Urteil des OLG Dresden vom 13.12.1999

OLG Dresden: eröffnung des verfahrens, reformatio in peius, bereinigung, erlass, eigentümer, ultra petita, grundstück, vorzeitige besitzeinweisung, öffentliche bekanntmachung, vertragsschluss

Leitsatz/Leitsätze:
1.
In den Verfahren nach § 1 Nr. 3 und Nr. 4 BoSoG (ergän-
zende und komplexe Bodenneuordnung) ist in entsprechen-
der Anwendung der § 58 Abs. 3 und § 95 Abs. 1 Satz 2
BauGB der Erlass des Sonderungsbescheids der für die
Bestimmung des Bodenwerts maßgebende Zeitpunkt (An-
schluss an den Beschluss des OLG Dresden (3.ZS) vom
13.12.1999 - 3 W 1583/99). Eine Vorverlegung auf einen
früheren Zeitpunkt hier den der Eröffnung des Verfah-
rens) in entsprechender Anwendung des § 19 Abs. 1 Sa-
chenRBerG kommt nicht in Betracht.
2.
Zur Anwendbarkeit des § 73 Abs. 3 SachenRBerG bei der
Bemessung von Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen
nach § 15 BoSoG.
2
³ ³
³ ³
³ ³
Oberlandesgericht
³ ³
Dresden
³ ³
³ ³
Aktenzeichen: 10 W 1545/03 Verkündet am 03.06.2004
13 O 838/02 LG Leipzig Die Urkundsbeamtin
10 W 1459/03
13 0 830/02 LG Leipzig
Storch
Justizobersekretärin
Beschluss
des 10. Zivilsenats
In dem Bodensonderungsverfahren
Stadt
vertr. durch den Oberbürgermeister ,
,
- Beteiligte zu 1) -
- Antragstellerin im Verfahren 10 W 1545/03 -
- Antragsgegnerin im Verfahren 10 W 1459/03 -
Regierungspräsidium
vertreten durch den Regierungspräsidenten,
,
- Beteiligte zu 2)
- Antragsgegnerin im Verfahren 10 W 1545/03 -
H.W.F.
,
- Beteiligter zu 3a -
- Antragsteller im Verfahren 10 W 1459/03
3
I.S.
,
- Beteiligte zu 3b -
- Antragstellerin im Verfahren 10 W 1459/03 -
A.S.
,
- Beteiligte zu 3c -
- Antragstellerin im Verfahren 10 W 1459/03 -
Prozessbevollmächtigte
für die Beteiligten zu 3):
Rechtsanwälte Dr.
,
,
Wohnungsgenossenschaft
vertr. durch den Vorstand,
,
- Beteiligte zu 4 -
Prozessbevollmächtigte:
,
wegen einer Entschädigung nach dem Bodensonderungsgesetz
hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden auf die
mündliche Verhandlung vom 08.04.2004 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht
Richter am Oberlandesgericht und
Richter am Amtsgericht
beschlossen:
1.
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 21.11.2003
wird
der
Beschluss
des
Landgerichts
Leipzig
vom
10.10.2003 (AZ: 13 O 0838/02) im Kostenpunkt und in der
Hauptsache wie folgt abgeändert:
4
Auf den Antrag der Beteiligten zu 1) auf gerichtliche
Entscheidung wird der Widerspruchsbescheid der Beteilig-
ten zu 2) vom 14.12.2001 (AZ: ) zu den Zif-
fern 1 und 2 wie folgt abgeändert:
"1. Der 2. Sonderungsteilbescheid der Beteiligten zu 1)
vom 21.06.2000 zum Sonderungsplan Nr. 3/95 wird in
Bezug auf die Festsetzungen über die Zahlungsver-
pflichtungen
(Geldleistungen)
dahin
abgeändert,
dass die von der Beteiligten zu 1) an die Beteilig-
ten zu 3) zu zahlende Entschädigung für den Rechts-
verlust auf 2.876.160,00 DM (= 1.470.557,20 EUR)
festgesetzt wird.
Die Entschädigungs- und Ausgleichsliste auf den
Seiten 11 und 12 des vorgenannten Bescheids wird
entsprechend geändert.
Die Ziffer 5 des 2. Sonderungsteilbescheids vom
21.06.2000 wird aufgehoben. Die Ziffer 4 dieses Be-
scheids wird insoweit aufgehoben, als nach dieser
die festgesetzte Geldentschädigung nach Maßgabe der
Anordnung in der Ziffer 5 fällig werden soll.
Im Übrigen wird der Widerspruch verworfen.
2.
Die Kosten des Widerspruchsverfahrens haben die Be-
teiligten zu 3) gesamtschuldnerisch zu 12/23 zu
tragen. Die Beteiligten zu 3) haben der Beteiligten
zu 1) die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung
oder
-verteidigung
notwendigen
Aufwendungen
zu
12/23 zu erstatten, sofern diese es bei der Betei-
ligten zu 2) beantragt. Die Beteiligte zu 1) hat
den Beteiligten zu 3) auf Antrag zu 11/23 die not-
wendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren zu
erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als
Bevollmächtigten war notwendig."
Die Beteiligte zu 1) hat 57/80 und die Beteiligte zu 2)
hat 23/80 der im Verfahren vor dem Landgericht Leipzig
entstanden gerichtlichen Kosten zu tragen.
Die Beteiligte zu 1) hat den Beteiligten zu 2) und zu 3)
57/80 ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten, die
in dem gerichtlichen Verfahren vor dem Landgericht ent-
standen sind. Die Beteiligte zu 2) hat der Beteiligten
zu 1) 23/80 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Im Übrigen haben die Beteiligten zu 1), zu 2) und zu 3)
ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.
Die Beteiligte zu 4) behält ihre in dem Verfahren vor
dem Landgericht entstandenen außergerichtlichen Kosten
auf sich.
5
2.
Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 3) vom
11.11.2003 gegen den Beschluss des Landgerichts Leipzig
vom 17.10.2003 (AZ: 13 O 830/02) wird zurückgewiesen.
3.
a)
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren
wird auf 1.247.485,16 EUR festgesetzt.
b)
Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens
haben zu 1/6 die Beteiligte zu 2) und zu 5/6 die
Beteiligten zu 3) zu tragen.
Die Beteiligte zu 2) hat 1/6 und die Beteiligten zu
3) haben 5/6 der der Beteiligten zu 1) im Beschwer-
deverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten
zu erstatten.
Die Beteiligten zu 3) haben der Beteiligten zu 4)
ihre im Beschwerdeverfahren entstandenen außerge-
richtlichen Kosten nach einem Gegenstandswert von
1.017.750,53 EUR zu erstatten.
G r ü n d e :
I.
Die Beteiligten streiten um die richtige Bemessung einer Ent-
schädigung nach § 15 Abs. 1 BoSoG für ein Gebiet in Leipzig
, das in der DDR für Zwecke des komplexen Wohnungsbaus
in Anspruch genommen wurde.
Die Entschädigung für die Nutzung von der Eröffnung des Ver-
fahrens an durch das Ersuchen zur Eintragung eines Sonde-
rungsvermerks am 29.06.1995 bis zum Eintritt der Bestands-
kraft eines ersten Teilsonderungsbescheids vom 13.12.1999 war
bereits Gegenstand mehrerer Entscheidungen des für diese Ma-
terie bis zum 31.03.2000 zuständigen 3. Zivilsenats des OLG
6
Dresden
und
des
nunmehr
zuständigen
Senats
(bis
zum
31.12.2003 21. Zivilsenat) und anschließender Entscheidungen
des Bundesgerichtshofes über Revisionsverfahren.
(OLG Dresden – Urteil vom 21.07.1998 – 3 U 3388/97 – unveröf-
fentlicht und nachfolgend BGH – Urteil vom 18.02.2000 – V ZR
324/98 – VIZ 2000, 1160 ff.; OLG Dresden – Urteil vom
23.02.2001 – 21 U 709/00 – VIZ 2001, 687 ff. und nachfolgend
BGH – Urteil vom 14.06.2002 – VIZ 2002, 375 ff.; OLG Dresden
– Urteil vom 25.04.2002 – unveröffentlicht und nachfolgend
BGH – Urteil vom 11.04.2003 – V ZR 209/02 – VIZ 2003, 443
ff.).
Die Umstände der tatsächlichen Inanspruchnahme des Grund-
stücks der Rechtsvorgängerin der Beteiligten zu 3) ohne eine
der Bebauung entsprechende Regelung der Eigentumsverhältnisse
und zur Einleitung des Verfahrens nach dem Bodensonderungsge-
setz (BoSoG) sind in den Tatbeständen der vorgenannten Ent-
scheidungen dargestellt worden. Hierauf wird Bezug genommen.
Im vorliegenden Fall geht es um die richtige Bemessung der
Entschädigungsleistungen
in
einem
Sonderungsbescheid
vom
21.06.2000. Zu dem Erlass der Sonderungsbescheide ist folgen-
des darzustellen.
Erster Sonderungsteilbescheid der Beteiligten zu 1) vom
06.06.1997:
Das Städtische Vermessungsamt der Beteiligten zu 1) erließ am
06.06.1997 einen ersten Sonderungsteilbescheid für das Grund-
stück der Kläger (Akte 10 W 1459/03 - Bl. 108 bis 119 d.A.),
in dem es eine Neuaufteilung von 42.776 m² des insgesamt
69.740 m² großen Flurstückes in insgesamt 35 Flurstücke
( /1 bis /35) anordnete, das Eigentum entsprechend einer
Grundstücksliste den Nutzern zuwies und für die Beteiligten
zu 3) einen Ausgleich für den Rechtsverlust von 4.509.630 DM
festsetzte.
Gegen den Sonderungsteilbescheid legten die Beteiligten zu 3)
Widerspruch bei der Beteiligten zu 2) ein. Dieser wurde mit
Bescheid der Beteiligten zu 2) vom 12.01.1998 zurückgewiesen.
Die Beteiligten zu 3) haben sodann einen Antrag auf gericht-
7
liche Entscheidung nach § 18 BoSoG gestellt. Das Landgericht
Leipzig bestätigte mit Beschluss vom 11.09.1998 die Rechtmä-
ßigkeit des Teilsonderungsbescheids dem Grunde nach, setzte
jedoch
die
Entschädigung
für
den
Rechtsverlust
auf
5.275.206,50 DM herauf. Gegen diese Entscheidung legten alle
Beteiligten Beschwerde bzw. Anschlussbeschwerde ein. Über
diese Beschwerden hat das Oberlandesgericht Dresden mit Be-
schluss vom 13.12.1999 (3 W 1583/98 – veröffentlicht in VIZ
2000, 300 ff) dahin entschieden, dass es die Entscheidung des
Landgerichtes abgeändert und den Sonderungsteilbescheid der
Beteiligten zu 1) vom 6.06.1997 auch in Bezug auf die darin
festgesetzte Höhe des Ausgleichszahlung wiederhergestellt
hat.
Die Beteiligten zu 3) haben gegen den Beschluss des Oberlan-
desgerichts vom 13.12.1999 Verfassungsbeschwerde beim Bundes-
verfassungsgericht erhoben (Dortiges AZ: 1 BvR 133/00). Das
Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 04.07.2003 die
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Beteiligte zu 1) hatte mit Bescheid vom 21.06.2002 die
Rücknahme des ersten Sonderungsteilbescheids ausgesprochen
und die Entschädigungsleistung auf 2.803.439,04 DM festge-
setzt (Anlage A 3 zum Verfahren 10 W 1549/03). Die Beteiligte
zu 2) hat auf Widerspruch der Beteiligten zu 3) diesen Be-
scheid aufgehoben. Die Entscheidung der Beteiligten zu 2) ist
bestandskräftig geworden.
Zweiter Teilsonderungsbescheid (Gegenstand dieses Verfahrens)
Mit einem zweiten Sonderungsteilbescheid vom 21.06.2000 (An-
lage A 2 zum Verfahren 10 W 1549/03) hat die Beteiligte zu 1)
die restlichen 26.964 m² sich zugeordnet. Es handelt sich da-
bei im Wesentlichen um die auf dem ehemaligen Flurstück
belegenen öffentlichen Verkehrs- und Grünflächen. Den Ent-
schädigungswert hat die Beschwerdeführerin auf 1.706.090,06
DM festgesetzt.
