Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 24.02.2010

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Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Urteil vom 24.02.2010 (rechtskräftig)
Sozialgericht Lübeck S 3 KR 384/07
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht L 5 KR 3/09
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 13. November 2008 aufgehoben. Die
Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander für beide Rechtszüge nicht zu
erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. &8195;
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger bei der Beigeladenen zu 2) versicherungspflichtig beschäftigt ist.
Der 1961 geborene Kläger ist zusammen mit dem 1960 geborenen V. M. Geschäftsführer der Beigeladenen zu 2),
einer gGmbH. Er ist von Beruf Krankenpfleger, hatte von 1984 bis 1996 als solcher gearbeitet und war von 1996 bis
1999 Pflegedienstleiter in dem eingetragenen Verein F. a. P ... Dieser Verein ist alleiniger Gesellschafter der
Beigeladenen zu 2). Er hat 7 Mitglieder, nämlich den Kläger, V. M., deren beide Ehefrauen sowie drei weitere
nahestehende Mitglieder. Die beiden Geschäftsführer und ihre Ehefrauen bilden den vierköpfigen Vorstand des
Vereins. Im Juli 2000 hat der Kläger eine Bürgschaftserklärung für einen Kredit der Beigeladenen zu 2) in Höhe von
25.000,00 DM abgegeben; deren Grundkapital beträgt 25.000,00 EUR.
Der Geschäftsführervertrag des Klägers mit der Beigeladenen zu 2) ist unbefristet abgeschlossen, endet mit
Vollendung seines 65. Lebensjahres und ist nur aus wichtigem Grund kündbar. Der Kläger ist
alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit (§ 1). Er hat seine gesamte
Arbeitskraft der Beigeladenen zu 2) zur Verfügung zu stellen, ist nicht an bestimmte Arbeitszeiten gebunden, hat ihr
jedoch jederzeit nach den Erfordernissen zur Verfügung zu stehen. Eine Nebentätigkeit ist ihm grundsätzlich erlaubt.
Er ist an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden und Dienstvorgesetzter sämtlicher Arbeitnehmer
der Gesellschaft. Zustimmungspflichtig sind der Erwerb, die Veräußerung und Belastung von Grundstücken und
grundstücksgleichen Rechten, Sachinvestitionen über 10.000,00 DM, Übernahme von Bürgschaften und die Erteilung
von geschäftsunüblichen Kreditaufträgen, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, der Erwerb, die Veräußerung,
Belastung und Veränderung von Beteiligungen sowie nicht geschäftsübliche Rechtsgeschäfte (§ 3). Das Jahresgehalt
wurde auf 102.000,00 DM zu monatlichen Teilbeträgen in Höhe von 8.500,00 DM festgesetzt (§ 4). Der Kläger hat
einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen (§ 6) sowie einen Anspruch auf Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall (§ 7).
Er unterliegt einem Wettbewerbsverbot (§ 8). Die Änderung des Vertrages bedarf der Schriftform (§ 10).
Die Beigeladene zu 2) ist aufgrund des Gesellschaftsvertrages vom 12. April 1999 gegründet und am 27. Oktober
1999 in das Handelsregister eingetragen worden. Sie ist ein gemeinnütziges Unternehmen; der Gesetzeszweck ist auf
die Pflege und Unterstützung von Personen gerichtet, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen
Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen sind sowie alle damit direkt im Zusammenhang stehenden Geschäfte (§ 2
Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages). Gesellschafterbeschlüsse bedürfen nach § 8 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages
der einfachen Mehrheit, einer qualifizierten Mehrheit von 75 % bedarf die Erhöhung des Stammkapitals, die Auflösung
der Gesellschaft, die Änderung der für Gesellschafterbeschlüsse erforderlichen Mehrheiten und die Änderung der
Regelung über die Gewinnverteilung (§ 8 Abs. 4).
Für den Kläger und den Mitgeschäftsführer M. wurden Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Am 13. September
2005 beantragten sie bei der Beigeladenen zu 1) die Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status.
