Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 14.01.2010

LSG San: anspruch auf bewilligung, somatoforme schmerzstörung, berufliche tätigkeit, leistungsfähigkeit, erwerbsfähigkeit, ablauf der frist, verbesserung des gesundheitszustandes, erwerbsunfähigkeit

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
Urteil vom 14.01.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Halle (Saale) S 10 RJ 181/03
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 3 RJ 139/04
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 19. Juli 2004 und der Bescheid der Beklagten vom 5. November 2002 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2003 werden geändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin
Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. November 2006 bis zum 31. Oktober 2012 zu bewilligen. Im Übrigen
wird die Berufung zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Weiterbewilligung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 30. Juni 2002 hinaus
streitig.
Die am ... 1957 geborene Klägerin absolvierte vom 1. September 1973 bis zum 25. Juni 1975 erfolgreich eine
Ausbildung zum Wirtschaftskaufmann. Sie war dann vom 26. Juni 1975 bis zum 12. Juli 1978 als Sachbearbeiterin im
VEB M. N. beschäftigt. Nach ihren Angaben gab sie diesen Beruf aus gesundheitlichen Gründen auf. Vom 1.
September 1978 bis zum 5. Oktober 1978 war sie in einer Bäckerei als Verkäuferin beschäftigt, vom 2. Januar 1984
bis zum 11. Oktober 1985 als Kundendienstfacharbeiter, vom 15. Januar 1986 bis zum 5. November 1986 als
Häklerin, vom 1. Juli 1994 bis zum 31. Januar 1995 sowie vom 1. Februar 1996 bis zum 31. Juli 1997 als
Sachbearbeiterin. Schließlich arbeitete sie vom 7. Juli 1998 bis zum 1. November 1999 als (ungelernte) Altenpflegerin.
Seit Januar 1999 war sie zunächst arbeitsunfähig erkrankt, dann arbeitslos und hat seitdem keine
versicherungspflichtige Beschäftigung mehr ausgeübt.
Am 2. Mai 2000 hatte die Klägerin erstmals bei der Beklagten die Bewilligung von Rente wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit beantragt. Die Beklagte hatte zunächst u.a. den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik Göhren
vom 27. September 1999 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 19. August bis zum 9. September 1999
beigezogen. Dort sind als Diagnosen ein pseudoradikuläres Halswirbelsäulen (HWS)-Syndrom rechts betont bei
muskulären Dysbalancen und Haltungsinsuffizienz, eine Epicondylosis lateralis humeri rechts mehr als links, ein
geringgradiges Thorakalsyndrom bei muskulären Dysbalancen und eine Wirbelsäulenhaltungsinsuffizienz sowie der
Verdacht auf ein somatoformes Schmerzsyndrom genannt. Die Klägerin hatte bei einer Körpergröße von 163 cm bei
der Aufnahme 48 kg und bei der Entlassung 49 kg gewogen. Es seien muskuläre Imbalancen mit Verspannungen und
Verkürzungen sowie Insuffizienzen der Nacken- und Schultergürtelmuskulatur, der interskapulären Muskulatur sowie
auch der Muskelfunktionsketten der Lendenwirbelsäule (LWS) und des LBH-Bereiches aufgefallen. Typische
Tenderpoints eines Fibromyalgiesyndroms seien nicht nachweisbar gewesen. Im Rahmen der durchgeführten
psychosomatischen Konsiliaruntersuchung sei deutlich geworden, dass bei einem die Schmerzsymptomatik nicht
hinreichend erklärenden morphologischen Korrelat die Gesamtbeschwerdesymptomatik im Sinne eines somatoformen
Schmerzsyndroms zu interpretieren sei, aufgrund eines möglichen Versorgungs-Autarkie-Konfliktes. Bei der
ausführlichen Besprechung der psychosomatischen Zusammenhänge habe sich gezeigt, dass bei ausgeprägtem
Widerstandsverhalten derzeit eine Psychotherapiemotivation nicht gegeben sei und ein Therapieansatz nicht habe
verwirklicht werden können. Das Leistungsvermögen der Klägerin sei mäßiggradig eingeschränkt. Bezogen auf die
letzte berufliche Tätigkeit könnten leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig verrichtet werden. Vermieden
werden sollten jedoch wegen der Wirbelsäulenerkrankung Arbeiten mit ständig oder überwiegend einseitiger
Körperhaltung, insbesondere mit ständigen oder überwiegenden Tätigkeiten in tiefer Bückhaltung oder im Hocken
sowie Arbeiten, die mit gleichzeitiger Rumpfbeugung und Rumpfdrehung einhergehen. Angestrebt werden sollte ein
dynamisches Wechselbelastungsprofil zwischen Sitzen, Stehen und Gehen. Unter Berücksichtigung dieser
Einschränkungen sei auch die letzte berufliche Tätigkeit als Altenpflegehelferin weiterhin zumutbar. Die Klägerin fühle
sich jedoch für die letzte berufliche Tätigkeit nicht belastbar.
Sodann hatte die Beklagte einen Behandlungs- und Befundbericht von der Praktischen Ärztin Dr. H. vom 16. Mai 2000
eingeholt und eine nervenfachärztliche Begutachtung von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. T. vom 8.
/15. August 2000 veranlasst. Nach Auffassung von Dr. T. bestünden bei der Klägerin ein Zervikobrachialsyndrom
rechts sowie ein thorakales und lumbales Schmerzsyndrom. Aufgrund der psychoasthenischen Persönlichkeitszüge
sei vom Verdacht auf ein somatoformes Schmerzsyndrom auszugehen. Anhaltspunkte für ein depressives Syndrom
hätten sich bei der Begutachtung nicht ergeben. Die Klägerin sei aber auch nicht bereit, eine Psychogenese ihres
Beschwerdebildes hinzunehmen. Trotz Behandlungsbedürftigkeit könne eine berufliche Tätigkeit im erlernten Beruf
(Bürotätigkeit) vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wahrgenommen werden. Hinsichtlich der letzten
Tätigkeit als Altenpflegerin bestünden aus seiner Sicht Bedenken.
Die Klägerin hatte daraufhin vom 22. Januar bis zum 12. Februar 2001 an einer Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik
G. in Glottertal teilgenommen. Dort waren im Entlassungsbericht vom 22. Februar 2001 die Diagnosen eines
chronischen Schmerzsyndroms sowie eines Fibromyalgiesyndroms gestellt worden. Aufgrund der chronischen
Schmerzsymptomatik vor dem Hintergrund der generalisierten Tendomyopathie sei die allgemeine körperliche und
seelische Belastbarkeit eingeschränkt. Leichte körperliche Tätigkeiten könnten halb- bis untervollschichtig verrichtet
werden. Überforderungssituationen, Arbeiten unter Zeitdruck, Akkordarbeit, komplexe Arbeitsabläufe, Schicht- oder
Nachtschichttätigkeiten sollten vermieden werden. Zur Psychodynamik ist ausgeführt, dass die verschlossene und
misstrauisch wirkende Klägerin einerseits resigniert, andererseits nicht deutlich gequält durch die
Schmerzsymptomatik gewirkt habe. Den jetzigen Aufenthalt habe sie als Pflichtprogramm absolviert, ohne eigentliche
Hilfe zu erhoffen. In ihrer weiteren Perspektive sei die Klägerin ganz auf das Erreichen der Rente eingestellt, die
Schmerzen sehe sie als Folgen der hohen körperlichen Belastung im Altenpflegeheim. Vor dem Hintergrund der
chronischen Schmerzsymptomatik und der psychomentalen Situation werde die Klägerin in ihrer zuletzt ausgeübten
Tätigkeit als Altenpflegerin sehr schnell an ihre Leistungsgrenzen kommen, mit der Folge, dass die
Schmerzsymptomatik entsprechend dekompensiere. Leichte tagesstrukturierte Arbeiten in ihrem vormaligen Beruf als
Sekretärin seien ohne negative Folgen für die Gesundheit der Klägerin ausführbar, wenn sie diese ohne Zeitdruck
ausführen könne; insoweit sei sogar ein positiver Effekt hinsichtlich der Schmerzsymptomatik zu erwarten. Aktuell
bestehe bei erheblicher Irritierbarkeit und nicht ausreichender Stabilisierung Arbeitsunfähigkeit.
