Urteil des OLG Brandenburg vom 07.04.2010

OLG Brandenburg: unterzeichnung, wirtschaftliches interesse, gespräch, vermittler, kündigung, widerklage, lebensversicherungsvertrag, geschäft, kausalzusammenhang, geldanlage

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 3.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 U 73/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 488 Abs 2 BGB, § 280 Abs 1
BGB, § 9 VerbrKrG, § 1 Abs 1
HTürGG, § 3 HTürGG
Haustürgeschäft: Kausalzusammenhang zwischen der
Haustürsituation und dem finanzierten Beitritt zu einer
Fondsgesellschaft; Rückabwicklung des verbundenen Geschäfts
bei wirksamem Widerruf des Darlehensvertrags
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom
07.04.2010, Az. 8 O 264/09, unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels
teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagten 17.162,13 € nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 16.05.2008 und
weitere 1.538,19 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über den
Basiszinssatz seit dem 25.09.2009 zu zahlen sowie
alle Ansprüche aus und im Zusammenhang mit dem Lebensversicherungsvertrag bei
der M… Versicherungs-AG mit der Nummer ...529465-42 an die Beklagte zu 1. und mit
dem Lebensversicherungsvertrag bei der M… Versicherungs-AG mit der Nummer
...529464-41 an den Beklagten zu 2. abzutreten.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung
hinsichtlich der Zahlungsansprüche durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
beitreibungsfähigen Betrages und hinsichtlich des Anspruchs auf Abtretung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 € für jeden Lebensversicherungsvertrag
abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung in Bezug auf die
Zahlungsansprüche Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages
und bezüglich des Anspruchs auf Abtretung in Höhe von 10.000 € je
Lebensversicherungsvertrag leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Ansprüche in Zusammenhang mit zwei Darlehen, die die
Klägerin den Beklagten gewährt hat.
Die Beklagten nahmen bei der Klägerin im Jahr 1994 zwei Darlehen zur Finanzierung des
Beitritts zu einer Fondsgesellschaft auf. Den am 5.12.1994 unterzeichneten
Darlehensverträgen war ein Gespräch vorangegangen, an dem neben den Beklagten die
mit der Beklagten zu 1. entfernt verwandte Zeugin S… D… und der mittlerweile
verstorbene Vermittler W… G… teilgenommen hatten. Im Verlauf dieses Gesprächs
hatten die Beklagten auf Empfehlung des Vermittlers einen „Zeichnungsschein“ (Anl.
zur Klageerwiderung) unterzeichnet. Dieser Zeichnungsschein enthält u.a. die Erklärung:
... Gleichzeitig verpflichte(n) ich/wir mich/uns, alle Einzelverträge abzuschließen,
bzw. abschließen zu lassen. Hierzu gehören insbesondere:
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Über der Unterschriftenzeile heißt es:
Mündliche Nebenabreden wurden nicht getroffen. Die Rechtswirksamkeit des
Eintritts erfolgt mit notarieller Beurkundung.
Mit Anwaltsschreiben vom 28.04.2008 erklärten die Beklagten den Widerruf der
Darlehensverträge. Sie leisteten fortan keine Zahlungen mehr auf die Darlehen, was zu
deren Kündigung durch die Klägerin führte.
Die Klägerin hat den noch offenen Darlehensbetrag, die Feststellung der Wirksamkeit der
zur Sicherung ihrer Ansprüche erfolgten Abtretung zweier Lebensversicherungen und die
Zustimmung zur Auszahlung der Ablaufleistungen der Lebensversicherungen an sich
selbst begehrt. Die Beklagten haben widerklagend die Erstattung der auf die Darlehen
geleisteten Zahlungen, Rückabtretung der Lebensversicherungen und Ausgleich
vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt.
