungen zur eigenen Leistungserbringung
einrichten. Diese Regelung findet ihre Erklärung in der
Grundstruktur der Beziehungen zwischen den Krankenkassen als
Leistungsträger einerseits und den
Leistungserbringern
andererseits. Danach obliegt es den Krankenkassen, die
Versorgung der Versicherten mit Leistungen durch deren
Beschaffung bei Dritten, nämlich den Leistungserbringern
sicherzustellen (Hauck, SGB V, 18. Erg.-Lief. X/94, K § 140 Rn.
1). Auf diesen Sektor aber soll gerade nach § 2 Abs. 3 SGB V die
Vielfalt der Leistungserbringer gewahrt werden (BGH, Urt. v.
18.12. 1981 - I ZR 34/80, BGHZ 82, 375ff., 390f.). Hinzu tritt der
Gesichtspunkt,
dass ein Unternehmen, sofern es die
Voraussetzungen des § 126 Abs. 1 S. 2 SGB V erfüllt, einen
Rechtsanspruch auf die Zulassung als Leistungserbringer durch
den entsprechenden Landesverband der Krankenkassen besitzt.
Die Zulassung selbst beinhaltet die Berechtigung zur
bundesweiten Abgabe von Hilfsmitteln an Versicherte in der
jeweiligen Kassenart. Dem Landesverband - die Beklagte nimmt
nach § 212 Abs. 3 SGB V die Aufgaben eines Landesverbandes
wahr und ist damit nach §§ 126 Abs. 4 S. 2, 124 Abs. 5 S. 1 SGB
V für die Zulassung von Leistungserbringern zuständig - steht
insoweit kein Auswahlermessen zu. Vielmehr handelt es sich um
eine gebundene Verwaltungsentscheidung. Dieser
Zulas-
sungspflicht und dem damit verbundenen Grundsatz der Vielfalt
der Leistungserbringer korrespondiert ferner das durch Art. 2 Abs.
1 GG, § 33 SGB I und § 2 Abs. 3 S. 2 SGB V gewährleistete
Recht der Versicherten auf freie Wahl des Leistungserbringers.
Darüberhinaus impliziert das nach § 127 Abs. 1 und 2 SGB V
unbeschadet des Festbetragssystems für die Sicherstellung der
Versorgung mit Hilfsmitteln maßgebende Vertragsprinzip i. V. m.
der in § 127 Abs. 3 SGB V statuierten Möglichkeit zur
Durchführung von Preisvergleichen und Versicherten-
/Arztinformationen die gesetzliche Zielvorstellung des Vorhan-
denseins einer Vielzahl von in Wettbewerb stehenden
Leistungserbringern. Alle diese Vorschriften ergeben in ihrer
Zusammenschau nur einen Sinn, wenn im Hilfsmittelbereich
überhaupt eine plurale, wettbewerbliche Angebotsstruktur der
Leistungserbringer gegeben ist und dem Grundsatz der
Gleichbehandlung der Wettbewerber genügt ist (Boecken, NZS
2000, 269ff., 274).
