Urteil des OLG Brandenburg vom 17.03.2010

OLG Brandenburg: gemischte schenkung, gegenleistung, schwiegermutter, unentgeltliche zuwendung, zustand, sanierung, missverhältnis, miteigentumsanteil, erwerb, vertragsschluss

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 3.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 U 61/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom
17.03.2010, Az. 8 O 409/09, abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beitreibungsfähigen Betrages
abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110
% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der klagende Landkreis verfolgt aus übergeleitetem Recht der verstorbenen
Schwiegermutter des Beklagten Ansprüche auf Herausgabe einer behaupteten
Schenkung.
Die Schwiegermutter des Beklagten war seit dem Jahr 2003 in einer Pflegeeinrichtung
untergebracht. Schon zuvor, nämlich mit Vertrag vom 23.11.2000, hatte sie einen 49
%igen Miteigentumsanteil an ihrem Hausgrundstück in B…, verbunden mit dem
Wohnungseigentum an der Dachgeschosswohnung, auf den Beklagten übertragen. Den
restlichen Anteil, verbunden mit dem Wohnungseigentum an der Erdgeschosswohnung,
übertrug sie ihm mit Vertrag vom 10.06.2004. Beide Verträge sehen eine vom
Beklagten zu erbringende Gegenleistung vor. Hinsichtlich der diesbezüglichen
vertraglichen Bestimmungen wird auf die Darstellung im Tatbestand des
landgerichtlichen Urteils verwiesen.
Der Kläger hat behauptet, er habe zu Gunsten der Schwiegermutter des Beklagten
Pflegeleistungen im Wert der Klageforderung erbracht, und die Auffassung vertreten, die
beiden Übertragungsverträge seien als (gemischte) Schenkungen anzusehen, so dass
ihm nach der Anspruchsüberleitung angesichts der eingetretenen Verarmung der
Schwiegermutter entsprechende Rückforderungsansprüche zustünden. Er hat, gestützt
auf eine Verkehrswertermittlung des Sachbearbeiters M… B… (Anl. A 1), behauptet, der
Wert der übertragenen Miteigentumsanteile habe die Gegenleistung erheblich
überstiegen. Tatsächlich habe der Beklagte bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht einmal
die in den Verträgen vorgesehenen Gegenleistungen erbracht.
Der Beklagte hat vertreten, unter Berücksichtigung erbrachter bzw. nicht erbrachter,
jedenfalls – insoweit unstreitig – von ihm finanzierter Sanierungsmaßnahmen sowie
seiner eigenen Aufwendungen für die Pflege der Schwiegermutter hätten Leistung und
Gegenleistung einander entsprochen.
Das Landgericht hat mit der angegriffenen Entscheidung, auf die wegen der weiteren
Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, der Klage
stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob sich bereits
der erste Übertragungsvertrag als (gemischte) Schenkung darstelle, da der geltend
gemachte Anspruch jedenfalls hinsichtlich des Vertrages vom 10.06.2004 gerechtfertigt
sei. Unter Zugrundelegung der Verkehrswertermittlung ergebe sich für den
Miteigentumsanteil zum Stichtag 10.06.2004 ein Wert von 75.480 €, der den
vereinbarten Kaufpreis um knapp das Vierfache übersteige. Soweit sich der Beklagte auf
nach Vertragsschluss erbrachte Pflegeleistungen bzw. Sanierungsmaßnahmen stütze,
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nach Vertragsschluss erbrachte Pflegeleistungen bzw. Sanierungsmaßnahmen stütze,
könnten diese als Gegenleistung für den Miteigentumserwerb nicht berücksichtigt
werden, da der Vertrag vom 10.06.2004 ausdrücklich nur bereits erbrachte Leistungen
als Gegenleistung für die Eigentumsübertragung verstanden wissen wolle. Im Übrigen
ergebe sich ein auffälliges Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung schon dann,
wenn man bei der Bewertung des Miteigentums ausschließlich auf den Bodenwert
abstelle, der für sich betrachtet bereits 36.305,88 € betragen habe. Der Anspruch des
Klägers sei auch nicht verwirkt, da weder das Zeit- noch das Umstandsmoment der
Verwirkung vorlägen.
