Urteil des OLG Celle vom 01.02.2008

OLG Celle: falsche aussage, hinreichender tatverdacht, verletzter, straftat, versicherung, betrug, abtretung, popularklage, eid, rechtspflege

Gericht:
OLG Celle, 01. Strafsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 1 Ws 32/08
Datum:
01.02.2008
Sachgebiet:
Normen:
StPO § 172 Abs 1
Leitsatz:
Wer nach Abtretung seiner Ansprüche im Zivilprozess sodann als Zeuge auftritt, ist im Hinblick auf
einen etwaigen Prozessbetrug der Gegenseite nicht Verletzter im Sinne von § 172 Abs. 1 StPO.
Entsprechendes gilt für ein behauptetes Fälschen von Gesundheitszeugnissen hinsichtlich eines
gerichtlichen Sachverständigengutachtens.
Volltext:
1 Ws 32/08
2 Zs 2528/07 GenStA C.
B e s c h l u s s
In dem Ermittlungsverfahren
gegen Priv.Doz. Dr. med. U. H.
wegen Betruges u. a.
Antragsteller: E.E. H., B.platz, H.,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt J.M. F., Sch.straße, H.,
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und
Beiordnung eines Rechtsanwalts sowie den Antrag auf gerichtliche Entscheidung über den Bescheid des
Generalstaatsanwalts in C. vom 14. Dezember 2007 nach dessen Anhörung durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Landgericht #######
am 1. Februar 2008 beschlossen:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und der Antrag auf gerichtliche Entscheidung werden als
unzulässig verworfen.
G r ü n d e:
I.
Der Antragsteller wurde bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt. Sein Sohn macht deshalb vor dem Landgericht H.
aus abgetretenem Recht Schmerzensgeld gegenüber der A. Versicherung geltend. Das Landgericht hat bei dem
Beschuldigten ein Gutachten über den Gesundheitszustand des Antragstellers eingeholt, welches der Beschuldigte
unter dem 23. Oktober 2007 schriftlich erstattet hat. Der Antragsteller hält das Gutachten für „inhaltlich grob falsch“
und wirft dem Beschuldigten vor, er habe das Gutachten vorsätzlich falsch und inhaltlich einseitig zu Gunsten der
Versicherung erstattet. Er stellt die Vermutung auf, dass der Beschuldigte von der Versicherung hierfür
Zuwendungen erhalten habe. Ob dies so sei, habe die Staatsanwaltschaft versäumt zu ermitteln. Der Beschuldigte
habe sich dadurch wegen Betruges sowie der Beihilfe zum Prozessbetrug strafbar gemacht.
Die Staatsanwaltschaft H. hat das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Die dagegen gerichtete
Beschwerde des Antragstellers hat der Generalstaatsanwalt mit Bescheid vom 14. Dezember 2007 als unbegründet
zurückgewiesen. Am 15. Januar 2008 hat der Anzeigeerstatter Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt und
zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.
II.
Die Anträge sind unzulässig.
1. Dem Antragsteller fehlt es bereits an der notwendigen Antragsbefugnis, weil er nicht Verletzter der dem
Beschuldigten zur Last gelegten Straftat ist.
Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO kann das Klageerzwingungsverfahren nur von dem durch die behauptete Straftat
Verletzten betrieben werden. Verletzter ist, wer durch die Straftat - bei Unterstellung ihrer tatsächlichen Begehung -
unmittelbar in seinen Rechten, Rechtsgütern oder rechtlich anerkannten Interessen beeinträchtigt ist (vgl.
KKSchmid, StPO, 5. Aufl., § 172 Rn. 18. MeyerGoßner, StPO, 50. Aufl., § 172 Rn. 9. jew. m. w. N.). Beim Betrug
können Verletzte demnach der Geschädigte und der Getäuschte sein, beim Prozessbetrug danach die jeweilige
Gegenpartei des Prozessbetrügers (vgl. OLG Bamberg NStZ 1982, 247. LRGraalmannScheerer, StPO, 25. Aufl., §
172 Rn. 91. KKSchmid a. a. O. Rn. 27). Nach dem Antragsvorbringen ist Kläger in dem Verfahren, in dem das
angeblich falsche Gutachten erstattet wurde, der Sohn des Antragstellers. Der Antragsteller selbst ist nach
Abtretung nur Zeuge in diesem Verfahren. Er ist danach weder Geschädigter noch Getäuschter, weil er nicht
Prozesspartei ist.
