Urteil des LSG Thüringen vom 19.05.2009

LSG Fst: rechtsmittelbelehrung, ausschluss, niedersachsen, entlastung, einfluss, ausnahme, verfahrenskosten, zivilprozessordnung

Thüringer Landessozialgericht
Beschluss vom 19.05.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Nordhausen S 15 AY 2519/07 ER
Thüringer Landessozialgericht L 8 B 246/08 AY
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 29. August 2008 (Versagung von
Prozesskostenhilfe) wird als unzulässig verworfen.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für ein zwischenzeitlich erledigtes erstinstanzliches
Eilverfahren und wendet sich gegen die ablehnende PKH-Entscheidung des Sozialgerichts.
Die Beschwerdeführer erklärten ihren Eilantrag vom 4. Dezember 2007 auf vorläufige Gewährung von Leistungen nach
§ 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes, für dessen Durchführung sie Prozesskostenhilfe beantragt hatten, für erledigt
(Schriftsatz vom 11. Dezember 2007) und beantragten, dem Beschwerdegegner die Verfahrenskosten aufzuerlegen.
Mit unanfechtbarem Beschluss vom 29. August 2008 entschied das Sozialgericht Nordhausen, dass die Beteiligten
einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten haben. Unter Bezug auf die darin gegebene Begründung lehnte
das Sozialgericht mit Beschluss vom selben Tag den Antrag auf Prozesskostenhilfe mangels hinreichender
Erfolgsaussichten ab. Nach der Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses ist die Beschwerde zum Landessozialgericht
eröffnet.
Mit der Beschwerde wenden sich die Beschwerdeführer gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe.
Der Beschwerdegegner hat von einer Stellungnahme in der Sache abgesehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist nicht statthaft und damit unzulässig. Die anderslautende Rechtsmittelbelehrung des
Sozialgerichts führt nicht zur Zulässigkeit des Rechtsmittels.
Nach § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit
Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das
Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Eine solche andere
Bestimmung trifft § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG. Danach ist die Beschwerde gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193
SGG ausgeschlossen. Diese Vorschrift ist erweiternd so auszulegen, dass der Beschwerdeausschluss auch für einen
ablehnenden PKH-Beschluss gilt, der nach der (unanfechtbaren) Kostengrundentscheidung ergeht und dieser in der
Begründung entspricht. Denn ein sachlich nachvollziehbarer Grund, der den Gesetzgeber veranlasst haben könnte,
die Kostengrundentscheidung von der Überprüfung durch das Landessozialgericht auszunehmen, gegen die mit
denselben Erwägungen begründete PKH-Entscheidung jedoch die Beschwerde zu eröffnen, ist nicht ersichtlich. Unter
wirtschaftlichen Aspekten kann die Kostengrundentscheidung für den Betroffenen sogar bedeutsamer sein als die
PKH-Entscheidung, denn die PKH-Bewilligung hat auf die Verpflichtung, die dem Gegner entstandenen Kosten zu
erstatten, keinen Einfluss (§ 127 der Zivilprozessordnung - ZPO). Eine andere Beurteilung würde auch der mit der
Änderung des § 172 SGG verbundenen Zielsetzung der Entlastung der Landessozialgerichte (vgl. BR-Drs. 820/07, S.
28) zuwiderlaufen. Auch der Wortlaut des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG spricht nicht gegen die hier vertretene Ansicht.
Danach ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn das Gericht
ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint hat. Darin
ist jedoch keine abschließende Regelung für den Ausschluss von Beschwerden bei ablehnenden Prozesskostenhilfe-
Entscheidungen zu sehen. Vielmehr stellt § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG klar, dass im sozialgerichtlichen Verfahren die
Beschwerde zusätzlich zu den in § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO geregelten Fällen auch in den Fällen ausgeschlossen ist,
in denen Prozesskostenhilfe ausschließlich wegen der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen abgelehnt
worden ist (ausführlich dazu LSG Niedersachsen-Bremen vom 15. Juli 2008, Az.: L 12 B 18/07 AL; LSG Baden-
Württemberg vom 5. Dezember 2008, Az.: L 8 AS 4968/08, PKH-B, jeweils zitiert nach juris).
Im Übrigen wäre die Beschwerde auch unbegründet. Die Beschwerdeführer haben keinen Anspruch auf Gewährung
von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO erhält derjenige Prozesskostenhilfe, der nach seinen persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen
kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht
mutwillig erscheint.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine Aussicht auf Erfolg.
Dabei sind die Erfolgsaussichten grundsätzlich nach dem Sach- und Streitstand zur Zeit der Beschwerdeentscheidung
zu beurteilen. In einem nicht mehr anhängigen Verfahren haben Rechtsverfolgung und -verteidigung keine Aussicht
auf Erfolg mehr. Hier darf nur dann rückwirkend Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn das Erstgericht die
Bewilligung durch nachlässige oder fehlerhafte Bearbeitung verzögert hat (vgl. Philippi in Zöller, ZPO, 27. A., § 127
Rdnr. 50).
Nach diesen Grundsätzen kommt eine Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren
vorliegend nicht in Betracht. Denn das Verfahren, für das Prozesskostenhilfe begehrt wird, ist mit der Erklärung der
Beschwerdeführer im Schriftsatz vom 11. Dezember 2007 erledigt, so dass das Eilverfahren danach keine Aussicht
auf Erfolg mehr haben kann. Es kann auch nicht davon die Rede sein, dass das Sozialgericht die Entscheidung über
den am 4. Dezember 2007 eingegangenen Antrag auf Prozesskostenhilfe schuldhaft verzögert hätte.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).