Urteil des OLG Celle vom 07.11.2006

OLG Celle: ne bis in idem, persönlichkeitsstörung, egmr, reaktive depression, somatoforme schmerzstörung, schmerzensgeld, verdienstausfall, verkehrsunfall, untersuchungshaft, legitimation

Gericht:
OLG Celle, 14. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 14 U 234/05
Datum:
07.11.2006
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 823, EMRK Art 6 Abs 1, EMRK Art 6 Abs 13
Leitsatz:
1. Ein Urteil der EGMR, durch das einer Prozesspartei ein Schadensersatzanspruch wegen überlanger
Verfahrensdauer zuerkannt wird, entfaltet keine Sperrwirkung in Bezug auf das Ursprungsverfahren, in
dem vor einem Zivilgericht Schadensersatzansprüche aus Verkehrsunfall gegenüber dem
Unfallgegner geltend gemacht werden.
2. Ein Schädiger haftet grundsätzlich auch für seelisch bedingte Folgeschäden einer
Verletzungshandlung. Beruht eine psychische Fehlverarbeitung auf einer Anfälligkeit des Verletzen
oder einer Vorschädigung, entlastet dies den Schädiger dem Grunde nach nicht. Derartige Umstände
sind jedoch bei der Bemessung der Höhe des Schadensersatzes zu berücksichtigen und rechtfertigen
eine Anspruchskürzung.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil
14 U 234/05
20 O 186/89 Landgericht Hannover
Verkündet am
7. November 2006
...,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
M.S. S., ...,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...,
gegen
A. S., ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...,
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 2006 durch die
Richterin am Oberlandesgericht ... als Vorsitzende sowie die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am
Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das am 31. Oktober 2005 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts
Hannover wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung wegen der Kosten gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 3. Mai 1982, der sich für beide Parteien auf dem Schulweg
ereignete, Ersatz materiellen und immateriellen Schadens.
Wegen des Unfallgeschehens wird bezüglich des Sachverhalts zunächst auf das Grund und Teilurteil des
Landgerichts vom 10. Juni 1991 (Bl. 305 d. A., Bd. II) verwiesen, durch das - rechtskräftig - eine Haftungsquote von
20 : 80 zu Gunsten des Klägers festgestellt worden ist.
Der Kläger hat geltend gemacht, er habe durch den Unfall nicht nur eine Ulnaluxation mit Fraktur des processus
styloideus ulnae sowie eine Radiusfraktur mit Dislokation am linken Unterarm davongetragen, sondern auch einen
Nasenbeinbruch.
Nach dem Unfall habe sein Unterarm eine abnorme Stellung und Schwellung aufgewiesen. Seinerzeit sei es ferner
zu einer Nervenschädigung gekommen.
Wegen der nach dem Unfallereignis beim Kläger durchgeführten Operationen sowie weiteren ärztlichen
Behandlungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichtes vom 31. Oktober 2005 (Bl.
1744 ff. d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat vorgetragen, er habe infolge des Unfalls, insbes. der durch die Primärverletzung sowie die
anschließenden Operationen verursachten Schmerzen sein Studium als Ingenieur nicht erfolgreich beenden können.
U. a. seien auch Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten sowie Magenbeschwerden die Folge gewesen.
Er sei durch den Unfall vollständig aus seiner beruflichen und privaten Lebensplanung geworfen worden. Die
unmittelbaren physischen Folgen hätten zusammen mit den Problemen, die sich für ihn aus den zahlreichen
(Rechts)Streitigkeiten mit Versicherungen und z. B. der Ausländerbehörde sowie dem türkischen Militär ergeben
hätten, zu einer krankhaften Persönlichkeitsveränderung geführt und ihn zu einem Schmerzpatienten gemacht. Vor
dem Unfall sei er absolut unauffällig gewesen.
Er hat hierauf basierend zum einen Schmerzensgeld sowie eine Schmerzensgeldrente verlangt, zum anderen
Verdienstausfall für die gesamte Dauer seines Arbeitslebens.
Die Beklagte hat die über die unmittelbaren bei dem Unfall erlittenen Verletzungen behaupteten Folgeschäden
bestritten und behauptet, bei dem Kläger liege eine Begehrens und Rentenneurose vor.
Das Landgericht hat der Klage lediglich in geringem Umfang stattgegeben. Wegen der Begründung im Einzelnen wird
auf das angefochtene Urteil Bl. 1743 ff. d. A. verwiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Nach dem Erlass des Urteils des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte vom 8. Juni 2006 (NJW 2006, 2389 ff.), in dem ihm in dem dortigen Verfahren gegen die
Bundesrepublik Deutschland wegen überlanger Verfahrensdauer Schadensersatz zuerkannt worden ist, vertritt er die
Auffassung, das vorliegende Verfahren dürfe wegen der Sperrwirkung „ne bis in idem“ der Entscheidung des EGMR
nicht mehr fortgesetzt werden, da es menschenrechtswidrig sei. Durch die Fortsetzung des Verfahrens finde
Freiheitsberaubung statt. Zudem werde ihm durch die Weiterführung des Verfahrens der Anwaltszwang aufgedrückt,
was als Folter nach Art I der UNKonvention einzustufen sei.
Unabhängig davon ist er der Meinung, die Bundesrepublik leide an einem Staatsaufbaumangel, sie sei eine Illusion.
Den Gerichten fehle ohnehin die Legitimation, Entscheidungen zu treffen. Es liege „dem Prozess die Chaostheorie
für den Gesamtschaden vor“.