Das Landgericht hat mit der angegriffenen Entscheidung, auf deren Tatbestand wegen
der weiteren tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, der Klage
stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die
Darlehensverträge seien nicht wirksam widerrufen worden. Zwar seien weder ihnen noch
den Konditionsanpassungen aus den Jahren 1999 und 2005 ordnungsgemäße
Widerrufsbelehrungen nach den Vorschriften über den Widerruf von Haustürgeschäften
beigefügt worden. Jedoch fehle es an einem Widerrufsgrund. Es sei nicht ersichtlich, dass
eine Überraschungssituation im Sinne des § 1 Abs. 1 HWiG für den Abschluss der
Darlehensverträge ursächlich geworden sei. Gegen eine solche Ursächlichkeit spreche
der zeitliche Abstand zwischen dem Gespräch am 18.10.1994 und der Unterzeichnung
der Darlehensverträge. Ein Ursachenzusammenhang lasse sich auch nicht unter
Heranziehung der im „Zeichnungsschein“ abgegebenen Erklärungen herstellen. Für die
Beklagten sei ersichtlich gewesen, dass sie durch diese Erklärungen noch nicht
gebunden würden, insbesondere noch keinen Darlehensvertrag abschlössen. Daher sei
davon auszugehen, dass sie sich sowohl für das Darlehen als auch für den
Gesellschaftsbeitritt nach reiflicher Überlegung entschieden hätten.
Auch Schadenersatzansprüche könnten die Beklagten der Klägerin nicht
entgegenhalten. Zwar sei davon auszugehen, dass Darlehen und Fondsbeitritt ein
verbundenes Geschäft darstellten und im Übrigen die Klägerin mit der Fondsgesellschaft
in institutionalisierter Weise zusammen gearbeitet habe. Auch unter diesen Umständen
könne allerdings lediglich ein arglistiges Verhalten des Vermittlers zur Haftung führen,
für das nichts ersichtlich sei.
Mit der Berufung verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren und die
Widerklage weiter. Sie behaupten, die Unterzeichnung des Zeichnungsscheins sei am
18.10.1994 in ihrer Privatwohnung erfolgt. Das Gespräch, das zur Unterzeichnung
geführt habe, sei auf Anregung der Zeugin S… D… verabredet worden. Dass daran auch
der Vermittler G… teilnehmen würde, sei ihnen, den Beklagten, zuvor nicht bekannt
gewesen. Zwischen dem Gespräch am 18.10.1994 und der etwa zwei Monate später
erfolgten Unterzeichnung der Darlehensverträge bestehe ein Ursachenzusammenhang.
Angesichts der im Zeichnungsschein enthaltenen Erklärungen sei für die Beklagten als
rechtliche Laien nicht ersichtlich gewesen, dass sie damit keinerlei rechtliche Bindungen
eingingen. Der verhältnismäßig lange Zeitraum zwischen dem fraglichen Gespräch und
der Unterzeichnung der Darlehensverträge stehe dem erforderlichen
Ursachenzusammenhang unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs nicht entgegen.
Die Beklagten verweisen ferner auf den mittlerweile unstreitigen Umstand, dass das
notarielle Angebot über den Fondsbeitritt erst nach Unterzeichnung der
Darlehensverträge errichtet worden ist.
Sie beantragen,
1. das am 07.04.2010 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam, Az. 8 O
264/09, aufzuheben,
2. die Klage abzuweisen,
3. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagten als Gesamtgläubiger
17.162,13 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit
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17.162,13 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit
16.05.2008 sowie weitere 2.097,97 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5
Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
4. die Klägerin zu verurteilen, alle Ansprüche aus und im Zusammenhang mit
dem Lebensversicherungsvertrag bei der M… Versicherungs-AG mit der Nr. ... 529 465-
42 an die Beklagte zu 1. und mit dem Lebensversicherungsvertrag bei der M…
Versicherungs-AG mit der Nr. ... 529 464-41 an den Beklagten zu 2. zurückabzutreten.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens.
Der Senat hat die Beklagten persönlich angehört und Beweis erhoben durch
Vernehmung der Zeugin S… D…. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der
Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.11.2010 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat im Wesentlichen Erfolg.
1. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rückzahlung der Darlehen aus dem
Gesichtspunkt des § 488 Abs. 2 BGB zu, weil die Beklagten die mit ihr abgeschlossenen
Darlehensverträge wirksam widerrufen haben.
a) Es bestand ein Widerrufsrecht nach § 1 Abs. 1 des hier gem. Art. 229 § 9 EGBGB in
zeitlicher Hinsicht anwendbaren Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und
ähnlichen Geschäften (HWiG). Die Beklagten sind zum Abschluss der Darlehensverträge
durch mündliche Verhandlungen in ihrer Privatwohnung bestimmt worden.
aa) Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass am
18.10.1994 in der Privatwohnung der Beklagten ein Gespräch zwischen ihnen und dem
Vermittler G… in Anwesenheit der Zeugin S… D… stattgefunden hat, in dessen Verlauf
der Vermittler, ohne dass dies von den Beklagten erbeten oder ihnen im Vorfeld
angekündigt worden wäre, den Erwerb der verfahrensgegenständlichen Fondsanteile
einschließlich des Abschlusses der Darlehensverträge anregte und die Beklagten zur
Unterzeichnung des „Zeichnungsscheins“ veranlasste.