In einer von der Beklagten angeforderten ergänzenden Stellungnahme hatte der Chefarzt Dr. G. unter dem 21. Juni
2001 darauf hingewiesen, dass vor dem Hintergrund der bestehenden Störung eine Anstrengungsbereitschaft der
Klägerin lediglich dann zu erreichen sei, wenn sie ein absolut adäquates Krankheitskonzept entwickelt habe und dann
das Hilfreiche einer vollschichtigen, tagesstrukturierenden Tätigkeit erkenne könne. Um eine vollschichtige
Arbeitsfähigkeit zu erreichen, wäre nach seiner Ansicht ein Therapiezeitraum von ca. einem Jahr bei optimalem
Verlauf zu erwarten.
Daraufhin hatte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 6. August 2001 vom 13. Februar 2001 bis zum 30. Juni
2002 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bewilligt. Die Anspruchsvoraussetzungen seien seit dem 4. Februar 2000
erfüllt; die Rente beginne am 13. Februar 2001, weil bis dahin ein Anspruch auf Übergangs-, Verletzten oder
Versorgungskrankengeld bestanden habe (Rentenhöhe 874,65 DM; ab 1. Januar 2002 480,29 EUR).
Am 6. März 2002 beantragte die Klägerin die Weiterbewilligung der gewährten Rente. Es sei eine Verschlechterung in
ihrem Gesundheitszustand eingetreten. Die Beklagte holte zunächst einen Befundbericht von Dr. H. vom 26. März
2002 ein. Diese wies auf eine deutliche muskuläre Imbalance im Bereich des Schultergürtels und des Rückens hin.
Sie fügte die Epikrise des Universitätsklinikums J. vom 15. März 2002 bei. Darin teilte die Funktionsbereichsleiterin
Prof. Dr. U. mit, dass ein so genanntes Fibromyalgiesyndrom wahrscheinlich nicht bestehe. Sowohl die Haupt- als
auch die Nebenkriterien seien nicht erfüllt. Vielmehr müssten die Knochenstoffwechselsituation bei bekannter
Schilddrüsenüberfunktion und entsprechender Medikation geklärt und eine Hüftgelenksdiagnostik sowie eine
Oberbauchsonografie durchgeführt werden. Der Allgemeinarzt Dr. W. teilte im Juli 2002 mit, die Diagnose eines
Fibromyalgiesyndroms gestellt zu haben. Die Klägerin sei vorgealtert, der Allgemeinzustand deutlich reduziert (49 kg)
und sie wirke schwächlich und kraftlos. Seit April 2000 bis heute sei keine Besserung feststellbar.
Die Beklagte ließ die Klägerin von dem Facharzt für Orthopädie Dr. med. habil. F. unter dem 1./3. Oktober 2002
begutachten. Bei der Klägerin bestünden ein chronisches somatoformes Schmerzsyndrom mit Brachialgien,
Arthralgien und Dysästhesien sowie ein asthenischer, reduzierter Habitus mit Haltungsinsuffizienz und in Folge
dessen konstitutionell eine verminderte körperliche Belastbarkeit. Die Klägerin sei für die Altenpflege nicht geeignet.
Sie könne nur körperlich leichte Arbeiten ohne besonderen Zeitdruck, in gelegentlichem Wechsel von Sitzen, Gehen
und Stehen, ohne häufiges Heben und Tragen über fünf kg, ohne häufiges Bücken und ohne volle Gebrauchsfähigkeit
der Hände und Arme mindestens sechs Stunden und länger täglich, auch vollschichtig, auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt verrichten.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. November 2002 die Weitergewährung der Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit über Juni 2002 hinaus ab. Zwar sei die Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch ein chronisches
Schmerzsyndrom mit Wirbelsäulen- und Gelenkbeschwerden (Fibromyalgiesyndrom) beeinträchtigt; gleichwohl könne
sie mit dem verbliebenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeiten vollschichtig verrichten.
Hiergegen legte die Klägerin am 12. November 2002 Widerspruch ein mit der Begründung, dass es ihr trotz intensiver
Bemühungen nicht möglich sei, zwei Stunden täglich leistungsfähig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen; sie bitte um
die Erstattung eines weiteren Gutachtens.
Die Beklagte holte dann ein nervenärztliches Gutachten von dem Facharzt für Nervenheilkunde Dipl.-Med. S. vom 23.
Januar 2003 ein. Dieser stellte die Diagnosen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung mit Zervikokranial-
und Zervikobrachialsyndrom sowie eines neurasthenischen Syndroms. Die Klägerin habe sich in einem deutlich
reduzierten Ernährungs- und leicht reduzierten Allgemeinzustand befunden. Es habe eine allgemeine muskuläre
Hypotrophie ohne isolierte Atrophien vorgelegen. Die grobe Kraft sei allgemein gemindert gewesen. Im psychischen
Befund habe sich keine ausgeprägte depressive Symptomatik, jedoch ein deutliches neurasthenisches Bild mit
Belastungsinsuffizienz gezeigt. Auch nach seiner Auffassung könne die Klägerin noch leichte körperliche Tätigkeiten
mit weiteren qualitativen Einschränkungen vollschichtig verrichten. Insbesondere den bisherigen Beruf als
Sachbearbeiterin könne die Klägerin vollschichtig verrichten; in ihrer letzten beruflichen Tätigkeit als Altenpflegerin sei
sie aufgrund der konstitutionell verminderten Belastbarkeit nicht einsetzbar.
Die Beklagte wies sodann den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2003 als unbegründet
zurück. Die durchgeführten medizinischen Ermittlungen hätten ergeben, dass die Klägerin noch vollschichtig leichte
Arbeiten ohne häufiges Heben und Tragen von Lasten über fünf kg in wechselnder Körperhaltung ohne starken
Zeitdruck, z.B. Akkord, Wechsel- und Nachtschicht, häufiges Bücken, Hocken und Knien, Gefährdung durch Nässe,
Kälte und Zugluft sowie ohne hohe Anforderungen an die Gebrauchsfähigkeit beider Hände verrichten könne und damit
weder erwerbs- noch berufsunfähig sei. Die Tatsache, dass die Klägerin eine Ausbildung zur Wirtschaftskauffrau mit
Erfolg durchlaufe habe und in diesem Beruf tätig gewesen sei, könne zu keiner anderen Bewertung der beruflichen
Qualifikation führen, da sie diesen Beruf nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben habe. Vielmehr habe sie
sich beruflich neu orientiert und sei zuletzt als Altenpflegerin tätig gewesen.