) Diesen sozialversicherungsrechtlichen Grundsätzen wird das
von der Beklagten praktizierte System nicht gerecht. Im Rahmen
der von der Beklagten vorgenommenen öffentlichen
Ausschreibung steht es zwar allen Leistungserbringern frei, sich
an dieser zu beteiligen. Die mit § 2 Abs. 3 S. 1 SGB V
beabsichtigte Gewährleistung der Vielfalt der Leistungserbringer
geht jedoch über die Teilnahme an einem Vergabewettbewerb
weit hinaus. Die gesetzliche Regelung will die Teilnahme an einem
Markt gewährleisten, auf welchen nach dem Leitbild des SGB V
gerade die Versicherten der Krankenkassen die nachfragen-den
Akteure darstellen. Diesem Nachfragewettbewerb sollen sich die
Leistungserbringer stellen und auf diese Weise soll auch eine
effektive Versorgung der Versicherten gewährleistet werden. Das
Wettbewerbsmodell der Beklagten aber verschließt den
Leistungserbringern gerade die Teilnahme an diesem
Leistungswettbewerb. Die Beklagte kanalisiert vielmehr den
Wettbewerb auf einer - im SGB V selbst nicht vorgesehenen -
früheren Stufe, die den primär auf dem Nachfragemarkt
auftretenden Versicherten wie auch den Leistungserbringern nur
noch verschwindend geringe Auswahlmöglichkeiten lässt. Die
Vielfalt der Leistungserbringer besteht auf dieser durch § 2 Abs. 3
S. 1 SGB V gewährleisteten Ebene für den Versicherten, dessen
Recht auf freie Wahl des Leistungserbringers auch nur dann einen
Sinn ergibt, nicht mehr in effektiver Weise. Damit verbunden ist
zugleich die Gefahr, dass den von der Versorgung der
Versicherten ausgeschlossenen
Leistungserbringern, die
überwiegend im Bereich des Mittelstandes angesiedelt sind, der
wirtschaftliche Boden entzogen wird. Zwar mag ein
Leistungserbringer oder eine begrenzte Anzahl von ihnen der
Beklagten als Grosslieferant(en) für eine gewisse Zeit die
günstigsten Konditionen bieten. Darin liegt jedoch auch die Gefahr
begründet, dass sich dieser Kreis der Leistungserbringer aufgrund
der Kanalisation der Nachfrage gegenüber den anderen kleineren
Leistungserbringern auf dem Markt nach und nach durchsetzt und
auf diese Weise der Wettbewerb, etwa durch die Bildung eines
Oligopols oder gar Monopols, beschränkt wird (Beuthien, MedR
1994, 253ff., 261). Hinzu kommt der Aspekt, dass die Beklagte
das durch Art. 2 Abs. 1 GG, § 33 SGB I und § 2 Abs. 3 S. 2 SGB
V gewährleistete Recht der Versicherten, zumindest unter den zu
ihrer Belieferung zugelassenen Leistungserbringern, frei wählen
zu können, verletzt. In das Wahlrecht des Versicherten kann ein
Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nicht ohne
ausdrückliches Einverständnis des Versicherten eingreifen. Dabei
muss sichergestellt sein, dass der Versicherte sich der Tragweite
seiner Entscheidung bewusst ist und ihm die Möglichkeit verbleibt,
sich anders zu entscheiden (Beuthien, MedR 1994, 253ff., 261).
Diesen Anforderungen wird die Praxis der Beklagten, die ihre
Versicherten lediglich über eine anderweitige Auftragsvergabe
informiert und die Verordnung nicht mehr herausgibt, nicht
gerecht. Dem Versicherten, dem allein die freie Wahl
zugelassener Leistungserbringer und die rechtliche Disposition
über die Eingehung eines entsprechenden Vertrages obliegt, wird
somit eine für ihn zentrale Entscheidungsbefugnis genommen.
Ihm werden zudem aufgrund der Bindung der Krankenkasse mit
einem oder mehreren Leistungserbringern langfristig die Hände
gebunden. Bei einer Unzufriedenheit mit der Qualität der
Leistungen oder dem Service des Leistungserbringers wird ihm
die Möglichkeit des Wechsels seines Vertragspartners und damit
das regelmäßig einzig ihm zur Verfügung stehende Druck-
instrument gegenüber dem Leistungserbringer genommen
(Beuthien, MedR 1994, 253ff., 261). Auch insoweit wirkt das
Modell der Beklagten dem beschriebenen Leitbild des SGB V, bei
welchen sich
Leistungserbringer einen Wettbewerb um
Versicherte, die als Kunden auftreten, entgegen. Damit aber wird
ein wesentlicher Marktmechanismus außer Kraft gesetzt.