Die Zeugin D… hat den insoweit von den Beklagten vorgetragenen und in der
mündlichen Anhörung im Termin vor dem Senat nachvollziehbar geschilderten
Sachverhalt im Wesentlichen bestätigt.
Der Senat folgt der Aussage der Zeugin. Umstände, die an der Glaubwürdigkeit der
Zeugin zweifeln ließen, sind nicht hervorgetreten. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass
sich die Zeugin durch ihre Bekanntschaft bzw. entfernte Verwandtschaft mit den
Beklagten veranlasst gesehen haben könnte, zu deren Gunsten bewusst eine Aussage
zu machen, die ihrer tatsächlichen Erinnerung an die seinerzeitigen Vorgänge nicht
entspricht. Die Zeugin hat im Übrigen ihre Erinnerung nachvollziehbar geschildert und
auf Nachfragen zu ergänzen vermocht. Erinnerungslücken, die angesichts des
erheblichen Zeitablaufs naheliegend sind, hat sie eingeräumt, ebenso wie sie
offengelegt hat, inwieweit sich ihre Aussage auf konkrete Erinnerungen an den
verfahrensgegenständlichen Sachverhalt stützt und inwieweit sie sich lediglich an
typische Abläufe im Rahmen ihrer seinerzeit beginnenden Tätigkeit als Mitarbeiterin des
Vermittlers G… erinnert.
Die Aussage der Zeugin ist glaubhaft. Sie steht in Einklang mit den Angaben, die die
Beklagten selbst im Termin – in Abwesenheit der Zeugin – gemacht haben und
entspricht dem zwischen den Parteien unstreitigen Sachverhalt zur Unterzeichnung des
Zeichnungsscheins als solchem sowie zum Abschluss der weiteren Rechtsgeschäfte
einschließlich der Darlehensverträge im Anschluss an diese Unterzeichnung. Es tritt
hinzu, dass für einen anderen Verlauf der Ereignisse keine Anhaltspunkte bestehen.
Auch die Klägerin trägt nicht vor, wie, wenn nicht auf Anregung des Vermittlers G…, es
zur Unterzeichnung des Zeichnungsscheins gekommen sein soll. Angesichts des
Umstandes, dass sie bzw. ihre Mitarbeiter bei der Unterzeichnung nicht anwesend
waren, kann sie den Vortrag der Beklagten in zulässiger Weise mit Nichtwissen (§ 138
Abs. 4 ZPO) bestreiten. Jedoch ist das Fehlen von Anhaltspunkten für einen anderen als
den von den Beklagten vorgetragenen Geschehensablauf im Rahmen der
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den von den Beklagten vorgetragenen Geschehensablauf im Rahmen der
Beweiswürdigung zu berücksichtigen.