Nachdem die Beigeladene zu 1) sich am 23. September 2005 für unzuständig erklärt hatte, stellte der Kläger bei der
Beklagten am 6. Oktober 2005 einen gleichgerichteten Antrag, ebenso der Mitgeschäftsführer M. bei der für ihn
zuständigen Einzugsstelle. Die Feststellung von dessen Versicherungspflicht durch die Einzugsstelle wurde durch
rechtskräftiges Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 28. Februar 2008 aufgehoben und die Einzugsstelle verpflichtet,
festzustellen, dass der Geschäftsführer M. nicht versicherungspflichtig sei (S 3 KR 531/06; SG Lübeck). In jenem
Verfahren war der Kläger dieses Verfahrens beigeladen.
Der Kläger trug gegenüber der Beklagten vor, er sei zwar Fremdgeschäftsführer, jedoch nicht versicherungspflichtig,
da er und der Mitgeschäftsführer sowie deren beide Ehefrauen den Vorstand des alleinigen Gesellschafters der
Beigeladenen zu 2) bildeten. Da die beiden Paare den Trägerverein beherrschten, sei es faktisch bedeutungslos, dass
er – der Kläger - als Geschäftsführer den Weisungen der Mitgliederversammlung des Gesellschafters unterliege. Die
Ehefrauen der beiden Geschäftsführer nähmen praktisch keinen Einfluss auf die Führung der Gesellschaft. Seine
Ehefrau sei Leiterin der Qualitätskontrolle und bei der Beigeladenen zu 2) versicherungspflichtig beschäftigt. Die
Ehefrau des Mitgeschäftsführers M. sei bei einem anderen Arbeitgeber angestellt und habe keinen Einfluss auf die
Geschäftsführung. Er und der Mitgeschäftsführer seien als Einrichtungsleiter ausgebildet und in fachlicher Hinsicht
allein qualifiziert, die Gesellschaft zu führen. Ergänzend führte er aus, seine regelmäßige tarifliche wöchentliche
Arbeitszeit betrage zwar 38,5 Wochenstunden, die tatsächliche durchschnittliche Arbeitszeit jedoch 70 bis 75
Stunden. Mit Bescheid vom 5. Dezember 2005 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger bei der Beigeladenen zu 2)
sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei. Seine Tätigkeit sei arbeitsvertraglich geregelt. Er verfüge über keine
Mehrheitsbeteiligung, sei in den Betrieb eingegliedert und habe Beschlüsse der Gesellschafter auszuführen. In
vielfacher Hinsicht könne er die Tätigkeit der Gesellschaft nicht alleine und frei bestimmen, insbesondere bei den
Rechtsgeschäften, zu denen er eine Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfe. Er erhalte eine monatliche
Vergütung und eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall von sechs Wochen. Die Tatsache, dass der Kläger, der
Mitgeschäftsführer und deren Ehefrauen den Vorstand der Gesellschafterin der Beigeladenen zu 2) bildeten, ändere
daran nichts.
Dagegen legte der Kläger am 19. Januar 2006 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, eine nicht
versicherungspflichtige Tätigkeit eines Geschäftsführers sei nicht nur dann anzunehmen, wenn er eine
Kapitalmehrheit in dem Unternehmen besitze, sondern könne auch dann vorliegen, wenn er am Gesellschaftskapital
gar nicht beteiligt sei. Maßgeblich hierfür sei, dass er das Unternehmen nicht wie ein fremdes, sondern wie ein
eigenes führe. Entscheidend sei ferner, ob die Gesellschafter unabhängig von ihrer rechtlichen Möglichkeit auch
tatsächlich von ihrer Weisungsbefugnis auf den Geschäftsführer Gebrauch gemacht hätten. Er könne seine Arbeit in
jeder Hinsicht zeitlich und organisatorisch aufgrund der Bestimmungen des Geschäftsführervertrages ausüben. Er
habe noch nie vom Gesellschafter Weisungen bezüglich der Arbeitszeit oder der Ausführung der Arbeit erhalten.