8
Die Beschwerdeführerin ist in der Begründung davon ausgegan-
gen, dass
-
für die Ermittlung des Bodenwerts für die Verkehrs- und
Grünflächen die Zustellung des Sonderungsbescheids an
den Grundstückseigentümer der für die Wertermittlung
entscheidende Stichtag sei, so dass an sich der Boden-
richtwert für 2000 von 300 DM/m
2 und nicht der im Zeitpunkt der Ein-
leitung des Verfahrens geltende Bodenrichtwert von 370 DM/m2 maßgeblich sei,
-
der Bodenrichtwert für die öffentlichen Verkehrs- und
Grünflächen sei mit 1/10 des Bodenrichtwerts, also mit
30 DM/m
2 in Ansatz zu bringen sei,
-
der Bodenrichtwert für die bebauten Flächen werde mit
320 DM/m
2
bewertet, was dem Richtwert im Zeitpunkt des
Erlasses des 1. Sonderungsteilbescheids (06.06.1997)
entspreche.
Im Übrigen wird auf den Inhalt des Bescheids Bezug genommen.
Gegen diesen 2. Teilsonderungsbescheid haben die ehemaligen
Grundstückseigentümer, die Beteiligten zu 3), mit Schreiben
vom 07.08.2000 Widerspruch bei der Beteiligten zu 2) einge-
legt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2001 (AZ: ;
Bl. 8 bis 17 d.A.) änderte die Beteiligte zu 2) den Bescheid
ab. Die von der Antragstellerin an die Beteiligten zu 3) zu
zahlende Entschädigung nach den Seiten 11, 12 des Ausgangsbe-
scheids wurde durch die Beteiligte zu 2) von 1.767.220,56 DM
auf 3.325.560,00 DM (= 1.700.331,83 EUR) heraufgesetzt. In
den Gründen des Widerspruchsbescheids hat die Antragsgegnerin
ausgeführt:
-
Für die Bemessung der Entschädigung für den Rechtsver-
lust nach § 15 Abs. 1 BoSoG in einem Verfahren zur Bo-
denneuordnung nach § 5 BoSoG sei zwar nach § 20 Abs. 3
SachenRBerG der durchschnittliche Bodenwert aller im
9
Sonderungsgebiet belegenen Grundstücke zu ermitteln. Der
Bodenwert sei aber nach § 20 Abs. 2 SachenRBerG einheit-
lich in der Weise festzustellen, dass von dem grundsätz-
lich nach Bodenrichtwerten (§ 19 Abs. 5 SachenRBerG) er-
mittelten Verkehrswert in dem Gebiet nach § 19 Abs. 2
Satz 2 SachenRBerG ein Vorwegabzug von einem Drittel
vorzunehmen sei; eine Einzelbewertung aller Grundstücke
im Sonderungsgebiet nach ihrer Nutzungsart und eine dar-
aus folgende Ermittlung eines durchschnittlichen Preises
entspreche dagegen weder der Systematik noch dem Zweck
des SachenRBerG und stehe auch mit dem sich aus den Ma-
terialien zum SachenRBerG ergebenden Regelungszweck in
Widerspruch.
-
Maßgeblicher Bewertungszeitpunkt für die Ermittlung der
Höhe der Entschädigung sei der Tag der Einleitung des
Verfahrens. Dieser erfordere einen nach außen erkennba-
ren Willensakt der Behörde, die Rechtsverhältnisse an
den betroffenen Grundstücken in einem Verfahren nach dem
BoSoG zu regeln. Dies sei hier der Tag (29.05.1995), an
dem die Sonderungsbehörde beim Grundbuchamt ein Ersuchen
auf Eintragung eines Zustimmungsvorbehalts nach § 6 Abs.
4 BoSoG gestellt habe, nach dem Verfügungen der Grund-
stückseigentümer der Genehmigung der Behörde bedurften.
Maßgeblich für die Bemessung der Entschädigung sei daher
der in 1995 geltende Bodenrichtwert von 370 DM/m
2.
Gerichtliches Verfahren in der Sache (10 W 1545/03):
Der Widerspruchsbescheid ist der Beteiligten zu 1) am
07.01.2002 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 05.02.2002,
eingegangen beim Landgericht per Fax am 07.02.2002, hat die
Beteiligte zu 1) einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung
gestellt. Sie hat beantragt, unter teilweiser Aufhebung des
Widerspruchsbescheids der Beteiligten zu 2) die Festsetzung
der Entschädigung für den Rechtsverlust nach dem Ausgangsbe-
scheid wiederherzustellen.
10
Die Beteiligten zu 3) haben in der Verhandlung vor dem Land-
gericht am 04.09.2003 die Abweisung des Antrags beantragt.
Die Beteiligten zu 2) und zu 4) haben keine Anträge gestellt
(Prot. Seite 2 = Bl. 67 d.A. 10 W 1545/03).
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 10.10.2003 (Bl. 70 bis
86 d.A.) den Antrag in vollem Umfang zurückgewiesen. Es hat
zur Begründung ausgeführt:
-
§ 20 Abs. 2 SachenRBerG regele abschließend den Fall, in
dem ein Grundstück Gegenstand der Bodenneuordnung sei,
das in der DDR für Zwecke des komplexen Wohnungsbaus in
Anspruch genommen worden sei, während § 20 Abs. 3 Sa-
chenRBerG den Fall regele, in dem mehrere Grundstücke
Gegenstand der Bodensonderung seien.
-
Maßgeblicher Stichtag sei der der Einleitung des Boden-
sonderungsverfahrens, das hier durch das Ersuchen um die
Eintragung eines Zustimmungsvorbehalts nach § 6 Abs. 4
BoSoG beim Grundbuchamt am 29.06.1995 zum Ausdruck ge-
kommen sei. Die Eröffnung des Verfahrens entspreche dem
für die Festlegung eines Stichtags bei rechtsgeschäftli-
cher Bereinigung maßgeblichen Angebot zum Vertrags-
schluss nach § 19 Abs. 1 SachenRBerG. Angesichts der be-
sonderen Regelung in § 19 Abs. 1 SachenRBerG seien die
auf den Zeitpunkt der Entscheidung abstellenden § 57
Abs. 3 und § 95 Abs. 1 Satz 2 BauGB nicht anzuwenden.
Die Kammer folge der gegenteiligen Auffassung des 3. Zi-
vilsenats des OLG Dresden (Beschluss vom 13.12.1999 – 3
W 1583/99 – abgedruckt in VIZ 2000, 300, 304 f.) nicht.
Der Gesetzgeber hätte eine solche Regelung unter Verwei-
sung auf die Vorschriften des BauGB unschwer treffen
können, wenn er sie denn gewollt hätte. Aus § 19 Abs. 1
SachenRBerG ergebe sich jedoch, dass ein früherer Zeit-
punkt für die Wertermittlung habe maßgebend sein sollen.
11
Gegen diese Entscheidung, die ihr am 23.10.2003 zugestellt
worden ist, hat die Beteiligte zu 1) mit am 24.11.2003 (Mon-
tag) eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. In ihrer
Begründung vom 21.12.2003 begehrt sie eine teilweise Aufhe-
bung des Widerspruchsbescheids dahin, dass die Entschädigung
auch für die mit dem 2. Sonderungsteilbescheid vom 21.06.2000
zugeordneten Flurstücke nach dem Bodenrichtwert bei Erlass
des 1. Sonderungsteilbescheids im Jahre 1997 festgesetzt wer-
den möge. Sie ist der Ansicht, dass allenfalls der Erlass ei-
nes Sonderungsbescheids mit einem Angebot im Sinne des § 19
Abs. 1 SachenRBerG vergleichbar sein könne.
Die Beteiligte zu 1) beantragt:
den Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 10.10.2003,
AZ: 13 O 838/02 aufzuheben und die Höhe der den An-
tragstellern (vom Senat eingefügt: Beteiligte zu 3) zu-
gesprochenen Geldentschädigung unter Aufhebung des Wi-
derspruchsbescheids des Antragsgegners (vom Senat einge-
fügt: Beteiligte zu 2) vom 14.12.2001 auf 1.470.557,20
EUR festzusetzen.
Die Beteiligte zu 2) beantragt:
die Beschwerde der Beteiligten zu 1) zurückzuweisen.
Die Beteiligten zu 3) haben sich dem Antrag der Beteiligten
zu 2) angeschlossen. Die Beteiligte zu 4) hat erklärt, dass
sie in dieser Sache keinen eigenen Antrag stelle.
Die Beteiligte zu 2) verteidigt die von der Beteiligten zu 1)
angegriffene Entscheidung. § 19 Abs. 1 SachenRBerG sei auf
Grund der Bezugnahme auf das SachenRBerG in § 15 Abs. 1 Satz
1 BoSoG ebenfalls anzuwenden. Die Einleitung eines Bodenson-
derungsverfahrens entspreche der Abgabe eines Angebots zum
Vertragsschluss nach dem SachenRBerG, was nach § 19 Abs. 1
SachenRBerG den Wertermittlungstichtag festlege.
Die Beteiligten zu 3) haben in einem nach der Verhandlung vom
08.04.2004 eingereichten Schriftsatz vom 17.05.2004 vorgetra-
gen, dass sie zwar der Ansicht des Senats folgten, dass der
Wertermittlungsstichtag in Analogie zu den Bestimmungen des
12
BauGB für das Enteignungsverfahren festzulegen sei. Maßgebend
sei jedoch der Zeitpunkt der Besitzeinweisung durch das Mora-
torium, die analog der vorzeitigen Besitzeinweisung nach §
116 BauGB zu behandeln sei. Dieser werde durch die Eröffnung
des Verfahrens nach dem BoSoG bestimmt. Mit dieser stehe
fest, dass es zu einem Ausschluss des Eigentümers von seinem
Eigentumsrecht am Grundstück kommen werde.
Gerichtliches Verfahren in der Sache (10 W 1459/03):
Der Widerspruchsbescheid der Beteiligten zu 2) ist den Betei-
ligten
zu
3)
(Antragstellern
in
jenem
Verfahren)
am
08.01.2002 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 05.02.2002,
eingegangen beim Landgericht am 07.02.2002, haben die Betei-
ligten zu 3) gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel der Erhö-
hung der Entschädigungssummen begehrt.
Sie haben zur Begründung vorgetragen:
-
Der Bodenwert für die gesamte Fläche von 69.740 m²
betrage nach dem anzusetzenden Richtwert von 370 DM/m
2
25.803.800,00 DM. Der gesamte Ausgleich für den Rechts-
verlust an dem Grundstück, das dem Sonderungsgebiet ent-
sprochen habe, sei nach § 15 Abs. 1 BoSoG in Verb. mit §
20 Abs. 2, 3 SachenRBerG daher mit 8.601.266,60 DM zu
berechnen. Hiervon seien im ersten Bescheid 4.509.630,00
DM und im zweiten Sonderungsteilbescheid nach Änderung
durch
die
Beteiligte
zu
2)
(Regierungspräsidium)
1.700.331,83 (= 3.325.559,90 DM) festgesetzt worden. Es
verbleibe eine Differenz von 391.688,79 (= 766.076,70
DM), um den der 2. Teilsonderungsbescheid zu ihren Guns-
ten zu ändern sei.
Die Aufspaltung in zwei Sonderungsteilbescheide für ein
Sonderungsgebiet sei willkürlich gewesen. Aus diesem
Grunde habe die gesamte Entschädigung Gegenstand der
Entscheidung des 2. Sonderungsteilbescheids zu sein.
Diese müsse entsprechend angepasst werden.
13
-
Auch bei einem Verfahren nach dem BoSoG sei die gem.
§ 73 SachenRBerG zu vereinbarende Nachzahlung nach einer
Weiterveräußerung in die Entschädigung einzubeziehen.
Sie könnten diesen Betrag nicht beziffern. Sie wüssten
nur, dass die Gesamtfläche von 14.892 m², die der Betei-
ligten zu 4) im Verfahren zugeordnet worden sei, auch
verkauft worden sei. Welcher Mehrerlös für den Bodenwert
im Vergleich zu dem Ausgleichsbetrag erzielt worden sei,
wüssten sie nicht. Sie gingen nach Pressemitteilungen
von mehreren Mio. DM aus.
Die Beteiligten zu 3) haben beantragt:
1.