Mit der Berufung verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Zur
Begründung führt er aus, das Landgericht sei zu Unrecht und unter unzureichender
Ausschöpfung seines – des Beklagten – erstinstanzlichen Sachvortrages zu der
Einschätzung gelangt, bei dem Vertrag vom 10.06.2004 handele es sich um eine
Schenkung. Bei der Bewertung des auf Grund des Vertrages vom 10.06.2004
erworbenen Miteigentumsanteils habe das Landgericht insbesondere unberücksichtigt
gelassen, dass die übertragene Erdgeschosswohnung in diesem Zeitpunkt noch
unsaniert gewesen sei. Es seien vor dem Erwerb lediglich Instandsetzungsmaßnahmen
in Höhe von 6.720,25 € getätigt worden, um das Objekt in einen vermietbaren Zustand
zu versetzen. Erst nach dem Erwerb sei mit einem Aufwand von etwa 40.000,00 € die
eigentliche Sanierung vorgenommen worden. Bei der Bemessung der im Vertrag vom
10.06.2004 vereinbarten Gegenleistung sei man von dem seinerzeit für die
Dachgeschosswohnung vereinbarten Preis ausgegangen und habe, da die
Dachgeschosswohnung in saniertem Zustand übertragen worden sei, für die unsanierte
Erdgeschosswohnung erwartete Sanierungskosten in Höhe von rund 40.000,00 €
abgezogen.
Fehlerhaft seien die Ausführungen des Landgerichts auch bezüglich der Belegung der
Gegenleistung. Bei Abschluss des Übertragungsvertrages seien die Parteien
übereinstimmend davon ausgegangen, dass nicht nur die in der Vergangenheit
liegenden, sondern auch künftige Pflegeleistungen, die seinerzeit zu erwarten gewesen
seien, als Gegenleistung berücksichtigt werden sollten. Dabei sollten über reine
Pflegekosten hinaus auch weitergehende Pflegeleistungen berücksichtigt werden. Soweit
das Landgericht bei der Bewertung von Leistung und Gegenleistung auf den Bodenwert
abstelle, habe es übersehen, dass dieser angesichts der vorhandenen Bebauung des
Grundstücks keine real verwertbare Vermögensposition dargestellt habe. Auch die
spätere Abtrennung eines Bauplatzes hätte es nicht berücksichtigen dürfen, da der
bloße Erwerb eines Miteigentumsanteils im Jahr 2004 für sich betrachtet die Abtrennung
und Verwertung eines Teilgrundstücks gar nicht ermögliche.
Unzutreffend sei der Vorwurf des Klägers, er, der Beklagte, habe zu Gunsten seiner
Schwiegermutter Sozialleistungen erschleichen wollen und deshalb in den Jahren 2000
und 2004 die Übertragungsverträge abgeschlossen. Insoweit sei zu berücksichtigen,
dass die Schwiegermutter erst ab dem Jahr 2006 Sozialleistungen beantragt habe. Im
Zeitpunkt der Übertragung der Miteigentumsanteile sie dies noch gar nicht
voraussehbar gewesen.
Der Beklagte beantragt,
in Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 17.03.2010 die Klage
abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er stellt klar, dass er sein Klagebegehren vorrangig auf einen Anspruch wegen des
Vertrages vom 10.06.2004 und hilfsweise auf einen Anspruch wegen des Vertrages vom
23.11.2000 stütze.
Im Übrigen verteidigt er das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung
seines erstinstanzlichen Vortrages. Er behauptet im Wesentlichen, im Jahr 2004 habe
der Kläger die Erdgeschosswohnung in saniertem Zustand erworben und dafür eine
Gegenleistung im Wert von höchstens 18.500,00 € erbracht. Der Verkehrswert dieser
Wohnung habe entsprechend den Ausführungen des Sachbearbeiters B… in diesem
Zeitpunkt 58.656,00 € betragen. Selbst wenn die Wohnung noch unsaniert gewesen
wäre, hätte ihr Wert erheblich über der Gegenleistung gelegen. Allein der
Grundstückswert betrage 36.305,88 €. Dieser habe sich durch die Abtrennung eines
Bauplatzes noch weiter erhöht. Auch die Darstellung des Beklagten zu den
Sanierungsaufwendungen sei teilweise unzutreffend. Dies gelte ebenso in Bezug auf die
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Sanierungsaufwendungen sei teilweise unzutreffend. Dies gelte ebenso in Bezug auf die
im Jahr 2000 erworbene Dachgeschosswohnung. Deren Wert habe im Jahr 2000
56.350,00 € betragen. Dieser Betrag werde durch die Gegenleistungen des Beklagten
bei Weitem nicht erreicht.
Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 02.12.2010 führt der Kläger weiter zur Sach-
und Rechtslage aus.
II.
Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die zulässige Klage ist
unbegründet.
1. Gegen die Zulässigkeit der Klage hat der Senat keine Bedenken.
Nachdem der Kläger klargestellt hat, dass er sein Begehren vorrangig auf Ansprüche
wegen des zweiten und nachrangig auf Ansprüche wegen des ersten
Übertragungsvertrages stützt, geht der Senat davon aus, dass der Kläger sein
Klagebegehren im Wege der Eventualklagehäufung verfolgt (§ 260 ZPO). Der Kläger
macht damit ungeachtet des einheitlichen Zahlungsantrages zwei voneinander
unabhängige Streitgegenstände geltend, da er seine Ansprüche aus zwei
unterschiedlichen Verträgen und damit zwei verschiedenen, wenn auch miteinander
zusammenhängenden Lebenssachverhalten ableitet.
Die im Schriftsatz vom 14.09.2010 geäußerte Auffassung, die Festlegung einer
Rangfolge unter den verfahrensgegenständlichen Ansprüchen sei entbehrlich, ist
unzutreffend. Es ist Sache des Klägers anzugeben, über welchen Streitgegenstand eine
Entscheidung getroffen werden soll. Eine alternative Klagehäufung ist daher nicht
zulässig. Soweit der Bundesgerichtshof in der Entscheidung Urt. v. 04.07.1997 – VZR
48/96, NJW-RR 1997, S. 1374, die alternative Geltendmachung zweier Ansprüche zulässt,
folgt daraus nichts anderes. In jenem Fall richteten sich beide Ansprüche auf den Ersatz
desselben Schadens. Der Bundesgerichtshof führt aus, die Ansprüche stünden im
Verhältnis der Alternativität, was bedeutet, dass entweder nur der eine oder der andere
Anspruch geltend gemacht werden kann, und sah deshalb beide Ansprüche als
gleichzeitig mit derselben Klage verfolgt an. Damit ist der vorliegende Fall nicht
vergleichbar. Die Ansprüche auf Rückabwicklung verschiedener Schenkungsverträge
können grundsätzlich auch nebeneinander geltend gemacht werden, was hier lediglich
deshalb nicht geschieht, weil der dem Kläger zustehende Betrag durch die erbrachten
Sozialleistungen nach oben begrenzt ist.
2. In der Sache ist die Klage weder mit dem Haupt- noch mit dem Hilfsantrag begründet.
Als Grundlage für die geltend gemachte Forderung kommt jeweils ausschließlich der
Anspruch auf Rückforderung einer Schenkung gemäß § 528 Abs. 1 S. 1 BGB in Betracht.
In beiden Fällen ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers jedoch nicht, dass der
Beklagte mit seiner Schwiegermutter einen Schenkungsvertrag im Sinne des § 516 BGB
abgeschlossen hat.
Nach § 516 Abs. 1 BGB setzt die Schenkung voraus, dass die Parteien des Vertrages
sich darüber einig sind, dass eine Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Bei der hier
gegebenen Fallgestaltung, in der eine Gegenleistung für die Zuwendung augenscheinlich
vereinbart worden ist, kommt allenfalls eine sogenannte gemischte Schenkung in
Betracht. Eine solche liegt vor, wenn bei einem einheitlichen Vertrag, bei dem der Wert
der Leistung des einen dem Wert der Leistung des anderen nur zu einem Teil entspricht,
die Vertragsparteien dies wissen und übereinstimmend wollen (s. BGH NJW-RR 1996, S.
754). Der Parteiwille ist nach §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der Umstände des
Einzelfalls im Zeitpunkt des Vertragsschlusses festzustellen.
