Urteil des OLG Brandenburg vom 18.06.2008

OLG Brandenburg: unterhalt, verfügung, maurer, einkünfte, bad, selbstbehalt, ausnahme, nebentätigkeit, garage, wohnfläche

Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 2.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 UF 132/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 7 Abs 1 UhVorschG, § 1601
BGB, § 1603 Abs 2 BGB
Kindesunterhalt: Zurechnung eines fiktiven Erwerbseinkommens
bei einem selbständigen Maurer; Abzugsfähigkeit eines
Betrages für die private Altersvorsorge
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Strausberg vom 18. Juni
2008 abgeändert und insgesamt neu gefasst.
Der Beklagte wird verurteilt, für die Kläger monatlichen Unterhalt, den zukünftigen
jeweils monatlich im Voraus bis zum 1. eines Monats, wie folgt zu zahlen:
- für St. R., geboren am ….2.1993,
266 € von November 2006 bis Dezember 2007,
236 € von Januar bis Oktober 2008,
223 € für November und Dezember 2008 sowie
82,1 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergelds für
ein erstes Kind ab Januar 2009,
jeweils zu Händen ihrer Mutter,
- für S. R., geboren am ….11.1996,
225 € von November 2006 März 2007,
74 € von April bis Juni 2007,
76 € von Juli bis Dezember 2007,
33 € für Januar und März bis Juni 2008,
201 € von Juli bis Oktober 2008,
223 € für November und Dezember 2008 sowie
82,1 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergelds für
ein zweites Kind ab Januar 2009,
jeweils zu Händen ihrer Mutter, mit Ausnahme von monatlich 168 € für Juli bis
Oktober 2008 und 84 € für November 2008, die an die Unterhaltsvorschusskasse des
Landkreises … zu zahlen sind;
- für T. R., geboren am ….1.1999,
225 € von November 2006 März 2007,
74 € von April bis Juni 2007,
76 € von Juli bis Dezember 2007,
33 € für Januar und März bis Juni 2008,
201 € von Juli bis Oktober 2008,
190 € für November und Dezember 2008 sowie
82,9 % des Mindestunterhalts der zweiten Altersstufe von Januar 2009 bis Dezember
2010 und 82,9 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe ab Januar 2011, jeweils
abzüglich hälftigen Kindergelds für ein drittes Kind,
jeweils zu Händen seiner Mutter, mit Ausnahme von monatlich 168 € für Juli
bis Dezember 2008, die an die Unterhaltsvorschusskasse des Landkreises … zu zahlen
sind.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger 1/5, der Beklagte 4/5 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
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Der Berufungswert beträgt 8.355 €.
Gründe
I.
Die Kläger verlangen vom Beklagten, ihrem Vater, Unterhalt in Höhe des Regelbetrags
für die Zeit ab November 2006. Sie wohnen im Haushalt ihrer allein sorgeberechtigten
Mutter. Die Kläger zu 2. und 3. erhalten Leistungen nach dem
Unterhaltsvorschussgesetz (UVG).
Der Beklagte ist von Beruf Maurer und führt seit rund zehn Jahren ein selbstständiges
Bauunternehmen, das nach seinen Angaben fortlaufend keine bzw. nur geringfügige
Gewinne erzielt.
Er bewohnt das der Mutter der Kläger und ihm gehörende Einfamilienhaus in F., …straße
2 a. Das Haus wurde 1996/1997 erbaut, hat zwei Wohnetagen und einen Garten.
Durch das am 18.6.2008 verkündete Urteil hat das Amtsgericht der Klage im
Wesentlichen stattgegeben und, entsprechend dem Antrag, vom Unterhalt für S. und T.
den für sie gezahlten Unterhaltsvorschuss in der Zeit von April 2007 bis Juni 2008
abgezogen. Auf die tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
ZPO Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Er trägt vor:
Das vom Amtsgericht angenommene fiktive Arbeitseinkommen sei zu hoch. Im Hinblick
auf den Tariflohn von 9,80 € sei bei abhängiger Tätigkeit ein Bruttolohn von 1.698,00 €
erzielbar, von dem 1.166,70 € netto verblieben. Nach Abzug von 5 % für berufsbedingte
Aufwendungen ständen rund 1.100 € zur Verfügung.
Der Wohnvorteil belaufe sich nur auf 409,40 € (= 81,88 m² x 5 €). Die Wohnfläche
umfasse, wie sich aus den vorgelegten Grundrissen ergebe, im Erdgeschoss 62,74 m²
(Wohn-, Schlaf- und Gastzimmer nebst Küche und Bad), im Obergeschoss 19,14 m² (ein
Zimmer). Ein zweites Bad sei nicht vorhanden, das Gebäude sei nicht fertiggestellt
worden, mehr als die genannten Räume seien nicht benutzbar. Neben der unstreitigen
Kreditbelastung von 173,34 € sei die weitere Rate von 105 € abzuziehen. Diesen Betrag
zahle er jeden Monat auf ein Bausparkonto, mit dem Guthaben solle der Kredit getilgt
werden.
