Urteil des OLG Brandenburg vom 26.08.2005

OLG Brandenburg: heizöl, feststellungsklage, avb, einspruch, form, fernwärme, unternehmen, erdgas, beweislast, vollstreckung

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 7.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 175/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 24 Abs 3 AVBFernwärmeV, §
242 BGB, § 315 BGB, Art 3
EWGRL 13/93
Fernwärmevertrag: Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel;
Durchführung einer Billigkeitskontrolle bei Vorliegen einer
wirksamen Preisänderungsklausel
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts
Neuruppin vom 26. August 2005 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden,
wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Die P. GmbH, die im Rahmen der Bildung des Wohnungseigentums der Mitglieder der
Klägerin zur Verwalterin des gemeinschaftlichen Eigentums bestellt wurde, schloss mit
der Beklagten unter dem 29.9.1995 einen Fernwärmelieferungsvertrag, der in der Anlage
2 (Bl. 25 f. d.A.) eine Preisänderungsklausel enthielt.
Die Klägerin hat mit der Klage die Feststellung der Unwirksamkeit der
Preisänderungsklausel und die Verurteilung der Beklagten zur Erläuterung und
Darlegung ihrer Kalkulation der Wärmepreise begehrt. Die Klage ist durch
Versäumnisurteil des Landgerichts Neuruppin vom 12.4.2005, das der Klägerin am
25.4.2005 zugestellt worden ist, abgewiesen worden. Dagegen hat die Klägerin am
9.5.2005 Einspruch eingelegt. Durch Beschluss vom 23.6.2005 hat das Landgericht die
Durchführung des schriftlichen Verfahrens nach § 128 ZPO angeordnet.
Die Klägerin hat beantragt,
unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 12.4.2005
1.
festzustellen, dass die in dem Fernwärmelieferungsvertrag vom 29.9.1995
enthaltene und von der Beklagten verwandte Preisänderungsklausel unwirksam ist;
2.
die Beklagte zu verurteilen, ihre Kalkulation der Wärmepreise zu erläutern und
darzulegen;
3.
hilfsweise für den Fall, dass das Landgericht an der in einem Parallelverfahren, Az.: 2
O 28/05 Landgericht Neuruppin, geäußerten Ansicht festhalte, festzustellen, dass die
zum 1.1.2003 vorgenommene Erhöhung auf 47,41 Euro/MWh auf der Grundlage der
Erhöhung zum 1.10.2000 auf 38,34 Euro/MWh unbillig ist und dass stattdessen die vom
Gericht zu ermittelnde billige Wärmepreiserhöhung gilt.
Die Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil vom 12.4.2005 aufrechtzuerhalten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf
den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 26.8.2005 das Versäumnisurteil vom 12.4.2005
aufrechterhalten. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Fehlen ausdrücklicher Anträge
der Parteien im Einspruchsverfahren sei unschädlich, da die Anträge den wechselseitigen
Sachvorträgen im Wege der Auslegung entnommen werden könnten. Der Zulässigkeit
der Feststellungsklage stehe zwar eine fehlende Prozessführungsbefugnis der einzelnen
Wohnungseigentümer nicht entgegen, da das Rubrum dahingehend zu berichtigen sei,
dass Klägerin die Wohnungseigentümergemeinschaft sei. Jedoch fehle es an einem
Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO, da zur Beseitigung der bestehenden
Rechtsunsicherheit nicht nur die begehrte Feststellung, sondern zusätzlich eine
ergänzende Vertragsauslegung zur Bestimmung des zu zahlenden Preises erforderlich
sei. Zur Klärung von Vorfragen oder Elementen eines Rechtsverhältnisses oder von
Berechnungsgrundlagen eines Anspruchs oder einer Leistungspflicht sei die
Feststellungsklage nicht eröffnet. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf
Erläuterung und Offenlegung ihrer Kalkulation bestehe nicht. Insbesondere eröffne § 242
BGB nicht einen solchen Anspruch zum Zwecke der Überprüfung und Berechtigung
erhobenen Entgeltforderung; das gelte auch gegenüber einem
Energieversorgungsunternehmen, das eine Monopolstellung innehabe. Der Hilfsantrag
sei nach § 263 ZPO sowie wegen des Fehlens eines Feststellungsinteresses nach § 256
ZPO unzulässig; die Klägerin könne ihr Begehren im Wege einer Leistungsklage
verfolgen, da sie bereits Zahlungen auf die vorgenommenen Preiserhöhungen geleistet
habe und diese zurückfordern könne.
