Urteil des OLG Celle vom 15.01.2010

OLG Celle: gesetzesänderung, post, mwst, gebühr, vergütung, form, anpassung, report, datum, anwaltskosten

Gericht:
OLG Celle, 10. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 10 WF 14/10
Datum:
15.01.2010
Sachgebiet:
Normen:
RVG § 15 a, RVG § 60, VVRVG Vorbemerkung 3 Abs 4
Leitsatz:
Bei der Neuregelung des § 15 a RVG handelt es sich um eine Gesetzesänderung, auf die die
Übergangsregelung des § 60 Abs. 1 RVG Anwendung findet (entgegen BGHBeschluss vom 2.
September 2009 - II ZB 35/07 - NJW 2009, 3101. Anschließung an OLG Celle - Beschluss vom 19.
Oktober 2009 - 2 W 280/09 - OLG Report Celle pp. 2009, 930)
Volltext:
10 WF 14/10
606 F 2550/09 Amtsgericht Hannover
B e s c h l u ß
In der Familiensache
H. M.,
Kläger und Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältin W.
gegen
C. H.M.,
Beklagte und Beschwerdegegnerin,
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht W., den Richter am Oberlandesgericht H. und die Richterin am Amtsgericht G. am 15. Januar
2010 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß des Amtsgericht - Familiengericht -
Hannover vom 6. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf bis zu 600 € festgesetzt
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Nach rechtskräftigem Versäumnisurteil vom 28. Juli 2009 hat der Beklagte im Streitfall die Kosten des
erstinstanzlichen Verfahrens zu tragen. der Streitwert ist auf 8.100 € festgesetzt worden. Mit Schriftsatz vom 16.
August 2009 hat der Kläger Kostenfestsetzung gemäß § 104 ZPO beantragt. Dabei sind - abgesehen von
Gerichtskosten und Auslagenvorschüssen - zunächst geltend gemacht worden:
1,3 Geschäftsgebühr 583,70 €
Post und Telekommunikationspauschale 20,00 €
1,3 Verfahrensgebühr 583,70 €
./. 0,65 Anrechnung gem. Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV 291,85 €
Umsatzsteuer 170,15 €
Summe 1.065,70 €.
Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 6. Oktober 2009 unter Nichtberücksichtigung der Geschäftsgebühr und
entsprechender Anpassung der Umsatzsteuer insgesamt 914,10 € - neben 543 € verauslagten Gerichtskosten also
Anwaltskosten von 371,10 € - festgesetzt. Gegen diesen ihm am 23. Oktober 2009 zugestellten Beschluß hat der
Kläger am 5. November sofortige Beschwerde eingelegt und dabei seinen Kostenfestsetzungsantrag - hinsichtlich
der unterbliebenen Anrechnung unter Berufung auf den zwischenzeitlich in Kraft getretenen § 15a RVG - dahin
korrigiert, daß nunmehr - abgesehen von den verauslagten Gerichtskosten - geltend gemacht wurden:
1,3 Verfahrensgebühr 583,70 €
0,5 Terminsgebühr 224,50 €
Post und Telekommunikationspauschale 20,00 €
Umsatzsteuer 157,36 €
Summe 985,56 €.
Nach Hinweis des Amtsgerichtes und entsprechendem gesonderten Antrag auf Nachfestsetzung sind mit Beschluß
vom 5. Januar 2010 weitere 267,16 € - entsprechend 0,5 Terminsgebühr zuzüglich Umsatzsteuer - festgesetzt
worden. Der sofortigen Beschwerde hat das Amtsgericht parallel dazu nicht abgeholfen und dabei im Kern darauf
abgestellt, daß § 15a RVG als Gesetzesänderung gemäß § 60 RVG auf - wie vorliegend gegebene - ´Altfälle´ keine
Anwendung finden könne.
II.
1. Für das Beschwerdeverfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGGReformG weiterhin das vor dem 1. September 2009
geltende Recht maßgeblich.
2. Die - form und fristgerecht eingelegte - sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere betrifft sie auch einen 200
€ übersteigenden Beschwergegenstand. Zwar entspricht die angegriffene Festsetzung vom 6. Oktober 2009
hinsichtlich der im Beschwerdeverfahren noch verfolgten Positionen formal dem ursprünglichen Antrag des Klägers,
der Antrag ist jedoch im Rahmen der Beschwerde bezüglich der verbliebenen Streitposition ´Anrechnung gemäß
Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV´ im Sinne einer zulässigen Nachliquidation (vgl. Zöller28Herget, ZPO § 104 Rz. 21
´Nachliquidation´ m.w.N.) korrigiert worden. Das gilt umsomehr, als das Amtsgericht inhaltlich unzweifelhaft deutlich
gemacht hat, daß es die Geltendmachung der Verfahrensgebühr im Umfang der ursprünglich vorgenommenen
Absetzung entsprechend der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV in keinem Fall - also auch nicht etwa in Gestalt einer
gesonderten Nachliquidation - festzusetzen bereit ist. Diese aufgrund der Anrechnung unterbliebene Festsetzung
betrifft einen Betrag von (291,85 € zzgl. 19% Mwst =) 347,30 €.