Entscheidend ist dabei, welche Vorstellungen von Wert ihrer Leistungen die Parteien im
Zeitpunkt des Abschlusses des Übertragungsvertrages gehabt haben. Dabei ist hier
zum Einen die Frage aufgeworfen, welche Vorstellungen die Parteien hinsichtlich des
Werts der „Zuwendung“ der Schwiegermutter an den Beklagten hatten, und zum
Anderen, wie sie die Gegenleistung bewerteten: War die Zuwendung wesentlich
wertvoller als der angegebene Betrag der Gegenleistung, wäre ebenso an eine
gemischte Schenkung zu denken wie dann, wenn der Wert der Zuwendung zwar dem
angegebenen Betrag der Gegenleistung entsprach, die tatsächliche Gegenleistung aber
weit hinter dem angegebenen Betrag zurückblieb.
Bei einem auffallenden, groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung
kann im Einzelfall auf den subjektiven Tatbestand einer Schenkung geschlossen werden
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kann im Einzelfall auf den subjektiven Tatbestand einer Schenkung geschlossen werden
(s. BGH NJW-RR 1996, S. 754). Auch unter dieser Voraussetzung ist allerdings von einer
(gemischten) Schenkung nur dann auszugehen, wenn der unentgeltliche Charakter des
Geschäfts überwiegt. Das ist dann der Fall, wenn der Wert der Gegenleistung weniger als
die Hälfte des effektiven Werts des Geschenks beträgt (BGH, NJW 1989, S. 2122; 1999,
S. 1626). Es ist Sache desjenigen, der den Anspruch aus § 528 BGB geltend macht, hier
also des Klägers, die Voraussetzung der Einigung über die Unentgeltlichkeit der
Zuwendung darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen.
Dies zugrunde gelegt, lässt der Klägervortrag den Schluss auf gemischte Schenkungen
in beiden verfahrensgegenständlichen Fällen nicht zu.
a) Beim Übertragungsvertrag vom 10.06.2004 steht weder der Wert des übertragenen
Objekts in grobem Missverhältnis zum Betrag der vereinbarten Gegenleistung, noch
bleibt die tatsächliche Gegenleistung wesentlich hinter dem vereinbarten Betrag zurück.
aa) Für die Bewertung des zu übertragenden Objekts ist davon auszugehen, dass die
Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Vorstellung hatten, Gegenstand der
„Zuwendung“ durch die Schwiegermutter solle eine unsanierte Eigentumswohnung sein.
Auf die streitige Frage, wann die Sanierung tatsächlich stattgefunden hat, kommt es aus
Sicht des Senats nicht an. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Sanierung
jedenfalls von dem Beklagten selbst finanziert worden ist, also ursprünglich die
Schwiegermutter nicht über eine sanierte Wohnung verfügte, die sie dem Beklagten
hätte zuwenden können. Unabhängig davon, wann sie erfolgt sind, handelt es sich daher
bei den Sanierungsaufwendungen um eigene Leistungen des Beklagten, die entweder
zunächst eine unentgeltliche Zuwendung an die Schwiegermutter oder bereits eine
Aufwendung in sein eigenes Vermögen gewesen sind. Wirtschaftlich haben sie zu keinem
Zeitpunkt der Schwiegermutter zugestanden. Es kann daher davon ausgegangen
werden, dass die Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Vorstellung hatten,
dem Beklagten solle die Eigentumswohnung in dem Zustand zugewendet werden, in
dem die Schwiegermutter sie verlassen hat, und dieser selbst solle sie auf eigene
Kosten sanieren und nutzen bzw. weiterveräußern. Sofern die Sanierung bereits vor der
Übertragung erfolgt ist, hätte der Beklagte seiner Schwiegermutter seinerseits
unentgeltlich ohne Rechtsgrund eine Zuwendung zukommen lassen, die
Gegenansprüche des Beklagten ausgelöst hätte, die er nunmehr wiederum dem Kläger
entgegenhalten könnte (s. insoweit BGH, NJW 1999, S. 1626).