Tatsächlich arbeite er länger als arbeitsvertraglich vereinbart. Die Arbeitsleistung verrichte er teilweise zuhause,
teilweise im Filialbetrieb in Volksdorf und teilweise im Hauptbetrieb in H-A. Er leite die Beigeladene zu 2). Faktisch
führten er und der Mitgeschäftsführer M. auch die Geschäfte in dem Vorstand des Gesellschafters, in dem sie
zusammen einen Stimmanteil von 50 % hätten. Ohne ihre Zustimmung sei damit keine Entscheidung auf
Gesellschafterseite möglich. Die Ehefrauen übten ihr Stimmrecht nicht abweichend von dem der beiden
Geschäftsführer aus. Mangels berufliche Qualifikation und Sachkenntnis wären sie nicht dazu in der Lage, ihnen –
den Geschäftsführern – Weisungen zu erteilen. Die Grundsätze familiärer Rücksichtnahme innerhalb von
Gesellschaften kommen hierbei zum Tragen. Wesentliche Entscheidungen, wie z. B. den Ankauf eines
Pflegedienstes in H-V für 250.000,00 DM, eine Darlehensaufnahme über 25.000,00 DM, für die er die Bürgschaft
abgegeben habe, den Ankauf mehrerer Firmenfahrzeuge hätten die Geschäftsführer alleine getroffen. Weder er noch
der Mitgeschäftsführer unterlägen einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis. Seit 1999 hätten sich weder der
Mitgliederbestand noch der Vorstand des Gesellschafters geändert, der Vorstand werde immer für drei Jahre gewählt.
Er entscheide auch über die Aufnahme neuer Mitglieder. Faktisch hätten die beiden Geschäftsführer damit die
Entscheidungsmacht darüber, ob neue Mitglieder in den Gesellschafter der Beigeladenen zu 2) aufgenommen würden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie
aus, allein die weisungsfreie Ausführung einer fremdbestimmten Arbeit spreche nicht für eine selbstständige Tätigkeit.
Ein Fremdgeschäftsführer sei nicht in einer von ihm selbst vorgegebenen Ordnung des Betriebs eingegliedert. Er dürfe
nur im Rahmen des Gesellschaftsvertrages und der Gesellschafterbeschlüsse handeln. Das gelte auch dann, wenn
die Gesellschafter ihre Überwachungsaufgaben nicht wahrnähmen. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der
Geschäftsführer die Arbeitszeit, den Ort, die Dauer und den Umfang der Arbeit frei bestimmen könne. Der Kläger habe
keine Mehrheitsbeteiligung an dem Gesellschafter der Beigeladenen zu 2), sondern lediglich einen Stimmanteil von 25
v. H ... Die Tatsache, dass die Ehefrauen beider Geschäftsführer ebenfalls Stimmrechte hätten, sei unerheblich,
ebenso wie die Kontinuität der Vereinsmitglieder. Der Kläger könne die Entscheidungen des Vereinsvorstandes nicht
selbst beeinflussen, zumal seine Ehefrau in der GmbH mitarbeite und damit nicht nur einen oberflächlichen Einblick in
die Unternehmensabläufe habe. Die Tatsache, dass er sich für eine Schuld der Beigeladenen zu 2) verbürgt habe,
ändere an der Bewertung der Umstände ebenfalls nichts. Demgegenüber sprächen das feste Gehalt und der
Lohnfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall für eine abhängige Beschäftigung des Klägers, der kein eigenes
Unternehmerrisiko trage.
Gegen die Entscheidung hat der Kläger am 7. Juni 2007 beim Sozialgericht Lübeck Klage erhoben. Zur Begründung
hat er ausgeführt, der Gesellschafter der Beigeladenen zu 2) verfüge über keinen Verwaltungsrat, der die Geschäfte
führe. Vielmehr ge¬stalteten er und der Mitgeschäftsführer die gesamte Ordnung des Betriebes der Beigeladenen zu
2). Bei der Betriebskonstellation seien die vereinsrechtlichen Belange des Gesellschafters und die
Familienkonstellation zu berücksichtigen. In dem Vorstand des Gesellschafters hätten seine Frau und er ebenso wie
der Mitgeschäftsführer und dessen Ehefrau jeweils 50 v. H. der Stimmrechte. Die Ehefrauen übten ihr formales
Stimmrecht jedoch nicht aktiv aus. Selbst wenn sie dies täten, könnten sie gegenüber den Geschäftsführern keine
Mehrheit erlangen und ihnen gegenüber Weisungen durchsetzen. Die familiären Konstellationen führten dazu, dass die
Geschäftsführer trotz geringerer Beteiligung am Kapital faktisch den Betrieb führten. Die Mitgliederversammlung des
Gesellschafters sei nicht in der Lage, eine Fremdsteuerung über den Betrieb der Beigeladenen zu 2) auszuüben. Die
Geschäftsführer hätten tatsächlich in den letzten Jahren auch alle Geschäfte ohne Beteiligung des Gesellschafters
abgewickelt. Die Tatsache, dass sein Geschäftsführervertrag bis zum 65. Lebensjahr abgeschlossen sei, zeige, dass
er die faktische Möglichkeit gehabt habe, den Vertragsinhalt nach seinen Interessen zu gestalten.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 5. Dezember 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2005
aufzuheben und festzustellen, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs. 1 SGB IV nicht vorliegt.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen und erneut darauf hingewiesen, dass der Kläger kein
unternehmerisches Risiko trage. Allein die Übernahme einer Bürgschaft hindere die Annahme eines
Beschäftigungsverhältnisses nicht.
