Urteil des OLG Brandenburg vom 01.11.2005

OLG Brandenburg: trennung der verfahren, kontradiktorisches verfahren, bedürftige partei, ausgleichung, prozesskosten, quote, saldo, quelle, sammlung, entschädigung

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 6.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 W 30/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 106 ZPO, § 126 ZPO
Kostenentscheidung: Kostenausgleichsverfahren bei Verteilung
der Kosten nach Quoten
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss II des
Landgerichts Potsdam vom 9. Mai 2006 (betreffend den zu erstattenden Betrag von
453,90 €) - 8 O 261/05 - aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen; das
Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 453,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Dem Beklagten ist mit Beschluss vom 1.11.2005 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung
seines Prozessbevollmächtigten bewilligt worden.
Mit Vergleich vom 26.10.2005 sind die Kosten des Rechtsstreits, ausgenommen des
Vergleiches, dem Beklagten zu 34 %, der Klägerin zu 66 % auferlegt worden.
Der Beklagte hat mit Antrag vom 16.11.2005 um Kostenfestsetzung im Wege der
Ausgleichung nachgesucht (§ 106 ZPO).
Dabei hat er Kosten von gesamt brutto 2.158,56 € (einschließlich einer Einigungsgebühr)
angemeldet.
Auf Nachfrage der Rechtspflegerin bei dem Landgericht, wonach bei Prozesskosten-
hilfebewilligung der Partei in Ermangelung einer Kostenlast kein
Kostenerstattungsanspruch gegen den Prozessgegner zustehe, jedoch die Möglichkeit
der Festsetzung nach § 126 ZPO für den beigeordneten Rechtsanwalt bestehe, hat der
Prozessbevollmächtigte des Beklagten erklärt, er bitte über den bereits gestellten
Kostenfestsetzungsantrag zu entscheiden, stelle jedoch vorsorglich klar, dass dieser
Antrag auch in seinem Namen gegen die Klägerin gestellt werde.
Die Klägerin hat mit Antrag vom 1.12.2005 um Kostenfestsetzung im Wege der
Kostenausgleichung nachgesucht und außergerichtliche Kosten von 1.861 €
einschließlich einer Einigungsgebühr zur Festsetzung angemeldet.
Das Landgericht Potsdam hat mit Beschluss vom 9.5.2006 eine Kostenfestsetzung nach
§ 126 ZPO zu Gunsten des beigeordneten Beklagtenvertreters vorgenommen (hier als
Kostenfestsetzungsbeschluss I zu bezeichnen; Beschwerdeverfahren 6 W 109/06).
Danach hat die Klägerin an den beigeordneten Beklagtenvertreter 812 € nebst Zinsen
zu erstatten. Das Landgericht hat dabei die erstattungsfähigen Kosten des Beklagten
(gesamt 1.548,60 €) nach der in der Kostengrundentscheidung enthaltenen Quote
berechnet ohne Berücksichtigung der geltend gemachten Einigungsgebühr. Zu dem so
errechneten Betrag von 1.022,08 hat das Landgericht die von der Landeskasse an den
Beklagtenvertreter bereits bezahlten 736 € hinzu addiert. Da die so errechnete Summe
von 1.758,68 € jedoch die auf Beklagtenseite insgesamt entstandenen
außergerichtlichen Kosten von 1.548,60 € übersteigt, hat das Landgericht in Höhe von
210,08 € einen Übergangsanspruch (§ 59 RVG) in Höhe von 210,08 € ausgesprochen,
welcher gesondert von der Klägerin einzuziehen sei.
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Den nach der Quote errechneten Erstattungsbetrag hat von 1.022,08 € hat es um diese
210,08 € gemindert, so dass zu Lasten der Klägerin noch 812 € festzusetzen waren.
Mit weiterem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9.5.2006 (Beschwerdeverfahren 6 W
30/07), hier als Kostenfestsetzungsbeschluss II zu bezeichnen, hat das Landgericht
Potsdam die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 453,90 €
nebst Zinsen festgesetzt.