Die Höhe der den Antragstellern zugesprochenen Geldent-
schädigung unter Aufhebung des 2. Sonderungsteilbe-
scheids der Stadt Leipzig (vom Senat eingefügt: Betei-
ligte zu 1) im Bodensonderungsverfahren 3/95 in Gestalt
des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Leip-
zig
(vom
Senat
eingefügt:
Beteiligte
zu
2)
vom
14.12.2000 auf 2.092.029,33 festzusetzen,
2.
festzustellen, dass die Beteiligte zu 1) verpflichtet
sei, den Antragstellern (vom Senat eingefügt: Beteilig-
ten zu 3) gemäß § 73 Abs. 1 Nr. 2 in Verb. mit § 73
Abs. 3 SachenRBerG den durch die Grundstücksnutzerin
Wohnungsbaugenossenschaft
(vom
Senat
eingefügt: Beteiligte zu 4) beim Verkauf der von ihr ge-
nutzten Flächen erzielten Mehrerlös für den Bodenanteil
in die Geldentschädigung gemäß § 15 BoSoG einzubeziehen.
Die Beteiligte zu 1) hat – ohne sich schriftlich in der Sache
zu äußern – die Abweisung des Antrags beantragt.
Die Beteiligte zu 2) hat in erster Instanz beantragt, den An-
trag als unzulässig zurückzuweisen. In der mündlichen Ver-
handlung vom 04.09.2003 hat das Landgericht darauf hingewie-
sen, dass es die Beteiligte zu 2) nicht als Verfahrensbetei-
ligte nach § 18 Abs. 5 BoSoG in Verb. mit § 222 Abs. 1 BauGB
ansehe.
14
Die Beteiligte zu 4) hat sich dem Antrag der Beteiligten zu
1) angeschlossen.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 17.10.2003 (Bl. 60 bis
68 d.A. 10 W 1459/03) die Anträge als unzulässig verworfen.
Es hat zur Begründung ausgeführt:
-
Der Antrag zu 1) sei unzulässig, weil über die Entschä-
digung für die im 1. Sonderungsteilbescheid betroffenen
Flächen auch in diesem Bescheid bestandskräftig ent-
schieden worden sei. Es könne unentschieden bleiben, ob
eine solche Teilentscheidung hätte ergehen dürfen. Diese
Frage sei einer nochmaligen Prüfung entzogen, nach dem
des OLG Dresden mit dem Beschluss vom 13.12.1999 (3 W
1583/98) den 1. Sonderungsteilbescheid insoweit als
rechtmäßig angesehen habe und dieser damit bestandskräf-
tig geworden sei. Eine Überprüfung des Regelungsgegens-
tands des 1. Sonderungsteilbescheids stehe die Bestands-
kraft jenes Bescheids entgegen.
-
Es sei daher auch nicht mehr zu entscheiden, ob die da-
mals festgesetzte Entschädigung für den Rechtsverlust in
entsprechender Anwendung des § 73 SachenRBerG höher hät-
te festgesetzt werden müssen, woran die Kammer im Übri-
gen erhebliche Zweifel habe. Auch über diesen Gegenstand
wäre im 1. Sonderungsteilbescheid zu entscheiden gewe-
sen.
Gegen diese Entscheidung haben die Beteiligten zu 3) mit Te-
lefax vom 11.11.2003 Beschwerde eingelegt. In ihrer Begrün-
dung vom 29.01.2004 führen sie aus, dass die Aufspaltung des
Sonderungsverfahrens für ein Grundstück in zwei Sonderungs-
teilbescheide rechtswidrig gewesen sei. Die Sonderungsbehörde
sei verpflichtet, für das gesamte Sonderungsgebiet einen Bo-
denwert von 370 DM/m
2
in Ansatz zu bringen. Das materielle Un-
recht des ersten Sonderungsteilbescheids könne und müsse da-
her im 2. Sonderungsteilbescheid durch Anhebung der Entschä-
digung korrigiert werden.
15
Die Beteiligte zu 4) habe die von ihr genutzte Teilfläche von
14.892 m² an die Fa. GmbH verkauft
und dabei einen Gewinn in einer den Beteiligten zu 3) nicht
bekannten Höhe, nach Pressemitteilungen aber von mehreren
Mio. DM erzielt. Der daraus erzielte Mehrwert sei entspr. dem
§ 73 SachenRBerG in die Entschädigung für den Rechtsverlust
aus § 15 Abs. 1 BoSoG einzubeziehen.
Die Beteiligten zu 3) beantragen:
1.
Den Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 17.10.2003,
AZ: 13 O 830/02, aufzuheben und die Höhe der den An-
tragstellern zugesprochenen Geldentschädigung unter Auf-
hebung des 2. Sonderungsteilbescheids der Stadt
(vom Senat eingefügt: Beteiligte zu 1) im Bodensonde-
rungsverfahren 3/95 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
des Regierungspräsidiums vom 14.12.2001 (vom Se-
nat eingefügt: Beteiligte zu 2) auf 2.029.029,33 EUR
festzusetzen.
2.
Den 2. Sonderungsteilbescheid der Beteiligten zu 1) auf-
zuheben und die Beteiligten zu 1) zu verpflichten, über
die Entschädigungsleistung eines auf den Bodenanteil
entfallenden Mehrerlöses aus der Veräußerung der der Be-
teiligten zu 4) im 1. Sonderungsteilbescheid zugewiese-
nen Bodenflächen an die Fa. GmbH neu zu
bescheiden.
Die Beteiligte zu 1) beantragt,
Die Beschwerde der Beteiligten zu 3) zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 4) hat sich dem Antrag der Beteiligten zu
1) angeschlossen und ebenfalls Zurückweisung der Beschwerde
beantragt. Die Beteiligte zu 2) hat insoweit keinen Antrag
gestellt.
Die Beteiligte zu 1) trägt zur Begründung des Antrags auf Zu-
rückweisung der Beschwerde vor:
-
Die Beteiligten zu 3) seien schon deshalb nicht be-
schwert, weil im 2. Sonderungsteilbescheid in der Fas-
sung des Widerspruchsbescheids schon der für die Betei-
ligten zu 3) günstigste Bodenwert von 1995 in Höhe von
370 DM/m
2
in Ansatz gebracht worden sei.
16
-
Der erste Sonderungsteilbescheid sei zudem bestandskräf-
tig. Eine Änderung der darin festgesetzten Entschädigun-
gen und Ausgleichsleistungen sei daher nicht mehr statt-
haft. Die Zulässigkeit des Erlasses eines solchen Be-
scheids sei bereits Gegenstand der gerichtlichen Prüfung
gewesen und rechtskräftig in diesem Sinne entschieden
worden.
-
Die Frage, ob Fehlberechnungen des ersten Sonderungs-
teilbescheids korrigiert werden könnten, sei Gegenstand
einer Rücknahmeentscheidung gewesen. Der Rücknahmebe-
scheid sei jedoch zwischenzeitlich durch die Entschei-
dung der Beteiligten zu 2) im Widerspruchsverfahren auf-
gehoben worden. Diese Entscheidung sei bestandskräftig
geworden.
-
Die Frage der entsprechenden Anwendbarkeit des § 73 Sa-
chenRBerG stelle sich damit ebenfalls nicht mehr, nach-
dem der erste Bescheid bestandskräftig geworden sei.
Die Beteiligte zu 4) hat sich dem Antrag der Antragsgegnerin
angeschlossen und ist der Auffassung, dass
-
die Bestandskraft des ersten Sonderungsteilbescheids ei-
ner nochmaligen Überprüfung der Frage entgegenstehe,
-
die Mehrerlösklausel des § 73 SachenRBerG nur bei einer
rechtsgeschäftlichen Bereinigung vereinbart werden kön-
ne, ihre Anwendung im Verfahren nach dem BoSoG jedoch
ausgeschlossen sei,
-
der Bodenwert im Übrigen zu Gunsten der Antragsteller zu
günstig mit 370 DM/m
2
statt wie richtig mit 320 DM/m2 in
Ansatz gebracht worden sei, weil nicht der Tag der Ver-
fahrenseröffnung, sondern der der Auslegung des Entwurfs
des Sonderungsplans für die Wertermittlung maßgeblich
sei.
17
Termin vor dem Senat vom 08.04.2004:
Der Senat hat in beiden Sachen mündliche Verhandlung am sel-
ben Tage anberaumt. Nach Hinweis auf § 221 Abs. 3 des Bauge-
setzbuchs (BauGB) hat er die beiden Beschwerdeverfahren zur
gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
II.
A. Beschwerde der Beteiligten zu 1) - Sache (10 W 1545/03)
Die Beschwerde der Antragstellerin nach § 19 BoSoG ist zuläs-
sig. Der Senat hat im Protokoll der Sitzung vom 08.04.2004
(Seite 3 = 143 d.A.) festgestellt, dass die Förmlichkeiten
des Beschwerdeverfahrens eingehalten worden sind. Hierauf
wird Bezug genommen.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist auch in der Sache
begründet. Der Widerspruchsbescheid der Beteiligten zu 2) vom
14.12.2001 ist gemäß dem in der Beschwerdeinstanz gestellten
Antrag der Beteiligten zu 1) vom 21.11.2003 dahin abzuändern,
dass
die
Entschädigungsleistung
auf
1.470.557,20
(=
2.876.159,80 DM) neu festgesetzt wird. Dies ergibt sich aus
folgenden Gründen:
1.
Grundlagen für die Bemessung der Entschädigung für den
Rechtsverlust nach § 15 Abs. 1 BoSoG:
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BoSoG stehen dem Eigentümer als
Entschädigung für den Rechtsverlust nur die im SachenR-
BerG für den Ankaufsfall vorgesehenen Ansprüche zu. Dies
ist grundsätzlich der in § 68 Abs. 1 SachenRBerG be-
stimmte Preis bei einer Veräußerung nach diesem Gesetz,
der die Hälfte des nach den §§ 19, 20 SachenRBerG zu er-
mittelnden Bodenwerts beträgt. Die Bemessungsgrundlagen
für die Ermittlung des Bodenwerts bei den im komplexen
Wohnungsbau der DDR oder im Siedlungsbau verwendeten
Grundstücke ergeben sich aus dem § 20 Abs. 2 und Abs. 3
SachenRBerG.
18
Die Bedeutung dieser Vorschrift ist im Beschwerdeverfah-
ren zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig. Die
Beteiligte zu 1)nimmt die vom Beschluss des 3. Zivilse-
nats vom 13.12.1999 (3 W 1583/98 – VIZ 2000, 300, 304
f.) abweichende Entscheidung des Landgerichts hin, dass
der § 20 Abs. 3 SachenRBerG keine Grundlage für eine
Einzelbewertung der im Sonderungsgebiet enthaltenen Ver-
kehrsflächen mit einem Wert von 1/10 des Bodenrichtwerts
oder – jetzt des Ankaufspreises nach § 5 Abs. 1, 2
VerkFlBerG - zulässt.
Der Senat hat im Hinblick auf eine Anfrage des Thüringer
OLG mitgeteilt, dass er sich der Auffassung des Landge-
richts insoweit anschließen und an der Entscheidung des
vormals zuständigen 3. Zivilsenats nicht festhalten wür-
de. Der Senat hat insoweit auf seine Entscheidung vom
23.02.2001 (21 U 709/00 – VIZ 2001, 687, 689 f.) Bezug
genommen. Das Thüringer Oberlandesgericht hat sich in-
zwischen im Beschluss vom 24.05.2004 (9 U 264/01) eben-
falls dieser Auslegung angeschlossen, dass für die Be-
messung der Entschädigung nach § 15 Abs. 1 BoSoG die Be-
messungsgrundlagen für den Verkauf von Verkehrsflächen
nach dem VerkFlBerG auf Grund der Bestimmung in § 13
Abs. 2 VerkFlBerG keine Anwendung finden könnten. Der
Umstand, dass im Sonderungsgebiet auch Verkehrsflächen
belegen seien, die keinen Verkehrswert mehr haben, werde
durch den pauschalen Abschlag von 1/3 vom Bodenrichtwert
nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SachenRBerG berücksichtigt.
2.
Der für die Bestimmung des Bodenwerts maßgebliche
punkt
Die
Beteiligte
zu
1)
hat
insoweit
in
der
Beschwerdeinstanz auch keine Einwendungen gegen den
Beschluss des Landgerichts erhoben. Sie begehrt nur noch
insoweit eine Änderung des vom Landgericht bestätigten
Widerspruchsbescheids der Beteiligten zu 2), als sie
eine Festsetzung der Entschädigung auch für die im 2.
Teilsonderungsbescheid vom 21.06.2000 geregelten Flächen
nicht auf der Grundlage des Richtwerts von 1995 von 370
19
DM/m
2 ,
sondern auf der Basis des Bodenrichtwerts von 1997
von 320 DM/m2 begehrt. Sie hat damit Erfolg.