Ausgehend von einem gerundeten Einkommen von insgesamt 1.250 € müsse ihm der
Selbstbehalt von 900 € verbleiben, so dass 350 € für den Kindesunterhalt zur Verfügung
ständen. Damit könne er für St. und S. je 122 €, für T. 104 € zahlen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts Strausberg vom 18.6.2008 dahingehend
abzuändern, dass er (nur noch) verurteilt werde, ab November 2006 monatlichen
Unterhalt wie folgt zu zahlen:
Die Kläger beantragen, Berufungszurückweisung mit der Maßgabe, dass je
-- 168 € monatlich für die Monate Juli bis Oktober 2008 und 84 € für November
2008,
jeweils betreffend die Klägerin zu 2., sowie
- 168 € monatlich für die Monate Juli bis Dezember 2008,
betreffend den Kläger zu 3.,
an die Unterhaltsvorschusskasse des Landkreises … zu zahlen seien.
Die Kläger tragen vor:
Der Beklagte könne ein Arbeitseinkommen von 1.200 € sowie Einkünfte aus
Nebentätigkeit von 400 € erzielen. Der Wohnvorteil sei aufgrund eines m²-Preises von 6
€ zu ermitteln. Der Beklagte nutze rund 100 m² des Hauses, alle weiteren Räume, die
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€ zu ermitteln. Der Beklagte nutze rund 100 m² des Hauses, alle weiteren Räume, die
der Beklagte nicht nutze, seien jedenfalls ausbaufähig. Zudem ständen eine Garage und
der Garten zur Verfügung. Die vom Beklagten in Ansatz gebrachte Ansparrate von 105 €
diene der Vermögensbildung und könne nicht einkommensmindernd berücksichtigt
werden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist teilweise begründet. Der Beklagte muss den Klägern Unterhalt nur in
dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zahlen.
Der Beklagte muss sich, weil er über einen Zeitraum von rund zehn Jahren durch seine
selbstständige Tätigkeit keine bzw. nur geringfügige Einkünfte erzielt hat, fiktives
Einkommen aus abhängiger Tätigkeit zurechnen lassen (vgl. dazu
Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl.,
Rz. 736; Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 7. Aufl., § 1, Rz. 515, jeweils m.w.N.). Davon geht
der Beklagte selbst auch aus. Die Höhe des fiktiven Einkommens ist mit rund 1.200 € zu
bemessen.
Der Beklagte war zu Beginn des Unterhaltszeitraums 45 Jahre alt, er ist gelernter Maurer
und hat, wie er in dem vorgelegten Lebenslauf angibt, bis 1996 als Ausbilder für Maurer
gearbeitet. Danach war er weiterhin in derselben Branche tätig und hat das, wenn auch
wenig erfolgreiche, eigene Bauunternehmen geführt. Der Beklagte wohnt in F. und damit
im Einzugsgebiet von B.. Im Hinblick auf all diese Gesichtspunkte kann angenommen
werden, dass der Beklagte jedenfalls ein monatliches Nettoeinkommen erzielen kann,
von dem anrechenbare 1.200 € verbleiben.
Der Beklagte genügt allerdings seiner Erwerbsobliegenheit mit einer (fiktiven)
vollschichtigen Tätigkeit. Einkünfte aus einer (fiktiven) Nebentätigkeit muss er sich daher
nicht zurechnen lassen (vgl. BVerfG, FamRZ 2003, 661; 2007, 273; Senat, FamRZ 2007,
71; Wendl/Klinkhammer, a.a.O., § 2, Rz. 251; Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz.
722).
Im Hinblick darauf, dass der Beklagte mietfrei in dem der Mutter der Kläger und ihm
gehörenden Haus wohnt, ist ihm ein Wohnvorteil zurechnen. Die Wohnungsgröße kann
mit rund 85 m² angenommen werden. Denn nach dem vorliegenden Grundriss, der sich
unstreitig auf das Haus bezieht, befinden sich im Erdgeschoss drei Zimmer, Flur, Küche
und Bad mit insgesamt rund 66 m², im Oberschoss ein 19 m² großer Raum. Es ergibt
sich eine Wohnfläche von rund 85 m², von der die Kläger nun ebenfalls ausgehen, wie sie
im Senattermin vom 9.12.2008 eingeräumt haben. Das Einfamilienhaus verfügt zudem
über Keller, Garage und Garten, es liegt in F. im Einzugsbereich von B.. Dies rechtfertigt
auch im Hinblick auf den Ausbauzustand des Hauses einerseits und die von den Klägern
vorgelegten Zeitungsinserate andererseits einen Quadratmeterpreis von 6 €. Der
Wohnwert stellt sich somit auf 510 € (85 m² x 6 €). Davon ist die unstreitige Kreditrate
von rund 173 € abzuziehen, es verbleibt ein Wohnvorteil von 337 €.
Die Bausparrate von 105 € ist nicht zu berücksichtigen. Sie käme allenfalls unter dem
Gesichtspunkt einer zusätzlichen Altersversorgung in Höhe von maximal 4 % des
Bruttoeinkommens in Betracht (vgl. BGH, FamRZ 2005, 1817). Jedoch muss ein solcher
Abzug im Verhältnis zum sonstigen Einkommen des Unterhaltsschuldners angemessen
sein und kann nicht angesetzt werden, wenn der notwendige Bedarf des
Unterhaltsberechtigten nicht gedeckt ist (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz.