Darüberhinaus ist zu berücksichtigen, dass das finanzielle
Interesse der Beklagten daran, dass der Versicherte bestimmte
Leistungserbringer wählt, bereits auf den Bereich eingeschränkt
ist, in dem weder Festbeträge noch vertraglich vereinbarte Höchst-
preise vorliegen. Insoweit stellt das Gesetz (§§ 33 Abs. 2, 127
SGB V) den Sozialversicherungsträgern eine
Steuerungsmöglichkeit zur Kostendämpfung zur Verfügung. Das
in §§ 2 Abs. 1 und 4, 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 S. 2 SGB V enthaltene
Gebot der Wirtschaftlichkeit vermag die Verstösse gegen die
vorgenannten sozialversicherungsrechtlichen Grundsätze nicht zu
rechtfertigen. Dieses Gebot ist neben diesen Grundsätzen zu
beachten und kann daher auch nur in dem vorgegebenen
sozialversicherungsrechtlichen Rahmen Bedeutung erlangen. Es
vermag hingegen nicht die anderen angeführten Grundsätze zu
dispensieren. Im Übrigen zeigt die von der Klägerin beschriebene
Vorgehensweise der AOK Sachsen auf dem Gebiet der
wiederverwendbaren Hilfsmittel auf, dass eine Kostendämpfung
auch in Einklang mit den Vorgaben des SGB V vorgenommen
werden kann. Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang
angeführte mangelnde Aktualität der Datenerfassung und der
Schwerfälligkeit dieses Systems stellen logistische Probleme dar,
die im Zeitalter der elektronischen Datenverarbeitung und der
diesbezüglich bestehenden Möglichkeiten durchaus in effektiver
Weise gelöst werden können.
bbb) Auch kann die Beklagte nicht mit Erfolg auf die Regelung des § 33
Abs. 5 SGB V verweisen. Danach ist die Krankenkasse zur
leihweisen Weitergabe von Hilfsmitteln nach Beendigung des
Erstgebrauchs an andere Versicherte berechtigt. Dem in § 33 Abs.
1 SGB V statuierten Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, der
wie andere Versorgungsansprüche nach § 12 SGB V auf das Maß
der Notwendigkeit beschränkt ist, kann somit durch die leihweise
Überlassung zum vorübergehenden Gebrauch genügt werden. Die
Regelung des § 33 Abs. 5 S. 1 SGB V stellt dabei auch eine
Ausnahme von den Bestimmungen der §§ 126f. SGB V dar,
wonach Hilfsmittel an Versicherte lediglich von zugelassenen
Leistungserbringern abgegeben werden können. Der
Krankenkasse ist es damit im Grundsatz auch möglich,
wiederverwendbare Hilfsmittel im Wege der Selbstabgabe an ihre
Versicherten in Erfüllung des Versorgungsanspruchs zu
überlassen (BSG, Urt. v. 09.02. 1989 - 3 RK 7/88, NJW 1989,
2773f., 2774). Im Anschluss daran, wird es auch unter
Berücksichtigung des § 140 Abs. 2 SGB V, wonach
Krankenkassen nach dem 01.01. 1989 neue Eigeneinrichtungen
nur errichten dürfen, soweit sie die Durchführung ihrer Aufgaben
bei der Gesundheitsvorsorge und der Rehabilitation nicht auf
andere Weise sicherstellen können, als zulässig angesehen, dass
Krankenkassen zur Umsetzung des § 33 Abs. 5 SGB V auch eine
Art Verleihdienst für geeignete Hilfsmittel einrichten und auf diese
Weise die Absatzchancen der betreffenden Lieferanten schmälern
(Hauck, SGB V, 18. Erg.-Lief. X/94, § 140 Rn. 8). Dieser Aussage
kann jedoch bereits im Ausgangspunkt nicht gefolgt werden. § 33
Abs. 5 SGB V enthält lediglich die Aussage, dass eine leihweise
Überlassung von Hilfsmitteln möglich ist. Die Norm wurde zur
Klarstellung in das Gesetz eingefügt, da an der Zulässigkeit des
kostengünstigen Verfahrens immer wieder Zweifel geübt wurden
(Hauck-Gerlach, SGB V, 35. Erg.-Lief. V/98, K § 33 Rn. 26). Über
die Frage der Umsetzung der leihweisen Überlassung von
Hilfsmitteln enthält die Norm hingegen keine Aussage, so dass es
bei den allgemeinen Regelungen des SGB V verbleibt. Aus § 140
Abs. 1 SGB V ergibt sich jedoch, dass Krankenkassen der
Versorgung der Versicherten dienende Eigeneinrichtungen nur
weiterbetreiben dürfen, soweit sie bereits am 01.01. 1989
bestanden haben. Demgemäß hat auch das BSG in der
angeführten Entscheidung maßgeblich darauf abgestellt, dass es
sich bei den Abgabestellen der dort klagenden AOK jedenfalls um
eine derartige unter den Schutz des § 140 Abs. 1 SGB V fallende
Eigeneinrichtung handele (BSG, a. a. O, S. 2774 r. Sp.). Neue
Eigeneinrichtungen dürfen hingegen von den Krankenkassen nach
§ 140 Abs. 2 SGB V nur errichtet werden, soweit sie die
Durchführung ihrer Aufgaben bei der Gesundheitsvorsorge und
der Rehabilitation auf andere Weise nicht sicherstellen können.