bb) Dass die Verhandlung, die zur Unterzeichnung des Zeichnungsscheins geführt hat,
auf „Bestellung“ der Beklagten zustande gekommen wäre, ist nicht ersichtlich. Eine
solche Bestellung ergibt sich insbesondere auch dann nicht, wenn man berücksichtigt,
dass die Zeugin D… ihr Erscheinen nicht lediglich telefonisch angekündigt, sondern, wie
die Beklagten in ihrer Anhörung selbst ausgeführt haben und auch die Zeugin bekundet
hat, nach dem Telefongespräch die Beklagten zunächst ohne den Vermittler G…
aufgesucht und ihre Versicherungsunterlagen durchgesehen hat und erst in Anschluss
an diesen ersten Besuch nochmals gemeinsam mit dem Vermittler bei den Beklagten
erschienen ist. Es ist nicht ersichtlich, dass der erste oder der zweite Besuch der Zeugin
bei den Beklagten auf deren eigene Initiative zurückzuführen wäre. Es bestehen schon
keine Anhaltspunkte dafür, dass den Beklagten vor dem Besuch des Vermittlers G…
bewusst gewesen wäre, dass die auf Anregung der Zeugin D… zustande gekommenen
Gespräche letztlich auf eine Geldanlage hinaus laufen könnten. Denn Gegenstand des
ersten Besuchs der Zeugin D… war lediglich das Durchsehen von
Versicherungsunterlagen. Die Beklagten können in diesem Zusammenhang allenfalls
mit dem Anliegen einer Optimierung ihrer Versicherungsverhältnisse konfrontiert worden
sein. Dass es zusätzlich um eine Geldanlage gehen könnte, war für sie vor dem Besuch
des Vermittlers G… nicht ersichtlich. Die Zeugin D… hat nachvollziehbar bekundet, dass
sie selbst im Rahmen solcher Erstbesuche noch nicht wusste, ob es bei dem in
Begleitung des Vermittlers G… durchzuführenden Zweitbesuch zu Gesprächen über eine
Geldanlage kommen würde. Dies habe sich stets erst im Rahmen der vom Vermittler
G… gesprächsvorbereitend durchzuführenden Überprüfung der
Versicherungsverhältnisse ergeben. Ihr, der Zeugin, sei das Ergebnis einer solchen
Prüfung selbst erst im Verlauf des Zweitgesprächs bekannt geworden.
cc) Es besteht auch der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der
„Haustürsituation“ und dem späteren Abschluss der Darlehensverträge.
Ein Widerrufsrecht im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWiG setzt voraus, dass der Kunde
durch eine „Haustürsituation“ der dort geschilderten, für den vorliegenden Fall unter aa)
festgestellten Art zu seiner Vertragserklärung „bestimmt“ worden ist. Dafür genügt es,
dass er in eine Lage gebracht worden ist, in der er in seiner Entschließungsfreiheit, den
ihm später angebotenen Vertrag zu schließen oder davon Abstand zu nehmen,
beeinträchtigt war (BGH, WM 2006, S. 1243). Ein enger zeitlicher Zusammenhang
zwischen der mündlichen Verhandlung und der Vertragserklärung wird nicht gefordert,
hat aber indizielle Bedeutung für den Kausalzusammenhang. Mit zunehmendem
zeitlichem Abstand nimmt die Indizwirkung ab und kann nach einer gewissen Zeit ganz
entfallen (BGH, WM 2006, S. 1243; OLG Brandenburg, Urt. v. 6.5.2009, 3 U 47/08; Urt. v.
3.10.2010, 4 U 18/09, beide zit. n. Juris). Ob sich der Darlehensnehmer auch bei
größerem zeitlichen Abstand zwischen der mündlichen Verhandlung und dem
Vertragsschluss in einer Lage befindet, in der er in seiner Entschließungsfreiheit
beeinträchtigt ist, ist eine Frage der Würdigung des Einzelfalls (BGH, WM 2006, S. 1243;
OLG Brandenburg, Urt. v. 3.10.2010, 4 U 18/09, zit. n. Juris). Die Darlegungs- und
Beweislast dafür, dass eine Willenserklärung durch die Haustürsituation als solche
mitbestimmt war, trägt der Kunde (OLG Brandenburg, Urt. v. 3.10.2010, 4 U 18/09, zit.
n. Juris), hier die Beklagten als Darlehensnehmer.
Ein Kausalzusammenhang in diesem Sinne ist hier gegeben.
Die Berufung verweist zu Recht darauf, dass der im Gespräch am 18.10.1994
unterzeichnete „Zeichnungsschein“ jedenfalls aus Laiensicht bereits eine auch auf
Abschluss eines Darlehensvertrages gerichtete Verpflichtung bedeutete, so dass sich
der spätere Vertragsschluss nur noch als die förmliche Verwirklichung des bereits
eingegangenen Geschäfts darstellte (vgl. zu einem ähnlichen Fall OLG Koblenz, BKR
2007, S. 205). Sowohl die Bezeichnung als „Zeichnungsschein“ als auch die
Formulierung der Klauseln dieser Urkunde legen aus Laiensicht die Annahme nahe, dass
schon mit deren Unterzeichnung eine endgültige Entscheidung über das gesamte, aus
Fondsbeitritt und Darlehensaufnahme bestehende Geschäft getroffen werden sollte, das
später nur noch der Umsetzung durch Abschluss der Einzelgeschäfte bedurfte. Schon
der ausdrückliche, auf eine „Verpflichtung“ zielende Wortlaut der Klausel zeigt dies
unmissverständlich an. Aus dem Hinweis, dass die „Rechtswirksamkeit des Eintritts“ erst
mit notarieller Beurkundung erfolge, ergibt sich in diesem Zusammenhang nichts
Abweichendes. Zum einen ist der Eintritt als solcher von der Verpflichtung zum Eintritt
zu unterscheiden, die die Beklagten mit dem Zeichnungsschein ausdrücklich eingehen
wollten. Außerdem betrifft die Erklärung zur notariellen Beurkundung nur den Eintritt in
die Fondsgesellschaft, nicht aber das Darlehen, das einer solchen Form nicht bedarf.