Da Art. 146 GG nicht umgesetzt worden sei, komme es „zu den Folgen der Inzuchtdepression in Folge des
Pygmalioneffekts“.
Der Kläger behauptet nach wie vor, er habe sich bei dem Unfall vom 3. Mai 1982 auch einen Nasenbeinbruch
zugezogen. Zudem seien seinerzeit die Nerven in seinem linken Arm mit beeinträchtigt worden.
Er beanstandet umfänglich sowohl die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts als auch die Würdigung der
vorliegenden ärztlichen Befunde sowie außergerichtlichen und gerichtlichen Sachverständigengutachten. Wegen der
diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 8. Februar 2006 (Bl. 1869 ff. d. A.) Bezug
genommen.
Verfahrensrechtlich rügt er, das Landgericht habe die von ihm zum letzten Termin zur mündlichen Verhandlung
geladenen Sachverständigen Dr. W. und Dr. K. nicht bzw. unzureichend angehört.
Der Kläger beantragt,
1. das Verfahren wegen der Sperrwirkung des Urteils des EGMR vom 08.06.2006 einzustellen,
hilfsweise,
2. das angefochtene Urteil zu ändern und
a) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen,
b) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote von 20 % eine
monatliche Schmerzens
geldrente zu zahlen ab dem 01.01.1983 in Höhe von monatlich 1.000,00 DM = 511,29 EUR nebst 4 % Zinsen seit
dem 01. des darauffolgenden Monats bis zum 30.04.2000 sowie ab dem 01.05.2000 nebst 5 % Zinsen über dem
jeweiligen Basiszinssatz,
c) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 702.122,00 DM = 358.989,28 EUR zu zahlen nebst
4 % Zinsen aus 3.150 DM für den Zeitraum 01.01. bis 30.04.2000,
danach 5 % Zinsen über dem jeweils gültigen Basiszinssatz.
4 % Zinsen aus 14.490 DM für den Zeitraum 01.01.1984 bis 30.04.2000, danach 5 % Zinsen über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz.
4 % Zinsen aus 14.790 DM für den Zeitraum 01.01.1985 bis 30.04.2000, danach 5 % Zinsen über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz.
4 % Zinsen aus 30.000 DM für den Zeitraum 01.01.1986 bis 30.04.2000, danach 5 % Zinsen über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz.
4 % Zinsen aus 30.000 DM für den Zeitraum 01.01.1987 bis 30.04.2000, danach 5 % Zinsen über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz.
4 % Zinsen aus 30.000 DM für den Zeitraum 01.01.1988 bis 30.04.2000, danach 5 % Zinsen über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz.
4 % Zinsen aus 30.000 DM für den Zeitraum 01.01.1989 bis 30.04.2000, danach 5 % Zinsen über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz.
4 % Zinsen aus 30.000 DM für den Zeitraum 01.01.1990 bis 30.04.2000, danach 5 % Zinsen über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz.
4 % Zinsen aus 30.000 DM für den Zeitraum 01.01.1991 bis 30.04.2000, danach 5 % Zinsen über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz.
4 % Zinsen aus 30.000 DM für den Zeitraum 01.01.1992 bis 30.04.2000, danach 5 % Zinsen über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz.
4 % Zinsen aus 57.715 DM für den Zeitraum 01.01.1993 bis 30.04.2000, danach 5 % Zinsen über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz.
4 % Zinsen aus 56.478 DM für den Zeitraum 01.01.1994 bis 30.04.2000, danach 5 % Zinsen über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz.
4 % Zinsen aus 54.667 DM für den Zeitraum 01.01.1995 bis 30.04.2000, danach 5 % Zinsen über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz.
4 % Zinsen aus 55.739 DM für den Zeitraum 01.01.1996 bis 30.04.2000, danach 5 % Zinsen über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz.
4 % Zinsen aus 57.752 DM für den Zeitraum 01.01.1997 bis 30.04.2000, danach 5 % Zinsen über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz.
4 % Zinsen aus 58.477 DM für den Zeitraum 01.01.1998 bis 30.04.2000, danach 5 % Zinsen über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz.
4 % Zinsen aus 59.162 DM für den Zeitraum 01.01.1999 bis 30.04.2000, danach 5 % Zinsen über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz.
4 % Zinsen aus 59.702 DM für den Zeitraum 01.01.2000 bis 30.04.2000, danach 5 % Zinsen über dem jeweils
gültigen Basiszinssatz.
d) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger den weiteren immateriellen Schaden zu ersetzen,
soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen oder von ihnen ersetzt sind,
weiter hilfsweise,
3. das angefochtene Urteil aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht
zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
den Einstellungsantrag und die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung. Sie wiederholt und vertieft hierzu ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Sie meint, die vom Kläger als Unfallfolgen beklagten körperlichen Beschwerden und veränderten Lebensumstände
beruhten ausschließlich auf einer bei ihm vorliegenden Persönlichkeitsstörung und Begehrensneurose, seien aber
keinesfalls mehr auf den Unfall vom 3. Mai 1982 zurückzuführen.
Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens im Übrigen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt
der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Der Antrag des Klägers, das Verfahren wegen einer seiner Meinung nach vorliegenden Sperrwirkung der
Entscheidung des EGMR vom 8. Juni 2006 einzustellen, ist unbegründet. Die Fortführung des vorliegenden
Rechtsstreites ist nicht unzulässig.
1. Weder die Verfahrensordnung des EGMR noch das nationale Recht sehen eine wie auch immer geartete
Sperrwirkung dieses Urteils für das hier vom EGMR als überlang beanstandete Zivilverfahren vor. Sie ergibt sich
auch nicht aus anderweitigem internationalen Recht oder Völkerrecht.