Gegen dieses Urteil, das ihr am 19.9.2005 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am
19.10.2005 Berufung eingelegt und diese am 18.11.2005 begründet.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Neuruppin vom 26. August 2005 das
Versäumnisurteil vom 12.4.2005 aufzuheben und
1.
festzustellen, dass die in dem Wärmelieferungsvertrag vom 29.9.1995 enthaltene
und von der Beklagten verwandte Preisänderungsklausel unwirksam sei;
2.
die Beklagte zu verurteilen, ihre Kalkulation der Wärmepreise zu erläutern und
darzulegen;
3.
hilfsweise,
festzustellen, dass die zum 1.1.2003 vorgenommene Erhöhung auf 47,41 Euro/MWh
auf der Grundlage der Erhöhung zum 1.10.2000 auf 38,34 Euro/MWh unbillig ist und dass
stattdessen die vom Gericht zu ermittelnde billige Wärmepreiserhöhung gilt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie behauptet, durch den Arbeitspreis werde auch nach den vorgenommenen
Preiserhöhungen ein Kostendeckungsgrad in Höhe von nur 97 % erreicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
1.
Die Feststellungsklage ist zulässig, aber unbegründet.
a)
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Entgegen der Sichtweise des Landgerichts ist der Feststellungsantrag zulässig.
aa)
Dem steht nicht entgegen, dass die Klage ursprünglich für die einzelnen
Wohnungseigentümer und nicht für die Wohnungseigentümergemeinschaft erhoben
worden ist. Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass im Hinblick auf das Erfordernis der
Klageerhebung durch die parteifähige Gesellschaft (vgl. BGH NJW 2005, 2061, 2062 f.;
2003, 2043; 2001, 1056; NJW-RR 2004, 275, 276) insoweit das Rubrum zu berichtigen ist
(vgl. BGH NJW-RR 2006, 42; 2004, 275, 276; NJW 2003, 1043), und zwar ohne dass es
darauf ankommt, ob der Rechtsstreit zum Zeitpunkt der Anerkennung der Teilrechts-
und Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts bereits anhängig gewesen ist
(vgl. BGH NJW-RR 2006, 42).
bb)
Das Unterbleiben ausdrücklicher Klageanträge im Anschluss an den Einspruch der
Klägerin gegen das Versäumnisurteil vom 12.4.2006 führt nicht zu einer unzureichenden
Bestimmung des Klagegegenstands nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dazu wird zur
Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen zur Auslegung des
Begehrens der Parteien im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen. Für die Berufung
stellt sich diese Frage ohnehin nicht, nachdem die Parteien in der Berufungsbegründung
und in der Berufungserwiderung Anträge formuliert und sich in der mündlichen
Verhandlung auf diese bezogen haben.
cc)
Ebenso ist ein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO gegeben.
(1)
Gegenstand der Klage ist das Bestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen den
Parteien. Dazu reicht es aus, wenn zu einzelnen Rechten, Pflichten oder Folgen aus einer
Rechtsbeziehung eine Feststellung begehrt wird (BGH NJW 1984, 1556; Zöller/Greger,
ZPO, 25. Aufl., § 256, Rn. 3), wobei eine abstrakte Formulierung der Antragsstellung
unschädlich ist (BGH NJW 2001, 3789, 3790; Zöller/Greger a.a.O.). So ist es hier. Das
Feststellungsbegehren zielt ersichtlich auf die Klärung der Frage ab, ob die Klägerin die
Zahlung des nach Maßgabe der Preisänderungsklausel erhöhten Entgelts schuldet und
hat damit ihre vertraglichen Pflichten im Verhältnis zur Beklagten zum Gegenstand.
(2)
Die begehrte Feststellung ist zur Beseitigung der bestehenden Rechtsunsicherheit
geeignet. Diesem Erfordernis des § 256 Abs. 1 ZPO (Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 26.
Aufl., § 256, Rn. 16, m.w.N.) ist genügt, da mit der zu treffenden Entscheidung für das
Verhältnis der Parteien zueinander abschließend geklärt ist, ob die Klägerin eine
Zahlungspflicht aus der Preisänderungsklausel trifft oder nicht.