Der Senat schließt sich der Auffassung des 3. Zivilse-
nats in seiner Entscheidung über den ersten Teilsonde-
rungsbescheid vom 13.12.1999 an, nach der in einem Bo-
denordnungsverfahren die öffentliche Bekanntmachung des
Sonderungsbescheids nach § 9 Abs. 1, 2 BoSOG der für die
Berechnung
der
Entschädigungsleistungen
maßgebende
Stichtag ist.
Die Vorschriften zur Bestimmung des Wertermittlungs-
stichtags im BauGB sind in den Verfahren nach dem BoSoG
entsprechend anzuwenden. Die analoge Anwendung der Be-
stimmungen im BauGB für die Bemessung von Geldbeiträgen
und Ausgleichsleistungen im Umlegungsverfahren nach § 58
Abs. 3 BauGB und für die Enteignungsentschädigung nach §
95 Abs. 1 Satz 2 BauGB ist zur Schließung einer Regelun-
glücke im BoSoG und SachenRBerG und wegen der Gleichar-
tigkeit der zu regelnden Sachverhalte geboten.
a)
Fehlen einer besonderen gesetzlichen Regelung im
BoSoG
Eine unmittelbar einschlägige gesetzliche Regelung
dazu, welches der bei der sachenrechtlichen Berei-
nigung durch Verfahren zur ergänzenden oder komple-
xen Bodenordnung (§ 1 Nr. 3 und Nr. 4 BoSOG) maß-
gebliche Zeitpunkt für die Ermittlung des Bodenwer-
tes zur Berechnung der Entschädigungs- und Aus-
gleichsleistungen in § 15 BoSOG ist, gibt es nicht.
Das BoSoG (und die zu dessen Ergänzung ergangene
SPV
sowie
die
allgemeine
Verwaltungsvorschrift
VwVBoSoG vom 17.12.1997 – BAnz 25 vom 06.02.1998,
auch abgedruckt in VIZ 1998, 189 ff.) treffen dazu
keine Bestimmung.
20
b)
Unanwendbarkeit
der
für
die
Bereinigung
durch
Rechtsgeschäft geltenden Bestimmung in § 19 Abs. 1
BauGB
§ 15 Abs. 1 Satz 1 BoSoG enthält keine selbständige
Regelung für die Entschädigung für den Rechtsver-
lust, sondern verweist auf die im SachenRBerG für
den Ankaufsfall vorgesehenen Ansprüche.
Nach § 19 Abs. 1 SachenRBerG ist der Tag der Abgabe
eines Angebots zu einem Vertragsschluss nach dem
SachenRBerG auch für die Ermittlung des Bodenwertes
bestimmend. Diese Regelung kann allein in den Fäl-
len angewendet werden, in denen die sachenrechtli-
che Bereinigung durch den Abschluss eines bürger-
lich-rechtlichen Vertrages zwischen dem Nutzer und
dem Grundstückseigentümer erfolgt, bei dem Angebot
und Annahme nach den §§ 145 ff. BGB die essentialia
für das Zustandekommen des Rechtsgeschäfts und der
sich aus diesem ergebenden Rechtsfolgen sind. Dies
ist so bei einem Ankauf nach §§ 61 ff. SachenRBerG
(und nunmehr für die Verkehrsflächen nach § 3 Abs.
1 VerkFlBerG für die dort geregelten Sachverhalte).
In den Bodenordnungsverfahren nach dem BoSoG (wie
auch in den Verfahren zur Bodenneuordnung nach §§
56, 64 LwAnpG) erfolgt die sachenrechtliche Berei-
nigung jedoch durch eine hoheitliche Entscheidung
in einem Verwaltungsverfahren. Der für eine Berei-
nigung durch Rechtsgeschäft geltende § 19 Abs. 1
SachenRBerG könnte hier allenfalls sinngemäß ange-
wendet werden. Es gibt in diesen Fällen keine ver-
tragliche Regelung zwischen dem früheren Rechtsin-
haber und den durch die Neuregelung Begünstigten
(den neuen Eigentümern).
21
§ 19 Abs. 1 SachenRBerG ist indessen weder nach
seinem Wortlaut noch nach seinem Regelungszweck auf
Bodenordnungsverfahren anzuwenden. Der Senat vermag
sich weder dem Rechtsstandpunkt des Landgerichts im
angegriffenen Beschluss (aa) noch demjenigen der
Beteiligten zu 4) (bb) anzuschließen.
aa)
punkt der Eröffnung des Verfahrens nach dem BoSoG
Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, dass
die Eröffnung des Verfahrens durch die Sonderungs-
behörde dem § 19 Abs. 1 SachenRBerG entspreche. Dem
vermag der Senat nicht zu folgen.
Gegen die vom Landgericht vorgenommene Gleichset-
zung eines Angebots auf Abschluss eines Vertrages
mit der Eröffnung des Verfahrens nach dem BoSoG
spricht bereits der Umstand, dass es in diesem
Zeitpunkt noch an einem Substrat fehlt, das einem
Vertragsangebot entsprechen könnte. Die Bestimmung
des § 19 Abs. 1 SachenRBerG ist auch bei einer
rechtsgeschäftlichen Bereinigung nach ihrem Text
und ihrem Regelungsgehalt gegenstandslos, wenn noch
keine Seite eine zum Vertragsschluss führende Er-
klärung abgegeben hat. Die bloße Bekanntgabe der
Bereitschaft von Grundstückseigentümer oder Nutzer,
nach dem SachenRBerG kontrahieren zu wollen, löst
auch nach § 19 Abs. 1 SachenRBerG keine Wirkungen
in Bezug auf die Festlegung des für die Wertbestim-
mung maßgebenden Zeitpunkts aus.
Für den Eintritt der Wirkungen des § 19 Abs. 1 Sa-
chenRBerG muss stets die Erklärung einer Seite vor-
liegen, die die essentialia des abzuschließenden
Vertrages (Gegenstand und Preis) dem SachenRBerG
entsprechend bestimmt (vgl. auch Vossius, SachenR-
BerG, 2. Auflage, § 19, Rn. 22 und Zimmermann in
Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, SachenRBerG, § 19, 4.
22
ErgLfg., § 19, Rn. 6). Dies ergibt sich bereits aus
dem Text des Gesetzes. Auch der Rechtsgrund des §
19 Abs. 1 SachenRBerG spricht für diese Auslegung.
Die
Vorverlagerung
des
Wertermittlungszeitpunkts
auf das Angebot zum Vertragsschluss begründet sich
beim SachenRBerG (wie beim VerkFlBerG – vgl. dort
§ 3 Abs. 1) daraus, dass zur Durchführung der sa-
chenrechtlichen Bereinigung ein gesetzlicher Kont-
rahierungszwang nach § 14 Abs. 1 SachenRBerG be-
gründet worden ist. Es soll daher keine Seite Vor-
teile daraus ziehen können, dass sie ihrer gesetz-
lichen Verpflichtung nicht schon bei Abgabe des An-
gebots, sondern erst zu einem sehr viel späteren
Zeitpunkt nachkommt. Eine Verzögerung bei der Er-
füllung der gesetzlichen Verpflichtung zum Ver-
tragsschluss in Erwartung steigender (die dem Ei-
gentümer des Grundstücks zugute käme) oder fallen-
der Bodenwerte (die dem Nutzer zugute käme) soll
sich nicht auszahlen. Dies wird mit § 19 Abs. 1 Sa-
chenRBerG ausgeschlossen, indem es für die Werter-
mittlung auf den Zeitpunkt des Zugangs eines dem
Gesetz entsprechenden Angebots ankommt.
Für diese Auslegung spricht auch der in der Begrün-
dung zu § 19 SachenRBerG zitierte § 95 Abs. 2 Nr. 3
BauGB (BT-Drs 12/5992, S. 118). Diese Norm wirkt
für das Enteignungsverfahren nach dem BauGB einer
solchen Spekulation auf steigende Bodenwerte entge-
gen, indem die Nichtannahme eines Angebotes zu an-
gemessenen Bedingungen zur Vermeidung der Durchfüh-
rung eines Enteignungsverfahrens den Eigentümer von
den Vorteilen aus weiteren Werterhöhungen aus-
schließt, sofern er diese nicht durch Arbeit oder
Kapital herbeigeführt hat. Voraussetzung für die
Anwendung dieser Norm ist jedoch ebenfalls, dass
dem betroffenen Eigentümer überhaupt ein solches
Angebot unterbreitet worden ist (vgl. BGH – Urteil
vom 24.03.1974 – III ZR 32/75 – DVBl. 1978, 39
ff.).
23
Es besteht daher aus dem Wortlaut und dem Zweck des
§ 19 Abs. 1 SachenRBerG weder Grund noch Anlass da-
für, die Wertbestimmung auf einen Zeitpunkt festzu-
legen, der noch weit von der Veränderung der
Rechtsverhältnisse an den betroffenen Grundstücken
entfernt liegen kann.
Die Bindung der Wertermittlung an den Tag der Er-
öffnung
des
Bodensonderungsverfahrens
würde
schließlich in Bezug zur Regelung beim Moratoriums-
zins zu einer widersprüchlichen Verteilung der
Chancen und Risiken aus den Wertveränderungen am
Grundstücksmarkt führen. Der für die Zeit des Ver-
fahrens zu entrichtende Moratoriumszins wird durch
die Verhältnisse am Grundstücksmarkt bestimmt. Mit
der Einleitung eines Verfahrens entsteht – unabhän-
gig davon, ob das Verfahren von Amts wegen oder auf
Antrag eines der in § 6 Abs. 1 Satz 3 in Verb. mit
§ 5 Abs. 4 BoSoG bezeichneten Antragsberechtigten,
mit oder gegen den Willen des Grundstückseigentü-
mers eröffnet worden ist – ein Anspruch auf den Mo-
ratoriumszins nach Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 8
EGBGB, dessen Höhe dem (vollen) Erbbauzins nach der
Bestellung eines Erbbaurechts auf der Grundlage des
SachenRBerG entspricht (BGH – Urteil vom 18.02.2000
– V ZR 324/98 – VIZ 2000, 367, 368) und sich nach
dem
jeweiligen
Bodenwert
bestimmt
(vgl.
BGH,
a.a.O., S. 369 und Urteil vom 11.04.2003 – V ZR
209/02 – VIZ 2003, 443 f. m.w.N.). Es ist jedoch
kein sachlicher Grund dafür zu erkennen, die Ver-
zinsung des Bodenwerts in der Zeit des Bodensonde-
rungsverfahrens an die Entwicklung der Bodenwerte
anzupassen, die vom Bodenwert abhängige Entschädi-
gung aber auf die Verhältnisse bei der Verfahrens-
eröffnung einzufrieren.
24
bb)
der Bekanntgabe des Sonderungsplanentwurfs
Die Beteiligte zu 4) vertritt unter Bezugnahme auf
Thietz-Bartram (VIZ 1998, 500, 503) die Ansicht,
dass die Bekanntmachung des Entwurfs des Sonde-
rungsplanes durch die Behörde nach § 8 Abs. 3
Satz 3 BoSoG dem Zeitpunkt des Angebotes entspre-
che. Zur Begründung wird auch darauf verwiesen,
dass dieser Zeitpunkt der Bekanntgabe eines Flurbe-
reinigungsplanes nach § 59 Abs. 1 FlurbG entspre-
che, der von den meisten Verwaltungsgerichten auch
für die Bodenordnungsverfahren nach § 64 LwAnpG als
Stichtag für die Wertermittlung bestimmt werde (un-
ter
Hinweis
auf
OVG
Magdeburg
-
Urteil
vom
02.09.1998 – C 8 S 5/98 und OVG Frankfurt/Oder -
Urteil vom 25.01.2001 – 8 D 12/98 – VIZ 2002, 52,
55).
Der Senat vermag sich auch nicht dieser Auffassung
anzuschließen. Es ist dieser Ansicht zwar zuzuges-
tehen, dass mit dem Entwurf eines Sonderungsplanes
die einem Angebot entsprechenden Merkmale in Bezug
auf den Gegenstand und das Entgelt vorliegen (vgl.
Thietz-Bartram, VIZ 1998, 500, 503). Dies gilt je-
denfalls dann, wenn der Entwurf eines Sonderungs-
planes sowohl die Grundstücksliste nach § 4 SPV als
auch die Entschädigungs- und Ausgleichsliste nach §
5 SPV enthält, was nach Ziffer 7.7 der VwVBoSOG
auch grundsätzlich so sein soll.