Die Weiterführung des Rechtsstreites ist daher nicht unzulässig, sondern sogar geboten (s. u. 2).
Eine Sperrwirkung, die im Einzelfall für Entscheidungen des EGMR z. B. in Asylverfahren bejaht wird, gilt für das
vorliegende Zivilverfahren nicht. Sie scheitert bereits an der fehlenden Identität der beteiligten Parteien der beiden
Verfahren sowie an einem identischen Streitgegenstand. Das Verfahren vor dem EGMR betraf nämlich nicht die hier
gegen die Unfallbeteiligte S. geltend gemachten Schadensersatzansprüche aus dem Unfallereignis vom 3. Mai 1982,
sondern die Frage, ob der Kläger durch die lange Dauer des Verfahrens und die im deutschen Zivilprozessrecht
fehlende Möglichkeit, sich dagegen zu wehren oder zumindest vorab eine Teilentschädigung vom Schädiger zu
erhalten, in seinen Rechten verletzt worden ist. Deshalb ist ihm ein Schadenersatzanspruch zuerkannt worden. Im
Verhältnis dieser beiden Verfahren zueinander ist daher auch der vom Kläger herangezogene Gesichtspunkt des
Grundsatzes „ne bis in idem“ völlig ohne Bedeutung.
Der EGMR hat auch keineswegs einen Staatsaufbaumangel in der demokratischen Rechtsordnung der
Bundesrepublik Deutschland festgestellt, der - wie der Kläger offensichtlich meint - deutschen Gerichten generell ihre
Legitimation, Recht zu sprechen, entzöge.
2. In aller Eindeutigkeit ergibt sich im Gegenteil das Gebot, das Verfahren - zügig - weiter zu betreiben, aus dem
Beschluss des Ministerkomitees des Europarates in seiner 976. Sitzung vom 17. und 18. Oktober 2006, die
Überwachung der Befolgung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 8. Juni 2006 in der
nächsten Sitzung fortzusetzen und den Fortgang des Verfahrens zu beobachten, auf den der Kläger selbst
hingewiesen hat.
3. Eine Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits durch Einstellung hätte zudem - entgegen der Auffassung des
Klägers - auch nicht zur Folge, dass ihm nunmehr die ursprünglich geltend gemachten Ansprüche ohne Weiteres
zustünden. Der EGMR hat es in seiner Entscheidung vom 8. Juni 2006 ausdrücklich abgelehnt, sich mit den vom
Kläger im vorliegenden Zivilrechtsstreit geltend gemachten materiellen Ansprüchen auseinander zu setzen und hat
diesbezüglich ausgeführt: „Der geltend gemachte Vermögensschaden ist weder durch die Dauer des Verfahrens vor
dem Landgericht noch durch das Fehlen eines wirksamen Rechtsbehelfs verursacht worden. Der Gerichtshof kann
insbesondere keine Vermutungen über den Ausgang des Verfahrens anstellen, wenn den Anforderungen von Artikel
6 Abs. 1, in Bezug auf die Verfahrensdauer, und Art. 13 der Konvention entsprochen worden wäre“ (NJW 2006, 2389
ff.).
4. Die weiteren Überlegungen des Klägers, die er in Abstimmung mit seinem Prozessbevollmächtigten auch in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegt hat (Chaostheorie, Freiheitsberaubung etc.), sind nicht
nachvollziehbar.
Der Senat hatte nicht das persönliche Erscheinen des Klägers zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 7.
November 2006 angeordnet. Es war dem Kläger auch unbenommen, keinen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung
seiner Interessen zu beauftragen oder Anträge zu stellen. Der Senat hat den Kläger lediglich im Rahmen seiner
Fürsorgepflicht auf die Folgen des Entzugs der Vollmacht für den früheren Bevollmächtigten im Berufungsverfahren
Prof. Dr. S. und die zunächst nicht erfolgte Legitimation des neuen Prozessbevollmächtigten des Klägers,
Rechtsanwalt P., hingewiesen (Bl. 2041 d. A.), dem der Kläger bereits am 2. Juli 2006 Vollmacht erteilt hatte (Bl.
2004 d. A.), der sich jedoch gleichwohl
zunächst nicht zur Akte meldete, sondern die Mandatsübernahme erst am 16. Oktober 2006 anzeigte (Bl. 2063 d.
A.).
III.
Die Berufung hat auch in der Sache im Ergebnis keinen Erfolg. Das Landgericht hat seiner Entscheidung mit
insgesamt 20.451,68 EUR ein ausreichendes Schmerzensgeld zugrunde gelegt, dem Kläger zutreffend einen Betrag
von 417,93 EUR für weiteren Verdienstausfall zugebilligt und im Übrigen seine Ansprüche abgewiesen.
A.
Aufgrund des rechtskräftigen Grund und Teilurteils des Landgerichts Hannover vom 10. Juni 1991 (Bl. 305 ff. d. A.
Bd. II) steht fest, dass die Beklagte dem Kläger 80 % des diesem durch den Verkehrsunfall vom 3. Mai 1982
entstandenen materiellen und immateriellen Schadens zu ersetzen hat.
1. Ausweislich der vorliegenden Arztberichte hat der Kläger sich als sog. Primärverletzungen ausschließlich eine
Verletzung des linken Arms (Ulnaluxation mit Fraktur des processus styloideus sowie eine Radiusfraktur mit
Dislokation) und eine Prellmarke am Kopf zugezogen. Diese Verletzungen sind zwischen den Parteien auch
unstreitig.