Mit der am 11. April 2003 beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat die Klägerin ihren Anspruch weiterverfolgt. Sie
könne keine Arbeit von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten. Bereits ohne Belastungen leide sie unter ständigen
Schmerzen der Muskulatur, der Sehnen und Bänder. Unter Belastung komme es zu einer weiteren Verstärkung dieser
Schmerzen, die teilweise zu Bewegungseinschränkungen der Extremitäten führten. Dies und Schlafstörungen
aufgrund der Schmerzen hätten außerdem starke Konzentrationsmängel zur Folge.
Das Sozialgericht hat zunächst Behandlungs- und Befundberichte von Dr. H. vom 6. Juli 2003 und der Fachärztin für
Anästhesiologie/Spezielle Schmerztherapie/Homöopathie Dr. P. vom 9. Juli 2003 eingeholt. Dr. H. hat keine
Veränderungen seit dem Jahr 2000 angegeben; die Schmerzsymptomatik sei unverändert stark mit häufigen
Exacerbationen. Dr. P. hat als Diagnose ein Fibromyalgiesyndrom mitgeteilt und die Auffassung vertreten, die
Klägerin sei derzeit auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelbar; eine Verbesserung des Gesundheitszustandes sei in
absehbarer Zeit nicht zu erwarten.
Daraufhin hat das Sozialgericht ein medizinisches Sachverständigengutachten von dem Arzt für
Psychiatrie/Neurologie/Psychotherapeutische Medizin Dr. K. vom 6. November 2003 eingeholt. Dr. K. hat einen
asthenischen Habitus sowie eine Kraftminderung der rechten Hand und eine schmerzhaft eingeschränkte Rotation der
HWS festgestellt. Die Beschwerdesymptomatik folge nicht definierten neuroanatomischen Schmerzclustern, sondern
psychovegetativen Mustern. Im psychischen Bereich seien ein intaktes hirnorganisches Leistungsvermögen, eine
gute soziale Kontaktfähigkeit und eine ausreichende Gesamtsteuerungsfähigkeit der Persönlichkeit festzustellen.
Allein aus der Diskrepanz zwischen objektivierbaren Symptomen und den subjektiven Beschwerdewahrnehmungen
bzw. schilderungen lasse sich die Diagnosestellung einer Somatisierungsstörung nicht ableiten bzw. sicher stellen.
Notwendig für eine gesicherte Diagnosestellung sei die Erarbeitung plausibler psychodynamischer Zusammenhänge,
was im vorliegenden Fall derzeit allenfalls ansatzweise möglich sei. Aufgrund dessen könne lediglich von einem
Verdacht auf eine Somatisierungsstörung gesprochen werden. Daneben bestehe die Entwicklung körperlicher
Symptome aus psychischen Gründen. Eine Simulation sei nicht wahrscheinlich, Aggravation könne weder belegt noch
ausgeschlossen werden. In qualitativer Hinsicht könne die Klägerin keine schweren körperlichen Arbeiten,
insbesondere kein schweres Heben und Tragen sowie keine Zwangshaltungen, welche die HWS und den
Schultergürtel belasteten, regelmäßig verrichten. In quantitativer Hinsicht sei das Leistungsvermögen der Klägerin
nicht eingeschränkt. Sie sei in der Lage, regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, ohne dass ein besonderes
Pausenzeitregime erforderlich sei. Auch die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Die Klägerin könne sich auch auf
einfache zumutbare Tätigkeiten einstellen, sodass sie innerhalb einer Anlern- und Einweisungsphase diese vollwertig
verrichten könne. Eine psychotherapeutische Behandlung sei indiziert, jedoch aufgrund der mangelnden
Psychogeneseeinsicht der Klägerin nicht Erfolg versprechend.
Nachdem die Klägerin beantragt hat, ein medizinisches Gutachten eines auf Fibromyalgieerkrankungen spezialisierten
Facharztes einzuholen, ist eine ergänzende Stellungnahme von Dr. K. vom 19. März 2004 eingeholt worden. Darin hat
er darauf hingewiesen, dass er von 1998 bis 2000 eine Studie "Schmerzerleben, Angst und Selbstbild bei
rheumatoider Arthritis und Fibromyalgie" erstellt habe, deren Ergebnisse in seine medizinische Dissertation
eingeflossen seien. Da es sich bei der Diagnose Fibromyalgiesyndrom um ein heterogenes Krankheitsbild handele,
würden die diagnostischen Kriterien der Kommission für Qualitätssicherung der Deutschen Gesellschaft für
Rheumatologie herangezogen. Bei der Klägerin fehlten die vegetativen, funktionellen und psychopathologischen
Symptome, welche in diesen Kriterien definiert seien. Aufgrund dessen könne nicht von der gesicherten Diagnose der
Fibromyalgie ausgegangen werden. Zu diesem Ergebnis sei auch bereits die Spezialambulanz des
Universitätsklinikums J. im Bericht vom 15. März 2002 gekommen. Ferner bestünden auf seinem Fachgebiet keine
relevanten Funktionsminderungen. Bezüglich des Leistungsvermögens ließen weder die objektivierbaren Befunde
nach Aktenlage noch die Angaben der Klägerin den Schluss zu, dass bei Beachtung qualitativer
Leistungseinschränkungen eine Erwerbsunfähigkeit bestehe.
Mit Urteil vom 19. Juli 2004 hat das Sozialgericht Halle die Klage abgewiesen. Zur Überzeugung der Kammer sei die
Klägerin noch vollschichtig einsatzfähig, wobei qualitative Einschränkungen zu berücksichtigen seien. Dies ergebe
sich aus den überzeugenden ausführlichen Feststellungen von Dr. K. in dessen Gutachten vom 6. November 2003
sowie aus den gutachterlichen Feststellungen von Dr. med. habil. F. vom 3. Oktober 2002 und Dipl.-Med. S. vom 23.
Januar 2003. Danach könne die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch zumindest leichte körperliche
Arbeiten im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen, ohne Zwangshaltungen und Heben und Tragen von Lasten über
fünf kg, ohne Exposition von Kälte, Nässe und starken Temperaturschwankungen sowie Zugluft, ohne besonderen
Zeitdruck und ohne eine volle Gebrauchsfähigkeit des rechten Armes vollschichtig verrichten. Die Klägerin sei auch
nicht berufsunfähig. Denn die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Altenpflegerin sei dem Leitberuf des ungelernten
Arbeiters zuzuordnen, da die Klägerin nach eigenen Angaben keine Ausbildung durchlaufen und diesen Beruf
ungelernt ausgeübt habe. Die Klägerin habe zwar eine Facharbeiterausbildung zur Wirtschaftskauffrau absolviert,
diese jedoch vor Ablauf der allgemeinen Wartezeit aus gesundheitlichen Gründen im Juni 1978 aufgegeben und sich
in der Folge anderen Berufstätigkeiten zugewandt. Bisheriger Beruf könne nicht eine Tätigkeit sein, die bereits vor
Erfüllung der Wartezeit aufgegeben worden sei. Damit sei die Klägerin auf jede Tätigkeit des allgemeinen
Arbeitsmarktes verweisbar und eine konkrete Verweisungstätigkeit nicht zu benennen.