Für den Wert des unsanierten Objekts ist nach dem Vortrag des Klägers von den
Ausführungen des Sachbearbeiters B… auszugehen. Danach betrug der Wert des
Objekts am Wertermittlungsstichtag 10.06.2004 insgesamt 148.000,00 €. Dieser Betrag
betrifft den sanierten Zustand beider Wohnungen. Dies ergibt sich aus den
Ausführungen des Sachbearbeiters B…, der der Bewertung den „heutigen“, d.h. den am
04.05.2005 bestehenden und damit – insoweit unstreitig – vollständig sanierten Zustand
zugrunde legt. Vom Gesamtwert des Grundstücks ist der Wert der
Dachgeschosswohnung, mithin 49 % des Gesamtwerts abzuziehen. Ferner ist der auf die
Erdgeschosswohnung entfallende Anteil von Aufwendungen für die Sanierung der
Außenanlagen abzuziehen, die ebenfalls der Beklagte erbracht hat. Geht man für diese
Aufwendungen von dem zunächst unstreitigen Betrag von 27.900 € aus, ergibt sich
folgende Rechnung:
Dieser Betrag steht in keinem groben Missverhältnis zu dem im Vertrag angegebenen
Betrag von 18.500,00 €.
Auch unter Berücksichtigung der Angaben zum Bodenwert in der Verkehrswertermittlung
ergibt sich nichts anderes. Der Bodenwert ist nur ein Faktor, der üblicherweise in die
Wertermittlung einbezogen wird, stellt aber keine vom Gesamtwert eines bebauten
Grundstücks ohne weiteres ablösbare Vermögensposition dar. Es ist insbesondere nicht
ersichtlich, dass die Parteien den Übertragungsvertrag bereits in der Vorstellung
abgeschlossen haben, es könne von dem Grundstück ein Bauplatz abgetrennt und
günstig verkauft werden. Der Darstellung des Beklagten im Senatstermin, aus der sich
ergibt, dass dies frühestens im Jahr 2005 in Betracht gezogen worden ist, ist der
darlegungsbelastete Kläger nicht mit substantiiertem Vortrag entgegengetreten.
Soweit der Kläger im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 02.12.2010 zu dem bis zum
Senatstermin unstreitigen Zahlenwerk weiter vorträgt, war dies gemäß § 296a ZPO nicht
zu berücksichtigen.
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Der Schriftsatz gibt insbesondere auch keinen Anlass für die Wiedereröffnung der
mündlichen Verhandlung (§ 156 Abs. 1 ZPO). Denn selbst wenn man die darin erstmals
enthaltenen Ausführungen des Klägers zu einzelnen Positionen der Darstellung des
Beklagten zu den Aufwendungen für das Hausgrundstück berücksichtigt, wirkt sich dies
auf das Ergebnis nicht aus. Nach nunmehriger Darstellung des Klägers waren die
Erhaltungsaufwendungen, also die Aufwendungen für den bis dahin als Außensanierung
bezeichneten Sachverhalt, in den Jahren 2003 und 2004 insgesamt um etwa 5.000,00 €
niedriger als bislang vorgetragen. Dies führt in Bezug auf die Erdgeschosswohnung zu
einer Verringerung der anteilig anzusetzenden Kosten um rund 2.500,00 €, was im
Ergebnis zu einem „realen Wert“ des übertragenen Grundstücksanteils von 21.251,00 €
+ 2.500,00 € = 23.751,00 € führt. Auch dieser Betrag steht in keinem groben
Missverhältnis zu dem angegebenen Betrag von 18.500,00 €.
bb) Auch die vom Beklagten tatsächlich zu erbringende Gegenleistung ist nicht
wesentlich geringer zu bewerten, als der im Vertrag angegebene Betrag von 18.500,00
€.
Allerdings sind insoweit die Sanierungsaufwendungen, die der Beklagte erbracht hat,
außer Betracht lassen, weil sie sich, wie bereits ausgeführt, entweder als Aufwendungen
des Beklagten in sein eigenes Vermögen oder als bereicherungsrechtlich
rückabzuwickelnde Zuwendungen an die Schwiegermutter darstellen. Darüber hinaus
kann auch davon ausgegangen werden, dass – entsprechend dem klaren Wortlaut des
Vertrages – lediglich solche Gegenleistungen zu berücksichtigen sind, die der Beklagte
bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erbracht hatte, und keine künftigen
Gegenleistungen, insbesondere noch ausstehende Pflegeleistungen.