3. Die Beschwerde ist jedoch in der Sache nicht begründet.
a) Der Kläger geht selbst zunächst zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung - auch - des
erkennenden Senates davon aus, daß nach der bei Auftragserteilung an seine Prozeßbevollmächtigte bestehenden
Rechtslage auf die Verfahrensgebühr entsprechend Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV die hälftige Anrechnung der
vorprozessual verdienten 1,3 Geschäftsgebühr - hier also eine 0,65 Gebühr bzw. ein Betrag von netto 291,85 € -
vorzunehmen war. genau dem entspricht die in den Beschlüssen vom 6. Oktober 2009 und vom 5. Januar 2010
erfolgte amtsgerichtliche Kostenfestsetzung.
b) An dieser Rechtslage hat sich für den Streitfall durch das zwischenzeitliche Inkrafttreten des neugeschaffenen §
15a RVG nichts geändert, da diese Rechtsänderung gemäß der (allgemeinen) Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1
RVG hier keine Anwendung findet.
Die Frage der Anwendbarkeit von § 15a RVG für - wie im Streitfall vorliegende - ´Altfälle´ ist in der Rechtsprechung
höchst umstritten:
So haben sich für die Anwendbarkeit von § 15a RVG in ´Altfällen´ ausgesprochen einige obergerichtliche Senate
(vgl. - jeweils zitiert nach juris - OLG Stuttgart 8. Zivilsenat - Beschluß vom 11. August 2009 - 8 W 339/09. OVG
NRW 4. Senat - Beschluß vom 11. August 2009 - 4 E 1609/08. OLG Dresden 3. Zivilsenat - Beschluß vom 13.
August 2009 - 3 W 793/09. OLG Koblenz 14. Zivilsenat - Beschluß vom 1. September 2009 - 14 W 553/09. OLG
Köln 17. Zivilsenat - Beschluß vom 14. September 2009 - 17 W 195/09. OLG Bamberg 7. Senat für Zivilsachen -
Beschluß vom 5. Oktober 2009 - 7 WF 201/09. OLG Braunschweig 2. Zivilsenat - Beschluß vom 10. September
2009 - 2 W 155/09) sowie der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (Beschluß vom 2. September 2009 - II ZB
35/07 - zitiert nach juris). dabei wird für die Verneinung der Einschlägigkeit des § 60 Abs. 1 RVG teilweise darauf
abgestellt, § 15a RVG stelle keine Gesetzesänderung sondern eine ´Klarstellung´ des Gesetzgebers dar (so der II.
Zivilsenat des BGH, aaO Tz. 8. OLG Stuttgart aaO. OLG Bamberg aaO), nach anderem Ansatz soll - trotz
Vorliegens einer Gesetzesänderung - § 60 Abs. 1 RVG nicht einschlägig sein, weil letztere Norm allein für die
Berechnung der Vergütung im Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant gelte, die durch § 15a RVG jedoch
nicht berührt werde (so OLG Braunschweig, aaO. OLG Dresden aaO. OLG Koblenz aaO).
Demgegenüber gehen von einem sich aus § 60 Abs. 1 RVG ergebenden Ausschluß der Anwendbarkeit von § 15a
RVG für ´Altfälle´ die Mehrzahl der obergerichtlichen Entscheidungen (vgl. - zitiert jeweils nach juris - Hessisches
Landesarbeitsgericht 13. Kammer - Beschluß vom 7. Juli 2009 - 13 Ts 302/09. OLG Düsseldorf 20. Zivilsenat -
Beschluß vom 6. August 2009 - 10 W 63/09. OLG Frankfurt 12. Zivilsenat - Beschluß vom 10. August 2009 - 12 W
91/09. KG 2. Zivilsenat - Beschluß vom 13. August 2009 - 2 W 128/09. OLG Celle 2 Zivilsenat - Beschuß vom 26.
August 2009 - 2 W 240/09. KG 27. Zivilsenat - Beschluß vom 10. September 2009 - 27 W 68/09. OLG Hamm 25.
Zivilsenat, Beschluß vom 25. September 2009 - 25 W 333/09. OLG Oldenburg 13. Zivilsenat - Beschluß vom 7.
Oktober 2009 - 13 W 43/09. KG 27 Zivilsenat - Beschluß vom 13. Oktober 2009 - 27 W 98/09. OLG Celle 2.
Zivilsenat - Beschluß vom 19. Oktober 2009 - 2 W 280/09. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof 19. Senat -
Beschluß vom 21. Oktober 2009 - 19 C 09.2395. OVG Lüneburg 10. Senat - Beschluß vom 17. November 2009 - 10
OA 166/09) sowie der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes aus (Beschluß vom 29. September 2009 - X ZB 1/09 -
zitiert nach juris).
Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Insbesondere der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes
Celle hat sich in seinem Beschluß vom 19. Oktober 2009 umfassend und überzeugend mit der Gegenposition
auseinandergesetzt. der Senat nimmt uneingeschränkt auf diese - auch in OLGReport Celle pp. 2009, 930ff.
veröffentlichten - Ausführungen Bezug.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 2 ZPO.
IV.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 574 Abs. 1 Nr.
2, Abs. 2 Nr. 2 2. Alt., Abs. 3 Satz 1 ZPO geboten, weil der Senat - wie bereits oben zitiert - von der Ansicht anderer
Oberlandesgerichte sowie auch der Ansicht des II. Zivilsenates des Bundesgerichtshofs abweicht, § 15a RVG stelle
keine Gesetzesänderung i.S.d. § 60 Abs. 1 RVG dar und sei auch in ´Altfällen´ anzuwenden und da beim
Bundesgerichtshof zu dieser Streitfrage mittlerweile zumindest eine weitere Rechtsbeschwerde anhängig ist (BGH X
ARZ 292/09 - vgl. OLG Celle - Urteil vom 19. Oktober 2009 - 2 W 280/09 - zitiert nach juris - TZ 8 m.w.N).
W. H. G.