Urteil des OLG Celle vom 27.07.2000

OLG Celle: hauptsache, beweisverfahren, aufteilung, gefahr, prozessökonomie, aufspaltung, sachverständiger, beendigung, behandlung, baurecht

Gericht:
OLG Celle, 22. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 22 W 80/00
Datum:
27.07.2000
Sachgebiet:
Normen:
ZPO § 96, ZPO § 494a
Leitsatz:
Über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens ist insgesamt vom Gericht der Hauptsache zu
entscheiden, auch wenn nur teilweise Klage erhoben wird.
Volltext:
22 W 80/00
4 OH 23/95 LG Verden
B e s c h l u s s
In dem selbständigen Beweisverfahren
##################################################,
Antragstellerin und Beschwerdegegnerin,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ##########
& Kollegen in ######
gegen
1. ######################################################
##################################################
############
Antragsgegner zu 1,
2. ######################################################
Antragsgegner zu 2 und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ##########
& Kollegen in ######
hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die als sofortige Beschwerde zu behandelnde Beschwerde
des Antragsgegners zu 2 vom 25. August 2000 gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Verden
vom 27. Juli 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ############ sowie durch die Richter am
Oberlandesgericht ###### und ####### am 28. September 2000 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner zu 2.
Beschwerdewert: 10.000 DM.
Gründe:
I.
Der Antragsgegner zu 2 hat für die Antragstellerin die Planung, Ausschreibung und Vergabe der durchzuführenden
Bauarbeiten an dem Bauvorhaben der Antragstellerin in ###################### #############, im Rahmen
eines Architektenvertrages übernommen. Die Erd, Stahlbeton, Maurer und Putzarbeiten an dem Bauvorhaben
wurden von der Antragsgegnerin zu 1 im Auftrag der Antragstellerin durchgeführt. Mit Beschluss vom 9. Oktober
1995 hat das Landgericht die von der Antragstellerin beantragte Beweiserhebung zu Baumängeln an ihrem
Bauvorhaben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet und mit Beschluss vom 3. Juli 1996
den Streitwert für das selbständige Beweisverfahren auf 70.000 DM festgesetzt, nachdem die Antragstellerin die
Mängelbeseitigungskosten auf 50.000 DM und ihre weiteren Ansprüche auf 20.000 DM geschätzt hatte. Nach
Abschluss der Beweiserhebung im selbständigen Beweisverfahren hat das Landgericht auf den Antrag des
Antragsgegners zu 2 der Antragstellerin mit Beschluss vom 26. Februar 1999 aufgegeben, binnen sechs Wochen
Klage zu erheben. Innerhalb der gewährten Fristverlängerung hat die Antragstellerin gegen den Antragsgegner zu 2
mit Klageschrift vom 3. Mai 1999 Klage vor dem Amtsgericht Achim erhoben und beantragt, den Antragsgegner zu 2
zu verurteilen, an sie 6.148 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 2. Mai 1998 zu zahlen. Diese Klage soll inzwischen
zurückgenommen worden sein. Den Antrag des Antragsgegners zu 2, der Antragstellerin die ihm entstandenen
Kosten aus dem selbständigen Beweisverfahren aufzuerlegen, hat das Landgericht mit dem angefochtenen
Beschluss vom 27. Juli 2000, dem Antragsgegner zu 2 zugestellt am 24. August 2000, zurückgewiesen, da die
Klageerhebung i.S. des § 494 a Abs. 2 ZPO erfolgt sei und eine Teilkostenentscheidung nicht in Betracht käme. Die
Kosten seien insgesamt Teil der Hauptsache und darüber einheitlich und unter entsprechender Anwendung des § 96
ZPO im Hauptsacheverfahren zu entscheiden. Eine Aufteilung der Kostenentscheidung sei nicht sachgerecht und
berge die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller zu 2 unter Hinweis auf
die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf in NJW RR 1998, S. 358 f mit seiner Beschwerde vom 25.
August 2000, beim Landgericht Verden eingegangen am 28. August 2000.
II.
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Das Landgericht hat den Antrag des Antragsgegners zu 2, der Antragstellerin die ihm entstandenen Kosten des
selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen, zu Recht zurückgewiesen.