Gegen das ihr am 2. August 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. August 2004 Berufung beim
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Stützung ihres Vorbringens hat sie ärztliche Bescheinigungen von
dem Internisten und Rheumatologen Dr. A. vom 7. Januar 2005 übersandt, der wiederum Arztbriefe von Dipl.-Med. T.,
Facharzt für Orthopädie und Chirotherapie, vom 17. November 2004 und vom 14. Dezember 2004 beigefügt hat.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 19. Juli 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 5. November 2002 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit über den 30. Juni 2002 hinaus, hilfsweise Rente wegen Berufsunfähigkeit ab dem 1. Juli
2002, weiter hilfsweise Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung oder wegen teilweiser Erwerbsminderung
bei Berufsunfähigkeit ab einem nach dem 1. Juli 2002 liegenden Zeitpunkt zu bewilligen, weiterhin hilfsweise, sie einer
Begutachtung in dem BFW L. oder in einer anderen geeigneten Institution zu unterziehen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat ein fachorthopädisches Gutachten von Dr. E., Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Rheumatologie im
AMEOS-Klinikum S ... Salvator in H., vom 7. August 2006 eingeholt. Dr. E. hat die Klägerin am 6. April 2006
ambulant untersucht. Bei ihr bestünden folgende objektivierbare Gesundheitsstörungen:
Chondropathia patellae beidseits. Streckhemmung linker Ellenbogen ohne radiologisches Korrelat. Geringgradige
Epikondylopathie beider Ellenbogen. Skoliose der Brustwirbelsäule (BWS) und LWS mit ebenfalls verstärkter
Kyphosierung im sagittalen Strahlengang und geringen degenerativen Folgeveränderungen. Ausgeprägte
Schmerzsymptomatik im Bereich der Schulter-Nackenmuskulatur, der Schultergelenke und der Halswirbelsäule
(HWS).
Die objektivierbaren Veränderungen bedingten keine bzw. eine geringgradige Minderung der Leistungsfähigkeit. Im
Vordergrund stehe die geklagte ausgeprägte, vor allem im Bereich der Muskulatur und Sehnenansätze von der
Klägerin relativ glaubhaft geschilderte Schmerzsymptomatik, die mit den objektiven Befunden nicht schlüssig
erklärbar sei. Zeichen für eine Simulation oder eine bewusste Aggravation der Symptomatik seien nach Auffassung
des Sachverständigen nicht erkennbar. Nach seiner Auffassung sei zu diskutieren, ob das bei der Klägerin
bestehende Krankheitsbild unter die Diagnose einer Fibromyalgie einzuordnen oder ob von einer somatoformen
Schmerzstörung in Verbindung mit einem Zervicobrachialsyndrom bzw. einem thorakalen und lumbalen
Schmerzsyndrom auszugehen sei. Nach einer Diskussion der verschiedenen Aspekte ist der Gutachter zu dem
Ergebnis gelangt, dass eine sichere Klärung der derzeitigen Diagnose kaum möglich erscheine. Festzuhalten bleibe
aber, dass die Funktionsminderungen die Einschränkung der Klägerin in den täglichen Verrichtungen des privaten und
beruflichen Lebens für die Beurteilung ausschlaggebend sei und nicht zwingend die jeweilige "Etikettierung" der
vorliegenden Befunde. Als gesichert sei aus seiner Sicht anzunehmen, dass eine chronische Schmerzsymptomatik
im Bereich der Skelettmuskulatur und insbesondere des Achsenskeletts vorliege. Darüber hinaus bestehe eine
deutliche Minderung der gesamten Muskelmasse mit einer daraus resultierenden Insuffizienz und raschen
Ermüdbarkeit mit Überlastungssymptomen, insbesondere der rumpfstabilisierenden Muskulatur, aber auch der
gelenkübergreifenden Muskulatur des Beckengürtels und des Schulter-Nackenbereichs. Eine psychogene
Komponente, die sowohl bei der Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung als auch bei einer Fibromyalgie
bestehe, liege mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls vor. Die Schmerzsymptomatik sei dabei in ihrer Intensität und
der Lokalisation deutlich wechselnd.
In Anbetracht der durch die generalisierte Atrophie der Muskulatur bedingten massiven Reduzierung der Muskelkraft
und des reduzierten Ernährungszustands wären auch ohne Einbeziehung der Schmerzsymptomatik nur noch leichte
körperliche Arbeiten möglich. Arbeiten sollten im häufigen Wechsel der Arbeitspositionen durchgeführt werden.
Allerdings seien längeres Stehen und Gehen mit deutlich mehr Schmerzen verbunden als Sitzen, sodass ein
deutliches Überwiegen der sitzenden Anteile zu fordern sei. Am sinnvollsten sei eine Tätigkeit mit ca. 90 Prozent
sitzenden Anteilen, wobei ein Aufstehen und Positionswechsel jederzeit möglich sein sollte, um einer
Schmerzverstärkung vorbeugen zu können. Arbeiten in Zwangshaltungen oder mit stereotypen Bewegungsmustern
seien ebenso zu vermeiden wie das Tragen und Bewegen von Lasten, Gerüst- und Leiterarbeiten, Arbeiten unter
Einflüssen wie Lärm, Dampf, Rauch oder Staub. Arbeiten, die die uneingeschränkte Gebrauchsfähigkeit beider Hände
und aller Finger erforderten, seien beidseits nicht dauerhaft durchführbar. Die grobe Kraft sei beidseits mäßiggradig
vermindert. Zu kleine Gegenstände, etwa in der Größe von kleinen Schrauben oder Heftklammern, seien über einen
längeren Zeitraum nicht kontinuierlich zu reinigen, zu verpacken, zusammenzusetzen oder zu sortieren, da der sehr
exakt durchzuführende Spitzgriff mit aller Wahrscheinlichkeit zu einer vermehrten Verkrampfung im Bereich der
kurzen Handmuskeln und Unterarmmuskulatur führen würde. Auch zu schwere Gegenstände, etwa über zwei bis drei
kg, würden voraussichtlich eine schmerzhafte Überlastungsreaktion der Unterarm- und auch der Schulter-
Nackenmuskulatur hervorrufen. Erhöhter Zeitdruck und Fließbandarbeit seien ebenso wie intensiver Publikumsverkehr
ausgeschlossen. Aufgrund des chronischen Schmerzsyndroms könne die Klägerin täglich allenfalls ca. vier Stunden
arbeiten. Nach ca. 90 Minuten sollte eine Pause von etwa zehn Minuten eingelegt werden. Eine Anpassung der
Pausen an den Betriebsablauf sei nur bedingt möglich. Die Gehfähigkeit der Klägerin sei eingeschränkt; eine
Begrenzung der Fußwege auf unter 450 Meter sei sinnvoll. Grundsätzlich sei der Klägerin das Führen eines
Kraftfahrzeuges möglich. Es bestünden aber eine Einschränkung der Kraft beim Halten und Steuern des Lenkrades,
eine eingeschränkte Beweglichkeit der HWS mit erheblich verlangsamten Drehbewegungen und häufiger stärkerer
Schmerzen in den Beinen beim Betätigen des Bremspedals. Deshalb könne die Klägerin nicht regelmäßig als Fahrerin
eines Kfz eingesetzt werden.
