Urteil des OLG Brandenburg vom 23.07.2008

OLG Brandenburg: treu und glauben, forschung, produktion, zeitliche geltung, satzung, unterlassen, konkurrenz, austritt, gesellschafterversammlung, unternehmen

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 7.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 180/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 138 Abs 1 BGB
GmbH: Unterlassen von Konkurrenztätigkeiten eines
Gesellschafters nach dessen Austritt; Wirkungen des Austritts
eines Gesellschafters; Angemessenheit eines
Wettbewerbsverbots
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts
Potsdam vom 27. August 2007 teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €,
ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, bis zu ihrem
Ausscheiden als Gesellschafterin der Klägerin zu unterlassen, unmittelbar oder mittelbar
auf den Gebieten der biotechnologischen Forschung, Entwicklung und Produktion, der
gentechnischen Forschung und Entwicklung sowie der Synthese von Feinchemikalien und
deren Vertrieb Geschäfte zu betreiben und abzuschließen oder der Klägerin auf andere
Weise Konkurrenz zu machen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, welche
Geschäfte auf den Gebieten der biotechnologischen Forschung, Entwicklung und
Produktion, der gentechnischen Forschung und Entwicklung sowie der Synthese von
Feinchemikalien und deren Vertrieb sie für die R. GmbH in der Zeit ab 08.10.2005 bis zu
ihrem Ausscheiden als Gesellschafterin der Klägerin geschlossen hat, sowie die
schriftlichen Bestellungen hierüber vorzulegen.
Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 62.500 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Die Klägerin, die sich mit der Produktion und den Verkauf von Spezialreagenzien befasst,
wurde am 22.07.2003 gegründet. Gründungsgesellschafterinnen waren - neben anderen
- die Beklagte und die J. GmbH, die 34,2 % und 51 % des Stammkapitals hielten; der
Geschäftsführer der Klägerin ist auch Geschäftsführer der J. GmbH. Am 19.09.2005
wurde die R. GmbH errichtet, deren Alleingesellschafterin und seit 14.06.2006 auch
Geschäftsführerin die Beklagte ist.
Unter dem 21.09.2005 erklärte die Beklagte der Klägerin gegenüber den Austritt aus der
Gesellschaft und die Kündigung ihres Anstellungsverhältnisses als deren „Managing
Partner". Am 21.10.2005 beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin den
Erwerb der Geschäftsanteile der Beklagten durch die J. GmbH. Nachdem eine Einigung
über die Höhe der der Beklagten zustehenden Abfindung nicht erzielt werden konnte,
wurde der Sachverständige Prof. Dr. W. mit der Erstellung eines Schiedsgutachtens über
die Höhe des Abfindungsanspruchs beauftragt; das Gutachten ist bislang nicht fertig
gestellt worden.
Die Klägerin hat die Beklagte auf das Unterlassen von Konkurrenztätigkeiten sowie im
Wege der Stufenklage auf die Erteilung von Auskunft und Schadensersatz im Hinblick auf
ihre Tätigkeit für die R. GmbH in Anspruch genommen.
Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei der Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 € oder einer
Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten zu unterlassen, es bis zu ihrem Ausscheiden als
Gesellschafterin der Klägerin zu unterlassen, unmittelbar oder mittelbar auf den
Gebieten der biotechnologischen Forschung, Entwicklung und Produktion, der
gentechnischen Forschung und Entwicklung sowie der Synthese von Feinchemikalien und
deren Vertrieb Geschäfte zu betreiben und abzuschließen oder der Klägerin auf andere
Weise Konkurrenz zu machen;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft darüber zu erteilen, welche Geschäfte
auf den Gebieten der biotechnologischen Forschung, Entwicklung und Produktion, der
gentechnischen Forschung und Entwicklung sowie der Synthese von Feinchemikalien und
deren Vertrieb sie für die R. GmbH in der Zeit ab 19.09.2005 bis zum Ausscheiden als
Gesellschafterin der Klägerin geschlossen hat, sowie die schriftlichen Bestellungen
hierüber vorzulegen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf
den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat durch Teilurteil vom 27.08.2007 die Beklagte zur Erteilung der
begehrten Auskunft für die Zeit ab 19.09.2005 bis 07.10.2005 verurteilt und im Übrigen
die Klage zu den vorstehend dargestellten Anträgen abgewiesen. Zur Begründung hat
es ausgeführt, dass der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht
aus § 6 Abs. 1 ihrer Satzung zustehe. Durch die Beschlussfassung zur Übernahme ihrer
Geschäftsanteile durch die J. GmbH und deren Mitteilung an jene sei die Beklagte als
Gesellschafterin der Klägerin faktisch ausgeschieden; für das förmliche Ausscheiden sei
nur noch die Ermittlung der Höhe der ihr zustehenden Abfindung erforderlich. Die
Auslegung der Satzung ergebe, dass in dieser Lage ein Wettbewerbsverbot nicht
bestehen solle; ein nachvertragliches Verbot sei weder vereinbart worden noch gewollt
gewesen. Es erscheine auch unbillig, die zeitliche Dauer des Wettbewerbsverbots von
dem Verhalten eines Dritten abhängig zu machen. Allerdings habe das
Wettbewerbsverbot bis zum 07.11.2005 bestanden, weshalb der Auskunftsanspruch für
die Zeit ab 19.09.2005 bis 07.10.2005 begründet sei. Die Vereinbarung des
Wettbewerbsverbots in § 6 der Satzung der Klägerin verstoße nicht gegen § 138 BGB.