2. Der Kläger hat hingegen nicht zu beweisen vermocht, dass er darüber hinaus unmittelbar durch den Vorfall vom 3.
Mai 1982 einen Nasenbeinbruch davon getragen hat. Der Unfallbericht Dr. A. vom 3. Mai 1982 (Bl. 12 Anlagenband I)
weist keinen entsprechenden Befund aus, obwohl der Schädel des Klägers seinerzeit geröntgt worden ist. Der Kläger
hat auch in der Folgezeit keine diesbezüglichen Beschwerden geschildert.
3. Ebenso wenig kann als unmittelbar durch den Unfall verursacht eine Verletzung der Nerven des linken Arms des
Klägers festgestellt. werden. Aus dem von dem Kläger vorgelegten ärztlichen Gutachten Prof. Dr. W. vom 2.
Dezember 2003 (Bl. 1376 ff. d. A.) ergibt sich lediglich die Möglichkeit, dass es bei dem Unfall zu einer
Nervenverletzung gekommen sein kann, wobei die insoweit vom Kläger konsultierten Ärzte jedoch jeweils zunächst
davon ausgegangen sind, der Kläger habe die Beklagte und deren Fahrrad mitgeschleift. Diesbezüglich hat bereits
das Landgericht darauf hingewiesen, ein entsprechender Unfallhergang sei nicht bewiesen. Hinweise auf eine
tatsächlich eingetretene Nervenschädigung hat Prof. Dr. W. aber nicht vorgefunden (Bl. 1388 d. A.). Soweit auch
ohne ein Mitschleifen der Beklagten und ihres Fahrrades eine Nervenverletzung für denkbar gehalten wird (auch von
der Privatsachverständigen des Klägers Dr. K., Bl. 1534 d. A.), ist dies für den vom Kläger zu führenden Beweis
nicht ausreichend. Bei der haftungsbegründenden Kausalität kommt dem Kläger auch keine Beweiserleichterung
nach § 287 ZPO zugute. Aufgrund des erheblichen Zeitablaufs zwischen dem Unfallereignis und der ersten Diagnose
ist ein Zusammenhang hingegen eher unwahrscheinlich.
4. Wegen der von diesen Primärverletzungen ausgehenden Beeinträchtigungen, die der Kläger durch die
anschließenden Behandlungen und Folgeerscheinungen wie z. B. Schmerzen und weitere Beschwerden
davongetragen hat, wird zunächst auf die Ausführungen unter Ziffer I. 1. und 2. (Bl. 15 bis 18 des Urteils des
Landgerichtes vom 31. Oktober 2005) Bezug genommen. Diese Ausführungen macht der Senat sich ausdrücklich zu
Eigen.
B.
Überwiegend zu Recht hat das Landgericht in seinem sehr ausführlich begründeten Urteil vom 31. Oktober 2005 (Bl.
1743 ff. d. A.) die Kausalität des Unfalls vom 3. Mai 1982 für die weiteren vom Kläger angeführten
Folgeerkrankungen verneint. Dabei hat es insbesondere nicht die dem Kläger für die Weiterentwicklung des
Schadens aus den unmittelbar erlittenen Verletzungen zugute kommende Beweiserleichterung des § 287 ZPO
übersehen, jedoch weitgehend zutreffend eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs verneint.
1. Wegen der von dem Kläger vorgetragenen chronischen Schmerzen wird zunächst auf die Ausführungen in dem
landgerichtlichen Urteil unter Ziffer I. 3. a) bis d) (S. 18 bis 22 des LGU) verwiesen. Diesen Überlegungen tritt der
Senat ausdrücklich bei. Insbesondere hat das Landgericht insoweit nochmals zutreffend festgestellt, dass es nicht
nachweisbar zu einer Nervenverletzung bei dem Kläger gekommen ist. Der Sachverständige Prof. Dr. W. hatte - wie
oben bereits ausgeführt - zunächst in seinem schriftlichen Gutachten vom 2. Dezember 2003 ausgeführt, bei
Vorliegen einer Nervenverletzung seien die vom Kläger geschilderten Schmerzen im Arm eine klassische Folge, hat
allerdings selbst keine Hinweise auf eine entsprechende Verletzung des Nervs gefunden (Bl. 1388 d. A.). Bei seiner
Vernehmung vor dem Landgericht hat er dann zwar eine Schmerzsymptomatik im Oberarm auch ohne
Nervenverletzung für möglich gehalten. Eine bloße theoretische Möglichkeit reicht indes auch unter
Berücksichtigung der Beweiserleichterung des § 287 ZPO für die erforderliche Sicherheit der Annahme des von dem
Kläger nachzuweisenden Ursachenzusammenhangs nicht aus.
2. Das Landgericht hat sich unter Ziffer I. 4. a) bis d) (S. 22 bis 24 des LGU) intensiv mit dem Vorbringen des
Klägers zum Vorliegen eines algogenen Psychosyndroms auseinandergesetzt und auch insoweit zutreffend die
vorliegenden Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. W., Dr. S., Dr. K. und Dr. W. gewürdigt. Auch diesen
Überlegungen schließt sich der Senat nach eigener kritischer Prüfung vollinhaltlich an.