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die Fondsgesellschaft, nicht aber das Darlehen, das einer solchen Form nicht bedarf.
Auch der Hinweis des Landgerichts, der Zeichnungsschein enthalte keine näheren
Angaben zu dem Darlehen, spricht nicht gegen den Ursachenzusammenhang zwischen
der Unterzeichnung des Zeichnungsscheins und dem Abschluss der Darlehensverträge.
Selbst ein rechtswirksamer Vorvertrag kann geschlossen werden, ohne dass diese
Einzelheiten bereits festgelegt werden. Für die Frage, ob die Beklagten einen
Fondserwerb darlehensweise finanzieren wollen, sind die näheren Konditionen auch nicht
entscheidend gewesen. Der Widerruf der Darlehen beruht nicht darauf, dass deren
Konditionen ungünstig gewesen wären, etwa den Marktverhältnissen nicht entsprochen
hätten. Vielmehr wollen die Beklagten sich deshalb von den Darlehen lösen, weil sie das
gesamte verbundene Geschäft nicht mehr wollen. Ob der Zeichnungsschein die
rechtliche Wirkung, auf die er aus Sicht der Beklagten zielte, tatsächlich entfalten
konnte, ist für die Frage des Ursachenzusammenhangs zwischen Unterzeichnung und
Darlehensverträgen ohne Bedeutung. Entscheidend ist, welchen Einfluss der
Zeichnungsschein auf den späteren Abschluss der Darlehensverträge im konkreten Fall
der Beklagten tatsächlich gehabt hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Beklagten
die Darlehensverträge aufgrund einer bestehenden Rechtspflicht oder deshalb
abgeschlossen haben, weil sie angesichts des Inhalts des Zeichnungsscheins als
rechtliche Laien lediglich angenommen haben, es bestehe eine solche Verpflichtung.
Unter Berücksichtigung des gesamten zum Abschluss der im Zeichnungsschein
genannten Rechtsgeschäfte führenden Sachverhalts ist davon auszugehen, dass die
Beklagten die Darlehen unter dem Eindruck der mit dem Zeichnungsschein tatsächlich
oder vermeintlich eingegangenen Verpflichtung aufgenommen haben. Die Beklagten
haben im Dezember 1994 in geringem Abstand die Darlehensverträge abgeschlossen
und auch das notarielle Angebot beurkunden lassen. Damit haben sie alles getan, was
sie nach dem Zeichnungsschein tun mussten, also aus ihrer Sicht lediglich die dort
eingegangene Verpflichtung erfüllt. Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere der nach
Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht unstreitig gewordene
Umstand, dass das notarielle Beitrittsangebot erst zeitlich nach den Darlehensverträgen
abgegeben worden ist, weshalb deren Abschluss durch die notarielle Verhandlung nicht
beeinflusst worden sein kann.
Der Umstand, dass die Beklagten mit der Zeugin D… bekannt und entfernt verwandt
sind, spricht nicht gegen den erforderlichen Ursachenzusammenhang. Persönliche
Beziehungen können gegen den Kausalzusammenhang sprechen, wenn anzunehmen
ist, dass mehr die persönliche Verbundenheit zum Besucher als das
Überraschungsmoment für die Abgabe der zu widerrufenden Erklärung maßgeblich war.