(3)
Das Feststellungsinteresse ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs der
Leistungsklage (vgl. BGH NJW 2000, 1256, 1257; 1998, 1633; Zöller/Greger, a.a.O. § 256,
Rn. 7 a) ausgeschlossen. Die Klägerin hat - unstreitig - ab Dezember 2004 Einbehalte
auf das von der Beklagten geforderte erhöhte Entgelt vorgenommen hat, sodass für
diese Zeit ein Zurückzahlungsbegehren nicht möglich ist. Es ist der Klägerin auch nicht
zuzumuten, insoweit eine Zahlungsklage der Beklagten abzuwarten und in deren
Rahmen sich auf eine etwaige Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel zu berufen.
b)
Die Feststellungsklage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Es kann nicht erkannt
werden, dass die streitgegenständliche Preisänderungsklausel zwischen den Parteien
nicht wirksam vereinbart worden ist.
aa)
Der Klägerin kann nicht darin gefolgt werden, dass der Fernwärmelieferungsvertrag vom
29.9.1995 nicht mit Wirkung für und gegen sie abgeschlossen worden ist. Soweit sie in
der Berufung (Bl. 417 d.A.) ausführt, sie bestreite den Bestand des schriftlichen
Vertrages, kann darin ein nach § 138 Abs. 3 ZPO wirksames Bestreiten der zum
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Vertrages, kann darin ein nach § 138 Abs. 3 ZPO wirksames Bestreiten der zum
Vertragsschluss führenden tatsächlichen Umstände nicht erblickt werden, da die
Klägerin die wechselseitige Unterzeichnung der - von ihr selbst - vorgelegten
Vertragsurkunde (Bl. 19 ff. d.A.) als solche nicht in Abrede gestellt. Soweit sie die Ansicht
vertreten hat, sie sei nicht Vertragspartei geworden, steht dem entgegen, dass
unstreitig die P. GmbH seinerzeit Verwalterin des gemeinschaftlichen Eigentums
gewesen ist und damit gemäß § 164 Abs. 1 BGB als Vertreter der Klägerin gehandelt
hat. Ungeachtet dessen hat die Klägerin dadurch, dass sie - ebenfalls unstreitig - in der
Folgezeit Fernwärme bezogen hat, den Vertragsschluss nach §§ 182 Abs. 1, 184 Abs. 1
BGB genehmigt.
bb)
Die Preisänderungsklausel ist nicht nach §§ 134 BGB, 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV wegen
Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot unwirksam. Denn sie entspricht den
Erfordernissen des § 24 Abs. 3 AVB FernwärmeV.
(1)
Nach § 24 Abs. 3 S. 1 AVB FernwärmeV ist die Kostenentwicklung bei der Erzeugung und
Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen zu berücksichtigen. Insoweit ist
abzustellen auf die Erzeugungskosten, die ihrerseits überwiegend von den
Brennstoffkosten abhängen, sowie auf die überwiegend von den Lohnkosten und in
geringem Maße durch die Materialkosten bestimmten Bereitstellungskosten
(Hempel/Franke, Recht der Energie- und Wasserversorgung, Stand Mai 2006, § 24 AV
FernwärmeV, Rn. 6). Dem wird die streitgegenständliche Preisanpassungsklausel
gerecht. Denn sie bestimmt den Jahresgrundpreis vorrangig nach den Lohnkosten unter
Zugrundelegung des tariflichen Monatslohns für Arbeiter der gemeindlichen Verwaltung
und Betriebe in B. und stellt damit in zulässiger Weise auf die Bereitstellungskosten ab.
Der Arbeitspreis bemisst sich nach der Entwicklung der Kosten für leichtes Heizöl und
stellt mithin in gleichfalls zulässiger Weise auf die Erzeugungskosten ab. Dabei ist davon
auszugehen, dass die Beklagte - wie sie vorträgt (Bl. 102 d.A.) - die Wärme mit einem
Kostenanteil in Höhe von mindestens 80 % aus Heizöl und Erdgas erzeugt hat. Der
dagegen gerichtete Vortrag der Klägerin (Bl. 7 f. d.A.), die Beklagte verwende für die
Fernwärmeproduktion lediglich 15 %, allenfalls 20 %, Heizöl, kann der Entscheidung nicht
zu Grunde gelegt werden. Denn die Klägerin hat für ihr Vorbringen einen Beweis nicht
angetreten. Das geht zu ihren Lasten, da im Rahmen des § 134 BGB regelmäßig die
Partei die tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Gesetzesverstoßes zu
beweisen hat, die zu ihren Gunsten die Nichtigkeitsfolge geltend macht (BGH NJW 1983,
2018, 2019; Baumgärtel, Handbauch der Beweislast im Zivilrecht, 2. Aufl., § 134 BGB,
Rn. 1). Zudem erschließt sich aus den von der Beklagten über den Bezug von Erdgas
und Kohle abgeschlossenen Verträgen mit der E. GmbH vom 26.4.1996 (Bl. 174 ff. d.A.)