Ohnehin ist unter Medizinern umstritten, ob es ein algogenes Psychosyndrom überhaupt gibt. Selbst wenn es als
grundsätzlich anzuerkennendes eigenes Krankheitsbild bejaht wird, ist aufgrund des überzeugenden
Sachverständigengutachtens Dr. W. vom 5. Januar 2005 (hintere Aktenhülle Bd. XI) davon auszugehen, dass eine
solche Symptomatik beim Kläger tatsächlich nicht vorliegt. Der Sachverständige Dr. W. hat in seinem Gutachten
insgesamt sieben Aspekte aufgeführt, die üblicherweise bei einem algogenen Schmerzsyndrom vorliegen müssten,
die er beim Kläger aber nur in geringen Ansätzen feststellen konnte. Dies hat sich im Übrigen auch in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 7. November 2006 bestätigt, in der der Kläger bei der Erörterung u. a.
des Vorliegens eines algogenen Schmerzsyndroms und des hierfür u. a. regelmäßig erforderlichen demonstrativen
Schmerzverhaltens sowie einer Einengung der Interessensphäre oder Erlebnisfähigkeit auf die Schmerzsymptomatik
als zentralem Lebensinhalt ausdrücklich erklärt hat, um die Schmerzen ginge es gar nicht, sondern um das ihm
zugefügte Unrecht sowie die von ihm allein in den Mittelpunkt gestellten Überlegungen z. B. zum
Staatsaufbaumangel der Bundesrepublik Deutschland sowie der von ihm herangezogenen Chaostheorie. Dies deckt
sich vollständig mit den Feststellungen des Sachverständigen Dr. W.
Die von dem Kläger konsultierte Privatgutachterin Dr. K. ist hingegen sowohl in ihrer schriftlichen Stellungnahme
vom 15. März 2005 (Bl. 1533 ff. d.A.) als auch bei ihrer Anhörung vor dem Landgericht jede Begründung für die
Bejahung eines algogenen Schmerzsyndroms schuldig geblieben. Dies gilt im Übrigen auch für die Ausführungen
des Sachverständigen Dr. S. in seinem Gutachten vom 22. Juni 1998 (Bl. 714 ff. d. A.).
Deshalb bedurfte es auch nicht mehr der vom Landgericht ursprünglich beabsichtigten ergänzenden Befragung des
Sachverständigen Dr. W. zur Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens.
3. Entgegen der Auffassung des Landgerichtes ist aber die Kausalität des Unfalls vom 3. Mai 1982 für die von
mehreren Gutachtern bestätigte reaktive Depression und Persönlichkeitsveränderung zu bejahen. Wie bereits
ausgeführt haftet ein Schädiger für seelisch bedingte Folgeschäden einer Verletzungshandlung grundsätzlich auch
dann, wenn sie auf einer psychischen Anfälligkeit des Verletzten, einer neurotischen Fehlverarbeitung oder einer
entsprechenden Anlage des Geschädigten beruht.
Dies ist nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. in seinem Gutachten vom 5. Januar 2005 sowie nach
den Ausführungen des im Strafverfahren beauftragten Sachverständigen Prof. K. jedoch zu bejahen. Danach liegt
bei dem Kläger eine schwere narzistische Persönlichkeitsstörung vor, die allerdings bereits vor dem Unfall angelegt
war. Der Sachverständige Dr. W. hat in seinem Gutachten vom 5. Januar 2005 im Einzelnen ausgeführt, worauf sich
seine Diagnose stützt.
So führt er ab S. 21 seines Gutachtens im Einzelnen aus, im Gesamtbild der Persönlichkeit des Klägers sei
ausgeprägt und durchgängig ein tiefgreifendes Muster von Großartigkeit, ein Bedürfnis nach Bewunderung und ein
gewisser Mangel an Einfühlungsvermögen feststellbar. Der Kläger wirke schnell prahlerisch und großspurig und
zeige eine deutliche Verleugnungstendenz bei Überschätzung der eigenen Fähigkeit, woraus eine Übertreibung
seiner Leistung folge. Bereits beim geringsten Zweifel an seinen Leistungen wirke der Kläger impulsiv gekränkt. Nur
durch ein ausgedehntes Lob und Anerkennung seiner vermeintlich großartigen Leistungen sei wieder ein tragfähiger
Kontakt zu ihm herzustellen. Der Kläger sei nicht annähernd in der Lage, im Rahmen eines selbstreflektiven und
introspektiven Prozesses seinen eigenen Anteil an seinem beruflichen Scheitern zu identifizieren (S. 23 des
Gutachtens). Sein Denken sei inhaltlich vollständig von den für ihn narzistisch kränkenden Erlebnissen aus seiner
Vergangenheit und seinem ihn kränkenden sozialen Abstieg geprägt. Während der fast sieben Stunden andauernden
Untersuchungszeit habe hingegen die eigentliche Schmerzproblematik praktisch keine Rolle gespielt (S. 24 des
Gutachtens).
Genau dieses Bild ergibt sich aus den schriftlichen Äußerungen des Klägers zur Akte sowie aus seinem Vortrag in
der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 7. November 2006. Auch hierbei standen ausschließlich die
persönlichen Kränkungen und die o. g. allgemein politischen Erwägungen im Vordergrund.
Die Angriffe des Klägers gegen den Sachverständigen Dr. W. vermögen demgegenüber keine Zweifel an der
Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen zu begründen. Die von dem Kläger hinzugezogene
Privatsachverständige Dr. K. hat weder in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 15. März 2005 noch bei ihrer
mündlichen Anhörung vor dem Landgericht näher begründet, weshalb nach dem Summenscore für den
IPDEScreeningFragebogen ICD 10 Modul keine Persönlichkeitsstörung beim Kläger vorliege, insbesondere keine
narzistische Persönlichkeitsstörung (s. S. 12 des Gutachtens vom 15. März 2005, Bl. 1532, 1537 d. A.).