Das Sozialgericht hat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung am 13. November 2008 die
angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, festzustellen, dass die Tätigkeit des Klägers als
Geschäftsführer der Fa. a.P. gGmbH seit dem 11. August 2003 nicht versicherungspflichtig sei. Es hat dabei auf die
Tatsache abgestellt, dass seit dem 11. August 2003 der Vorstand des Gesellschafters der Beigeladenen zu 2) aus
den Geschäftsführern und ihren Ehefrauen besteht. Der Kläger habe bereits aufgrund des
Geschäftsführeranstellungsvertrages eine nahezu uneingeschränkte Gestaltungsfreiheit für seine Tätigkeit. Seine
Entscheidungsfreiheit werde durch keine Regelungen wesentlich eingeschränkt. Entgegen anderen
Arbeitsverhältnissen sei sein Geschäftsführervertrag nur außerordentlich kündbar und ende im Übrigen erst mit
Vollendung des 65. Lebens¬jahres. Auch faktisch ständen seiner freien Geschäftsführertätigkeit keine Umstände
entgegen. Das Direktions- und Weisungsrecht könne nur vom Vorstand des Gesellschafters ausgeübt werden, es sei
aber nicht davon auszugehen, dass ein Direktionsrecht tatsächlich ausgeübt werde. Denn der Vorstand bestehe zur
Hälfte seiner Mitglieder aus den beiden Geschäftsführern und zu einer weiteren Hälfte aus deren Ehefrauen und fasse
im Übrigen seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit. Damit seien die Geschäftsführer in der Lage, ihnen nicht
passende Beschlüsse zu verhindern. Ferner seien die familiären Beziehungen innerhalb des Vorstandes des
Gesellschafters zu berücksichtigen. Schließlich hätten der Kläger und der Mitgeschäftsführer allein vertiefte
Branchenkenntnisse. Wenigstens mittelbar trage der Kläger ein unternehmerisches Risiko, da er für die Hälfte der
Stammeinlage eine Bürgschaft übernommen habe.
Gegen das ihr am 10. Dezember 2008 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 8. Januar
2009 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Die Beteiligten wiederholen und vertiefen
den erstinstanzlichen Vortrag. Die Beklagte führt aus, die Übernahme einer Bürgschaft begründe noch kein
unternehmerisches Risiko, wie es für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit erforderlich wäre.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 13. November 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er führt aus, die Gewinne des Unternehmens der Beigeladenen zu 2) könnten zwar nicht beliebig verwendet werden.
Die Tätigkeit als deren Geschäftsführer stelle aber seine wirtschaftliche Existenz dar. Gehe es dem Unternehmen
schlecht, beeinträchtige dies seine eigene wirtschaftliche Position. Im Falle der Insolvenz sei er aufgrund der
Bürgschaft unmittelbar betroffen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Senat den Kläger angehört. Die Verwaltungsakte der Beklagten, die den
Mitgeschäftsführer M. betreffende Verfahrensakte S 3 KR 531/06 und die Verfahrensakte dieses Verfahrens haben
dem Senat vorgelegen. Zur Ergänzung der Einzelheiten wird darauf Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat
das Sozialgericht die Entscheidung der Beklagten aufgehoben. Diese ist rechtmäßig, denn der Kläger ist bei der
Beigeladenen zu 2) als Geschäftsführer versicherungspflichtig beschäftigt.