Das ist hier aber nicht der Fall. Die Zeugin selbst hat die Geldanlage gar nicht
angeboten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sie sie empfohlen oder die Bemühungen
des Vermittlers G… unterstützt hätte. Auch konkrete Umstände zur persönlichen
Beziehung zwischen ihr und den Beklagten sind nicht dargetan. Es kann daher nicht
davon ausgegangen werden, dass die Beklagten der Zeugin in besonderer Weise
vertrauten und sich durch ihre Anwesenheit, nicht aber durch die Ausführungen des
Vermittlers G… zum Abschluss des Geschäfts verleiten ließen.
Ebenso wenig hat der von der Klägerin hervorgehobene Umstand, dass die Fondsanteile
letztlich nicht von beiden Beklagten, sondern nur von der Beklagten zu 1. erworben
worden sind, entscheidende Bedeutung. Der Abschluss der Darlehensverträge durch
beide Beklagten zur Finanzierung der Anteile zeigt, dass diese weiterhin das
Geldanlagegeschäft in seiner Gesamtheit als ein gemeinsames Vorhaben angesehen
haben. Die Entscheidung, lediglich der Beklagten zu 1. die gemeinsam finanzierten
Fondsanteile zukommen zu lassen, erweist sich damit als eine bloße Variante des mit
dem Zeichnungsschein in Aussicht genommenen Geschäfts, lässt aber den
Ursachenzusammenhang zwischen Zeichnungsschein und Darlehen nicht entfallen.
b) Der Widerruf ist rechtzeitig erklärt worden. Mangels ordnungsgemäßer Belehrung über
das Widerrufsrecht hat die Widerrufsfrist gem. §§ 1, 2 HWiG nicht zu laufen begonnen.
Zutreffend hat das Landgericht in den nicht-tragenden Teilen seiner
Entscheidungsgründe ausgeführt, die in Rede stehenden Widerrufsbelehrungen
genügten den Anforderungen nicht. Die hier erteilten Belehrungen sind schon deshalb
unzureichend, weil sie den unzulässigen Zusatz enthalten, der Widerruf gelte als nicht
erfolgt, wenn der Kredit nicht innerhalb von zwei Wochen zurückgezahlt werde (s. nur
OLG Brandenburg, Urt. v. 4.3.2009, 4 U 104/08, zit. n. Juris).
2. Sind damit die Darlehensverträge wirksam widerrufen, so kann die Klägerin auch aus
anderen Anspruchsgrundlagen keine Zahlungsansprüche herleiten. Insbesondere führt
die Valutierung der widerrufenen Darlehen nicht zu bereicherungsrechtlichen
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die Valutierung der widerrufenen Darlehen nicht zu bereicherungsrechtlichen
Ansprüchen. Zwar sieht § 3 HWiG die Rückgewähr empfangener Leistungen vor, wozu
grundsätzlich auch die empfangene Darlehensvaluta gehören würde. Liegt aber ein
verbundenes Geschäft iSd § 9 VerbrKrG vor, so erfordert es der Zweck der gesetzlichen
Regelung, dass der Darlehensgeber gegen den Darlehensnehmer keinen
Zahlungsanspruch mehr geltend machen kann. Die Rückabwicklung des gescheiterten
Geschäfts ist dann im Verhältnis zwischen Darlehensgeber und dem Partner des
finanzierten Geschäfts vorzunehmen (BGH, NJW 2006, S. 1788 m.N.). Ein verbundenes
Geschäft ist hier, wie das Landgericht zutreffend ausführt, gegeben.
3. Die Feststellungsklage ist unzulässig, weil der Klägerin das nach § 256 Abs. 1 ZPO
erforderliche Feststellungsinteresse fehlt. Die Parteien streiten nicht um die Wirksamkeit
der Abtretung, die Beklagten räumen deren Wirksamkeit sogar selbst ein, da sie die
Rückabtretung begehren. Die Abtretung ist auch bei Widerruf des Darlehensvertrages
grundsätzlich wirksam. Es besteht lediglich ein Anspruch auf Rückabtretung. Ein
rechtliches Interesse an der Feststellung der Wirksamkeit besteht daher nicht.
4. Anspruch auf Zustimmung zur Auszahlung der Ablaufleistungen der
Lebensversicherungen an sich hat die Klägerin angesichts des wirksamen Widerrufs der
Darlehensverträge, der auch das Sicherungsinteresse der Klägerin hat entfallen lassen,
nicht mehr.