Soweit der Kläger auf S. 21 seiner Berufungsbegründung (Bl. 1889 d. A.) neun Merkmale aufführt, die der
Arbeitskreis OPD als Voraussetzung einer Diagnose einer narzistischen Persönlichkeitsstörung verlangt, wovon
mindestens fünf erfüllt sein müssen, sind eben genau diese Kriterien in hinreichender Weise gegeben:
a) So dokumentiert der Kläger nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W., die durch sein gesamtes
Verhalten im Prozess bestätigt werden, sowie dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen
Eindruck eindeutig ein übersteigertes Größengefühl in Bezug auf seine eigene Bedeutung.
b) Nach dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. und dem im Prozessverlauf
dokumentierten Verhalten ist er der Überzeugung, besonders und einmalig zu sein und nur von anderen besonderen
Menschen und solchen mit hohem Status verstanden zu werden oder mit diesen zusammensein zu können.
c) Er ist geprägt von dem Bedürfnis nach übermäßiger Bewunderung.
d) Bei ihm liegt auch die geforderte Anspruchshaltung vor, nämlich die unbegründete Erwartung besonders günstiger
Behandlung oder automatischer Erfüllung von Erwartungen. Hierzu hat der Sachverständige W. ausdrücklich
ausgeführt, der Kläger sei aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung quasi gezwungen, äußere Umstände dafür
verantwortlich zu machen, wenn etwas nicht so ablaufe, wie er es sich vorstelle oder wünsche.
e) Ebenso hat der Sachverständige Dr. W. einen Mangel an Empathie festgestellt, nämlich die mangelnde Fähigkeit,
Gefühle und Bedürfnisse anderer anzuerkennen und sich mit ihnen zu identifizieren.
f) Schließlich trägt der Kläger im Sinne der von ihm aufgeführten Merkmale auch eine arrogante, hochmütige
Verhaltensweise zur Schau, die mit dem eingangs genannten Kriterium des gesteigerten Größengefühls im
Zusammenhang steht, wenn er z. B. meint, er allein sei in der Lage, größere Zusammenhänge zu erkennen und/oder
zu verstehen.
Nach alledem kann nach Überzeugung des Senates kein Zweifel bestehen, dass bei dem Kläger eine schwere
narzistische Persönlichkeitsstörung vorliegt, die bereits vor dem Unfall vom 3. Mai 1982 angelegt war.
4. Grundsätzlich kann aufgrund der bei dem Kläger diagnostizierten schweren narzistischen Persönlichkeitsstörung
und der sich anschließend nach dem Unfall über Jahre hinziehenden Streitigkeiten mit Versicherungen, dem
Gemeindeunfallverband und Gerichten auch angenommen werden, dass sich bei dem Kläger ein diaeitetogenes
Psychosyndrom entwickelt hat. Hierunter wird eine psychische Beeinträchtigung von Patienten verstanden, die über
eine längere Zeit wegen ihrer Erkrankung in GutachterEntscheidungsverfahren verwickelt sind.
5. Ebenfalls wahrscheinlich ist, dass bei dem Kläger eine somatoforme Schmerzstörung nach der Kategorie ICD 10:
F 45.4 vorliegt, d. h. andauernde, schwere und quälende Schmerzen, die durch einen physiologischen Prozess oder
eine körperliche Störung nicht erklärt werden können. In Verbindung mit den auch vom Landgericht bejahten
depressiven Verstimmungen und der vom Kläger subjektiv empfundenen Kränkungen liegt es durchaus nahe, dass
sich ein solches Krankheitsbild bei ihm entwickelt hat.
6. Mit dem Landgericht ist bei der Bemessung des Schmerzensgeldes das Auftreten von depressiven
Verstimmungen zu berücksichtigen. Eine depressive Symptomatik ist nach dem Unfallereignis von mehreren Ärzten
festgestellt worden, u. a. im Gutachten Dr. H. vom 15. Juli 1985 (Bl. 62 Anlagenband I), in dem psychologischen
Gutachten M. vom 17. Dezember 1985 (Bl. 60 Anlagenband I), in der ergänzenden Stellungnahme Dr. H. vom 23.
Januar 1986 (Bl. 65 Anlagenband I), in dem Gutachten R. vom 11. August 1986 (Bl. 74 Anlagenband I) sowie in dem
Arztbericht Dr. W. vom 21. September 1987 (Bl. 625 d. A.). Außerdem hat die den Kläger behandelnde Ärztin Dr. F.
depressive Verstimmungen bestätigt (vgl. u. a. Attest vom 16. September 1987, Bl. 105 Anlagenband I sowie vom
19. August 1994, Bl. 73 Anlagenband II).
Soweit Dr. H. in seinem Gutachten vom 15. Juli 1985 die Vermutung aufstellt, es könnten bereits vor dem Unfall
vom 3. Mai 1982 depressive Störungen vorgelegen haben, entlastet dies indes die Beklagte nicht.
7. Gleichfalls erscheint es als wahrscheinlich, dass die Magenbeschwerden des Klägers letztlich ursächlich
zurückgehen auf den Unfall vom 3. Mai 1982. Ihm sind wegen der depressiven Verstimmungen verschiedene
Medikamente verordnet worden, die er nicht vertrug und die schließlich zu einem Reizmagen pp. führten. Insoweit ist
zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass sowohl die Magenbeschwerden als auch die spätere Operation
wegen Magenblutung im Ergebnis unfallbedingt sind.
C.