Die Klage ist zulässig, obwohl der Kläger in dem Verfahren S 3 KR 531/06 des Sozialgerichts Lübeck beigeladen war.
Dies hindert die Anfechtung der angefochtenen Bescheide der Beklagten durch den Kläger nicht, denn jenes
Verfahren S 3 KR 531/06 betraf die Frage, ob der Mitgeschäftsführer M. versicherungspflichtig beschäftigt war. Selbst
wenn die Verhältnisse zwischen den beiden Geschäftsführern gleich gelagert gewesen sein sollten, ist der
Streitgegenstand nicht identisch, sodass keine Rechtskrafterstreckung vorliegt.
Die Beklagte ist nach § 28h Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) für die Entscheidung über die
Versicherungspflicht des Klägers zuständig. Nach dieser Vorschrift entscheidet die Einzugsstelle (gemäß § 28h Abs.
1 Satz 1 SGB IV die Krankenkasse) über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und
Rentenversicherung. Sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid. Zwar können die Beteiligten gemäß § 7a Abs. 1
Satz 1 SGB IV eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, sofern nicht bereits die Einzugsstelle
oder ein anderer Versicherungsträger ein Überprüfungsverfahren eingeleitet hat. Das derart eingeleitete
Anfrageverfahren wird von dem zuständigen Rentenversicherungsträger durchgeführt. Um ein solches
Überprüfungsverfahren handelt es sich hier jedoch nicht. Denn es ging dem Kläger und der Beigeladenen zu 2) nicht
vordringlich um die abstrakte Feststellung, ob der Kläger bei der Beigeladenen zu 2) versicherungspflichtig beschäftigt
ist, sondern um die konkrete Feststellung, nicht mehr – wie bisher – sozialversicherungs- und beitragspflichtig tätig zu
sein.
Die Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers durch die Beklagte ist zutreffend. Die
Sozialversicherungspflicht setzt eine abhängige Beschäftigung im Sinne des § 7 SGB IV voraus. Das folgt für die
Arbeitslosenversicherung aus § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch, für die gesetzliche
Krankenversicherung aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, für die Rentenversicherung aus § 1 Nr. 1
Sechstes Buch Sozialgesetzbuch und für die soziale Pflegeversicherung aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 Elftes Buch
Sozialgesetzbuch. Nach diesen Vorschriften sind Angestellte oder Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt
sind, in diesen Versicherungszweigen versicherungspflichtig. Nach § 7 Abs. 1 SGB IV, der gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2
SGB IV auch für die Arbeitslosenversicherung gilt, ist die Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere
in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für die Beschäftigung eine Tätigkeit
nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Beschäftigter ist, wer von
einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Die persönliche Abhängigkeit erfordert die Eingliederung in den Betrieb und
damit die Unterordnung unter das vor allem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassende
Weisungsrecht des Arbeitgebers. Das Weisungsrecht kann zwar erheblich eingeschränkt sein, vollständig entfallen
darf es jedoch nicht. Die Beschäftigung setzt eine fremdbezogene Tätigkeit voraus, die Dienstleistung muss also
zumindest in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung eines Betriebes aufgehen. Dies hat vor allem bei der
Verrichtung von Diensten höherer Art Bedeutung und bei solchen Tätigkeiten, die weitgehend eigenverantwortlich
ausgeübt werden. Hier wandelt sich die Weisungsunterworfenheit hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Tätigkeit um in eine
so genannte funktionsgerecht dienende Teilnahme am fremd vorgegebenen Arbeitsprozess (grundlegend dazu BSG,
Urteil vom 29. März 1962 – 3 RK 74/57 = BSGE 16, 289; Urteil des Senats vom 26. April 2006, L 5 KR 37/05). Wenn
ein Weisungsrecht in diesem Sinne vorhanden ist, der Betreffende seine Tätigkeit im Sinne einer selbst vorgegebenen
Arbeitsorganisation verrichten kann oder wenn er sich nur in die von ihm selbst vorgegebene Ordnung des Betriebes