Als im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erbrachte Leistungen für die Schwiegermutter
sind zum Einen die Instandsetzungsmaßnahmen zur Herstellung der Vermietbarkeit zu
berücksichtigen. Diese haben nicht – wie die eigentlichen Sanierungskosten – außer
Betracht zu bleiben, denn sie sind der Schwiegermutter auch in wirtschaftlicher Hinsicht
zugeflossen und haben den Wert des zu übertragenden Objekts erhöht. Die Herstellung
der Vermietbarkeit der Wohnung lag im eigenen Interesse der Schwiegermutter, denn
selbst wenn sie sich im Pflegeheim aufhielt, hätte sie durch Vermietung ihrer Wohnung
entsprechende Einnahmen erzielen können. Zum Anderen ist zu berücksichtigen, dass
der Beklagte in den Jahren 2004 und 2005 zu Gunsten der Schwiegermutter
Pflegekosten und Taschengeld in Höhe rund 22.000,00 € übernommen hat. Der Kläger
legt nicht näher dar, welche dieser Leistungen vor und welche nach dem 10.06.2004
erbracht worden sind. Nimmt man insoweit eine zeitanteilige Aufteilung vor, so entfallen
auf die Zeit vor Vertragsschluss 5.500,00 €. Dies ergibt zusammen mit den
Aufwendungen zur Herstellung der Vermietbarkeit mehr als 12.000,00 € und damit
insgesamt einen Betrag, der über die Hälfte des im Vertrag angegebenen Wertes der
Gegenleistung von 18.500,00 € hinausgeht. Es besteht damit kein besonders grobes
Missverhältnis, bei dem auf der Hand läge, dass die Parteien bei der Übertragung die
Vorstellung hatten, diese erfolge überwiegend unentgeltlich. Der Betrag der
tatsächlichen Gegenleistung übersteigt im Übrigen auch die Hälfte des tatsächlichen
Werts des Objekts der Übertragung, wie sich aus den Ausführungen unter aa) ergibt.
Inwieweit sich die vom Beklagten bezogene Eigenheimzulage, auf die der Kläger im nicht
nachgelassenen Schriftsatz vom 2.12.2010 abstellt, auf die Vorstellung der
Vertragsparteien zur Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit der Übertragung auswirken
soll, erschließt sich dem Senat nicht.
b) Auch hinsichtlich der Übertragung der Dachgeschosswohnung liegen die
Voraussetzungen einer gemischten Schenkung nicht vor.
aa) Der Wert des Objekts im Zeitpunkt Vertragsschlusses entsprach insoweit auch nach
dem ausdrücklichen Vorbringen des Klägers im Wesentlichen dem Betrag der
vereinbarten Gegenleistung. Die Gegenleistung war angegeben mit 100.100,00 DM (=
51.180,31 €), der Wert des Objekts betrug nach der eigenen Wertermittlung des Klägers
49 % von 115.000,00 € = 56.350,00 €.
bb) Auch hier ergibt der Vortrag des Klägers nicht, dass die tatsächliche Gegenleistung
nicht mindestens die Hälfte des tatsächlichen Werts des Objekts betragen hat.
Nach dem insoweit unstreitigen Parteivortrag sollte der „Kaufpreis“ von 100.100,- DM
aufgebracht werden durch „bisher erbrachte Instandsetzungsleistungen“ im Wert von
66.480,- DM und im übrigen (33.240,- DM) durch die Übernahme aller
Grundstückskosten auf Lebenszeit des Verkäufers.
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Hinsichtlich der Instandsetzungsleistungen behauptet der Kläger, Sanierungsleistungen
in der vom Beklagten angegebenen Höhe von 71.625,64 DM seien nicht erbracht
worden. Er bestreitet, dass die in der vom Kläger vorgelegten „Kostenaufstellung für
BHW“ aufgeführten Investitionen vorgenommen worden seien. Das Bestreiten des
Klägers geht insoweit ins Leere. Die Darlegungslast für die gemischte Schenkung liegt
bei ihm. Eine über die Vorlage der in Bezug genommenen Kostenaufstellung
hinausgehende sekundäre Darlegungslast trifft den Beklagten nicht, da die Aufstellung
die angeblichen Aufwendungen in erwiderungsfähiger Weise aufführt. Es wäre nunmehr
Sache des Klägers, darzulegen und zu beweisen, dass keine Aufwendungen in diesem
Umfang getätigt worden sind. Dem ist der Kläger weitgehend nicht nachgekommen.