Gegen dieses Urteil, das ihr am 29.08.2007 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am
28.09.2007 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis 29.11.2007 an diesem Tag begründet.
Die Klägerin beantragt,
das Teilurteil des Landgerichts Potsdam vom 27.08.2007 abzuändern und die
Beklagte zu verurteilen,
1. bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000 € oder einer
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten es bis zu ihrem Ausscheiden als Gesellschafterin der
Klägerin zu unterlassen, unmittelbar oder mittelbar auf den Gebieten der
biotechnologischen Forschung, Entwicklung und Produktion, der gentechnischen
Forschung und Entwicklung sowie der Synthese von Feinchemikalien und deren Vertrieb
Geschäfte zu betreiben und abzuschließen oder der Klägerin auf andere Weise
Konkurrenz zu machen;
2. ihr Auskunft darüber zu erteilen, welche Geschäfte auf den Gebieten der
biotechnologischen Forschung, Entwicklung und Produktion, der gentechnischen
Forschung und Entwicklung sowie der Synthese von Feinchemikalien und deren Vertrieb
sie für die R. GmbH in der Zeit ab 08.10.2005 bis zum Ausscheiden als Gesellschafterin
der Klägerin geschlossen hat, sowie die schriftlichen Bestellungen hierüber vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, sie biete die unverzügliche
Übertragung ihrer Geschäftsanteile auf die J. GmbH unter dem Vorbehalt der
Geltendmachung des ihr zustehenden Abfindungsguthabens an.
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Geltendmachung des ihr zustehenden Abfindungsguthabens an.
Im Anschluss an die mündliche Verhandlung haben die Parteien durch nicht
nachgelassenen Schriftsatz vom 02.07.2008 und 04.07.2008 ergänzend vorgetragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Akten im Übrigen
Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
1. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf die begehrte Unterlassung
von Konkurrenztätigkeiten. Der Anspruch folgt aus § 6 Abs. 1 Satz 1 des
Gesellschaftsvertrags (Bl. 17 d.A.), wonach es den Gesellschaftern untersagt ist,
unmittelbar oder mittelbar auf dem Geschäftsgebiet der Klägerin Geschäfte zu betreiben
oder ihr in sonstiger Weise Konkurrenz zu machen.
a) Die Beklagte ist nach wie vor Gesellschafterin der Klägerin. Ihre Gesellschafterstellung
ist weder durch die Erklärung des Austritts aus der Gesellschaft am 21.09.2005 noch
durch den Beschluss der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 21.10.2005 und
dessen Mitteilung an die Beklagte durch das Schreiben vom 07.11.2005 beendet
worden. Der in § 11 der Satzung der Klägerin (Bl. 22 d.A.) zulässigerweise (vgl.
Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl., Anh. § 34, Rn. 18 ff., 27) geregelte Austritt
eines Gesellschafters führt nicht dazu, dass die Gesellschafterstellung unmittelbar mit
dessen Erklärung endet; vielmehr bleibt die Gesellschafterstellung mit allen Rechten und
Pflichten erhalten bis zur Verwertung des Geschäftsanteils des austretenden
Gesellschafters durch Einziehung oder durch Übertragung an die Gesellschaft, an
Mitgesellschafter oder an Dritte (BGHZ 88, 320, 322 f., 325 f.; GmbHR 1997, 501, 502;
Baumbach/Hueck/Fastrich, a.a.O., Anh. § 34, Rn. 26; Scholz/Winter/Seibt, GmbHG, 9.