und der P. GmbH vom 27./28.2.1995 (Bl. 180 ff. d.A.), dass die Preise für die von ihr
bezogenen Heizmittel ebenfalls an die Preisentwicklung für leichtes Heizöl angelehnt und
Preisänderungsklauseln vereinbart worden sind; dem ist die Klägerin in tatsächlicher
Hinsicht nicht entgegengetreten. Vor dem Hintergrund dieser Gegebenheiten entspricht
die streitgegenständliche Preisänderungsklausel in der Anknüpfung an den Preis für
leichtes Heizöl - erst recht - den tatsächlichen Verhältnissen bei der Wärmeerzeugung
auf Seiten der Beklagten.
(2)
Nach § 24 Abs. 3 S. 1 AVBFernwärmeV haben weiter die jeweiligen Verhältnisse auf dem
Wärmemarkt in die Preisbildung einzufließen. Das bedeutet, dass die Preise für alle
Substitutionsenergien im Sinne eines einheitlichen Wärmemarkts unter räumlicher
Orientierung an den Verhältnissen im jeweiligen Versorgungsgebiet und dessen
regionalem Umfeld zu beachten sind (Hempel/Franke, a.a.O., § 24 AVBFernwärmeV, Rn.
7, 9). Auch dem genügt die streitgegenständliche Preisänderungsklausel, indem sie den
Arbeitspreis nach dem Preis für leichtes Heizöl bemisst. Es entspricht nämlich
allgemeiner Erfahrung, dass gegenwärtig der Preis für leichtes Heizöl die Preise der
anderen Energieträger üblicherweise mitbestimmt (Hempel/Franke, a.a.O., § 24
AVBFernwärmeV, Rn. 8), weshalb das diesbezügliche Bestreiten der Klägerin der
Rechtsverfolgung nicht zum Erfolg verhelfen kann. Ein Bestehen regionaler
Besonderheiten, das im Rahmen der - wie ausgeführt - ihr obliegenden Darlegungs- und
Beweislast die Klägerin vortragen müsste, ist weder dargetan noch auch aus den von
den Parteien vorgelegten Anlagen ersichtlich.
(3)
§ 24 Abs. 3 S. 1 AVB FernwärmeV gebietet darüber hinaus, dass die vorgenannten
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§ 24 Abs. 3 S. 1 AVB FernwärmeV gebietet darüber hinaus, dass die vorgenannten
Umstände in angemessener Weise in die Preisänderungsklausel einzufließen haben. Das
erfordert nicht eine starre Abbildung der maßgeblichen Kosten und Marktelemente,
sondern bedeutet, dass sich die Fernwärmepreise in einer abgewogenen Bandbreite zu
bewegen haben und innerhalb dieser flexibel festgelegt werden können (Hempel/Franke,
a.a.O., § 24 AVB FernwärmeV, Rn. 10). Dagegen ist verstoßen, wenn die Gewichtung der
Klauselelemente auf eine Verdrängung der Kostenorientierung durch eine
Wettbewerbsorientierung oder umgekehrt hinausläuft (Hempel/Franke, a.a.O.). Letzteres
lässt sich im vorliegenden Fall weder aus der streitgegenständlichen Klausel ersehen
noch dem Sachvortrag der Parteien entnehmen. Die von der Klägerin hervorgehobene
Gewinnerzielungsabsicht der Beklagten reicht dazu nicht aus; denn es ist grundsätzlich
nicht zu beanstanden, dass die Beklagte als am Markt tätiges Unternehmen im Rahmen
der rechtlichen Möglichkeiten Gewinne zu erzielen beabsichtigt. Auch aus der in der
Klausel vorgenommenen Differenzierung zwischen Jahresgrund- und Arbeitspreis und der
entsprechenden Zuordnung der verschiedenen Kostenelemente lässt sich ein Verstoß
gegen das Gebot der Angemessenheit nicht ableiten (vgl. Hempel/Franke, a.a.O. § 24
AVBFernwärmeV, Rn. 11).