Im Vergleich mit den Vorbegutachtungen bestehe keine ausgeprägte Diskrepanz in den objektivierbaren Befunden.
Die unterschiedlichen Beurteilungen der Leistungsfähigkeit resultierten am ehesten aus der Akzeptanz der von der
Klägerin beschriebenen Schmerzsymptomatik durch den jeweiligen Gutachter. Für ihn erscheine die von der Klägerin
beschriebene Beschwerdesymptomatik jedoch weitgehend nachvollziehbar und aus dem sich darstellenden
Krankheitsverlauf heraus ausreichend belegt. Von daher sei aus seiner Sicht eine vollschichtige Leistungsfähigkeit
nicht gegeben. Aus den vorliegenden Befunden sei für die Leistungsfähigkeit vor und nach dem 1. Juli 2002 kein
wesentlicher Unterschied festzustellen.
Nachdem sich die Beklagte mit dem Gutachten von Dr. E. nicht einverstanden erklärt und darauf hingewiesen hat,
dass lediglich im Bereich der Schulterblattmuskulatur eine Muskelatrophie festgestellt worden sei und deshalb
körperlich leichte Tätigkeiten mit weiteren qualitativen Einschränkungen vollschichtig möglich seien und auch die
Wegefähigkeit gegeben sei, ist eine ergänzende Stellungnahme von Dr. E. vom 23. Februar 2007 eingeholt worden.
Dr. E. hat darauf hingewiesen, dass die gesamte wirbelsäulennahe Muskulatur insgesamt von eher schwacher
Ausprägung sei, ein erheblicher Druckschmerz im Bereich der Schultergürtel und der Schulternackenmuskeln sowie
der kleinen Wirbelgelenke bestanden hätten und die Beweglichkeit der HWS nicht nur gering, sondern in der Rotation
um mindestens 50 Prozent eingeschränkt beweglich gewesen sei. Auch sei die Beweglichkeit beider Arme und
Ellenbogen eingeschränkt gewesen. Insgesamt sei vom ärztlichen Dienst der Beklagten die Befundwiedergabe
verkürzt und unrichtig erfolgt und die bestehenden Einschränkungen und Beschwerden seien nicht hinreichend erfasst
worden. Zur Abgrenzung der Problematik des Krankheitsbildes einer somatoformen Schmerzstörung oder eines
Fibromyalgiesyndroms habe er ausführlich Stellung genommen. Aus seiner Sicht sei bei der Klägerin die Diagnose
einer Fibromyalgie zu stellen, wobei eine vollständige Diagnosesicherung nicht möglich sei, da Fibromyalgie und
somatoforme Schmerzstörung Überlappungsbereiche aufwiesen und durchaus auch psychovegetative Grundmuster
im Rahmen einer Fibromyalgieerkrankung vorlägen. Das oft bei Fibromyalgie für leichte Tätigkeiten vollschichtig
erhaltene Leistungsvermögen sei bei der Klägerin dadurch reduziert, dass aufgrund der ausgeprägten Muskelatrophie
und der konstitutionellen Voraussetzungen die zumutbare Belastungsschwelle der Muskulatur soweit verringert sei,
dass eine vollschichtige Erwerbstätigkeit hier zu einer erheblichen Verstärkung der Schmerzsymptomatik führen
würde.
Die Klägerin hat auf ein ärztliches Attest von Dr. H., Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin, Spezielle
Schmerztherapie – Palliativmedizin, vom 1. Juni 2007 hingewiesen. Dieser hat sich mit der Einschätzung von Dr. E.
nicht einverstanden erklärt, wonach noch eine Erwerbsfähigkeit bestehe. Vielmehr sei die Klägerin als vollständig
erwerbsunfähig einzustufen. Seine – Dr. H.s – Beurteilung basiere auf einer schmerztherapeutisch orientierten
einstündigen Untersuchung der Klägerin. Nach seiner Auffassung bestünden bei der Klägerin eine schwergradige
somatoforme Schmerzstörung, Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen mit Begleitdepressionen inklusive
Sicca-Syndrom, eine Neurasthenie sowie verschiedene degenerative Erkrankungen im Bereich der Wirbelsäule, der
großen Gelenke und der HWS. Bei der Klägerin handele es sich um eine somatoforme Schmerzstörung, die
ausreichend die fibromyalgischen sekundären Beschwerden der Klägerin mit allgemeinem Muskelabbau in der Folge
der Schmerzchronifizierung erkläre. Der Ausprägungsgrad sei Ausdrucksform der Schwere der somatoformen
Schmerzstörung. Der Einschätzung von Dr. E. sei nicht zuzustimmen, da dieser schmerztherapeutisch nicht
ausgebildet sei. Sozialmedizinisch sei anerkannt, dass ein chronisches Schmerzsyndrom vorrangig von
schmerztherapeutischer Seite zu begutachten sei. Eine orthopädische oder rheumatologische Betrachtungsweise sei
fehl am Platz.
Daraufhin hat der Senat ein psychiatrischneurologisches Gutachten von Privatdozent (PD) Dr. G., Facharzt für
Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie und Forensische Psychiatrie, vom 31. März 2008 eingeholt, der die
Klägerin am 9. Februar 2008 ambulant untersucht hat. Nach Auffassung von PD Dr. G. leidet die Klägerin an einer
anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Die umfänglichen vorgutachterlichen Aktivitäten und vielfachen
körperlichen Untersuchungen hätten keinen hinreichenden Anhalt für eine schwerwiegende körperliche
Beeinträchtigung gegeben, die das vorliegende Schmerzsyndrom erklären könne. Die erheblichen Schmerzzustände
würden von der Klägerin weitgehend überzeugend und glaubhaft geschildert. Die besondere diagnostische
Schwierigkeit bestehe im Nachweis relevanter emotionaler Konflikte oder psychosozialer Belastungen der Klägerin.
Nach seiner tiefenpsychologischen Sicht habe seine Exploration eine existentielle Angst vor Alleinsein mit ausgeprägt
anklammerndem Verhalten ergeben. Dabei habe die Klägerin eine außergewöhnliche Unterstützung durch alle
Familienangehörigen und damit einen enormen sekundären Krankheitsgewinn in Form von Zuwendung und
Beanspruchungsabnahme. Die Klägerin könne noch einfache und mittelschwierige geistige Anforderungen erfüllen
sowie Arbeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an mnestische Fähigkeiten. Nicht zumutbar seien ihr Arbeiten
unter Zeitdruck, mit häufigem Publikumsverkehr sowie in Wechsel- und Nachtschicht. Einfache körperliche
Verrichtungen seien realisierbar. Gegenwärtig könne die Klägerin die der Art nach zumutbaren Arbeiten nur noch im
Umfang von unter drei Stunden täglich verrichten. Es liege eine so deutliche schmerzbedingte Beeinträchtigung des
Gesundheitszustands vor, dass eine zeitlich umfassendere Leistungsfähigkeit nicht gegeben sei. Es sei von einer
deutlichen funktionalen Symptomausweitung auszugehen, sodass die Leistungsfähigkeit zum Zeitpunkt der
Gutachtenerstattung als stärker herabgesetzt einzuordnen sei. Bei einer konsequenten psychotherapeutischen
Behandlung und Aufdeckung der psychodynamischen Hintergründe könne die Leistungsfähigkeit mit
Wahrscheinlichkeit wieder erreicht werden. Dabei seien allerdings – wie bereits von den Vorgutachtern und Behandlern
dargelegt – erhebliche Widerstände zu überwinden. Nur über die konsequente Versagung sekundären
Krankheitsgewinns und durch eine intensive stationärpsychotherapeutische Behandlung werde ein Erfolg zu erzielen
sein.