einfügt, liegt keine abhängige, sondern eine selbstständige Tätigkeit vor, die regelmäßig durch ein Unternehmerrisiko
gekennzeichnet ist (vgl. BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 12/3/12 RK 39/74 = BSGE 75, 199; Urteile des Senats
vom 23. Juli 1998, L 1 KR 11/95 und vom 10. Dezem¬ber 2008, L 5 KR 15/08). Die Kriterien für die Annahme einer
abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung gegeneinander
abzuwägen. Jedes Kriterium hat dabei lediglich indizielle Wirkung. Die Abgrenzung ist ausgehend von der Rechtslage
vorzunehmen, die zwischen den Beteiligten des Arbeitsprozesses bestanden hat. Maßgeblich sind die
Vertragsvereinbarungen oder, wenn solche nicht getroffen worden sind, der weitere rechtliche Rahmen, innerhalb
dessen die Arbeiten verrichten werden. Eine im Widerspruch hierzu stehende tatsächliche Ausgestaltung der
Beziehungen und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der
Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten des Arbeitsprozesses geht der insoweit nur formalen Vereinbarung vor,
soweit eine formlose Abbedingung rechtlich möglich ist. Andererseits ist es unerheblich, wenn eine Rechtsposition
tatsächlich nicht ausgeübt worden ist, solange sie nicht wirksam abbedungen ist. Entscheidend ist hierbei auf die
jeweilige Rechtsmacht der am Arbeitsprozess Beteiligten abzustellen (BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR
31/06 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 7).
Trotz seiner Organstellung gemäß § 35 Abs. 1 GmbH-Gesetz ist ein GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich abhängig
Beschäftigter (Urteil des Senats vom 15. Mai 2009, L 5 KR 91/08). Dies gilt auch, obwohl er regelmäßig
bestimmendes Organ der Gesellschaft ist und die Arbeitsabläufe einrichtet, wie es auch offensichtlich bei dem Kläger
der Fall war. Denn auf der gesellschaftsrechtlichen Ebene unterliegt er den Weisungen der
Gesellschafterversammlung, die zwar nicht das Tagesgeschäft, aber die gesellschaftsrechtlichen und damit
unternehmerischen Geschicke der GmbH bestimmen. Dass Geschäftsführer im Hinblick auf das tägliche Geschäft
von den Gesellschaftern keine Weisungen erhalten, entspricht ihrer vorgegebenen Stellung im Unternehmen. Die
Position eines GmbH-Geschäftsführers kann sich jedoch dann ändern, wenn er in seiner gleichzeitigen Eigenschaft
als Mitgesellschafter auch maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH hat und damit Einzelweisungen,
die an ihn in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer gerichtet sind, im Bedarfsfalle jederzeit verhindern kann. Diese
Grundsätze gelten selbst dann, wenn alle Gesellschafter der GmbH zugleich Geschäftsführer sind (BSG vom 4. Juli
2007 – B 11a AL 5/06 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 8). Unerheblich ist es daher, dass der Kläger und der
Mitgeschäftsführer M. einen Stimmanteil von 50 % im Vorstand des Gesellschafters haben sowie auch der hälftige
Stimmanteil des Klägers und seiner Ehefrau gemeinsam. Die Tatsache, dass die Beigeladene zu 2) eine
gemeinnützige GmbH ist, ändert daran nichts. Eine derartige gesellschaftsrechtliche Position, mit der er fremde
Weisungen von sich in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer verhindern kann, hat der Kläger nicht inne. Er ist nicht
Gesellschafter der Beigeladenen zu 2), sondern lediglich ein Vorstandsmitglied des Gesellschafters. Die Grundsätze,
die für die Abwehr von Weisungsrechten innerhalb einer GmbH aufgestellt sind, müssen jedoch in gleicher Weise auf
die Verhältnisse innerhalb des Gesellschafters der Beigeladenen zu 2) übertragen werden. Hierbei handelt es sich um
einen Verein, der sieben Mitglieder hat. Die Willensbildung des Vereins erfolgt über dessen Vorstand (§ 26 Abs. 2
BGB). Den oben dargestellten Kriterien gemäß hat der Kläger keine selbstständige Position, da er im Vorstand von
den übrigen drei Vorstandsmitgliedern überstimmt werden kann. Der Vorstand des Gesellschafters der Beigeladenen
zu 2) fasst seine Beschlüsse regelmäßig mit einfacher Mehrheit. Der Kläger hat lediglich 25 % der Stimmanteile in
dem Gremium.