(4)
Nach § 24 Abs. 3 S. 2 AVBFernwärmeV müssen die maßgeblichen Berechnungsfaktoren
vollständig und in allgemein verständlicher Form in der Preisänderungsklausel
ausgewiesen sein. Dazu reicht es aus, wenn für einen Laien bei sorgfältigem Studium
der Klausel erkennbar ist, welche Berechnungsfaktoren zu welchen Prozentsätzen
Eingang gefunden haben; das ist der Fall, wenn die Klausel die Berechnung der
Preisänderung in Form einer mathematischen Formel darstellt und deren Bestandteile
näher erläutert (Franke/Hempel, a.a.O., § 24 AVBFernwärmeV, Rn. 12). So ist es hier.
Sowohl für den neu zu errechnenden Jahresgrundpreis als auch für den neu zu
errechnenden Arbeitspreis werden in der streitbefangenen Klausel mathematische
Formeln angegeben und deren einzelne Bestandteile Formeln vollständig und
verständlich dargestellt. Auch unter diesem Gesichtspunkt genügt die Klausel mithin den
gesetzlichen Anforderungen.
(5)
Die Regelung in § 24 Abs. 3 S. 3 AVBFernwärmeV betrifft die Anwendung der
Preisänderungsklausel (Hempel/Franke, a.a.O., § 24 AVBFernwärmeV, Rn. 15) und ist
daher für die hier in Rede stehende Frage ihrer wirksamen Vereinbarung nicht
heranzuziehen.
cc.
Eine Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Preisänderungsklausel nach §§ 9 ff.
AGBG a.F. kann ebenfalls nicht erkannt werden. Dabei ist dem Senat die Prüfung des
Vorliegens einer unangemessenen Benachteiligung der Klägerin verwehrt. Denn es kann
nicht festgestellt werden, dass es sich bei der Preisänderungsklausel um eine allgemeine
Geschäftsbedingung gemäß § 1 Abs. 1 AGBG a.F. handelt. Dafür ist von den Parteien
nichts vorgetragen. Die äußere Form der Vertragsurkunde vom 29.9.1995 lässt -
insgesamt - eine Verwendung für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierter
Vertragsbestimmungen nicht erkennen.
dd.
Die Preisänderungsklausel verstößt auch nicht gegen Artikel 3 der Richtlinie 93/13/EWG
über missbräuchliche Klauseln in Verbrauchsverträgen (abgedruckt in: NJW 1993, 1838
ff.). Diese Regelung erfasst, wie sich aus dem Wortlaut des Artikel 3 Abs. 1 der Richtlinie
erschließt, Vertragsklauseln, die nicht im Einzelnen ausgehandelt worden sind. Das kann
- wie soeben dargestellt - für die streitgegenständliche Klausel nicht festgestellt werden.
Zudem führt die Klausel nicht etwa dazu, dass der Verbraucher seinen Verpflichtungen
nachkommen muss, obwohl der Gewerbetreibende seine Verpflichtungen nicht erfüllt,
sodass eine Missbräuchlichkeit gemäß Artikel 3 Abs. 3 der Richtlinie i.V.m. Ziffer 1 o des
Anhangs dazu ohnehin nicht in Betracht kommt; die Klausel hat nicht eine unzumutbare
Einschränkung der Rechte des anderen Teils zur Folge, da jener nicht daran gehindert
ist, die Unwirksamkeit einer Preisanpassung erforderlichenfalls in einem
Rückforderungsprozess geltend zu machen (Brandenb. OLG [5. Zivilsenat], Urteil vom
16.3.2006, Az.: 5 U 75/05; KG GrundE 2004, 887).
2.