Gegen diesen Ansatz spricht jedoch, dass der Ent-
wurf des Sonderungsplanes nicht auf Willensäußerun-
gen der am Verfahren Beteiligten, sondern auf dem
Regelungswillen einer Behörde bei der Wahrnehmung
einer ihr übertragenen öffentlichen Aufgabe beruht.
Der Entwurf des Sonderungsplans kann nicht dem Re-
gelungswillen eines Beteiligten, wie dessen Angebot
auf einen Vertragsschluss, zugerechnet werden. Der
25
Entwurf des Plans wird vielmehr oft in einigen oder
mehreren Punkten in Bezug auf die darin vorgesehene
Regelung der Rechtsverhältnisse an den Grundstücken
oder die Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen
keinen der am Verfahren Beteiligten vollständig zu-
frieden stellen.
Im Übrigen ist der Entwurf eines Sonderungsplanes
nicht endgültig und für die Behörde nicht bindend.
Der Plan kann von Amts wegen oder auf Grund von
Einwänden der Betroffenen überarbeitet und neu aus-
gelegt werden. Im vorliegenden Fall ist dies auch
geschehen. Der Entwurf des Sonderungsplanes für den
ersten Teilsonderungsbescheid hat denn auch 2 mal
ausgelegen, vom 23.09.1996 bis zum 23.10.1996 und
nach Überarbeitung noch einmal vom 21.04.1997 bis
zum 20.05.1997. Der Plan schafft insoweit auch noch
keine dem § 19 Abs. 1 SachenRBerG einem vertragli-
chen Angebot entsprechende Bindung für die Behörde.
c)
Wertermittlung nach dem Zeitpunkt der hoheitlichen
Entscheidung über die Neuordnung der Eigentumsver-
hältnisse an den Grundstücken
Die sachenrechtliche Bereinigung in den Verfahren
nach § 1 Nr. 3 und Nr. 4 BoSoG erfolgt erst auf
Grund des Erlasses des Sonderungsbescheids nach § 9
Abs. 1 BoSoG. Der weitere Fortgang hängt dann al-
lein noch davon ab, ob der Bescheid sogleich be-
standskräftig oder von einem der Beteiligten ange-
fochten wird. Das Fehlen einer passenden Regelung
zur Bestimmung des Wertermittlungsstichtags im Bo-
SoG und im SachenRBerG für diese Fälle sowie die
Vergleichbarkeit der zu regelnden Sachverhalte in
den Umlegungs- und Enteignungsverfahren nach dem
BauGB sowie der Verfahren zur Bodenneuordnung nach
dem 8. Abschnitt des LwAnpG sprechen dafür, den
Wertermittlungsstichtag auch hier nach den für jene
Verfahren geltenden Grundsätzen festzulegen.
26
Bei diesem Ansatz kämen zwei Zeitpunkte in Be-
tracht:
-
Der vormals für die Streitigkeiten nach dem
BoSoG zuständige III. Zivilsenat des OLG Dres-
den hat den Tag des Erlasses und der Zustel-
lung des Sonderungsbescheids für maßgebend er-
achtet (Beschluss vom 13.12.1999 – 3 W 1583/98
– VIZ 2000, 300, 304). Er hat darauf verwie-
sen, dass diese Bewertungsregelung auch derje-
nigen für die Enteignungsentschädigung nach §
95 Abs. 1 Satz 2 BauGB und für die Bemessung
von Beiträgen und Ausgleichsleistungen im Um-
legungsverfahren nach § 58 Abs. 3 BauGB ent-
spreche.
-
Das Sächs. OVG vertritt für die Bodenordnungs-
verfahren nach § 56, § 64 LwAnpG die Auffas-
sung, dass für die Bemessung der Abfindungen
in Geld der Wert der Sache in dem Zeitpunkt
maßgebend sei, an dem der neue Rechtszustand
an die Stelle des alten trete (§ 44 Abs. 1
Satz 3, § 61 FlurbG). Danach würde es auf den
Eintritt der Bestandskraft der Bestimmungen
zur Änderung, Aufhebung oder Begründung von
Eigentums- sowie beschränkt dinglicher Rechte
an den Grundstücken nach § 13 Abs. 1 BoSoG an-
kommen (SächsOVG – Urteil vom 04.02.2002 – F 7
D 25/01 – RdL 2003, 70, 71).
Der erkennende Senat folgt der Auffassung des 3.
Zivilsenats des OLG Dresden (aa). Ein Aufschieben
des für die Wertermittlung maßgeblichen Zeitpunkts
bis zum Eintritt der Bestandskraft des Sonderungs-
bescheids wäre nicht sachgerecht (bb). Der Zeit-
punkt für die Wertermittlung ist auch nicht nach
den Grundsätzen über die vorzeitige Besitzeinwei-
sung in § 116 BauGB auf den Beginn der Eröffnung
27
des Verfahrens nach dem BoSoG vorzuverlagern (cc).
Die Entschädigung wäre daher grundsätzlich nach dem
im Zeitpunkt des Erlasses des 2. Sonderungsteilbe-
scheids im Jahre 2000 geltenden Bodenrichtwert zu
bestimmen gewesen (dd). Dem könnte allerdings ent-
gegenstehen, dass die Aufteilung der Regelung für
ein Sonderungsgebiet in zwei zeitlich nachfolgende
Sonderungsteilbescheide unzulässig gewesen sein o-
der die Sonderungsbehörde der Beteiligten zu 1)
durch Aufschub der Entscheidung den Grundsatz der
Objektivität und Neutralität der Verfahrensgestal-
tung im Interesse der Beklagten zu 1) als betroffe-
ne Nutzerin und neue Eigentümerin verletzt haben
könnte (dd,1). Der Senat braucht diese Fragen nicht
zu entscheiden, weil die Beteiligte zu 1) nur eine
Abänderung des 2. Sonderungsbescheids nach dem (hö-
heren) Bodenrichtwert von 1997 bei dem Erlass des
1. Sonderungsteilbescheids beantragt hat und im Be-
schwerdeverfahren die Verbote einer Entscheidung
über den Antrag hinaus und der Verschlechterung der
Entscheidung zu Lasten der anderen Beteiligten gel-
ten (dd,2).
aa)
Abs. 1 Satz 2 BauGB
Für die analoge Anwendung der Bestimmungen des
BauGB sprechen die Ähnlichkeit der Verfahren und
der Rechtsfolgen für die Beteiligten. Das Umle-
gungsverfahren ist mit demjenigen des BoSoG inso-
fern ähnlich, als es eine Neuordnung der Grundstü-
cke im Umlegungsgebiet zum Ziel hat, wobei Gegens-
tand der Verfahren nach dem BoSoG nicht die zweck-
mäßige Gestaltung der Grundstücke im Hinblick auf
eine künftige, sondern deren Anpassung an eine be-
reits vorhandene Bebauung ist. Mit dem Enteignungs-
verfahren hat die Bodensonderung gemeinsam, dass
sie nicht nur die Grundstücksgrenzen neu gestalten,
sondern zugleich die Eigentumsverhältnisse der be-
28
reits bestehenden bauliche Nutzung anpassen soll.
Das Verfahren nach dem BoSoG enthält somit Elemente
aus beiden genannten Verfahren aus dem BauGB. Diese
Gemeinsamkeiten sprechen dafür, die Vorschriften
über die Bestimmung der Werte für Geldbeiträge und
Ausgleichsleistungen
im
Umlegungsverfahren
nach
§ 58 Abs. 3 BauGB und für die Bemessung des Ver-
kehrswerts für die Entschädigung des Eigentumsver-
lustes im Enteignungsverfahren im § 95 Abs. 1 Satz
2 BauGB mangels einer geeigneten Bestimmung im Bo-
SoG und im SachenRBerG entsprechend anzuwenden.
Die vorstehenden Regelungen sind nicht aus der Er-
wägung unanwendbar, dass das SachenRBerG dem Grund-
stückseigentümer beim Verlust seines Rechts nicht
den vollen Bodenwert, sondern nur einen Ausgleich
für den Rechtsverlust auf der Basis eines Vorwegab-
zugs für Maßnahmen zur Baureifmachung und zur städ-
tebaulichen Entwicklung von einem Drittel und eines
Halbteilungsgrundsatzes bereit stellt. Die Regelun-
gen zur Höhe der Entschädigung beruhen auf dem Um-
stand, dass die Grundstücke in der DDR durch die
Bebauung (hier durch die Verwendung im komplexen
Wohnungsbau) faktisch in Anspruch genommen und die
Grundstückseigentümer bereits dadurch von der wirt-
schaftlichen Nutzung ausgeschlossen waren. Diese
Vorbelastung der betroffenen Grundstücke bei ihrem
Eintritt in den Geltungsbereich des Grundgesetzes
rechtfertigt es, den Ausgleich zwischen Grund-
stückseigentümern und Nutzern auf der Basis einer
Halbteilung der durch die Marktwirtschaft entstan-
denen Bodenwerte (unter einem Vorabzug der durch
die Erschließung und Entwicklung eingetreten Wert-
steigerungen) vorzunehmen und auch eine sachen-
rechtliche Bereinigung durch Übertragung des Eigen-
tums auf die Nutzer vorzusehen (vgl. BVerfG – Be-
schluss vom 22.02.2001 – 1 BvR 198/98 – VIZ 2001,
330, 332 f. - zum Ankaufsrecht). In Bezug auf die
in der Marktwirtschaft üblichen (in den neuen Län-
29
dern in den vergangenen Jahren außerordentlichen)
Schwankungen der Bodenwerte stellen sich für die
Bestimmung der Entschädigungsleistungen nach § 15
Abs. 1 BoSoG jedoch die gleichen Probleme wie für
die Ausgleichsleistungen bei der Umlegung und für
die Entschädigungen bei der Enteignung nach dem
BauGB. Hierzu hat der Gesetzgeber Bestimmungen ge-
troffen. Zu deren Auslegung gibt es eine umfängli-
che
Rechtsprechung,
auf
die
bei
den
insoweit
gleichartigen Fragen der Entschädigung nach dem Bo-
SoG zurückgegriffen werden kann.
Die entsprechende Anwendung der Vorschriften des
BauGB lässt sich auch nicht mit dem Umkehrschluss
im landgerichtlichen Beschluss ausschließen, der
Gesetzgeber hätte eine solche Regelung ohne beson-
deren Aufwand treffen können, wenn er das denn ge-
wollt hätte. Solche Umkehrschlüsse sind nur dann
gerechtfertigt, wenn man einen Anhaltspunkt für ei-
nen entsprechenden Regelungswillen des Gesetzgebers
hätte. Wie jedoch bereits ausgeführt, fehlt es im
vorliegenden Fall an einer für die Festlegung eines
Wertermittlungsstichtags in einem behördlichen Ver-
fahren geeigneten Bestimmung im BoSoG und im Sa-
chenRBerG. Eine solche Regelungslücke kann jedoch
nicht Grundlage für den Umkehrschluss sein, dass
der Gesetzgeber die entsprechende Anwendung von
Normen in einem anderen Gesetz, die eine Regelung
für vergleichbare Sachverhalte und Interessengegen-
sätze der Beteiligten bereit stellen, nicht gewollt
habe.
bb)
Regelungen für eine Ermittlung des Wertes bei einer
Eigentumsneuordnung in einem behördlichen Verfahren
stellen neben den Regelungen des BauGB auch die
Vorschriften des FlurbG bereit. Sie unterscheiden
sich in dem hier zu erörternden Punkt darin, dass
30
nach dem BauGB die Entscheidung und nach dem FlurbG
deren Bestandskraft für den Zeitpunkt der Werter-
mittlung bestimmend ist.