5. Die zulässige Widerklage ist in der Hauptsache begründet. Nach § 3 Abs. 1 HWiG
können die Beklagten ihre auf die Darlehen geleisteten Zahlungen zurückverlangen. Für
erzielte Ertragsergebnisse oder außerordentliche Steuervorteile (s. insoweit BGH, Urt. v.
15.07.2010, III ZR 338/08, zitiert nach juris), die die Beklagten sich anrechnen lassen
müssten (vgl. hierzu Grüneberg in Palandt, § 358 Rn. 21), ist nichts ersichtlich.
6. Der Zinsanspruch folgt aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, der mit Ablauf der im
Widerrufsschreiben gesetzten Frist eingetreten ist (§§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 280 Abs. 1
BGB).
7. Der Anspruch der Beklagten auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist
nur in Höhe von 1.538,19 € gerechtfertigt.
a) Einen Verzugsschaden können die Beklagten insoweit nicht geltend machen. Der
Leistungsverzug der Klägerin ist erst aufgrund des Anwaltsschreibens vom 28.04.2008
eingetreten. Die für dieses Schreiben aufgewandten Kosten sind daher schon vor
Verzugseintritt entstanden.
b) Allerdings steht den Beklagten nach § 280 Abs. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch
insoweit zu, wie sie sich gegen die von der Klägerin am 10.2.2009 und damit nach Eintritt
des eigenen Zahlungsverzugs der Klägerin erklärte Kündigung und die daraus von der
Klägerin abgeleiteten Rechtsfolgen verteidigen. Die Klägerin war angesichts des
Widerrufs und ihres eigenen Zahlungsverzugs zur Kündigung nicht berechtigt und muss
den Beklagten daher den Schaden erstatten, der auf die Kündigung zurückzuführen ist.
Dieser liegt für die Beklagten in der Entstehung weiterer Rechtsanwaltskosten. Die
diesbezüglichen Kosten waren im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht entstanden, da
die eigenen Ansprüche der Beklagten, wegen derer sie mit Schreiben vom 28.04.2008
zur Zahlung aufgefordert haben, sich auf die Rückzahlung geleisteter Tilgungen und
Zinsen erstrecken, nicht aber auf die wegen der Kündigung von der Klägerin geltend
gemachten weitergehenden Ansprüche auf Rückzahlung der Darlehen. Die insoweit
angefallenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind mithin erst nach der
Darlehenskündigung und wegen der Verteidigung gegen diese entstanden.
Der Höhe nach betragen diese Kosten 1.538,19 €.
Insoweit geht es um den Gegenstandswert der von der Klägerin geltend gemachten
Klageforderung. Die anwaltliche Gebühr errechnet sich demnach nach der
Gebührenstufe bis 19.000,00 €. Unter Berücksichtigung der übrigen von den Beklagten
angegebenen Abrechnungsparameter für die von ihnen ausgeglichenen
Rechtsanwaltskosten ergibt sich der aus dem Tenor ersichtliche Betrag von 1.538,19 €.
Diesbezügliche Zinsen sind aus dem Gesichtspunkt des §§ 291 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB
gerechtfertigt.
8. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das geringfügige
Teilunterliegen der Beklagten wirkt sich auf die Kostentragungspflicht der Klägerin nicht
aus, zumal die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ohnehin bei der Bemessung des
Streitwerts gem. § 43 Abs. 1 GKG außer Betracht bleiben und schon deshalb keine
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Streitwerts gem. § 43 Abs. 1 GKG außer Betracht bleiben und schon deshalb keine
Mehrkosten veranlasst haben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 und Abs. 2
ZPO nicht vorliegen. Die Entscheidung des Senats beruht auf der Feststellung und
Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der
höchstrichterlichen Rechtsprechung. Rechtsfragen, die über den Fall hinauswiesen und
die zur Fortbildung des Rechts, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder
wegen grundsätzlicher Bedeutung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich
machen, wirft der Fall nicht auf.
Der Streitwert wird festgesetzt auf 35.140,20 €, von denen 17.978,07 € auf die Klage und
17.162,13 € auf die Widerklage entfallen. Die neben den Zahlungsanträgen geltend
gemachten Ansprüche auf Feststellung bzw. Rückübertragung gestellter Sicherheiten
dienen lediglich der Sicherung der ohnehin verfahrensgegenständlichen
Zahlungsansprüche und weisen damit kein über diese hinausgehendes wirtschaftliches
Interesse auf.
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