Zwar könnte nach dem tatsächlichen Vorbringen des Antragstellers auch eine Strafbarkeit wegen Ausstellens
unrichtiger Gesundheitszeugnisse nach § 278 StGB in Betracht kommen. Auch insoweit fehlt es dem Antragsteller
jedoch an der notwendigen Verletzteneigenschaft. Geschütztes Rechtsgut des § 278 StGB ist unmittelbar nur das
Vertrauen der in dieser Bestimmung ausdrücklich genannten Behörden und Versicherungsgesellschaften in die
Richtigkeit des Gesundheitszeugnisses (vgl. OLG Stuttgart NStE Nr. 17 zu § 172 StPO). Der Antragsteller ist
hiernach also nicht unmittelbar betroffen. Allerdings ist der Begriff des Verletzten weit auszulegen, weil der Schutz
des Legalitätsprinzips umfassend sein soll (vgl. KKSchmid, a.a.O. Rn. 19. MeyerGoßner, a.a.O. Rn. 10.
LRGraalmannScheerer, a.a.O. Rn. 50, alle m.w.N.). Gleichwohl besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass eine nur
irgendwie geartete Betroffenheit nicht ausreichen kann, um eine vom Gesetz nicht gewollte Popularklage zu
verhindern. Deshalb kommen etwa als Verletzte der Aussagedelikte, deren unmittelbar geschütztes Rechtsgut nur
die staatliche Rechtspflege ist, auch die Personen in Betracht, deren Stellung im Prozess durch einen falschen Eid
oder eine falsche Aussage verschlechtert wurde (vgl. MeyerGoßner a. a. O. Rn. 11). Dazu gehören aber nicht schon
andere Zeugen in dem Prozess, selbst wenn sie durch die Falschaussage eines anderen Zeugen selbst in den
Verdacht geraten, ihrerseits eine Falschaussage gemacht zu haben (vgl. OLG Düsseldorf StraFo 2000, 21). Denn
diese allenfalls mittelbare Beeinträchtigung genügt nicht, um als Verletzter im Sinne des § 172 Abs. 1 StPO zu
gelten. Die vorstehend beschriebene Konstellation ist mit der hier gegeben Sachlage vergleichbar. Das Gutachten
bestätigt zwar nicht die vom Antragsteller vorgetragenen Gesundheitsbeschwerden. Da er in dem Prozess, in dem
das Gutachten erstattet worden ist, aber nur Zeuge ist, kann seine Stellung in diesem Prozess durch das Gutachten
nicht beeinträchtigt werden. Er ist also auch unter diesem Aspekt durch die behauptete Straftat nicht unmittelbar in
einem Recht, Rechtsgut oder rechtlich anerkannten Interesse beeinträchtigt und damit nicht Verletzter im Sinne des
§ 172 Abs. 1 StPO.
2. Des Weiteren genügt der Antrag auch nicht den Anforderungen gemäß § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO. Danach muss
der Antrag die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel
angeben. Erforderlich ist dazu eine aus sich selbst heraus verständliche, in sich geschlossene Sachdarstellung.
Diese muss so umfassend und vollständig sein, dass sie es dem Oberlandesgericht ermöglicht, allein aufgrund ihres
Inhalts ohne Bezugnahmen und Verweisungen auf Anlagen, auf die Ermittlungsakten oder Beiakten eine
Schlüssigkeitsprüfung dahin vorzunehmen, ob nach dem Vorbringen des Anzeigeerstatters ein für die Erhebung der
öffentlichen Klage hinreichender Tatverdacht in Betracht kommt (vgl. MeyerGoßner, a. a. O. Rn. 27 m. w. N.).
Diesen Anforderungen wird der vorliegende Antrag nicht gerecht. Der Antragsteller legt insbesondere den Sach und
Streitstand des Zivilprozesses nicht dar. So ist dem Antrag nicht zu entnehmen, ob der Beschuldigte sein Gutachten
bereits mündlich erstattet hat und ob und ggfs. wie das Gericht entschieden hat. Für den Vorwurf des Betruges ließe
sich also nicht einmal beurteilen, ob überhaupt ein Schaden eingetreten ist, der Betrug also als Versuch oder
vollendetes Delikt anzuklagen wäre. Außerdem gibt der Antrag die von der Staatsanwaltschaft angeführten Gründe
für die Einstellung nicht wieder und setzt sich mit diesen nicht auseinander. Das ist aber in Fällen, in denen es - wie
hier - auf die Beweiswürdigung ankommt, erforderlich. Schließlich genügt nicht die bloße Benennung von Zeugen und
Sachverständigen, sondern es ist darzulegen, was diese ausgesagt haben bzw. aussagen werden, damit das
Oberlandesgericht beurteilen kann, ob im Falle einer Hauptverhandlung die Verurteilung des Beschuldigten
wahrscheinlich ist.
3. Die vorstehenden Ausführungen gelten gleichermaßen für den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).
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