Die an die behördliche Anordnung anknüpfenden Vor-
schriften in § 57 Abs. 3 und in § 95 Abs. 1 Satz 2
BauGB sind nach Auffassung des Senats für das Ver-
fahren nach dem BoSoG der an die Bestandskraft an-
knüpfenden Regelung in § 44 Abs. 3 Satz 1 in Verb.
mit § 61 Satz 2 FlurbG vorzuziehen. Das Verfahren
nach dem BoSoG ist dem nach dem BauGB näher, da es
neben der vorbereitenden Auslegung eines Planent-
wurfs auch die behördliche Entscheidung über den
Eintritt der Rechtswirkungen des Planes kennt. Zu-
dem stellt sich bei einem Aufschub des Wertermitt-
lungsstichtags bis zum Abschluss gerichtlicher Ver-
fahren in besonderer Weise das Problem, dass sich
daraus ein besonderer Anreiz für einen Beteiligten
ergeben kann, den Bescheid in Erwartung einer für
ihn vorteilhaften Entwicklung der Bodenwerte anzu-
fechten. Dies ist einer der Gründe dafür, warum ei-
nige Oberwaltungsgerichte auch für die Bodenord-
nungsverfahren nach §§ 56, 64 LwAnpG die Auffassung
vertreten, dass für diese Verfahren der Stichtag
für die Wertermittlung in Abweichung von den ge-
nannten Vorschriften des FlurbG die Bekanntgabe des
Flurbereinigungsplanes sei (OVG Magdeburg - Urteil
vom 02.09.1998 – C 8 S 5/98 und OVG Frankfurt/Oder
- Urteil vom 25.01.2001 – 8 D 12/98 – VIZ 2002, 52,
55).
cc)
Verfahrens in entspr. Anwendung des § 116 Abs. 4
BauGB in Verb. mit § 93 Abs. 4 Satz 2 BauGB
Der Senat vermag sich auch nicht dem Einwand der
Beteiligten zu 3) im nachgereichten Schriftsatz vom
17.05.2004 anzuschließen, dass der Wertermittlungs-
stichtag in Anlehnung an die Regelungen des BauGB
31
über die vorläufige Besitzeinweisung bestimmt wer-
den müsse.
Soweit die Beteiligten zu 3) auf die Regelung des
§ 93 Abs. 4 Satz 2 BauGB verweisen, haben sie mög-
licherweise übersehen, dass die zitierte Vorschrift
nicht den Preisermittlungsstichtag, sondern den
Zeitpunkt für die der Entschädigung zugrunde lie-
gende Qualität bestimmt (vgl. statt aller: Battis
in
Battis/Krautzberger/Löhr,
BauGB,
8.
Auflage
(2002), § 95, Rn. 3). Die entsprechende Anwendung
der Grundsätze des BauGB für die Ermittlung der
Grundstücksqualität auch im SachenRBerG hätte zu
einer dem § 5 Abs. 1 Satz 3 VerkFlBerG entsprechen-
den Wertfestlegung geführt. Danach wäre für die Er-
mittlung der Qualität des Grundstücks diejenige vor
der tatsächlichen Inanspruchnahme durch die Bebau-
ung entscheidend gewesen. Dies hätte bei einem in
randstädtischer Lage im komplexen Wohnungsbau er-
richteten Wohngebiet (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 Sa-
chenRBerG), was in der Terminologie des BauGB einer
erstmaligen Bebauung im einem städtebaulichen Ent-
wicklungsbereich (§ 165 BauGB) entspräche, zu einer
wesentlichen geringeren Entschädigung für den Ei-
gentumsverlust am Grundstück geführt. Diese wäre
dann nach der früheren Qualität als begünstigtes
Ackerland oder Bauerwartungsland unterer Stufe zu
bemessen. Diese Werte liegen um ein Vielfaches un-
ter dem nach dem SachenRBerG (§ 19 Abs. 2 Satz 1
und § 20 Abs. 2 Satz 2) anzusetzenden Werten für
Bauland. Von einer solchen Regelung hat man in dem
SachenRBerG auch für die Gebiete des ehemaligen
komplexen Wohnungsbaus Abstand genommen, weil eine
derartige Bestimmung die heutigen Nutzer einseitig
begünstigt hätte.
Für den Stichtag zur Preisermittlung bei vorläufi-
ger Besitzeinweisung stellt auch das BauGB keine
speziellen Bestimmungen bereit. An die Stelle der
32
Entschädigung für die Nachteile aus der vorzeitigen
Besitzeinweisung und die Verzinsung der Entschädi-
gungsleistung nach § 116 Abs. 4 Satz 1 BauGB tritt
der Moratoriumszins aus Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 8
EGBGB, den die Beteiligten zu 3) von der Eröffnung
des Verfahrens an erhalten haben.
dd) Keine Anknüpfung an einen späteren Zeitpunkt
Bei einer Bestimmung des Wertermittlungsstichtags
nach § 9 Abs. 1, Abs. 2 BoSoG in entsprechender An-
wendung der § 57 Abs. 3 und § 95 Abs. 1 Satz 2
BauGB wäre allerdings grundsätzlich von den Wert-
verhältnissen nach dem Erlass des 2. Sonderungs-
teilbescheids am 21.06.2000 auszugehen, weil die
Neuregelung der Eigentumsverhältnisse an diesen
Teilflächen des Flurstücks auch erst in diesem Be-
scheid erfolgte.
(1)
Teilsonderungsbescheiden für ein Sonderungsgebiet
oder einem Hinausschieben der Entscheidung durch
die Behörde im Interesse eines Beteiligten
Eine hiervon abweichende Bestimmung des Stichtags
für die Wertermittlung könnte allerdings dann vor-
zunehmen sein, wenn die Sonderungsbehörde einen
nicht zulässigen Teilbescheid erlassen hat oder
nicht den Grundsätzen der Objektivität und Überpar-
teilichkeit gefolgt ist. Dies könnte zu bejahen
sein, wenn die Sonderungsbehörde bei fallenden Bo-
denwerten zugunsten eines der nach § 15 Abs. 5 Bo-
SoG Ausgleichspflichtigen - hier der Beteiligten zu
1) selbst – den Erlass des Sonderungsbescheids für
bestimmte Teilflächen eines einheitlichen Sonde-
rungsgebiets ohne erkennbaren sachlichen Grund hi-
nausgeschoben hätte.
Ob dies im vorliegenden Fall so war und welche
Rechtsfolgen zu ziehen wären, muss hier deshalb of-
33
fen bleiben, weil die Beteiligte zu 1) im 2. Sonde-
rungsteilbescheid vom 21.06.2000 bereits eine Kor-
rektur zu Gunsten der Beteiligten zu 3) vorgenommen
hat. Sie hat die Entschädigung für den Rechtsver-
lust nicht auf der Grundlage des Bodenrichtwerts
bei Erlass des zweiten Sonderungsteilbescheids aus
dem Jahr 2000 (von 300 DM/m2), sondern auf der Ba-
sis des Bodenwerts aus dem Jahre 1997 (von 320
DM/m
2)
berechnet; dem Jahr, in dem sie den ersten
Sonderungsteilbescheid erlassen hatte.
(2)
rung im Beschwerdeverfahren nach § 19 BoSOG
Eine weiterreichende Änderung des 2. Sonderungs-
teilbescheids in der Fassung des Widerspruchsbe-
scheids zum Nachteil der Beteiligten zu 3) hat die
Beteiligte zu 1) auch nicht beantragt. Der Senat
dürfte sie daher auch nicht aussprechen. Eine über
die Anträge hinausgehende Änderung der in einem
Sonderungsbescheid festgesetzten Geldleistungen ist
im gerichtlichen Verfahren und im Beschwerdeverfah-
ren nicht mehr zulässig.
§ 19 Abs. 1 Satz 2 BoSoG verweist auf einige Vor-
schriften über das Revisionsverfahren in Zivilsa-
chen. Die Verweisung entspricht derjenigen in § 27
Abs. 1 Satz 2 FGG. Die Vorschrift über die Bindung
an die im Beschwerdeverfahren gestellten Anträge in
§ 557 Abs. 1 ZPO (ne ultra petita), und – daraus
folgend – das Verbot einer Verschlechterung für den
Rechtsmittelführer (reformatio in peius) sind je-
doch in die Verweisung nicht ausdrücklich mit auf-
genommen worden.
Der Senat hat bereits dahin erkannt, dass in den
Bodensonderungsverfahren eine Antragsbindung gilt
und damit die nicht angefochtenen Teile des An-
tragsgegenstands in Rechtskraft erwachsen (Senat –
Beschluss vom 19.12.2001 – 21 W 10/01 – VIZ 2002,
34
305, 307). Dies ergibt sich bereits aus § 18 Abs. 3
Sätze 1 bis 3 BoSoG; die anderen Teile des Be-
scheids werden bestandskräftig. Er hat ebenso (wenn
auch nicht in den tragenden Erwägungen) in jener
Entscheidung ausgesprochen, dass in Beschwerdever-
fahren nach § 19 Abs. 1 BoSoG auch das Verbot der
reformatio in peius gelte (Senat, a.a.O; ebenso
Czub, ZOV 2002, 335, 343).
Es ist daher nicht mehr darüber zu entscheiden, ob
die Beteiligte zu 1) im 2. Sonderungsteilbescheid
die Entschädigung nach dem niedrigeren Bodenricht-
wert im Jahre 2000 hätte bestimmen können oder eine
solche Festsetzung aus den unter (1) genannten Er-
wägungen hier ausgeschlossen wäre.
3.
Bestimmung des Wertes der Entschädigung für den
verlust (§ 15 Abs. 1 BoSoG)
Der Bodenwert ist danach unter Ansatz der Bodenrichtwer-
te (§ 19 Abs. 5 Satz 1 BoSoG) für den Wert baureifer
Grundstücke im Sonderungsgebiet für das Jahr 1997 zu er-
mitteln. Dieser betrug 320 DM/m
2.
Bei einer Größe der
durch den 2. Sonderungsteilbescheid zugeordneten Boden-
fläche von 26.964 m² ergab sich ein Wert von 8.628.480
DM.
Die Entschädigung für den Rechtsverlust für die im kom-
plexen
Wohnungsbau
der
DDR
in
Anspruch
genommenen
Grundstücke erfolgt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BoSoG nach
den Grundlagen einer Preisbemessung für den Ankauf nach
dem SachenRBerG. Zur Ermittlung des Entschädigungswerts
ist der Wert der baureifen Grundstücke im Sonderungsge-
biet nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SachenRBerG um den pauscha-
len Abzug von 1/3 für die durch den komplexen Wohnungs-
bau erfolgten Maßnahmen zur Stadtentwicklung und zur
Baureifmachung der Grundstücke im Sonderungsgebiet zu
vermindern. Dies ergibt einen Betrag von 5.752.320 DM.
Weiter ist der für die Preisbemessung nach § 68 Abs. 1
35
SachenRBerG ausgesprochene Grundsatz der Halbteilung der
durch die Marktwirtschaft entstandenen Bodenwerte auch
bei der Entschädigung zu berücksichtigen.
Diese beträgt danach 2.876.160 DM; nach dem 01.01.2002
sind das 1.470.557,20 .
Der Widerspruchsbescheid der Beteiligten zu 2) war ent-
sprechend zu ändern.
B. Beschwerde der Beteiligten zu 3) - Sache 10 W 1459/03
Die Beschwerde der Beteiligten zu 3) gegen den Beschluss des
Landgerichts Leipzig vom 17.10.2003 (AZ: 13 O 830/02) ist zu-
lässig. Die Wahrung der Förmlichkeiten ist im Prot. vom
08.04.2004 festgestellt worden (Prot. Seite 3 = Bl. 106
d.A.), auf das Bezug genommen wird. Diese Beschwerde bleibt
jedoch in der Sache ohne Erfolg.
1.
Antrag
zu
1)
auf
Erhöhung
der
Entschädigung
um
391.697,50 Euro (von 1.700,331,83 Euro auf 2.092.029,33
Euro)
Das Landgericht hat den Antrag zu Recht als unzulässig
verworfen. Einer nochmaligen Entscheidung über die im 1.
Sonderungsteilbescheid vom 06.06.1997 getroffenen Ent-
schädigungsregelungen steht die Bestandskraft jenes Be-
scheids entgegen. Eine nochmalige Bescheidung desselben
Gegenstands kann auch nicht durch die begehrte Ergänzung
des 2. Sonderungsteilbescheids erfolgen.
Der 1. Sonderungsteilbescheid enthielt eine Liste der
Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen nach § 5 SPV.
Die Zulässigkeit einer Bodensonderung als solche, des
Erlasses eines Sonderungsteilbescheids als auch die Höhe
der in diesem Bescheid festgesetzten Entschädigungen wa-
ren Gegenstand eines gegen diesen Sonderungsteilbescheid
von den Antragstellern eingeleiteten gerichtlichen Ver-
fahrens. Jenes wurde mit der Entscheidung des 3. Zivil-
senats vom 13.12.1999 (3 W 1583/99 - VIZ 2000, 300 ff.)
36
abgeschlossen. Dabei wurde auf der Basis einer anderen
Auslegung des § 20 Abs. 3 SachenRBerG die Festsetzung
einer geringeren Entschädigung durch die Beteiligte zu
1) mit einem Ansatz von 10 % des Bodenrichtwerts für
Verkehrsflächen
bestätigt.