Aufl., Anh. § 34, Rn. 14, 16; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Bergmann, GmbHG, 4. Aufl., Anh.
§ 34, Rn. 92, 93; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 34, Rn. 47; Michalski/Sosnitza,
GmbHG, Anh. § 34, Rn. 62; einschränkend: Ulmer/Ulmer, GmbHG, Anh. § 34, Rn. 6 ff.).
Eine Übertragung der Geschäftsanteile der Beklagten - insbesondere - an die J. GmbH ist
indes nicht erfolgt. Der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom
21.10.2005 über den Erwerb der Geschäftsanteile durch die J. GmbH (Bl. 49 d.A.) hat
eine Umsetzung durch die Abtretung der Geschäftsanteile in notarieller Form gemäß §
15 Abs. 3 GmbHG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufung
unstreitig nicht erfahren; aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 02.07.2008 geht
hervor, dass eine solche auch im Nachgang zur mündlichen Verhandlung bislang nicht
stattgefunden hat (Bl. 162 d.A.). Eine Einziehung der Geschäftsanteile der Beklagten ist
ebenfalls nicht geschehen; in dem Beschluss der Gesellschafterversammlung vom
21.10.2005 (Bl. 49 d.A.) ist nicht von einer solchen die Rede, sondern ausschließlich von
einem Erwerb der Geschäftsanteile, wie er in § 11 Abs. 2 der Satzung der Klägerin (Bl. 22
d.A.) ausdrücklich als Alternative zur Einziehung vorgesehen ist.
b) Demzufolge sind der Beklagten die Tätigkeiten, deren Unterlassung die Klägerin
verlangt, untersagt; eine Beschränkung des Verbots auf die Zeit bis zur Erklärung des
Austritts aus der Gesellschaft lässt sich weder aus § 6 noch aus den übrigen Regelungen
des Statuts der Klägerin herleiten.
Etwas anderes folgt nicht aus den Ausführungen im Schriftsatz der Beklagten vom
02.07.2008 (Bl. 163 d.A.), dass der von der R. GmbH betriebene Handel mit Chemikalien
nicht der Geschäftsgegenstand der Klägerin sei. Denn in tatsächlicher Hinsicht ist das
Gegenteil anzunehmen. In der ersten Instanz ist es unstreitig gewesen, dass beide
Unternehmen sich mit der Veräußerung von Chemikalien befassen. Die Beklagte hat
dazu in der Klageerwiderung (Bl. 40 d.A.) ausdrücklich zugestanden, dass die Klägerin -
auch - den Verkauf von Reagenzien betreibt. Sollte die Beklagte das nun bestreiten
wollen, so könnte sie damit - ungeachtet des Umstands, dass der Vortrag erst nach
dem Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt ist - nach §§ 529, 531 ZPO nicht
gehört werden, da ein neuer Vortrag in der Berufung vorläge, für den ein
Zulassungsgrund nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht ersichtlich ist.
Das Wettbewerbsverbot ist auch nicht für die Zeit zwischen der Erklärung der Beklagten
über den Austritt aus der Gesellschaft und die Übertragung ihrer Geschäftsanteile
einvernehmlich aufgehoben worden. Eine Vereinbarung diesen Inhalts ist nicht dargetan.
Sie hat auch nicht stillschweigend stattgefunden. Der Beklagten kann nicht darin gefolgt
werden, dass in ihrer Eliminierung aus dem Tätigkeitsfeld der Klägerin (Bl. 163 f. d.A.)
eine solche Einigung zu sehen sei. Denn es kann nicht, jedenfalls nicht hinreichend
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eine solche Einigung zu sehen sei. Denn es kann nicht, jedenfalls nicht hinreichend
sicher, ausgeschlossen werden, dass dadurch lediglich die Einwirkungsmöglichkeiten
unterbunden werden sollten, die die Beklagte als angestellter „Managing Partner" auf
das Unternehmen der Klägerin gehabt hat; nachdem die Beklagte auch dieses
Verhältnis zur Klägerin durch ihre Schreiben vom 21.09.2005 aufgelöst hat, hat - auch -
daran ein ersichtliches Interesse der Klägerin bestanden.
c) Die Regelung in § 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags verstößt entgegen der Ansicht
der Beklagten nicht gegen § 138 Abs. 1 BGB.