Der Senat hat noch eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme von PD Dr. G. vom 1. Juli 2008 zur Entwicklung
des Umfangs des qualitativ und quantitativ reduzierten Leistungsvermögens der Klägerin eingeholt: Nach seiner
Einschätzung bestünden keine Zweifel an der Richtigkeit der Beurteilungen von Dipl.-Med. S. und Dr. K ... Die
Verschlechterung des Gesundheitszustands der Klägerin – entsprechend einer zunehmenden Verfestigung
neurotischer Fixierung – verlaufe langsam ansteigend. Während sie gegenüber Dr. K. noch über "intensive
Schmerzzustände zwei- bis viermal monatlich und dauern einige Tage an " berichtet habe und zur Begutachtung mit
öffentlichen Verkehrsmitteln angereist sei, habe die Klägerin bei seiner Begutachtung weitgehend einen Dauerschmerz
geschildert, das Führen eines Pkw sowie die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel für nicht mehr möglich erachtet,
sodass sich ein nicht nur schmerzbedingtes, sondern angstgeleitetes und die Alltagsaktivitäten einschränkendes
Vermeidungsverhalten manifestiert habe. Nach seiner Beurteilung lag zum 1. Juli 2002 ein Leistungsvermögen von
acht Stunden täglich vor, ab Mitte des Jahres 2005 ein Leistungsvermögen von weniger als sechs Stunden täglich
und ab Anfang des Jahres 2007 ein nur noch dreistündiges Leistungsvermögen.
Die Beklagte hat daraufhin angeboten, der Klägerin vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2008 Rente wegen
voller Erwerbsminderung zu bewilligen, wobei die Rente vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Januar 2007 wegen der
Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes bewilligt werde. Die Klägerin hat dieses Angebot nicht angenommen und
sich auf die Einschätzung von Dr. H. berufen, wonach sie bereits über den 30. Juni 2002 hinaus erwerbsunfähig
gewesen sei. Sie hat ferner beantragt, Dr. H. gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Arzt ihres Vertrauens zum
Sachverständigen zu bestellen.
Antragsentsprechend hat Dr. H. sein Gutachten unter dem 28. Februar 2009 aufgrund einer ambulanten Untersuchung
die Klägerin am 9. Februar 2009 erstattet. Bei der Klägerin bestehe eine eigenständige chronische
Schmerzerkrankung im Stadium III nach Gerbershagen (endgradig chronifiziert) bei einer somatoformen
Schmerzstörung (endgradig chronifiziert) mit dem Bild einer Panalgesie (Gesamtkörperschmerz) und der Komorbidität
einer depressiven Erkrankung (mittelgradig) und einem chronischen eigenständigen myofaszialen Schmerzsyndrom
bei generalisierter erheblicher myogener Insuffizienz sowie eine asthenische Persönlichkeitsstörung. Hieraus
resultierten Einschränkungen auf körperlichem und psychischem Gebiet. Die chronische erhebliche Tagesmüdigkeit
einerseits, die zentrale hirnplastische Alarmsituation andererseits sowie die periphere Kraftminderung führten dazu,
dass auch leichte körperliche Tätigkeiten nicht zumutbar und vorstellbar erschienen. Auch Arbeiten mit geistig
einfachen Anforderungen werde die Klägerin aufgrund der variablen Einschränkungen von Vigilanz, Auffassungsgabe,
Lernvermögen und Konzentration nicht dauerhaft und gewinnbringend auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erbringen
können. Es bestehe in Übereinstimmung mit den Vorgutachtern kein Anhalt für Aggravation oder Simulation. Der
jahrelange chronifizierte Verlauf der Klägerin gelte sozialmedizinisch als irreversibel. Auch intensivere, selbst
stationäre Behandlungsangebote würden als Maßnahmen mit schlechter Prognose eingestuft. Die Genese der
Erkrankung sei strukturell und in der Persönlichkeit verwurzelt, daher unbewusst und unterliege keinen willkürlichen
oder bewussten Steuerungen. Aussagen über die Belastbarkeit der Klägerin zum 1. Juli 2002 seien aus gegenwärtiger
Sicht, knapp sieben Jahre später, durchaus spekulativ. Wenn sozialmedizinisch gültig sei, dass die Einschränkungen
im Privatbereich der Klägerin bei ihrer Alltagsgestaltung schmerzbedingt gravierend gewesen seien, ließe sich
extrapolieren, dass gleiche Einschränkungen auch für das Berufsleben gälten. Da eine Schmerzchronifizierung bereits
nach sechs Monaten einsetze und andererseits die somatoforme Schmerzstörung biographisch und
persönlichkeitsverwurzelt sei, spreche mehr dafür als dagegen, dass die Einschränkungen der Leistungsfähigkeit der
Klägerin bereits zum 1. Juli 2002 unterhalb von drei Stunden pro Tag gelegen hätten, wobei die beiden Komponenten
des Schmerzbildes (organische Genese und Erlebensanteil) sich gegenseitig verstärkt haben dürften. Die Beurteilung
der Leistungsfähigkeit variiere inhaltlich nur in wenigen Aspekten von der Betrachtung durch PD Dr. G., der als nicht
schmerztherapeutisch tätiger Sachverständiger einen Blickwinkel angelegt habe, der der Leidenswirklichkeit der
Klägerin nicht gerecht werden könne. Der Chronifizierungsgrad der Erkrankung mit allen hirnplastischen, organischen
und Erlebensfolgen sei nicht ausreichend bewertet worden; dies gelinge nur im Rahmen einer schmerztherapeutischen
Begutachtung, die in diesem Fall bislang nicht erfolgt sei.
Die Beklagte hat daraufhin ihr Vergleichsangebot mit Schriftsatz vom 14. April 2009 dahingehend geändert, dass die
angebotene Rente bis zum 31. Dezember 2009 unter der Maßgabe geleistet werde, dass sich die Klägerin in eine
zumutbare intensive fachpsychotherapeutische stationäre Behandlung begebe. Auch dieses Vergleichsangebot der
Beklagten hat die Klägerin nicht angenommen.
Sodann hat die Beklagte unter Bezugnahme auf eine prüfärztliche Stellungnahme von Dr. K. vom 4. Juni 2009
dargelegt, weshalb sie dem Gutachten von Dr. H. nicht folge. Das Gutachten enthalte nur eine sehr knappe
Schmerzanamnese. Es fehle ein chronologisch und vollständiger körperlicher Untersuchungsbefund. Der psychische
Befund entspreche kaum Minimalanforderungen an eine sozialmedizinische Begutachtung. Auch die
schmerztherapeutische Untersuchung werde einer umfassenden kriterien- und/oder leitlinienbasierten Begutachtung
nicht gerecht.