Hierauf kommt es allerdings im Ergebnis nicht an, da der Kläger selbst jedenfalls von
einem Wert der Aufwendungen von mindestens 23.317,06 DM (= 11.921,82 €) ausgeht.
Selbst unter Zugrundelegung dieses Betrages ist, wie sich aus nachfolgender
Darstellung ergibt, nicht von einer gemischten Schenkung auszugehen.
Hinsichtlich der Übernahme der Grundstückskosten ist zu berücksichtigen, dass die
Parteien des Übertragungsvertrages im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht wussten,
in welcher Höhe „auf Lebenszeit“ der Schwiegermutter noch Kosten anfallen würden.
Diese konnten theoretisch wesentlich höher liegen als 33.240,- DM, aber ebenso gut
wesentlich dahinter zurückbleiben. Schon deshalb können die in der Folgezeit tatsächlich
angefallenen Kosten keinen Anhaltspunkt dafür liefern, welche Vorstellung die Parteien
im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gehabt haben. Auch die allgemeine
Lebenserwartung für Personen im seinerzeitigen Alter der Schwiegermutter des
Beklagten liefern insoweit keinen hinreichenden Anhaltspunkt, da es zum Einen auf die
individuelle Lebenserwartung der Schwiegermutter ankäme, zum Anderen aber auch zu
berücksichtigen wäre, dass nicht ausgeschlossen ist, dass die Parteien bei
Vertragsschluss die Vorstellung hatten, bestimmte Grundstückskosten, nämlich die
dann zur „Außensanierung“ zu investierenden Beträge, würden bereits binnen kurzer
Frist anfallen. Einziger Anhaltspunkt für die Bewertung der „Grundstückskosten“ ist
damit die Wertangabe im Vertrag selbst, die jedenfalls – dies zeigen die über die
folgenden wenigen Jahre tatsächlich angefallenen Kosten von immerhin rd. 2/3 des im
Vertrag angegebenen Betrages – nicht vollständig unrealistisch gewesen ist. Sie ist
daher zur Bewertung der Gegenleistung zugrunde zu legen.
Addiert man die Sanierungsaufwendungen von 23.317,06 DM zu den übernommenen
Grundstückskosten und bringt diese mit 33.240,- DM in Ansatz, so ergibt sich ein Betrag
von 56.557,06 DM und damit mehr als die Hälfte des vom Kläger angenommenen Werts
des Objekts.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen. Der Fall hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder
die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
machen eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich. Die Entscheidung des
Senats beruht auf der rechtlichen Bewertung der konkreten Umstände des Einzelfalls
unter Heranziehung gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung. Rechtsfragen, die
über den Fall hinauswiesen, wirft der Sachverhalt nicht auf.
Der Wert der Berufung wird festgesetzt auf 34.160,90 €.
Da sowohl über den Haupt- als auch über den Hilfsantrag des Klägers zu entscheiden
war, sind die Werte beider Streitgegenstände gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 GKG zu addieren.
Beide Streitgegenstände betreffen auch nicht „denselben Gegenstand“ im Sinne des §
45 Abs. 1 S. 3 GKG. Zwar wäre der Kläger angesichts des nach oben begrenzten
Rechtsübergangs gehindert gewesen, beide Forderungen gegen den Beklagten
kumulativ geltend zu machen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Ansprüche auf
Rückabwicklung der beiden Übertragungsverträge, die der Kläger nach Rechtsübergang
geltend macht, zwei voneinander in rechtlicher Hinsicht vollständig unabhängige
Ansprüche sind, die von der ursprünglichen Anspruchsinhaberin – der Schwiegermutter
des Beklagten – ohne Weiteres auch nebeneinander hätten geltend gemacht werden
können.
Für den ersten Rechtszug verbleibt es allerdings bei dem Streitwert von 17.080,45 €. Der
Umstand, dass das Landgericht verfahrensfehlerhaft verkannt hat, dass ein Fall der
Klagehäufung vorliegt bzw. die alternative Klagehäufung unzulässig ist, ändert nichts
daran, dass das Landgericht lediglich über einen der Ansprüche – denjenigen wegen der
Übertragung der Erdgeschosswohnung – eine Entscheidung getroffen hat.
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