Wettbewerbsverbote sind wirksam, wenn sie einem schutzwürdigen Interesse des
Berechtigten entsprechen und sich ihrem Umfang nach im Rahmen des Angemessenen
halten (Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 138, Rn. 104, m.w.N.). Das ist hier der Fall.
Das berechtigte Interesse der Klägerin daran, dass ihre Gesellschafter nicht auf
demselben Geschäftsfeld wie sie Konkurrenztätigkeiten ausüben, liegt auf der Hand. Das
in § 6 Abs. 1 ihrer Satzung niedergelegte Wettbewerbsverbot überschreitet auch nicht
den Bereich des Angemessenen. Es sieht insbesondere nicht nachvertragliche
Bindungen vor, sondern verbietet nur den aktuellen Geschäftsführern und
Gesellschaftern eine Konkurrenztätigkeit. Der Wortlaut der Regelung kann nicht anders
verstanden werden, da er als betroffenen Personenkreis nur die Geschäftsführer und
Gesellschafter nennt, und zwar ohne einen auf die Zeit nach der Beendigung dieser
Verhältnisse abzielenden Zusatz. Dass abweichend davon ein nachvertragliches
Wettbewerbsverbot von den Gründungsgesellschaftern beim Abschluss des
Gesellschaftsvertrags gewollt gewesen ist, lässt der Sachvortrag der Parteien nicht
erkennen.
Die Erwägung der Beklagten, dass das Wettbewerbsverbot sie für eine längere Zeit als
zwei Jahre binde, verfängt nicht. Soweit diese Erwägung für nachvertragliche
Wettbewerbsverbote anzustellen sein mag (vgl. BGH NJW 2004, 66; 1994, 384, 385),
lässt sie sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen, da ein nachvertragliches
Wettbewerbsverbot hier - wie dargestellt - nicht gegeben ist.
Eine Sittenwidrigkeit folgt auch nicht daraus, dass in § 6 Abs. 1 Satz 2 der Satzung die J.
GmbH und die A. GmbH vom Wettbewerbsverbot ausgenommen worden sind. Hier
handelt es sich ersichtlich um Unternehmen, die schon vor der Gründung der Klägerin
am Markt tätig gewesen sind und in ihrer Geschäftstätigkeit nicht beeinträchtigt werden
sollten; für die J. GmbH folgt das bereits daraus, dass sie einer der
Gründungsgesellschafter der Klägerin gewesen ist.
Schließlich lässt sich eine Sittenwidrigkeit des Wettbewerbsverbots auch nicht aus der
Erwägung herleiten, dass es zu Lasten der Beklagten faktisch einem Berufsverbot
gleichkomme. Denn es kann nicht erkannt werden, dass die Beklagte, die nach ihrem
eigenen Vorbringen (Bl. 40, 45 d.A.) Diplom-Chemikerin mit dem Spezialgebiet
Biotechnologie ist, nicht auch außerhalb der Geschäftsfelder der Klägerin einer
Berufstätigkeit nachgehen kann. Dass die Beklagte auf den Gebieten der
biotechnologischen Forschung, Entwicklung und Produktion, der gentechnischen
Forschung und Entwicklung und der Synthese von Feinchemikalien und deren Vertrieb
einschlägige Berufserfahrungen gesammelt hat (Bl. 45 d.A.), lässt nicht, jedenfalls nicht
hinreichend sicher, erwarten, dass sie außerhalb dieser Tätigkeitsfelder ihren Beruf nicht
oder nur unter nicht hinzunehmenden Beeinträchtigungen ausüben kann.
d) Die Berufung der Klägerin auf das Wettbewerbsverbot verstößt auch nicht gegen die
Gebote von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB.
aa) Es kann nicht erkannt werden, dass die Klägerin in rechtsmissbräuchlicher Weise die
Beendigung der Gesellschafterstellung der Beklagten dadurch die zeitliche Geltung des
Wettbewerbsverbots verzögert hat.
(1) Der Vortrag der Beklagten (Bl. 42 d. A.), dass die Klägerin die Tätigkeit des
Schiedsgutachters Prof. Dr. W. durch eine zögerliche Hergabe von
Buchhaltungsunterlagen behindert habe, ist bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht
nachvollziehbar. Die Beklagte nennt dazu keine konkreten, einer Einlassung der Klägerin
zugänglichen Anknüpfungstatsachen. Nachdem ein detailliertes Vorbringen auch in der
Berufung nicht stattfindet, kann ein unredliches Verhalten der Klägerin, das zu einer
Verspätung der Fertigstellung des Schiedsgutachtens und damit zu einer Verlängerung
der Gesellschafterstellung der Beklagten geführt hat, folglich nicht erkannt werden.