Dabei hat es von den erstattungsfähigen Kosten der Klägerin von 1.335 € unter
Berücksichtigung der Kostenquote (34 %) 453,90 € für erstattungsfähig erachtet. In die
Kostenerstattungsberechnung hat es dann nur die außergerichtlichen Kosten der
Klägerin einbezogen, da wegen Prozesskostenhilfebewilligung der beigeordnete
Rechtsanwalt keinen Vergütungsanspruch gegen seine Partei (den Beklagten) geltend
machen könne. Die prozesskostenhilfebegünstigte Partei habe daher keinen
Kostenerstattungsanspruch gegen den Gegner.
Gegen die am 10.5.2006 zugestellten Beschlüsse vom 9.5.2006 richtet sich die am
15.5.2006 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde des Beklagten.
In dessen Beschwerdebegründungsschrift heißt es: „... Wir legen hiermit gegen den
Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9.5.2005 sofortige Beschwerde ein.“
Der Beklagte lässt ausführen, bei der Kostenfestsetzung sei der Differenzbetrag
zwischen Wahlanwaltsvergütung und Prozesskostenhilfevergütung ebenfalls mit zu
berücksichtigen; der zu Gunsten der Klägerin festzusetzende Betrag sei zu reduzieren.
Die Rechtspflegerin bei dem Landgericht hat den sofortigen Beschwerden nicht
abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss vom 9.5.2006 ist zulässig
(§§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO). Der Beklagte ist durch den
angefochtenen Beschluss beschwert, da er an die Klägerin 453,90 € erstatten soll.
Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.
Das Landgericht Potsdam hat, der Rechtsprechung des 8. Zivilsenates des
Brandenburgischen Oberlandesgerichts (Beschluss vom 16.10.2002, 8 W 297/01)
folgend das Kostenausgleichs-verfahren nach § 106 ZPO und das Festsetzungsverfahren
nach § 126 ZPO getrennt und die zwei zitierten separaten Beschlüsse erlassen.
Der nach Auflösung des 8. Zivilsenats nunmehr innerhalb des Brandenburgischen
Oberlandesgerichts allein für Kostenbeschwerden zuständige 6. Zivilsenat folgt in
diesem Punkte der - soweit erkennbar - von keinem anderen Oberlandesgericht
vertretenen Ansicht des 8. Zivilsenates und der daraus folgenden Art und Weise der
Kostenfestsetzung nicht.
(Es wird auf die grundsätzliche Entscheidung des erkennenden Senats in den Verfahren
6 W 135/06 und 6 W 9/07 verwiesen).
Die zitierte Rechtsprechung widerspricht dem Grundgedanken des § 106 ZPO, wonach
bei einer Verteilung der Prozesskosten nach Quoten der Kostenausgleich einheitlich in
einem Beschluss durchgeführt werden muss. So führt außerdem in Fällen wie dem
vorliegenden, bei dem die mit Prozesskostenhilfe prozessierende Partei teilweise
unterliegt, aber die gegenüber dem Prozessgegner kleinere Kostenquote zu tragen hat,
zu nicht zu rechtfertigenden Ergebnissen. Die bedürftige Partei wird durch die Trennung
der Verfahren nach § 106 ZPO und nach § 126 ZPO schlechter gestellt, als wenn sie
keine Prozesskostenhilfe erhalten hätte. Sie sieht sich nämlich einem
Erstattungsanspruch ausgesetzt, der im Falle einer Ausgleichung nach § 106 ZPO
überhaupt nicht entstehen würde. Der beigeordnete Rechtsanwalt kann nach der
Rechtsprechung des 8. Zivilsenats gemäß § 126 ZPO aus eigenem Recht einen höheren
Anspruch beitreiben als eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe erhalten hätte.
