Urteil des OLG Celle vom 07.12.2010

OLG Celle: interessenkollision, mandat, vertretung, stadtrat, vergütung, verschulden, freiheit, wechsel, gegenpartei, einzelrichter

Gericht:
OLG Celle, 02. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 2 W 389/10
Datum:
07.12.2010
Sachgebiet:
Normen:
ZPO § 91 Abs 2 Satz 2
Leitsatz:
Mehrkosten auf Grund eines Anwaltswechsels nach Mandatsniederlegung infolge des
Zusammenschlusses des zuerst beauftragten Anwalts mit dem Anwalt der Gegenpartei sind nicht zu
erstatten
Volltext:
2 W 389/10
5 O 417/08 Landgericht Verden
Beschluss
In der Beschwerdesache
Dr. G. F., S., M.,
Beklagter und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Dr. D. H. L., B., V.,
Geschäftszeichen: #####
frühere Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. B. & Kollegen, L. Straße / H., V.,
Geschäftszeichen: #####
gegen
H. K., Z. Straße, N.,
Kläger und Beschwerdegegner,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. O., A., H.,
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht R. als
Einzelrichter am 7. Dezember 2010 beschlossen:
Die am 30. November 2010 per Telefax eingegangene sofortige Beschwerde des Beklagten vom gleichen Tag gegen
den am 16. November 2010 zugestellten Beschluss der Rechtspflegerin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden
vom 11. November 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 1.307,81 €.
G r ü n d e
Die sofortige Beschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung des Antrages des Beklagten auf Festsetzung der
Kosten seines früheren Prozessbevollmächtigten Rechtsanwälte Dr. B. & Kollegen aus V., die im ersten Rechtszug
ihr Mandat niedergelegt hatten, nachdem Rechtsanwältin K., die den Kläger im ersten Rechtszug zunächst vertreten
hatte, in die Rechtsanwaltskanzlei Dr. B. & Kollegen eingetreten war. Auch wenn der von dem Beklagten neu
mandatierte Prozessbevollmächtigte die sofortige Beschwerde nicht ausdrücklich im Namen des Beklagten eingelegt
hat, ist das Rechtsmittel als sofortige Beschwerde des Beklagten gegen die Zurückweisung des in seinem Namen
gestellten Kostenfestsetzungsantrages auszulegen, zumal grundsätzlich die Vermutung gilt, dass ein Rechtsanwalt
im Zweifel prozessuale Erklärungen für seine Partei abgeben will (vgl. BGH - VI ZR 257/08 - Urteil vom 5. Oktober
2010, S. 5) .
Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. §§ 104 Abs. 3 Nr. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde
ist zulässig, insbesondere form und fristgerecht eingelegt worden.
In der Sache hat das Rechtsmittel des Beklagten jedoch keinen Erfolg.
Mit Recht hat das Landgericht den Kostenerstattungsantrag des Beklagten zurückgewiesen. Der Beklagten kann die
Festsetzung weiterer Kosten in Höhe von 1.307,81 € (1,3 Verfahrensgebühr aus dem Wert von 35.000 € gemäß Nr.
3100 VV RVG nebst Auslagen und Mehrwertsteuer) gegen den Kläger nicht beanspruchen, die im ersten Rechtszug
durch die Beauftragung der Rechtsanwälte
Dr. B. & Kollegen entstanden sein sollen.
Die Rechtspflegerin hat mit Beschluss vom 18. Mai 2010 antragsgemäß die von dem Kläger zu erstattenden Kosten
für die anwaltliche Vertretung des Beklagten durch Rechtsanwalt Dr. H. L. bereits auf 2.493,05 € nebst Zinsen (1,3
Verfahrensgebühr und 1,2 Terminsgebühr jeweils aus dem Wert von 35.000 € gemäß Nrn. 3100 und 3104 VV RVG
nebst Auslagen und Mehrwertsteuer) festgesetzt. Daneben sind Kosten für die Vertretung des Beklagten im ersten
Rechtszug durch weitere Rechtsanwälte im vorliegenden Fall nicht erstattungsfähig, weil sie zur
zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht erforderlich waren.
Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit zu erstatten, als sie die
Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten
musste.