In seiner ergänzenden Stellungnahme hierzu vom 3. September 2009 hat Dr. H. nochmals darauf hingewiesen, in
seinem Gutachten bereits deutlich gemacht zu haben, dass die Beurteilung eines Schmerzsyndroms zurück bis zum
Zeitpunkt 1. Juli 2002 spekulativen Charakter habe. Dies betreffe auch die Beurteilung der Klägerin durch PD Dr. G ...
Seiner Einschätzung liege eine langjährige Erfahrung als Leiter einer Schmerzambulanz und als schmerztherapeutisch
spezialistisch tätiger Arzt zugrunde. Der Einschätzung der Beklagten sei insoweit zu widersprechen, als eine
intensive stationäre Psychotherapie eine Besserung des Leistungsvermögens aufgrund der Chronifizierung des
Schmerzsyndroms nicht mehr erbringen könne. Da PD Dr. G. nicht schmerzspezialistisch bei somatoformen
Schmerzstörungen arbeite, komme er zu einer Beurteilung, die der Leidenswirklichkeit der Klägerin auf
schmerztherapeutischem Gebiet nicht gerecht werden könne, da ihm auf diesem Gebiet die Kompetenz fehle.
Hierzu ist eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme von PD Dr. G. vom 7. Oktober 2009 eingeholt worden. Es
bestehe Übereinstimmung in der grundsätzlichen diagnostischen Zuordnung der bei der Klägerin vorliegenden
Symptomatik als eine somatoforme Schmerzstörung. Darüber hinaus würden die Exploration zur
lebensbiographischen Anamnese als auch die Erhebung des psychopathologischen Befunds im Gutachten von Dr. H.
den Ansprüchen an ein sozialmedizinisches Gutachten nicht gerecht; insbesondere sei keine Exploration der
psychosozialen Belastungen oder emotionalen Konflikte erkennbar. Vor diesem Hintergrund der Nichtaufklärbarkeit
jedweder psychischer Determinanten und ihrer Stärke sei es Dr. H. deshalb auch nicht möglich gewesen, die
"Unheilbarkeit" sachlich begründet festzustellen. Es handele sich insoweit um eine reine Behauptung ohne unterlegte
Beweisführung. Die Feststellung des Dr. H., wonach die Genese der Erkrankung strukturell und in der Persönlichkeit
verwurzelt sei, vernachlässige das über Jahrzehnte schmerzfreie Leben und Erleben der Klägerin und enthebe ihn mit
dem Verweis auf unabänderliche Strukturen dem Erfordernis der Ursachenforschung. Damit treffe dieser Gutachter
allerdings vordergründig die Sichtweise der Klägerin. Festgestellt werden könne, dass die Klägerin jedwede
Möglichkeit psychischer Einflüsse auf Symptomentstehung und Symptomunterhaltung vehement ablehne;
Psychotherapeuten bezeichneten dies als Abwehr. Die Ausführungen des Dr. H. über die Schmerzplastizität des
Gehirnes und positionenemissionstomografische Forschungsergebnisse könnten nicht die Beweisführung im
Einzelfall, hier bei der Klägerin, ersetzen. Auch hinsichtlich der rückblickenden Einschätzung des
Leistungsvermögens sei der Gutachter eine Beweisführung schuldig geblieben. Mit den Ausführungen der
vorbegutachtenden Kollegen und ihrer gegenläufigen Begutachtungsergebnisse habe er sich erst gar nicht
auseinandergesetzt. Er selber, PD Dr. G., halte – worauf er bereits hingewiesen habe – eine rückblickende
Belastungsbemessung bei der Klägerin zwar für schwierig, aber nicht für "spekulativ", wie Dr. H ... Er halte an seiner
Stellungnahme vom 1. Juli 2008 zu einer abgestuften Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin fest.
Zu den von der Klägerin gegen seine Begutachtung vorgebrachten Vorwürfen, er habe sie "durch die Mangel gedreht",
negative Aussagen zu ihrem Lebensentwurf gemacht und lebensgeschichtliche Entscheidungen kritisch hinterfragt,
hat er dahingehend Stellung genommen, dass es seine Aufgabe als Gutachter sei, Konfliktsuche zu betreiben, da er
anderenfalls der Definition der somatoformen Schmerzstörung nicht gerecht werden könne. Als grob unzumutbar
betrachte er die Ausführungen des Dr. H. zu seiner eigenen schmerztherapeutischen und diagnostischen Kompetenz.
Er, PD Dr. G., habe im Laufe seines Berufslebens Tausende von Schmerzpatienten behandelt und sei als Oberarzt
zweier psychotherapeutischer Stationen der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie täglich mit der
Komorbidität von Schmerz sowie Angst und Depressionen befasst. Er hat insoweit auf seine vielfältigen Aufgaben als
Vorsitzender verschiedener Fachkommissionen und Ausbilder hingewiesen und sich gegen die Infragestellung seiner
Begutachtungskompetenz verwahrt.
Die Klägerin hält daran fest, sich durch PD Dr. G. unangemessen behandelt gefühlt zu haben, und hat Zweifel an
dessen Unvoreingenommenheit vorgebracht; sie hat insoweit behauptet, PD Dr. G. habe sie in seiner Klinik für ein
halbes Jahr unterbringen wollen und letztlich für sich selbst Vorteile aus seinem Gutachten ziehen wollen. Sie hat
ferner beklagt, dass ein Mitarbeiter der Beklagten bei ihr angerufen und in einer kumpelhaften Art und Weise ihren
Ehemann befragt sowie sich über das Beweisergebnis geäußert habe. Dieses Verhalten, insbesondere ihren
Prozessbevollmächtigten zu umgehen, werde beanstandet. Außerdem müsse der Gutachter Dr. H. Gelegenheit
erhalten, zu der ergänzenden Stellungnahme von PD Dr. G. vom 7. Oktober 2009 seinerseits Stellung zu nehmen.
Die Berichterstatterin hat mit Richterbrief vom 19. November 2009 darauf hingewiesen, dass die Einholung einer
solchen ergänzenden Stellungnahme nicht beabsichtigt ist.
Die Beklagte hat den Versicherungsverlauf vom 29. Dezember 2009 zu den Akten gereicht, der an die Klägerin
weitergeleitet worden ist.
PD Dr. G. hat schließlich unter dem 11. Januar 2010 der Behauptung, er habe die Klägerin in der Klinik, in der er tätig
sei, aufnehmen wollen, entgegnet, dass er eine solche Aussage niemals getroffen habe und ihm als in der Klinik
tätiger Oberarzt aus einer Patientenaufnahme keinerlei unmittelbarer finanzieller Vorteil erwachse.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, die
sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.