Die Haftung eines Schädigers findet jedoch eine zeitliche Begrenzung, wenn der durch den Unfall ausgelöste
Schaden aufgrund von Vorschäden auch ohne den Unfall früher oder später eingetreten wäre (BGH NJW 1996, 2425
ff.). Das ist nach den Darlegungen des Sachverständigen Dr. W. in seinem Gutachten vom 5. Januar 2005 eindeutig
zu bejahen. Der Sachverständige hat eine schwere narzistische Persönlichkeitsstörung des Klägers diagnostiziert,
die bereits vor dem Unfall angelegt war, und ausgeführt, dass „zweifelsfrei jedes fast xbeliebige andere kränkende
Erlebnis“ diese Persönlichkeitsstörung hätte zu Tage treten lassen können (Bl. 26/27 seines Gutachtens), denn der
Kläger sei aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung gezwungen, äußere Umstände für Misserfolge jeglicher Art
verantwortlich zu machen.
Unter Zugrundelegung dieser Ausführungen ist davon auszugehen, dass jedes etwas gravierendere Ereignis,
beruflicher, privater oder gesundheitlicher Art bei dem Kläger einen gleichen Krankheitsverlauf im Hinblick auf die
Sekundärerkrankungen ergeben hätte wie das Unfallgeschehen vom 3. Mai 1982. Als solche Ereignisse kommen
nach den von dem Landgericht festgestellten Tatsachen, die der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO seiner
Entscheidung zugrunde zu legen hat, sowohl der weitere Verkehrsunfall im Jahr 1991 als auch die spätere
Untersuchungshaft von Mai 1993 bis Februar 1994 in Betracht. Auch dieses Unfallereignis hätte den Kläger aus der
von ihm vorgesehenen Lebensplanung geworfen und hätte nach Überzeugung des Senates die nämlichen
gesundheitlichen Folgen gehabt. Erst recht aber gilt dies für die Untersuchungshaft vom 27. Mai 1993 bis 28.
Februar 1994, die der Kläger ausweislich der Anamnese aller konsultierten Gutachter, insbesondere auch der des
gerichtlichen Sachverständigen Dr. W., als tiefkränkend und ungerecht empfunden hat und innerhalb der er nach
seiner Darstellung misshandelt worden sein soll. Ein solches bereits für einen Menschen ohne
Persönlichkeitsstörung tief einschneidendes Ereignis hätte mit absoluter Sicherheit bei dem Kläger depressive
Verstimmungen pp. hervorgerufen. Das ist schließlich ebenfalls für die Verurteilung wegen erpresserischen
Menschenraubes zu bejahen, die der Kläger nicht nur als ungerechtfertigt empfindet, sondern hinsichtlich der er eine
Verschwörung der Versicherungen und des Landes argwöhnt.
Nach alledem ist davon auszugehen, dass die Haftung der Beklagten hinsichtlich der Sekundärerkrankungen für die
Zeit vom 3. Mai 1982 bis in das Jahr 1991, spätestens jedoch Mai 1993 begrenzt ist.
Hiervon ausgehend hält der Senat das von dem Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Schmerzensgeld
von insgesamt 40.000 DM (20.451,68 EUR) für ausreichend und angemessen.
Die gesundheitlichen Unfallfolgen haben sich auf das Leben des Klägers durchaus erheblich nachteilig ausgewirkt.
Der Umfang der gesundheitlichen Folgen selbst und deren Auswirkungen auf das berufliche und private Leben des
Geschädigten stellt eine Grundlage der Entscheidung über die Höhe eines Schmerzensgeldes dar. So kann der
Kläger keine schweren Sachen mit der linken Hand und dem linken Unterarm tragen. Die Greiffunktion der linken
Hand ist vor allem beim Zufassen von schweren Gegenständen eingeschränkt. Insgesamt ist die grobe Kraft der
linken Hand gegenüber der rechten vermindert. Beim festen Faustschluss können Schmerzen im Bereich des
Handgelenks entstehen. Ebenso können bei kaltem Wetter Beschwerden im Bereich des Handgelenks und des
linken Unterarms auftreten. Schließlich verbleiben eine endgradige geringe Einschränkung der
Handgelenksbeweglichkeit links sowie Narben am linken Unterarm.
Der Kläger war ferner durch den Unfall selbst sowie die operativen Eingriffe beeinträchtigt, auch zum Teil in seiner
Berufstätigkeit. Er hat durch die depressiven Verstimmungen insgesamt einen Verlust an Lebensqualität erlitten
sowie eine Schmälerung seines eigenen Selbstwertgefühls.
Das Landgericht hat zutreffend bei der Bemessung des Schmerzensgeldes eine 20 %ige Minderung der
Erwerbsunfähigkeit aufgrund des Dauerschadens am linken Unterarm berücksichtigt, andererseits aber auch den
Umstand, dass der Kläger Rechtshänder ist.
Es hat weiter zutreffend darauf abgestellt, der Verkehrsunfall sei von der seinerzeit erst 13 Jahre alten Beklagten
lediglich fahrlässig verursacht worden, sodass die Genugtuungsfunktion im vorliegenden Fall in den Hintergrund zu
treten hat.
Ebenfalls zu Recht hat das Landgericht keine besondere Bedeutung dem Umstand beigemessen, dass die
Haftpflichtversicherung der Beklagten die Folgen des Unfallgeschehens zunächst nicht in vollem Umfang regulierte.