Diese Voraussetzungen liegen hier ersichtlich nicht vor, zumal
auch die Beklagte den Weg der Errichtung einer Eigeneinrichtung
nicht beschritten hat. Die Beklagte bedient sich in den
vorliegenden Fällen nicht des eigenen Personals, sondern
beauftragt dritte Unternehmen. Sie schließt mit einem bestimmten
Kreis von Leistungserbringern Verträge ab, deren Aufgabe es
neben der
Rückholung und Lagerverwaltung ist,
wiederverwendbare Hilfsmittel instandzusetzen und umzurüsten
sowie insbesondere die Beratung der Versicherten
wahrzunehmen. Die von der Beklagten ausgewählten
Unternehmen erbringen damit gerade jene Leistungen die
ansonsten von den zugelassenen weiteren Leistungserbringern,
darunter auch die Mitglieder der Klägerin, zu erbringen wären.
Auch beschränkt sich die von den sog. Ausschreibungsgewinnern
zu erbringende Leistung nicht auf das Innenverhältnis zu der
Beklagten. Vielmehr treten diese gegenüber den Versicherten wie
Leistungserbringer auf. Wie dem § 3 des Mustervertrages (Anlage
2 = Anlagenband Kl. LG) zu entnehmen ist, haben die sog.
Ausschreibungsgewinner die Beratung und Belieferung der
Versicherten vorzunehmen. Demgemäß wird in § 3 Abs. 3 des
Mustervertrages auch von einer Haftung der als
Leistungserbringer bezeichneten Ausschreibungsgewinner
gegenüber den Versicherten gesprochen. In dieses Verständnis
fügt sich weiterhin § 2 des Mustervertrages und das darin
enthaltene Erfordernis der Zulassung der Leistungserbringer nach
§§ 126 Abs. 4 S. 2, 124 Abs. 5 S. SGB V ein. Das von der
Beklagten praktizierte System beeinhaltet damit weder die
Errichtung einer Eigeneinrichtung noch eine lediglich auf das
Innenverhältnis zwischen Beklagte und Ausschreibungsgewinner
beschränkte Leistungserbringung. Vielmehr wählt die Beklagte
unter ökonomischen Gesichtspunkten bestimmte
Leistungserbringer aus, die dann gegenüber den Versicherten die
geforderte Leistung erbringen. Die Zulässigkeit eines derartigen
Vorgehens kann § 33 Abs. 5 SGB V, der sich lediglich auf die
Aussage beschränkt, dass der Versorgungsanspruch auch durch
die leihweise Überlassung von Hilfsmitteln erfüllt werden kann, es
aber ansonsten bei den allgemeinen Regelung verbleibt, nicht
entnommen werden. Das beanstandete Vorgehen der Beklagten
widerspricht vielmehr gerade dem oben dargestellten System des
SGB V. Dabei ist insbesondere hervorzuheben, dass es bei dem
inkriminierten Ausschreibungssystem nicht lediglich um die
leihweise Überlassung des Hilfsmittels als solcher geht, sondern
gerade auch um die Erbringung weiterer Leistungen, wie die
Reparatur einzelner Hilfsmittel vor der Weitergabe, deren
Herrichtung für den anderen Versicherten sowie Service- und
Beratungsleistungen. Bei diesen Leistungen aber handelt es sich
um den klassischen Bereich, auf welchen die Leistungserbringer
ihr Tätigkeitsfeld haben und derer sich auch die Beklagte nach
dem System des SGB V bedienen muss, sofern nicht die
Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 SGB V vorliegen. Dabei ist
insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Versorgung der
Bevölkerung mit Hilfsmitteln unter Einschaltung der dafür
vorhandenen und eingerichteten Berufe in besonderem Maße dem
Grundgedanken der Berufsfreiheit und der Freiheit des einzelnen
zur wirtschaftlichen Entfaltung und zugleich dem allgemein
gebilligten wirtschaftspolitischen Ziel der Förderung des
Mittelstandes entspricht (BGH, Urt. v. 18.12. 1981 - I ZR 34/80,
BGHZ 82, 375ff., 390f.). Hat sich aber die Beklagte grundsätzlich
der sog. Leistungserbringer zu bedienen, so hat sie auch die
Grundsätze des SGB V zu beachten, insbesondere die Wahrung
der Vielfalt der Leistungserbringer, das schon angeführte
Zulassungsprinzip und das Recht der freien Wahl des
Leistungserbringers durch den Versicherten sowie das in § 127
SGB V verankerte Modell öffentlich-rechtlicher (Verbände-)
Verträge zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen.