Diese
Entscheidung
ist
rechtskräftig. Der erste Sonderungsteilbescheid wurde
damit – in allen seinen Teilen - bestandskräftig. Die
gegen die Entscheidung des 3. Zivilsenats des OLG Dres-
den von den Antragstellern erhobene Verfassungsbeschwer-
de hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Rechtskraft der gerichtlichen Beschlusses im Be-
schwerdeverfahren und die damit eingetretene Bestands-
kraft des ersten Sonderungsteilbescheids haben zur Fol-
ge, dass die Entschädigungsliste des ersten Sonderungs-
teilbescheids unwiderleglich als richtig zu vermuten ist
und nicht erneut zur gerichtlichen Überprüfung gestellt
werden kann (vgl. zur Rechtskraftwirkung allgemein: BGH
– Urteil vom 12.05.1996 – IX ZR 67/96 – NJW 1996, 743).
Insoweit besteht im Grundsatz auch kein Streit. Die Be-
teiligten zu 3) können diese Folgen rechtskräftig gewor-
dener Entscheidungen und damit der Bestandskraft des 1.
Sonderungsteilbescheids auch nicht dadurch durchbrechen,
dass sie diese zum Gegenstand der Überprüfung des 2.
Sonderungsteilbescheids stellen.
a)
Bedenken gegen die Zulässigkeit des Erlasses von
Sonderungsteilbescheiden
Den Beteiligten zu 3) ist allerdings zuzugeben,
dass die Zulässigkeit des Vorgehens der Beteiligten
zu 1) in Bezug auf den Erlass von Sonderungsteilbe-
scheiden für ein Grundstück nicht unbedenklich ist.
Richtig ist zwar, dass die Sonderungsbehörde gemäß
§ 6 Abs. 2 Satz 1 BoSoG nach pflichtgemäßen Ermes-
sen die Grenzen eines Sonderungsgebietes bestimmen
37
kann. Diese Regelung betrifft Festlegung der sog.
Umringungsgrenze des durch die Bodensonderung zu
bestimmenden Plangebietes nach § 1 SPV. Durch die
Umringungsgrenze wird u.a. bestimmt, in welchem Ge-
biet eine bürgerlich-rechtliche Regelung zur sa-
chenrechtlichen Bereinigung durch die beteiligten
Grundstückseigentümer und Nutzer nach § 28 Satz 1
Nr. 1 SachenRBerG ausgeschlossen wird. Die Vor-
schrift des § 6 Abs. 2 trifft dagegen keine Rege-
lung dahin, dass innerhalb des Sonderungsgebiets
eine Regelung für Teile davon durch einzelne Teil-
bescheide zulässig wäre.
§ 15 Abs. 6 BoSoG besagt, dass über Entschädigungs-
oder Ausgleichspflichten ganz oder teilweise geson-
dert entschieden werden kann. Aus dem Rechtsgrund
des Art. 14 Abs. 3 GG folgt jedoch, dass die Ent-
scheidung über die Entschädigung grundsätzlich mit
der Sonderung der Bodenflächen zu verbinden ist und
der
die
Entschädigung
betreffende
Teilbescheid
zeitnah nachfolgen muss (Nummer 7.8 WvWBoSoG).
Im vorliegenden Fall ist allerdings nicht die Ent-
schädigungsregelung aus dem Sonderungsbescheid he-
rausgenommen, sondern die Sonderung und die Ent-
schädigung für das Gebiet in Teilregelungen aufge-
gliedert worden. Gegen ein solches Vorgehen könnten
folgende Bedenken sprechen:
-
Es dürfte nicht richtig sein, dass den Betrof-
fenen – wie der 3. Zivilsenat ausgeführt hat –
keine Rechtsnachteile aus der Aufspaltung des
Sonderungsverfahrens entstehen können. Solche
Rechtsnachteile können schon daraus entstehen,
dass für die Ermittlung des Bodenwerts der
Zeitpunkt der Bekanntmachung des Sonderungsbe-
scheids durch Auslegung bestimmend ist. Durch
einen Aufschub der Sonderung für Teilgebiete
können sich für die Betroffenen erhebliche
38
Vor- oder Nachteile ergeben, die von der je-
weiligen Entwicklung der Bodenpreise abhängen.
-
Noch mehr gegen die Zulässigkeit einer solchen
Aufspaltung in Teilbescheide könnte der Umstand
sprechen, dass außerhalb eines Sonderungsgebiets
sowohl die Grundstückseigentümer als auch die
Nutzer eine Regelung auf der Grundlage des Sa-
chenRBerG (§§ 14 bis 16 SachenRBerG) verlangen
und durchsetzen können, was den Betroffenen in-
nerhalb eines solchen Gebietes versperrt ist. Ei-
ne unterschiedliche Behandlung einzelner Nutzer
und/oder Grundstückseigentümer schließt diese für
längere Zeit von den Wirkungen der sachenrechtli-
chen Bereinigung (Eigentumserwerb durch den Nut-
zer und Erhalt der Entschädigung für den Eigentü-
mer) aus.
b)
Keine Durchbrechung der Wirkungen der Bestandskraft
Die Frage der Zulässigkeit der Regelung der Eigen-
tumsverhältnisse und der Entschädigungsleistungen
für bestimmte Flächen eines Sonderungsgebiets ist
indessen einer nochmaligen Beurteilung durch den
Senat entzogen. Die Beteiligten zu 3) haben daher
auch keinen (die Bestandskraft durchbrechenden) An-
spruch auf Nachentschädigung für die im 1. Sonde-
rungsteilbescheid zugeordneten Flächen. Dem steht
der Gegenstand der Regelungen in jenem Bescheid und
die mit den Wirkungen der Bestandskraft herbeige-
führte Rechtssicherheit für alle Verfahrensbetei-
ligten entgegen.
In dem 1. Sonderungsteilbescheid stand die Ent-
scheidung über die Höhe der Entschädigung nicht al-
lein. Die Neuordnung der Rechtsverhältnisse an den
Grundstücken, der Entschädigungen für den Rechts-
verlust und die zu deren Refinanzierung durch die
Ausgleichspflichten der Nutzer bildeten vielmehr
39
eine Einheit. Mit der Bestandskraft des 1. Sonde-
rungsteilbescheids trat Rechtssicherheit in allen
diesen Bestandteilen ein. Diese kann nicht dadurch
durchbrochen werden, dass man im 2. Sonderungsteil-
bescheid die Entschädigungsleistungen für die Rege-
lungsgegenstände des ersten Teilbescheids ändert:
-
Mit dem Eintritt der Bestandskraft des ersten
Sonderungsteilbescheids verloren die Beteilig-
ten zu 3) nach § 13 Abs. 1 Satz 2 BoSoG ihr
Eigentum an den in diesem geregelten Bodenflä-
chen. An die Stelle des verloren gegangenen
Eigentums trat die im Sonderungsteilbescheid
festgesetzte Entschädigung für den Rechtsver-
lust nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BoSoG. Diese ist
ein Surrogat für das Eigentumsrecht, das in-
folge einer Vorbelastung aus der DDR nicht
mehr dem vollen Bodenrichtwert entsprach.
-
Die Begünstigten, zu denen die Beteiligte zu
2) gehörte, erwarben gem. § 13 Abs. 1 Sätze 1,
2 BoSoG mit dem Eintritt der Bestandskraft des
ersten Sonderungsteilbescheids das Eigentum an
denen ihnen durch den Sonderungsplan zugewie-
senen Flächen. Zugleich wurden sie durch den
Sonderungsteilbescheid verpflichtet, (als Er-
satz für einen bei einer vertraglichen Rege-
lung zu zahlenden Kaufpreis) die in diesem
festgelegten Ausgleichsleistungen an die Son-
derungsbehörde zu zahlen. Diese Begünstigten
konnten nach dem Eintritt der Bestandskraft
des Sonderungsbescheids davon ausgehen, dass
das Verfahren für sie abgeschlossen ist.
Die von den Antragstellern geforderte Änderung der
Entschädigungsleistungen
würde
alle
Bestandteile
des ersten Sonderungsteilbescheids betreffen, über
die eine bestandskräftige Regelung vorliegt. Ein
40
Anspruch auf Nachentschädigung widerspräche dem we-
sentlichen Inhalt dessen, was mit dem Eintritt der
Bestandskraft bewirkt werden soll. Der Antrag ist
daher zu Recht vom Landgericht als unzulässig ver-
worfen worden.
2.
Antrag zu 2) auf Neubescheidung durch Anhebung der
schädigung in Bezug auf die von der Beteiligten zu 4)
erzielten Mehrerlöse aus der Veräußerung der durch den
1. Sonderungsteilbescheid erzielten Erlöse
a)
Bestandskraft des ersten Bescheids
Auch hiermit begehren die Beteiligten zu 1) eine
Anhebung der im 1. Sonderungsteilbescheid festge-
setzten Entschädigungsleistungen. Dem steht – wie
vorstehend ausgeführt – die Bestandskraft des ers-
ten Bescheids entgegen. Insoweit kann der Senat
auch auf die zutreffenden Ausführungen im angefoch-
tenen Beschluss Bezug nehmen.
b)
Begründetheit des Antrags
Ergänzend ist auszuführen, dass der Senat – wie
auch das Landgericht – Bedenken dagegen hätte, die
Vorschrift des § 73 Abs. 3 SachenRBerG bei einem
Rechtserwerb in einem Verfahren nach dem BoSoG ent-
sprechend anzuwenden.
§ 73 Abs. 1 SachenRBerG begründet einen Anspruch
auf eine besondere Preisermäßigung für die im
staatlichen oder genossenschaftlichen Wohnungsbau
der DDR verwendeten Grundstücke bei einem Erwerb
durch den Nutzer (in der Regel Wohnungbaugesell-
schaften), wenn es zu einem rechtsgeschäftlichen
Erwerb nach dem SachenRBerG kommt. Der Grund der
Ermäßigung ergab sich aus der nicht vorhandenen o-
der
eingeschränkten
Ertragsfähigkeit
dieser
Grundstücke
wegen
der
anfänglichen
Mietzinsbe-
41
schränkungen, der oft erheblichen Sanierungsbedürf-
tigkeit der Plattenbauten usw. Diesen Vorteil soll-
te das Unternehmen aber nur dann erhalten, wenn es
das auf dieser Preisbemessungsgrundlage erworbene
Grundstück zu diesem Zweck auch behielt und somit
auch von den Ertragsbeschränkungen betroffen war.
Wird dieses Recht zum preisbegünstigten Ankauf aus
§ 73 Abs. 1 SachenRBerG vom Nutzer ausgeübt, so
kann der Eigentümer des Grundstücks für den Fall
einer Weiterveräußerung in den ersten Jahren nach
dem Erwerb im Vertrag aus § 73 Abs. 3 SachenRBerG
die Aufnahme einer Regelung verlangen, die den Nut-
zer/neuen Eigentümer zu einer teilweisen Auskehr
des Mehrerlöses verpflichtet.
Die Herabsetzung des Bodenwerts um 1/3 in § 20 Abs.
2 Satz 2 SachenRBerG hat dagegen einen anderen Aus-
gangspunkt. Sie beruht nicht auf einer einge-
schränkten Ertragsfähigkeit, sondern darauf, dass
die Grundstücke durch die Maßnahmen zur Stadtent-
wicklung und zur Baureifmachung eine besondere
Wertsteigerung erfahren haben, die auf Investitio-
nen des Staates und nicht auf der auch dem Grund-
stückseigentümer
zuzurechnenden
Bodenwertbildung
durch die Wiedereinführung der Marktwirtschaft zu-
rückzuführen sind. Zudem war der geringere Wert der
Verkehrs- und Grünflächen in einem Sonderungsgebiet
durch einen pauschalen Abzug zu berücksichtigen.
Die Begründung einer Pflicht der Sonderungsbehörde
zur Neufestsetzung der Entschädigungen analog § 73
Abs. 3 SachenRBerG hätte zur Folge, dass der ehema-
lige Grundstückseigentümer bei einer für ihn zufäl-
ligen Weiterveräußerung durch einen Nutzer (neuen
Eigentümer) in besonderer Weise an Maßnahmen zur
Stadtentwicklung und zur Baureifmachung partizi-
pierte, die Grund für den in § 20 Abs. 2 Satz 2 Sa-
chenRBerG bestimmten Vorwegabzug von 1/3 vom Boden-
wert waren. Eine Verpflichtung zur Nachentschädi-
42
gung könnte insofern mit den Grundsätzen zur Bemes-
sung der Entschädigungen für den Rechtsverlust un-
vereinbar sein.