(2) Soweit ein treuwidriges Verhalten für den Fall in Betracht zu ziehen sein mag, dass
die Klägerin oder die J. GmbH sich auf ein Angebot der Beklagten auf Übertragung der
Geschäftsanteile ohne eine Zug um Zug erfolgende Zahlung des Abfindungsguthabens
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Geschäftsanteile ohne eine Zug um Zug erfolgende Zahlung des Abfindungsguthabens
nicht einlassen, kommt das für die Zeit bis zur mündlichen Verhandlung in der Berufung
nicht in Betracht, da bis dahin ein derartiges Angebot der Beklagten nicht stattgefunden
hat. Auf das Angebot in der mündlichen Verhandlung haben sich die Klägerin und die J.
GmbH ebenfalls redlich verhalten, indem sie haben erklären lassen, dass keine
Bedenken gegen eine sofortige Übertragung unter dem Vorbehalt einer späteren
Geltendmachung des Abfindungsguthabens bestünden; eine weitergehende Annahme
des Angebots der Beklagten ist ihnen im Hinblick auf die nach § 15 Abs. 3 GmbHG
erforderliche notarielle Form der Übertragung der Geschäftsanteile nicht möglich
gewesen. Dass die Klägerin oder die J. GmbH im Nachgang zur mündlichen Verhandlung
die Durchführung der notariellen Beurkundung in treuwidriger Weise verhindert haben,
lässt sich dem Schriftsatz der Beklagten vom 02.07.2008 nicht entnehmen.
bb) Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin lässt sich auch nicht daraus
ableiten, dass sie die Beklagte nicht mehr zu Gesellschafterversammlungen geladen
und ihr Bilanzen, Geschäftsabschlüsse sowie Gewinnbeteiligungen mitgeteilt und
übermittelt hat. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass weitere
Gesellschafterversammlungen der Klägerin überhaupt stattgefunden haben; auf die
Frage des Senats in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin das verneint. Zu den
Bilanzen, Geschäftsabschlüssen und Gewinnbeteiligungen ist es der Beklagten
unbenommen, ihr zustehende Ansprüche geltend zu machen und nötigenfalls
klageweise durchzusetzen; ihrer Ansicht, dass sie durch das Wettbewerbsverbot einer
Beeinträchtigung ohne eine Karenzentschädigung unterliege (Bl. 165 d.A.), kann daher
nicht gefolgt werden.
2. Die Klägerin hat weiter einen Anspruch gegen die Beklagte aus § 242 BGB auf
Erteilung der begehrten Auskunft auch für die Zeit ab 08.10.2005 bis zum Ausscheiden
der Beklagten als Gesellschafterin. Nach § 242 BGB ist eine Auskunftspflicht gegeben,
wenn und soweit die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich
bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den
Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der
Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer erteilen kann (BGH NJW 2007, 1806, 1807;
2002, 3771; 2001, 821, 822; 1995, 386, 387; Palandt/Heinrichs, a.a.O., §§ 259 - 261, Rn.
8). Diese Voraussetzungen liegen auch für die Zeit ab 08.10.2005 vor.
a) Die erforderliche Sonderverbindung der Parteien ist gegeben, da die Beklagte - wie
ausgeführt - nach wie vor Gesellschafterin der Klägerin ist.
b) Aus dieser Sonderverbindung kommen auch für die Zeit ab 08.10.2005 Ansprüche
der Klägerin in Betracht, für die sie die begehrte Auskunft der Beklagten benötigt. Denn
die Beklagte ist Schadensersatzansprüchen der Klägerin nach § 280 Abs. 1 BGB
ausgesetzt, wenn und soweit sie gegen das in § 6 des Gesellschaftsvertrags (Bl. 17 d. A.)