ccc) Die Beklagte beruft sich in diesem Zusammenhang schließlich
auch ohne Erfolg auf eine Europarechtswidrigkeit des deutschen
Sozialversicherungsrechts in diesem Punkt. Ihr Hinweis darauf,
dass sie als öffentlicher Auftraggeber i. S. der europäischen
Vergaberichtlinien, konkret der Richtlinie 93/37/EWG des Rates
über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher
Lieferaufträge vom 14.06. 1993 (ABl. L 199, S. 1 vom 09.08.
1993), geändert durch die Richtlinie 97/52/EG vom 13.10. 1997
(ABl. L 328 S. vom 28.11. 1997), und der Richtlinie 92/50/EWG
des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe
öffentlicher Dienstleistungsaufträge vom 18.06. 1992 (ABl. L 209
vom 24.07. 1992), geändert durch die Richtlinie 97/52/EG vom
13.10. 1997 (ABl. L 328 S. vom 28.11. 1997), anzusehen sei, führt
nicht weiter. Auftraggeber i. S. dieser Vergaberichtlinien sind der
Staat, Gebietskörperschaften und Einrichtungen des öffentlichen
Rechts sowie Verbände, die aus einer oder mehrerer dieser
Körperschaften oder Einrichtungen bestehen. Als Einrichtung des
öffentlichen Rechts ist dabei jede Einrichtung zu verstehen, die zu
dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse
liegende Aufgaben zu erfüllen, die nicht gewerblicher Art sind,
zudem Rechtspersönlichkeit besitzen und überwiegend vom Staat,
von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des
öffentlichen Rechts finanziert oder kontrolliert werden (Schwarze,
in ders., Die Vergabe öffentlicher Aufträge im Lichte des
europäischen Wirtschaftsrechts, 2000, S. 13ff., 19f.; Noch,
Vergaberecht Kompakt, 1999, S. 93ff., 96ff.;
Gallwas,
GewerbeArch 2000, 401ff., 402f. jeweils m. w. Nw.). Ausgehend
von dieser funktionalen Definition kann zwar ein
Sozialversicherungsträger grundsätzlich in den persönlichen
Anwendungsbereich der Richtlinien fallen. In Bezug auf den hier in
Rede stehenden Zusammenhang, konkret dem Einsatz
wiederverwendbarer Hilfsmittel und die diesbezüglich zu
erbringenden Dienstleistungen tritt jedoch nicht die Beklagte als
Auftraggeber auf, sondern ihre Versicherten. Diese schließen
nach den obigen Ausführungen mit dem Leistungserbringer einen
privatrechtlichen Vertrag, der die zur Verfügung Stellung des auf
die speziellen Bedürfnisse des Versicherten hergerichteten
Hilfsmittels und ggfs. die Erbringung von Beratungs- und
Einweisungspflichten zum Gegenstand hat, während die Beklagte
die im Rahmen des Versicherungsverhältnisses begründete Pflicht
zur Kostenübernahme trifft. Das zwischen dem Leistungserbringer
und der Krankenkasse bestehende Verhältnis ist allein auf die Ab-
rechnung der Leistung gerichtet (vgl. Hauck-Kranig, SGB V, 44.