Außer dem aufgelösten 8. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts hat
kein anderes Oberlandesgericht die Auffassung vertreten, dass bei einer
Kostengrundentscheidung, welche Quoten enthält, zwingend zwei getrennte Beschlüsse
erlassen werden müssen, wenn einer Partei Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird demgegenüber einhellig die Ansicht
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In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird demgegenüber einhellig die Ansicht
vertreten, dass in dem Falle, in der einer Partei Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist
und die Prozesskosten nach Quoten verteilt worden sind, die Kostenausgleichung, auch
wenn ein Antrag nach § 126 ZPO vorliegt; grundsätzlich so zu erfolgen hat, als ob keine
Prozesskostenhilfe gewährt worden wäre (Hellstab/Lappe/Madert/Mathias, Die
Kostenfestsetzung, 19. Aufl. 2006, B 224; Riedel-Süßbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 130 Rn.
41; Hansens, BRAGO, 8. Aufl., § 130 Rn. 11 b; OLG Koblenz, AnwBl. 2001, 373; OLG
Bamberg, FamRZ 1988, 967; OLG München, JurBüro 1982, 417; OLG Brandenburg, 1.
Senat für Familiensachen, JurBüro 1999, 419).
Der beigeordnete Anwalt kann danach gegen den Gegner nicht mehr festsetzen lassen,
als dieser der Partei nach Durchführung der Ausgleichung zu erstatten hat.
Dieser Rechtsprechung schließt sich der hier zur Entscheidung berufene 6. Zivilsenat an.
In die Kostenausgleichsberechnung ist die volle Wahlanwaltsvergütung auf Seiten der
bedürftigen Partei einzustellen. Es ist dann eine Kostenausgleichsberechnung
durchzuführen, als wenn keiner Partei Prozesskostenhilfe bewilligt worden wäre. Die
Gerichtskosten sind dabei getrennt zu berechnen und auszugleichen.
Ergibt sich aus dieser Berechnung ein Saldo zu Gunsten der bedürftigen Partei - mithin
letztlich des beigeordneten Rechtsanwalts nach § 126 ZPO -, dann ist von diesem Betrag
die Vergütung, für die der beigeordnete Rechtsanwalt von der Staatskasse befriedigt
worden ist, abzuziehen und statt für die Partei oder ihren Rechtsanwalt ein Betrag für die
Staatskasse festzusetzen, soweit dieser Saldo die Differenz zwischen dem vollen
Gebührenanspruch des Rechtsanwalts und seine aus der Staatskasse gezahlte
Entschädigung übersteigt.
In dem hier zur Entscheidung stehenden Fall führt die sofortige Beschwerde des
Beklagten dazu, dass der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss II vollständig
aufgehoben werden muss. Der Klägerin steht unter Berücksichtigung der zwischen den
Beteiligten nicht streitigen erstattungsfähigen Kosten gegen den Beklagten überhaupt
kein Erstattungsanspruch zu. Es ist vielmehr umgekehrt der Beklagte, der von der
Klägerin eine Erstattung verlangen kann. Da dem Beklagten jedoch Prozesskostenhilfe
bewilligt worden ist, ist nicht er selbst, sondern der ihm beigeordnete Rechtsanwalt zur
Beitreibung dieses Erstattungsanspruches berechtigt (§ 126 ZPO). Es wird auf den
Beschluss vom gleichen Tage im Beschwerdeverfahren 6 W 109/06 im
Festsetzungsverfahren nach § 126 ZPO verwiesen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen, da es sich bei diesem
Verfahren um ein kontradiktorisches Verfahren handelt und die Klägerin als
Beschwerdegegnerin anzusehen ist.
Eine Niederschlagung der Gerichtskosten nach § 21 GKG kommt nicht in Betracht. Im
Kostenfestsetzungsverfahren vor dem Landgericht sind keine Gerichtskosten angefallen.
Auch das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei, da die sofortige Beschwerde des
Beklagten Erfolg hatte.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2
ZPO nicht vorliegen.
Insbesondere ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Mit der in dieser Entscheidung vollzogen
Abkehr von der Rechtsprechung des aufgelösten 8. Zivilsenats wird gerade eine
einheitliche Rechtsprechung hergestellt, weil andere Oberlandesgerichte keine getrennte
Festsetzung nach den §§ 106, 126 ZPO vornehmen.
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