Die Klage ist ebenfalls zulässig, aber unbegründet, soweit die Klägerin die Verurteilung
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Die Klage ist ebenfalls zulässig, aber unbegründet, soweit die Klägerin die Verurteilung
der Beklagten zur Erläuterung und Darlegung ihrer Kalkulation der Wärmepreise begehrt.
a)
Auch hier steht nicht entgegen, dass die Klage ursprünglich für die einzelnen Mitglieder
der Klägerin erhoben worden ist und dass in erster Instanz im Einspruchsverfahren eine
ausdrückliche Formulierung von Anträgen nicht stattgefunden hat; auf die
diesbezüglichen Ausführungen im Vorstehenden wird Bezug genommen. Eines
Feststellungsinteresses der Klägerin nach § 256 Abs. 1 ZPO bedarf es nicht, da sie mit
der Erläuterung und Darlegung der Kalkulationsgrundlagen der Beklagten eine konkrete
Leistung abverlangt und es sich insoweit mithin um eine Leistungs- und nicht um eine
Feststellungsklage handelt.
b)
Auch mit diesem Begehren hat die Klägerin jedoch in der Sache keinen Erfolg. Denn ein
Anspruch gegen die Beklagte auf Erläuterung und Darlegung der Kalkulation der
Wärmepreise besteht nicht.
aa)
Der Vertrag vom 29.9.1995 enthält keine Regelung, die die Beklagte zu derartigen
Auskünften verpflichtet.
bb)
Ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB besteht ebenfalls nicht.
Danach ist eine Auskunftspflicht gegeben, wenn und soweit die zwischen den Parteien
bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Berechtigte in
entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im
Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche
Auskunft unschwer erteilen kann (BGH NJW 2002, 3771; 2001, 821, 822; 1995, 386, 387;
Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 261, Rn. 8). Das ist hier nicht der Fall, nachdem - wie
dargestellt - die streitgegenständliche Preisänderungsklausel zwischen den Parteien
rechtswirksam vereinbart worden ist. Das führt nämlich dazu, dass eine Preisänderung
der Beklagten nicht an ihrer Kalkulation der Wärmepreise, sondern allein daran zu
messen ist, ob sie den in der Preisänderungsklausel festgelegten Vorgaben entspricht;
nur nach diesen Maßgaben bemisst sich die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung eines
erhöhten Entgelts oder nach dessen Zahlung das Bestehen eines
Rückforderungsanspruchs. Folglich bedarf es nicht der begehrten Auskunft, um der
Klägerin Klarheit über das Bestehen oder den Umfang eines Anspruchs oder einer
Einwendung im Verhältnis zur Beklagten zu geben.
Für die Durchführung einer Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB, die
demgegenüber eine Berücksichtigung auch der Kalkulationsgrundlagen der Beklagten
gebieten könnte, ist kein Raum. Die streitgegenständliche Preisänderungsklausel sieht
nicht eine Preisänderung nach billigem Ermessen der Beklagten vor, sondern legt im
Rahmen der angegebenen mathematischen Formeln sämtliche Parameter für
Preisänderungen abschließend fest. Mit der wirksamen Vereinbarung der
Preisänderungsklausel beruhen etwaige Preisänderungen zudem nicht auf einer
einseitigen Festsetzung durch die Beklagte, die einer Überprüfung nach § 315 Abs. 3
BGB zugänglich wäre (vgl. BGH NJW 2005, 2919, 2920, m.w.N.), sondern auf einer
Individualvereinbarung der Parteien, die dieser Kontrolle entzogen ist (vgl. BGH NJW-RR
1990, 1204 f.; Brandenb. OLG [5. Zivilsenat] a.a.O.).
3.
Der Hilfsantrag der Klägerin führt ebenfalls nicht zu einer Verurteilung der Beklagten,
und zwar ohne dass es dazu einer Entscheidung in der Sache bedarf. Denn der
Hilfsantrag ist bereits unzulässig, da er erst auf den Einspruch gegen das
Versäumnisurteil vom 12.4.2005 hin gestellt worden ist. Damit ist ein neuer
Streitgegenstand in den Rechtsstreit eingeführt worden, der zur Anwendung des § 263
ZPO führt (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 263 Rn. 2, m.w.N.). Dessen Voraussetzungen sind
jedoch nicht erfüllt, da weder die Beklagte eingewilligt hat noch die Antragstellung als
sachdienlich zu erachten ist. Der Sachdienlichkeit steht entgegen, dass - wie dargestellt
- für eine Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB, wie sie hier für die vorgenommenen
Preisänderungen begehrt wird, wegen der rechtswirksamen Vereinbarung der
Preisänderungsklausel im Vertrag vom 29.9.1995 kein Raum ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 708 Nr. 10, 711
ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da weder die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543
Abs. 2 ZPO.
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