Gem. § 494 a Abs. 2 S. 1 ZPO hat das Gericht dem Antragsteller auf Antrag des Antragsgegners die Kosten des
selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen, wenn der Antragsteller nicht innerhalb der ihm nach § 494 a Abs. 1
ZPO gesetzten Frist Klage erhoben hat. Die Antragstellerin hat aber gegen den Antragsgegner zu 2 mit Schriftsatz
vom 3. Mai 1999 Klage vor dem Amtsgericht Achim erhoben und beantragt, den Antragsgegner zu 2 zu verurteilen,
an sie 6.148 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 2. Mai 1998 zu zahlen.
Über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens ist aber insgesamt vom Gericht der Hauptsache zu
entscheiden, auch wenn nur teilweise Klage erhoben wird (OLG München, OLGR 1994 S. 212, OLG Düsseldorf,
Baurecht 1993, S. 370, OLG Düsseldorf NJW RR 1998, S. 358, anderer Ansicht OLG Düsseldorf NJW RR 1998, S.
210, OLG Koblenz NJW RR 1998, S. 68 Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 494 a, Rdnr. 11 und
ZöllerHerget, ZPO, 21. Aufl. § 494 a Rdnr. 4 a m.w.N.). Denn hinsichtlich der Teile des Streitgegenstandes des
selbständigen Beweisverfahrens, die auch Streitgegenstand im Hauptsacheverfahren geworden sind, sind die Kosten
der Beweiserhebung Teil der Kosten in der Hauptsache. Hinsichtlich der Kosten für den restlichen Streitgegenstand
aus dem selbständigen Beweisverfahren, der nicht Streitgegenstand der Hauptsache geworden ist, hat das Gericht
der Hauptsache in entsprechender Anwendung des § 96 ZPO mitzuentscheiden.
Für eine solche Behandlung sprechen Gründe der Praktibilität und der Prozessökonomie.
Die Aufspaltung des ursprünglichen Streitgegenstandes in zwei verschiedene Verfahren würde für die Parteien u.U.
zu einer erheblichen Gebührenmehrbelastung führen, weil die bei der einheitlichen Bewertung hinsichtlich des
höheren Betrages sich auswirkende Gebührendegression bei Aufteilung in einzelne Teilbeträge nicht zur Wirkung
kommt (OLG München a.a.O. mit Verweis auf Herget, Jur. Büro 1992, S. 782).
Bei einer Aufteilung in zwei Verfahren bestände die Gefahr, dass eine außerhalb der Hauptsache nach § 494 a Abs.
2 ZPO getroffene Teilkostenentscheidung der in der Hauptsache nach Abschluss des Verfahrens getroffenen
Kostenentscheidung widerspricht. Denn es besteht kein zwingender Zusammenhang zwischen dem Ergebnis des
selbständigen Beweisverfahrens und dem für die Kostenentscheidung maßgeblichen Ausmaß des tatsächlichen
Obsiegens bzw. Unterliegens in der Hauptsache. Es ist z.B. nicht ausgeschlossen, dass der gerichtliche
Sachverständige, aufgrund dessen Gutachten der Antragsteller seine bei Einleitung des selbständigen
Beweisverfahrens ins Auge gefasste Forderung bei der Klagerhebung reduziert hat, in der Beweisaufnahme im
Hauptverfahren zu einem höheren Ergebnis kommt oder dass an Stelle des durch Ablehnung oder in anderer Weise
aus dem Hauptverfahren ausgeschiedenen Sachverständigen ein anderer Sachverständiger zu einem höheren
Betrag kommt und der Antragsteller die Klage entsprechend erhöht ( OLG München a.a.0.).
Auch könnte das Gericht des selbständigen Beweisverfahrens die begehrte Teilkostenentscheidung nicht treffen,
ohne sich durch Beiziehung der Akten des Hauptverfahrens, das bei einem anderen Gericht anhängig sein kann,
über den Umfang der Klageerhebung zu vergewissern.
Nach alledem ist es bei jeder Klagerhebung zur Hauptsache allein sinnvoll, dass vom Gericht der Hauptsache nach
Beendigung des Hauptsacheverfahrens in genauer Kenntnis des tatsächlichen Prozessverlaufs einheitlich über die
Kosten des Rechtsstreits und des selbständigen Beweisverfahrens entschieden wird, selbst wenn eine
Klagrücknahme erfolgt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
###### ###### #######
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht
############ kann wegen
Urlaubs nicht unterschreiben.