vereinbarte Wettbewerbsverbot im Rahmen ihrer Tätigkeit für die R. GmbH verstoßen
haben sollte. Auch dazu wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorstehenden
Ausführungen Bezug genommen. Die Gründung der R. GmbH im September 2005 und
ihre Betätigung auf dem Gebiet des Chemikalienhandels sind ebenso unstreitig wie die
Stellung der Beklagten als deren - ursprüngliche - Alleingesellschafterin. Letzteres hat
die Klägerin in der Klageschrift ausdrücklich vorgetragen (Bl. 5 d.A.). Die Beklagte hat
dazu in der Klageerwiderung lediglich ausgeführt (Bl. 46 d.A.), dass sie erst ab
14.06.2006 Geschäftsführerin der R. GmbH gewesen sei; damit hat sie nach § 138 Abs. 3
ZPO ihre Gesellschafterstellung zugestanden. Ab 14.06.2006 ist die Klägerin sodann
unstreitig - auch - Geschäftsführerin der R. GmbH gewesen, weshalb für die Zeit danach
eine Ausübung verbotener Konkurrenztätigkeiten erst recht nahe liegt.
c) Dass die Klägerin über den Umfang einer etwaigen Konkurrenztätigkeit der Beklagten
und damit der ihr daraus erwachsenen Ansprüche im Ungewissen und die Beklagte die
zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann,
erschließt sich ohne weiteres daraus, dass ein Verhalten der Beklagten in Rede steht,
das dem Einblick der Klägerin entzogen ist; für eine andere Sichtweise bietet der
Sachvortrag der Parteien keinen Anlass.
d) Die Beklagte kann sich nicht auf eine Verjährung gegen sie bestehender Ansprüche
berufen. Sie kann mit dieser Einrede nicht gehört werden, da sie sie erstmals im nicht
nachgelassenen Schriftsatz vom 02.07.2008 erhoben hat (Bl. 164 d.A.). Dabei kann
dahinstehen, ob und in welchem Umfang die erstmalige Erhebung der
Verjährungseinrede in der Berufung nach §§ 529, 531 ZPO möglich ist (vgl. BGH BauR
2008, 666 ff., m.w.N.). Denn das Vorbringen der Beklagten ist jedenfalls nach §§ 530,
296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückzuweisen, da es nicht Gegenstand der
Berufungserwiderung ist und die Erledigung des Rechtsstreits durch die gebotene
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Berufungserwiderung ist und die Erledigung des Rechtsstreits durch die gebotene
Fortsetzung der mündlichen Verhandlung im Falle seiner Zulassung verzögern würde.
Die Beklagte hat die Verspätung nicht entschuldigt. Der Schriftsatz vom 02.07.2008
enthält keine Ausführungen zu den Gründen, aus denen die Verjährungseinrede nicht zu
einem früheren Zeitpunkt erhoben worden ist; der Vortrag, dass schon bei der
Einreichung der Klageschrift die Verjährung eingetreten gewesen sei (Bl. 164 d.A.), lässt
insoweit erkennen, dass eine rechtzeitige Einführung des Vorbringens in den Rechtsstreit
der Beklagten möglich gewesen ist.
e) Die Beklagte schuldet sowohl die Erteilung der Auskunft, für die die Klägerin in der
mündlichen Verhandlung klargestellt hat, dass sie sich auf die für die R. GmbH
abgeschlossenen Geschäfte beschränkt als auch die Vorlage der entsprechenden
Bestellungen. Im Rahmen des sich aus Treu und Glauben ableitenden
Auskunftsanspruchs besteht auch ein Anspruch auf Vorlage von Belegen, wenn der
Berechtigte darauf angewiesen und dem Schuldner die zusätzliche Verpflichtung
zumutbar ist (BGH NJW-RR 2002, 1119, 1121; GRUR 2001, 841, 845; Palandt/Heinrichs,
a.a.O, §§ 259 – 261, Rn. 21). Diese Voraussetzungen sind für den Anspruch auf
Drittauskunft, wie er hier im Hinblick auf die Abnehmer der R. GmbH besteht, im
Allgemeinen gegeben (BGH NJW-RR 2002, 1119, 1121 f.); für etwas anderes lässt sich
dem Sachvortrag der Parteien nichts entnehmen.
3. Der Inhalt der nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien gebietet eine
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht; insbesondere ist das Vorbringen im
Schriftsatz der Beklagten vom 02.07.2008 - wie vorstehend im Einzelnen dargestellt -
zur Herbeiführung einer ihr günstigen Entscheidung nicht geeignet.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die Kosten
der ersten Instanz bleibt dem dort zu treffenden Schlussurteil vorbehalten.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da weder die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgericht erfordert, § 543
Abs. 2 ZPO.
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