Die Haftpflichtversicherung der Beklagten hat bereits in den Jahren 1982 und 1984 Zahlungen an den Kläger
geleistet und ihm auch in der Folgezeit mehrfach weitere Zahlungen sowie die Übernahme der Kosten einer
Ausbildung angeboten. Eine Einigung der Parteien hat der Kläger indes mit weit überzogenen Forderungen
verhindert.
Ebenso hat das Landgericht bei der Bemessung des Schmerzensgeldes mit zutreffenden Erwägungen, denen sich
der Senat anschließt, die Dauer des Gerichtsverfahrens nur in geringem Umfang berücksichtigt.
Unter Berücksichtigung des 20 %igen Mitverschuldens des Klägers sowie der Gesamtdauer der Beeinträchtigungen
hält der Senat jedoch gleichwohl - auch unter Berücksichtigung der zusätzlich vom Senat berücksichtigten
Folgeerkrankungen - ein Schmerzensgeld von insgesamt 40.000 DM für ausreichend. Das Gericht hat sich dabei
neben den vom Landgericht bereits aufgeführten Vergleichsentscheidungen orientiert an
Schmerzensgeldentscheidungen, bei denen den Geschädigten ebenfalls Beträge von ca. 20.000 EUR zuerkannt
worden sind (vgl. Nrn. 2188 bis 2288 der Schmerzensgeldtabelle Hacks/Ring/Böhm, 24. Aufl., namentlich
Entscheidungen wie Nrn. 2216 oder 2228, bei denen nach vorsätzlichen Straftaten die Betroffenen ebenfalls über
viele Jahre unter den Vorfällen litten, zum Teil unter nicht mehr vollständig reversiblen psychischen Schäden, und
keine zeitliche Begrenzung durch eine anderweitige Ursache, die die gleichen Folgen nach sich gezogen hätte,
hinzugetreten ist).
Ebenso vergleichbar erscheint die Entscheidung des KG Berlin vom 23. April 2002 (Nr. 2232 der
Schmerzensgeldtabelle), in der es - vergleichbar mit dem vorliegenden Fall - ebenfalls zu einer psychischen
Fehlverarbeitung gekommen ist aufgrund einer psychogenen Anlage des Geschädigten, die bei der Höhe des
zuzuerkennenden Schmerzensgeldes zu berücksichtigen ist (BGH NJW 1998, 810 ff.).
Im Übrigen hat der Kläger mit seiner Berufungsbegründung ein höheres Schmerzensgeld auch nicht ausdrücklich
geltend gemacht, was den Senat indes nicht gehindert hätte, einen höheren Betrag festzusetzen, da die Partei nur
gehalten ist, eine ungefähre Begehrensvorstellung mitzuteilen.
D.
Das Landgericht hat dem Kläger schließlich zu Recht den Anspruch auf Zahlung einer Schmerzensgeldrente
versagt. Es hat - ebenso wie der Senat - die vom Kläger infolge des Unfalls vom 3. Mai 1982 davongetragenen
körperlichen und seelischen Schäden bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt, sodass für eine
darüber hinausgehende Schmerzensgeldrente kein Raum ist.
E.
Richtigerweise hat das Landgericht dem Kläger weiteren Verdienstausfall als die ihm zuerkannten 417,93 EUR
versagt. Insbesondere hat das Landgericht insoweit zutreffend festgestellt, auch unter Berücksichtigung der
Beweiserleichterungen des § 287 ZPO sei nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen, dass der Kläger ohne das
Unfallereignis vom 3. Mai 1982 das in Aussicht genommene Ingenieurstudium erfolgreich beendet hätte. Insoweit
werden die Ausführungen unter Ziffer III. 2. (S. 35 LGU) in Bezug genommen. Aufgrund der bekannten schulischen
Vorleistungen des Klägers kann keineswegs mit hinreichender Sicherheit angenommen werden, er hätte das
Ingenieurstudium im Fach Elektrotechnik erfolgreich beendet.
Zu Recht hat das Landgericht dem Kläger auch einen Verdienstausfall versagt, weil er nicht neben dem Studium „auf
dem Bau“ oder bei einem Spediteur tätig werden konnte. Insoweit macht der Senat sich zunächst die Ausführungen
des Landgerichts unter Ziffer III. 1. (S. 34 LGU) zu Eigen. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger nach
seiner eigenen Darstellung zeitweise neben dem Studium gearbeitet hat, sodass nicht ersichtlich ist, weshalb er
durch unterlassene weitere Zusatztätigkeit tatsächlich einen Verdienstausfall erlitten haben soll.
Soweit das Landgericht sich noch mit einem Verdienstausfallschaden beschäftigt hat, der dem Kläger ab 1993
entstanden ist, sind diese Überlegungen überholt,
da davon auszugehen ist, dass der Kläger aufgrund des Verkehrsunfalls im Jahr 1991, spätestens jedoch aufgrund
der Untersuchungshaft von Mai 1993 bis Februar 1994 die identischen gesundheitlichen Folgen erlitten hätte wie
nach
dem hier streitbefangenen Unfallereignis.
F.
Schließlich ist auch der Feststellungsantrag des Beklagten hinsichtlich künftiger immaterieller Schäden unbegründet.
Das Landgericht hat zutreffend darauf verwiesen, ein Feststellungsinteresse bestünde nur, wenn eine nicht nur
entfernt liegende Möglichkeit bestünde, dass künftige weitere, bisher nicht erkennbare und voraussehbare Leiden
auftreten könnten, die ein weiteres Schmerzensgeld begründen könnten. Dafür bestehen indes keine Anhaltspunkte.
Sie sind vom Kläger im Übrigen auch mit der Berufungsbegründung nicht dargetan worden.
Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen. Die weiteren
Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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