Erg.-Lief. IX/99, K § 125 Rn. 8). An dieser rechtlichen Einordnung
ändert der Umstand, dass das Eigentum an dem Hilfsmittel bei der
Krankenkasse verbleibt, nichts. Ist das vom Versicherten
nachgefragte (wiederverwendbare) Hilfsmittel nicht vorhanden, so
muss dieses zwar angeschafft werden. Diese Anschaffung aber
erfolgt aufgrund der Nachfrage des Versicherten und dessen
konkretem Bedürfnis. Nichts anderes gilt in Bezug auf den
erneuten Einsatz bei einem anderen Versicherten. Auch hier
erfolgt die Auslösung des Auftrages durch den konkreten
Versicherten, während die Beklagte lediglich die entsprechenden
Kosten zu übernehmen hat. Das formale Eigentumsrecht an dem
wiederverwendbaren Hilfsmittel ändert somit nichts an dessen
Zweckbestimmung, wobei über dessen Einsatz und die
Wiederverwendung primär die Nachfrage der Versicherten
entscheidet. Die in § 33 Abs. 5 S. 1 SGB V enthaltene Möglichkeit
der leihweisen Überlassung eines Hilfsmittels hat in dieser Hin-
sicht nur dienende Funktion. Sie ermöglicht lediglich den
wiederholten Einsatz eines Hilfsgerätes, ändert jedoch nichts an
der rechtlichen Struktur der bei der konkreten
Lei-
stungserbringung geschlossenen Verträge. Der zwischen einem
Sanitätshaus und einem Versicherten geschlossene Vertrag zielt
in diesem Fall nicht auf eine Übereignung des Hilfsmittels,
sondern lediglich auf die Einräumung des Besitzes an dem
benötigten Hilfsmittel ab, während es ansonsten bei den auch
sonst bestehenden Rechten und Pflichten verbleibt. Unter
Berücksichtigung dieses, den §§ 126f. SGB V zugrundeliegenden
Vertragsmodells tritt somit nicht die Beklagte als Auftraggeber am
Markt auf, sondern die Versicherten. Liegt ein Versorgungsfall vor,
so können diese das Hilfsmittel beanspruchen, während die
Beklagte die diesbezüglichen Kosten zu übernehmen hat und sich
durch den Vorbehalt des Eigentumsrechts einen nochmaligen
Einsatz sichern kann. Demgegenüber erwirbt die Beklagte
unabhängig von dem Vorliegen eines konkreten Versorgungsan-
spruches keine Hilfsmittel, um diese sodann abzugeben, was
seinen Beleg in dem vorliegenden Mustervertrag (Anlage 2) findet.
Auch die für das Kartellrecht maßgebliche Betrachtungsweise,
dass die Beklagte als Repräsentant ihrer Versicherten auftritt, führt
nicht weiter. Diese Erwägung ist durch die Zielsetzung des GWB
und die von ihm beabsichtigte Kontrolle und Beschränkung einer
Marktmacht bedingt, die eine wirtschaftliche Betrachtungsweise
zwingend erfordert. Demgegenüber ist es Anliegen des
Vergaberechts bei einer öffentlichen Auftragsvergabe eine
Transparenz der Vergabeverfahren und der
Entscheidungskriterien herzustellen, um auf diese Weise einen
fairen Wettbewerb bei der Vergabe zu gewährleisten (Noch,
Vergaberecht Kompakt, 1999, S. 23). Diese Prinzipien aber sind
bei der durchaus als massenhaft zu bezeichnenden Vergabe von
Aufträgen an Leistungserbringer durch die Versicherten als private
Verbraucher ersichtlich nicht einschlägig und auch von den
europarechtlichen Vergaberichtlinien nicht erfasst. Hinzu kommt,
dass durch das Vergaberecht der Anbieter geschützt werden soll.
Bei dem Modell des SGB V aber bedarf es im Hinblick auf die
Zulassung von Leistungserbringern durch die Kassenkassen und
den Abschluss von Verträgen nach § 127 SGB V mit Blick auf die
anders gelagerte Struktur der Rechtsbeziehungen eines
derartigen Schutzes nicht.
c)
Die von der Klägerin praktizierte Ausschreibung stellt nach alledem eine
unzulässige Diskriminierung i. S. des § 20 Abs. 1 GWB dar. Die Klägerin
kann daher von der Beklagten verlangen, dass sie die Umsetzung der
Ausschreibungsergebnisse unterlässt. Dies bedeutet zum einen, dass es
der Beklagten zu untersagen war, die Versorgung von Versicherten, die
über die Mitglieder der Klägerin Kostenanvoranschläge einreichen, durch
andere Leistungserbringer zu veranlassen und damit die Mitglieder der
Klägerin von der Leistungserbringung auszuschliessen (Antrag lfd. Nr. 2).