1029). Letzteres ist, wie nachfolgend dargestellt wird, der Fall. Die (fiktiven) Einkünfte des
Beklagten reichen nicht oder gerade aus, um den Regelbetrag bzw. Mindestunterhalt der
Kläger zu decken.
Es ergibt sich ein der Unterhaltsberechnung zugrunde zu legendes Gesamteinkommen
des Beklagten von 1.537 € (= 1.200 € + 337 €).
In der Zeit von November 2006 bis Juni 2007 beträgt der notwendige Selbstbehalt des
Beklagten 820 €, sodass 717 € (= 1.537 € - 820 €) für den Unterhalt der Kläger zur
Verfügung stehen. Die Summer der Regelbeträge ist höher und macht 725 € (= 269 € +
228 € + 228 €) aus. Aufgrund der vorzunehmenden Mangelverteilung entfallen auf St.
266 € (= 269 € x 717 € : 725 €), auf S. und T. je 225 € (= 228 € x 717 € : 725 €). Da für
S. und T. von April bis Juni 2007 Unterhaltsvorschuss von je 151 € gezahlt worden ist, der
gemäß § 7 Abs. 1 UVG auf die Unterhaltsvorschusskasse übergegangen ist und den die
Kläger auch nicht verlangen, ist er von dem berechneten Unterhaltsbetrag abzuziehen,
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Kläger auch nicht verlangen, ist er von dem berechneten Unterhaltsbetrag abzuziehen,
es können noch je 74 € (= 225 € - 151 €) verlangt werden.
In der Zeit von Juli bis Dezember 2007 verbleibt es bei dem für den Unterhalt
einsetzbaren Betrag von 717 € und nur geringfügig niedrigeren Regelbeträgen von 267 €
und je 226 €, die zusammen 719 € ausmachen, bei den Unterhaltsbeträgen von 266 €
und je 225 €. Für S. und T. wurde ein Unterhaltsvorschuss von je 149 € gezahlt, sodass
sie je 76 € (= 225 € - 149 €) vom Kläger verlangen können.
Im Januar 2008 ist der notwendige Selbstbehalt auf 900 € gestiegen, vom Einkommen
des Beklagten von 1.537 € verbleiben nur noch 637 € für den Kindesunterhalt. Nach
Abzug von je 77 € hälftigen Kindergelds beläuft sich der Mindestunterhalt für St. auf 288
€ (= 365 € - 77 €), für S. und T. auf je 245 € (= 322 € - 77 €). Der Gesamtbedarf macht
778 € aus und übersteigt das zur Verfügung stehende Einkommen, es ist wiederum eine
Mangelverteilung vorzunehmen. Auf St. entfällt ein Unterhaltsbetrag von 236 € (= 288 €
x 637 € : 778 €), auf S. und T. ein solcher von je 201 € (= 245 € x 637 € : 778 €). Nach
Abzug des für sie gezahlten Unterhaltsvorschusses von je 168 €, den die Kläger
ungeachtet des Eintritts der Rechtshängigkeit am 8.1.2008 bis einschließlich Juni 2008
nicht geltend machen, beträgt der für S. und T. zu zahlende Unterhalt je 33 €. Im
Hinblick auf die Zahlung von je 50 € im Februar 2008, können S. und T. in diesem Monat
keinen weiteren Unterhalt verlangen. Von Juli bis Oktober 2008 muss die Zahlung des
Unterhalts für S. und T. entsprechend dem modifiziertem Antrag (vgl. dazu
Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 265, Rz. 6 a) in Höhe des Unterhaltsvorschusses von je
168 € an die Unterhaltsvorschusskasse des Landkreises … erfolgen.
Im November 2008 hat S. das 12. Lebensjahr vollendet und ist damit in die dritte
Altersstufe aufgerückt. Der Mindestunterhalt abzüglich hälftigen Kindergelds beträgt
somit, wie für St., 288 € (= 365 € - 77 €). Der Gesamtbedarf steigt auf 821 € (= 288 € +
288 € + 245 €), sodass aufgrund der Mangelverteilung auf St. und S. je 223 € (= 288 € x
637 € : 821 €), auf T. 190 € (= 245 € x 637 € : 821 €) entfallen. Da für S. noch ein
Unterhaltsvorschuss von 84 € gezahlt worden ist, muss dieser entsprechend dem
modifizierten Antrag an die Unterhaltsvorschusskasse des Landkreises … gezahlt
werden.
Die Kläger haben den Unterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts
verlangt, § 1612 a Abs. 1 BGB, sodass für St. und S. 82,1 % des Mindestunterhalts der
dritten Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergelds für ein erstes bzw. zweites Kind,
für den am ….1.1999 geborenen T. 82,9 % des Mindestunterhalts der zweiten Altersstufe
und ab Januar 2011 der dritten Altersstufe, jeweils abzüglich hälftigen Kindergelds für ein
drittes Kind zu zahlen sind.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10., 711, 713 ZPO.
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