Allerdings hat das BSG Ausnahmen von dieser gesellschaftsrechtlichen Betrachtung dann zugelassen, wenn ein
externer Geschäftsführer in der GmbH "schalten und walten" kann, wie er will, weil er die Gesellschafter persönlich
dominiert und weil sie wirtschaftlich von ihm abhängig sind, was insbesondere bei Familiengesellschaften in Betracht
kommen kann (BSG, USK 9975 Seite 419). Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. Denn der weitere
Geschäftsführer M. ist sowohl in der Beigeladenen zu 2) tätig als auch Mitglied des Vorstandes des Gesellschafters.
Ferner arbeitet die Ehefrau des Klägers, die Vorstandsvorsitzende des Gesellschafters der Beigeladenen zu 2) ist, bei
dieser ebenfalls mit. Die übrigen Vorstandsmitglieder und insbesondere der weitere Geschäftsführer des Beigeladenen
zu 2) wären daher auch ohne den Kläger in der Lage, die Beigeladene zu 2) weiterzuführen.
Zu Unrecht beruft sich der Kläger darauf, dass Weisungen in der Vergangenheit nicht erteilt worden sind. Auf diese
tatsächliche Ausübung in der Vergangenheit kommt es nicht an, sondern maßgeblich sind die rechtlichen
Möglichkeiten. Für die Frage der Versicherungspflicht ist nicht darauf abzustellen, wie im Falle eines
einvernehmlichen Wirtschaftens verfahren wird, sondern entscheidend sind die rechtlichen Verhältnisse
heranzuziehen, die zum Tragen kommen, wenn unterschiedliche Auffassungen bestehen. In dem Fall wäre der Kläger
in der Minderheit und die anderen Vorstandsmitglieder könnten ihm in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der
Beigeladenen zu 2) Weisungen erteilen.
Die wirtschaftlichen Hintergründe sprechen ebenfalls nicht für eine selbstständige Tätigkeit des Klägers. Zwar trägt er
vor, dass die Beigeladene zu 2) seine wirtschaftliche Lebensgrundlage darstellt. Dies ist jedoch bei jedem
Arbeitnehmer der Fall und zeichnet den Kläger nicht nachhaltig gegenüber anderen abhängig Beschäftigten aus. Die
Tatsache, dass er für eine Verbindlichkeit der Beigeladenen zu 2) gebürgt hat, führt ebenfalls zu keinem anderen
Ergebnis. Die Darlehenshingabe begründet grundsätzlich keine unternehmerische wirtschaftliche Position, da der
Darlehensgeber wie ein externer Dritter zu behandeln ist. Nichts Anderes gilt für einen Bürgen, der dann erst
verpflichtet wird, wenn der Hauptschuldner nicht in der Lage ist, die Schuld zu tilgen. Wirtschaftlich gesehen hat der
Kläger somit zwar ein erhebliches Interesse an dem Fortbestehen der Beigeladenen zu 2), dies geht jedoch nicht über
das Interesse eines jeden Arbeitnehmers am Fortbestand der Beschäftigungsfirma und über die Interessen eines
dritten Darlehensgebers hinaus.
Schließlich zeigt § 3 des Geschäftsführervertrages selbst erhebliche Beschränkungen des Klägers auf, die für einen
selbstständig tätigen Unternehmer nicht gelten. Unerheblich ist, ob der Kläger für die Beigeladene zu 2) tatsächlich
Rechtshandlungen vorgenommen hat, die den Rahmen von § 3 übersteigen. Denn es kommt auf die vertragliche
Rechtsmacht des Klägers an, die gemäß § 10 des Vertrages nur schriftlich erweitert werden kann.
Nach alledem kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass die überwiegenden Gesichtspunkte für eine abhängige
Beschäftigung des Klägers bei der Beigeladenen zu 2) sprechen, auch wenn er einen sehr großen Einfluss auf deren
Geschäftsbetrieb und auch über den Vorstand des Gesellschafters auf den Bestand der Beigeladenen zu 2)
auszuüben vermag. Dies verleiht ihm jedoch keine Position, mit der er fremde Weisungen von sich als
Geschäftsführer hindern kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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