Der Senat verkennt nicht, dass die Rechtsanwälte Dr. B. und Kollegen aus Gründen der Interessenkollision
verpflichtet waren, ihr Mandat für den Beklagten niederzulegen, nachdem die frühere Prozessbevollmächtigte des
Klägers im ersten Rechtszug, Rechtsanwältin K., in ihre Kanzlei eingetreten war. Indessen liegt nicht schon in jedem
Fall einer durch eine Interessenkollision bedingten Mandatsniederlegung und der anschließenden Beauftragung eines
anderen Rechtsanwalts ein notwendiger Anwaltswechsel im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz ZPO vor.
Der Anwaltswechsel darf nämlich nicht auf Umständen beruhen, welche die Partei bzw. nach dem Grundgedanken
des § 85 Abs. 2 ZPO der Anwalt hätte voraussehen oder in einer, nur in der Zumutbarkeit seine Grenze findenden
Weise hätte verhindern können (vgl. Stein/Jonas/Bork, ZPO, 2004, Rdnr. 144). Für die Partei unvermeidbar kann die
Niederlegung des Mandats durch den ersten Rechtsanwalt wegen einer Interessenkollision dann sein, wenn diese
weder von der Partei noch von dem Rechtsanwalt vorauszusehen oder veranlasst war (vgl. von Eicken/Hellstab, Die
Kostenfestsetzung, 20. Aufl. B 551 a. E. m. w. N.). Dagegen sind die Mehrkosten nicht zu erstatten, wenn der
Anwalt die Interessenkollision und die daraus resultierende Mandatsniederlegung aus freien Stücken dadurch selbst
veranlasst, dass er sich mit dem Anwalt des Gegners zusammenschließt (vgl. OLG Oldenburg NdsRpfl. 1959, 79.
Stein/Jonas/Bork a. a. O. Rdnr. 147).
Hierfür ist maßgeblich, dass der Zusammenschluss mit der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers auf
Grund freier Willensentschließung der Rechtsanwälte Dr. B. & Kollegen erfolgt ist. Diese freie Willensentschließung
seiner Rechtsanwälte - gleichgültig ob voraussehbar oder nicht - ist für den vorliegenden Rechtsstreit von dem
Beklagten zu vertreten. Ebenso wie Prozesshandlungen eines Rechtsanwalts für und gegen die von ihm vertretene
Partei wirken, die auch für ein Verschulden des Rechtsanwalts einzustehen hat, fällt eine derartige
Mandatsniederlegung auf Grund des Zusammenschlusses mit dem Gegenanwalt nur derjenigen Partei zur Last,
deren Rechtsanwalt das Mandat niedergelegt hat (vgl. OLG Oldenburg a. a. O. m. w. N.). Die von dem Beklagten mit
der sofortigen Beschwerde für seine abweichende Rechtsauffassung angeführte obergerichtliche Rechtsprechung
betrifft keinen gleichgelagerten Sachverhalt. Die von dem OLG Nürnberg mit Beschluss vom 10. Juli 1967 (JurBüro
1967, 920) bejahte Notwendigkeit des Anwaltswechsel nach der Annahme der Wahl zum Stadtrat durch einen
Rechtsanwalt, der die Partei in einem gegen die Stadt geführten Rechtsstreit vertreten hatte, beruht auf der
Erwägung, dass der Rechtsanwalt in seiner grundrechtlich in besonderer Weise garantierten Freiheit der
Meinungsäußerung und politischen Betätigung beschränkt wäre, wenn er mit Rücksicht auf ein bestehendes
anwaltliches Mandat und eine evtl. zu besorgende Gebühreneinbuße davon Abstand nehmen würde, sich in den
Stadtrat wählen zu lassen. Die Entscheidung des OLG Frankfurt vom 21.Oktober 1976 (JurBüro 1977, 554) betrifft
eine Interessenkollision durch einen nicht vorhersehbaren Regressanspruch der gegen den von einem Rechtsanwalt
vertretenen Beklagten von einem weiteren früheren Mandaten dieses Rechtsanwalts erhoben wurde. Anders als im
vorliegenden Fall hatte der Rechtsanwalt in jener Entscheidung die Interessenkollision nicht unmittelbar selbst
veranlasst.
Ob die von dem Beklagten zunächst mit seiner Vertretung im ersten Rechtszug beauftragten Rechtsanwälte für ihre
geleisteten Dienste von der Partei auch unter Berücksichtigung der §§ 323,324, 628 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB, 15
Abs. 4 RVG überhaupt die gesetzliche Vergütung verlangen können, ist im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu
prüfen (vgl. OLG München JurBüro 2007, 596).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
R.