III.
Nebenentscheidungen:
Die in den Beschwerdeverfahren gestellten Anträge betrafen
denselben (2.) Sonderungsteilbescheid der Beteiligten zu 1)
vom 21.06.2000. Insoweit war nach § 18 Abs. 5 BoSoG in ent-
sprechender Anwendung des § 221 Abs. 3 BauGB eine gleichzei-
tige Verhandlung und Entscheidung über die in den beiden Ver-
fahren gestellten Anträge geboten. Diese Verbindung der Ver-
fahren ist in der Verhandlung des Senats vom 08.04.2004 her-
beigeführt worden. Die danach notwendige Verbindung in der
Beschwerdeinstanz wirkt jedoch nicht auf die früheren Instan-
zen zurück (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 24. Auflage (2004), § 3,
Rn 16, Stichwort: Prozessverbindung und -trennung). Insoweit
musste über die Kosten der jeweiligen Widerspruchsverfahren
und der gerichtlichen Verfahren nach § 18 BoSoG gesondert von
denen über das Beschwerdeverfahren entschieden werden.
A. Kosten vor der Verbindung
1.
Verfahren – Beteiligte zu 1 gegen Beteiligte zu 2 (10 W
1545/03)
a)
Kosten des Widerspruchsverfahrens vor der Beteilig-
ten zu 2 (AZ: )
Über die nach Landesrecht anfallenden Kosten eines
Vorverfahrens sowie über die Erstattungsfähigkeit
der dort entstandenen außergerichtlichen Kosten ist
nach § 18 Abs. 5 Satz 1 BoSoG in Verb. mit § 228
BauGB in entsprechender Anwendung des § 162 Abs. 1
VwGO von Amts wegen im Beschwerdeverfahren neu zu
43
entscheiden. Für die Verfahren vor den Kammern für
Baulandsachen nach den §§ 217 ff. BauGB ist aner-
kannt, dass die Kostenentscheidung nach § 228 BauGB
sich auch auf diese Kosten des Vorverfahrens er-
streckt. Das Gericht hat über die Kosten des Vor-
verfahrens nach den §§ 91 ff. ZPO neu zu entschei-
den, soweit es den Widerspruchsbescheid ändert
(vgl. BGH – Urteil vom 19.06.1986 – III ZR 22/85 –
WM 1981, 722, 724).
Die Beteiligte zu 2) hat im Widerspruchsbescheid
vom 14.12.2001 eine Entscheidung über die Verfah-
renskosten nach dem SächsVwKG und über die Erstat-
tung
der
außergerichtlichen
Kosten
nach
§
1
SächsVwVfG in Verb. mit § 80 VwVfG getroffen. Die
Entscheidung ist in der Hauptsache zugunsten der
Beteiligten zu 1) und zum Nachteil der Beteiligten
zu 3) zu ändern. Dies muss entsprechend dem Grund-
satz der §§ 91 ff. ZPO auch bei der Entscheidung
über die Kosten des Widerspruchsverfahrens und der
Erstattung außergerichtlicher Kosten berücksichtigt
werden. Der Widerspruchsbescheid war insoweit auch
in Bezug auf die Kostenentscheidung abzuändern. Die
Quote von 11/23 zu Lasten der Beteiligten zu 1) und
zu 12/23 der Beteiligten zu 3) ergibt sich aus fol-
gender Berechnung:
Begehrt von den Beteiligten zu 3) war folgende Än-
derung des Widerspruchsbescheids zu ihren Gunsten
(Seite 17 des angegriffenen Bescheids):
44
Beantragte Entschädigung nach
dem 2. Bescheid
3.325.560,00 DM
Zuzgl. Änderung des 1. Teilbe-
scheids
766.066,67 DM
Zusammen
4.091.626,67 DM
Festgesetzt im 2. Teil-
sonderungsbescheid
-1.767.220,56 DM
Begehrte Änderung
2.324.406,11 DM
Richtigerweise festzusetzende
Entschädigung
2.876.160,00
DM
Festgesetzt im 1. Teil-
sonderungsbescheid
-1.767.220,56 DM
Erfolg der Beteiligten zu 3) 1.108.939,44 DM.
Dies ergibt eine Quote von 11/23 zu 12/23. Dement-
sprechend war die Entscheidung über die zu tragen-
den Verfahrenskosten und über die erstattungsfähi-
gen außergerichtlichen Kosten im Widerspruchsbe-
scheid von Amts wegen zu ändern.
b)
Kosten des gerichtlichen Verfahrens vor dem Landge-
richt Leipzig (AZ: 13 O 838/02)
Auszugehen
ist
von
dem
Gegenstandswert
von
796.766,31 EUR gemäß dem Beschluss des Landgerichts
vom 31.03.2003 (Bl. 56 R d.A.).
Die Entscheidung über die im Verfahren vor dem
Landgericht entstandenen Kosten ergeht gem. § 18
Abs. 5 Satz 1 BoSoG in Verb. mit § 228 BauGB in
Verb. mit §§ 91, 101 ZPO. Die Beteiligte zu 2) war
hier in entsprechender Anwendung des 78 Abs. 2 VwGO
(dazu BGH – Urteil vom 14.05.1982 – III ZR 42/91 –
BGHZ 118, 225 ff. = NJW 1992, 2637, 2638) die Stel-
le, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen
hatte. Dieser führte zu einer erstmaligen Beschwer
für die Beteiligte zu 1). Dementsprechend waren die
45
Kosten nach dem Maß des Obsiegens und Unterliegens
der Beteiligten zu 1) zu quoteln.
Dieses ergibt sich hier daraus, dass die Beteiligte
zu 1) vor dem Landgericht eine Herabsetzung der im
Widerspruchsbescheid der Beteiligten zu 2) zuer-
kannten Entschädigung für den Rechtsverlust von
1.700.331,83 EUR auf den Betrag des Ausgangsbe-
scheids von 903.655,52 EUR (= 1.767.220,52 DM) be-
antragt hat, jedoch "nur" eine Herabsetzung auf
1.470.557,20 EUR (also um 229.774,63 EUR) begründet
war. Dies entspricht einer Quote von 23/80 zu
57/80.
Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten für
die Beteiligte zu 4), die in diesem Verfahren kei-
nen Antrag gestellt hatte, war nach billigem Ermes-
sen mangels Beschwer nicht anzuordnen.
2.
Verfahren der Beteiligten zu 3) gegen die Beteiligte zu
1) (10 W 1459/03)
Die Beschwerde der Beteiligten zu 3), Antragsteller im
dortigen Verfahren, gegen den Beschluss des Landgerichts
vom 17.10.2003 (AZ: 13 O 830/02) ist erfolglos geblie-
ben. Eine Korrektur der Kostenentscheidung des Landge-
richts kommt deshalb nicht in Betracht.
46
B. Im Beschwerdeverfahren nach der Verbindung entstandene
Kosten
1.
Gegenstandswert nach Verbindung
Der Gegenstandswert nach der notwendigen Verbindung der
Verfahren gem. § 221 Abs. 3 BauGB ergibt sich aus der
Summe der von den Beteiligten beantragten Änderungen der
vorgenannten Entscheidungen des Landgerichts. Diese er-
rechnet sich wie folgt:
Die von der Beteiligten zu 1) beantragte Änderung des
Widerspruchsbescheids der Beteiligten zu 2) beläuft sich
auf 229.774,63 EUR. Die Beteiligten zu 3) haben in der
Sache (10 W 1459/03) einen Antrag gestellt, die im Wi-
derspruchsbescheid der Beteiligten zu 2) festgesetzte
Entschädigung von 1.700.331,83 EUR auf 2.092.029,33 EUR
zu erhöhen, was einen Gegenstandswert (= Differenzbe-
trag) von 391.697,50 EUR ergibt. Ferner haben die Betei-
ligten zu 3) einen als Feststellungsantrag angekündigten
Antrag dahin gestellt, dass die Beteiligte zu 1) ver-
pflichtet werden solle, den zweiten Sonderungsteilbe-
scheid insoweit aufzuheben und die Entschädigung unter
Einbeziehung eines Mehrerlöses aus dem Verkauf der Flä-
chen, die der Beteiligten zu 4) im ersten Sonderungs-
teilbescheid vom 06.06.1997 als Eigentum zugewiesen wor-
den sind, neu zu entscheiden. Der Gegenstandswert dieses
Antrages ist unter Berücksichtigung eines Bodenwerts von
370 DM/m
2
und einer Fläche von 14.892 m² auf 626.053,03
EUR zu schätzen. Die Grundlagen der Schätzung sind den
Beteiligten in der Verhandlung vom 08.04.2004 (Prot. in
der Sache 10 W 1459/03, Seite 3) mitgeteilt worden. Die
Beteiligten zu 3) haben auch nach Hinweis des Senats auf
die erheblichen Kostenrisiken des Verfahrens nach Rück-
sprache mit ihrem Anwalt die angekündigten Anträge ge-
stellt.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beläuft
sich daher auf insgesamt 1.247.485,16 EUR.
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2.
Kostenverteilung
Die Entscheidung über die im Beschwerdeverfahren ent-
standenen Kosten hat ebenfalls gem. § 18 Abs. 5 Satz 1
BoSoG in Verb. mit § 228 BauGB in Verb. mit §§ 91, 97
und 101 ZPO zu ergehen.
Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat
danach die Beteiligte zu 2) zu 1/6 zu tragen. Ihr Wider-
spruchsbescheid ist auf Antrag der Beteiligten zu 1) um
einen Betrag von 229.774,63 EUR zu deren Gunsten zu än-
dern. Dies entspricht einer Quote von 1/6 des Gesamt-
streitwerts. Die übrigen 5/6 der gerichtlichen Kosten
des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten zu 3) zu
tragen. Ihre Anträge, die eine Quote von 5/6 des Gesamt-
streitwerts ergeben, sind ohne Erfolg geblieben.
Im gleichen Umfange haben die Beteiligten zu 2) und zu
3) die der Beteiligten zu 1) im Beschwerdeverfahren ent-
standenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Beteiligten zu 3) haben ferner der Beteiligten zu 4)
in entsprechender Anwendung des § 101 Abs. 1 ZPO die im
Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kos-
ten zu erstatten. Die Erstattungspflicht ist allerdings
nach den gestellten Anträgen und der Beschwer auf die
Gebühren nach einem Gegenstandswert von 1.017.750,53 EUR
(= der Summe der in dem Verfahren 10 W 1459/03 gestell-
ten Anträge) begrenzt. Die Anordnung einer weiteren Er-
stattungspflicht nach § 228 Abs. 2 BauGB entspräche
nicht billigem Ermessen.
Die in § 223 Abs. 3 BauGB angeordnete Verbindung mehre-
rer Verfahren, die denselben Bescheid betreffen, soll
die Einheitlichkeit der Entscheidung sicherstellen. Dies
rechtfertigt jedoch nicht, die Erstattung der Kosten
nach einem höheren, erst aus der Verbindung der Verfah-
ren entstandenen Gegenstandswert anzuordnen, soweit ein
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Beteiligter von der in einem der verbundenen Verfahren
(hier: 10 W 1459/03) beantragten Änderung des Bescheids
nicht betroffen wäre und insoweit auch keinen Sachantrag
gestellt hat. Die Beteiligte zu 4) wäre nur betroffen,
soweit auf den Antrag der Beteiligten zu 3) eine höhere
Entschädigung für die ihr bereits in dem 1. Sonderungs-
teilbescheid zugewiesenen Flächen festzusetzen gewesen
wäre.
Wegen der Einheitlichkeit der Entschädigungsleistungen
für den Rechtsverlust aus § 15 Abs. 1 BoSoG und der Aus-
gleichsleistungen aus § 15 Abs. 5 BoSoG (dazu OLG Dres-
den – Beschluss vom 13.12.1999 – 3 W 1583/98 – VIZ 2000,
300, 301) ist der neue Eigentümer (hier die Beteiligte
zu 4) insoweit zu beteiligen und antragsberechtigt, als
von den früheren Grundstückseigentümern (hier den Betei-
ligten zu 3) eine Erhöhung der festzusetzenden Entschä-
digung für den Rechtsverlust beantragt worden ist. Dies
betraf die in den Verfahren (10 W 1459/03) gestellten
Anträge mit einem Gegenstandswert von 1.017.710,53 EUR,
deren Abweisung die Beteiligte zu 4) beantragt hat.