Zum anderen hat es die Beklagte die Rücksendung der
Kostenvoranschläge ohne die ärztliche Verordnung und ohne
Genehmigung an das einreichende Mitglied in diesen Fällen zu unterlassen
(Antrag lfd. Nr. 3).
aa) Soweit die Klägerin auch begehrt, dass es die Beklagte unterlässt,
Ausschreibungen mit dem Ziel durchzuführen, sämtliche
Versorgungsfälle ihrer Versicherten mit Hilfsmitteln i. S. des § 33 SGB
V von einem oder mehreren Leistungsanbietern unter Ausschluss aller
sonstigen Leistungsanbieter, die Mitglied der Klägerin sind, durchführen
zu lassen (Antrag lfd. Nr. 1), ist die Klage demgegenüber unbegründet.
Die Durchführung einer Ausschreibung stellt, auch wenn sie mit dem
Ziel des Abschlusses von Verträgen mit einer
Aus-
schließlichkeitsbindung verbunden ist, noch keinen Eingriff in den
Wettbewerb dar. Dieser Eingriff in den Wettbewerb erfolgt erst mit dem
Abschluss von entsprechenden Verträgen und der anschliessenden
Umsetzung dieser Verträge. Nur die Unterlassung dieser Akte können
der Beklagten untersagt werden.
bb) Soweit die Klägerin im Rahmen ihrer Hilfsanträge die Verurteilung der
Beklagten begehrt, ihren Mitgliedern bei der Versorgung mit
wiederverwendbaren Hilfsmitteln die Teilnahme zu den mit den
Ausschreibungsgewinnern vereinbarten Preisen zu ermöglichen, war
hierüber nicht zu entscheiden. Diese Hilfsanträge sind lediglich für den
Fall gestellt worden, dass das Ausschreibungssystem als zulässig
angesehen wird. Lediglich für diesem Fall verfolgt die Klägerin einen
Teilhabeanspruch. Unabhängig davon bestünde ein solcher Anspruch
nicht. Die Klägerin erstrebt hier ein positives Tun, während der
Anspruch nach §§ 20 Abs. 1, 33 Abs. 1 S. 1 GWB auf ein Unterlassen
gerichtet ist. Grundsätzlich ist es daher auch dem Diskriminierenden
überlassen, auf welche Weise er die Diskriminierung beseitigen will
(Wiedemann-Bumiller, Handbuch des Kartellrechts, 1999, § 59 Rn. 30).
Lediglich dann, wenn die Diskriminierung nicht anders als durch eine
Belieferung zu bestimmten Konditionen beseitigt werden kann, ist ein
entsprechender Anspruch anzuerkennen (Wiedemann-Bumiller,
Handbuch des Kartellrechts, 1999, § 59 Rn. 30; Immenga/Mestmäcker-
Emmerich, GWB, 2. Aufl., § 35 Rn. 103 m. w. Nw.). So liegt der Fall hier
nicht. Aus dem Gebot der Unterlassung der Praxis der Beklagten, die
über Mitglieder der Klägerin ihr zur Kenntnis gelangten Leistungen an
die Ausschreibungsgewinner zu vergeben, folgt bereits, dass diese
wieder an der Kostenerstattung durch die Beklagte teilhaben.
Hinsichtlich der Frage der Abrechnung aber muss es der Beklagten
freistehen, nach der zum 31.07. 2000 erfolgten Kündigung des
Rahmenvertrages vom 12.01. 1991 wiederum mit der Klägerin einen
entsprechenden Vertrag auf der Grundlage von § 127 SGB V zu
schliessen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Bei der vorgenommenen Kosten-
verteilung war zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit der Zurückweisung des
Klageantrages lfd. Nr. 1 nur in einem geringen Umfang unterlegen ist. Die
vorgenommene Präzisierung des Klageantrages lfd. Nr. 2 entsprach hingegen
ersichtlich dem von vornherein verfolgtem Klageziel.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10,
711, 108 Abs. 1 ZPO.
Die Festsetzung des Wertes der Beschwer findet ihre Grundlage in § 546 Abs. 2
ZPO.
Werber
Alberts
Dr. Kazele