Im Zeitpunkt seiner Entscheidung am 19. Juli 2004 hat das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Das
angefochtene Urteil und der Bescheid der Beklagten vom 5. November 2002 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 2. April 2003 haben sich jedoch im Laufe des Berufungsverfahrens als rechtswidrig
erwiesen und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Denn die Klägerin hat
Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. November 2006 bis zum 31. Oktober
2012 (dazu unter 3.). Der von ihr verfolgte Anspruch auf Weiterbewilligung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über
den 30. Juni 2002 hinaus (dazu unter 1.), der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen
Berufsunfähigkeit ab dem 1. Juli 2002 (dazu unter 2.) und ein Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (dazu unter 4.) bestehen ebenso wenig wie ein Anspruch auf Bewilligung von
Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Oktober 2006 und über den 31. Oktober 2012
hinaus (dazu unter 3.).
1. Die Klägerin macht mit dem Begehren der Weiterbewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente einen Anspruch geltend,
der vor dem 1. Januar 2001 entstanden ist. Gemäß den Übergangsvorschriften der §§ 300 Abs. 2 und 302 b Abs. 1
SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.
Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827, 1835) ist für diesen Anspruch § 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000
geltenden Fassung anzuwenden. Solange auch nach Ablauf der Frist, bis zu welcher der Klägerin
Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt worden ist, die Voraussetzungen vorliegen, die für die Bewilligung maßgebend
waren, kann die Klägerin die Weiterbewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente beanspruchen.
Hier fehlt es an dem Fortbestehen der Erwerbsunfähigkeit der Klägerin über den 30. Juni 2002 hinaus.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VI a.F. haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres einen Anspruch auf
eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der
Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der
Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Erwerbsunfähig sind gemäß § 44 Abs. 2 SGB VI in der bis
zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare
Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder
Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630 DM übersteigt. Erwerbsunfähig ist nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2
SGB VI nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme konnte die Klägerin zumindest am 1. Juli 2002 vollschichtig einer
Erwerbstätigkeit nachgehen. Dies ergibt sich für den Senat aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere aus
dem vom Sozialgericht eingeholten Gutachten von Dr. K. vom 6. November 2003 und seiner ergänzenden
Stellungnahme vom 19. März 2004. Zudem sind die Befunderhebungen und Diagnosen der behandelnden Ärzte sowie
von Dr. med. habil F. im Gutachten vom 3. Oktober 2002 und von Dr. S. im Gutachten vom 23. Januar 2003
berücksichtigt worden. Danach litt die Klägerin an einem Zervikobrachialsyndrom rechts und an einem thorakalen und
lumbalen Schmerzsyndrom sowie darüber hinaus an einer somatoformen Schmerzstörung und der Entwicklung
körperlicher Symptome aus psychischen Gründen. Aufgrund der Belastungsminderung der Wirbelsäule waren schwere
und durchweg mittelschwere Arbeiten ausgeschlossen und nur noch körperlich leichte Arbeiten im Wechsel der
Haltungsarten gesundheitlich zumutbar. Arbeiten mit Zwangshaltungen für die Wirbelsäule und unter Einwirkung von
Nässe, Kälte, Zugluft und Temperaturschwankungen waren der Klägerin ebenfalls nicht möglich. Wegen des
asthenisch reduzierten Habitus konnte die Klägerin Lasten von über fünf kg nicht regelmäßig heben und tragen. Für
Lasten bis zu fünf kg bestand eine volle Gebrauchsfähigkeit der Hände. Es lagen ein unbeeinträchtigtes Seh- und
Hörvermögen vor. Die Klägerin verfügt über eine überdurchschnittliche Intelligenz und war zumindest
durchschnittlichen Anforderungen an geistige und mnestische Fähigkeiten gewachsen.
Der Senat konnte sich aufgrund der vorliegenden gutachterlichen Einschätzungen nicht davon überzeugen, dass
neben dem qualitativ eingeschränkten Leistungsvermögen auch eine quantitativ eingeschränkte Leistungsfähigkeit
bestand. Vielmehr hat Dr. S. ausdrücklich die Tätigkeit als Sachbearbeiterin vollschichtig für möglich gehalten und
auch Dr. K. und Dr. med. habil F. haben ein vollschichtiges Leistungsvermögen ohne das Erfordernis zusätzlicher
Pausen für zumutbar erachtet.
Ein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen vermochte der Senat auch nicht auf der Grundlage der Gutachten
von Dr. E. vom 7. August 2006 und von Dr. H. vom 28. Februar 2009 anzunehmen. Denn Dr. E. hat zur Frage der seit
Juli 2002 täglich möglichen Arbeitszeit ausgeführt, dass aus den vorliegenden Befunden für die Leistungsfähigkeit vor
und nach dem 1. Juli 2002 kein wesentlicher Unterschied festzustellen sei und seine von den Vorgutachtern
abweichende Bewertung der zumutbaren täglichen Arbeitszeit mit vier Stunden täglich auf der Akzeptanz der von der
Klägerin beschriebenen Schmerzsymptomatik beruhe. Diese Ausführungen überzeugen den Senat jedoch nicht
dahingehend, dass die Beurteilungen der täglichen Leistungsfähigkeit der Klägerin durch Dr. S. sowie durch Dr. med.
habil. Fengler und insbesondere durch Dr. K. unzutreffend gewesen sind. Denn alle Gutachter haben übereinstimmend
eine organische Erkrankung für die von der Klägerin beklagte massive Schmerzsymptomatik ausgeschlossen. Dr. S.,
Dr. med. habil. Fengler und Dr. K. haben aber in unterschiedlicher Ausprägung die körperlichen Auswirkungen der
Schmerzstörung und die geklagten Schmerzen geschildert und sind deshalb für den Senat nachvollziehbar zu einer
vollschichtigen Leistungsfähigkeit für leidensgerechte Arbeiten gelangt. So hat Dr. med. habil. Fengler zwar eine
abgeschwächte Muskulatur der Extremitäten und der groben Kraft der oberen Extremitäten beschrieben und mitgeteilt,
die Klägerin habe ihm gegenüber angegeben, Lasten von drei bis fünf kg heben und tragen, mit dem Auto fahren und
ein bis zwei km laufen zu können. Bei Dr. E. hatte die Klägerin eine erhebliche Verschlechterung der
Schmerzsymptomatik im letzten Jahr vor der Begutachtung angegeben und vorgetragen, nur noch sehr leichte
Gegenstände, wie z.B. eine Handtasche, tragen und nur noch an wenigen Tagen Auto fahren zu können, da sie
oftmals das Lenkrad nicht mehr drehen könne. Dr. E. hat eine deutliche Minderung der gesamten Muskelmasse
beschrieben und bereits das Heben und Tragen von Gewichten von mehr als zwei bis drei Kilogramm für unzumutbar
erachtet. Auch könnten sehr kleine Gegenstände nicht mehr sortiert oder verpackt werden. Insoweit ist für den Senat
nachvollziehbar, dass die vor Dr. E. gehörten Gutachter noch ein Leistungsvermögen von acht Stunden täglich
gegenüber vier Stunden täglich – wie von Dr. E. eingeschätzt – angenommen haben. Schließlich hat auch PD Dr. G.
in seiner Stellungnahme vom 1. Juli 2008 eine Verschlechterung der Schmerzsymptomatik der Klägerin dargelegt und
für den 1. Juli 2002 ein vollschichtiges Leistungsvermögen angenommen.
Dr. H.s Ausführungen haben den Senat nicht davon überzeugen können, bereits ab Juli 2002 ein aufgehobenes
Leistungsvermögen anzunehmen, da er einerseits eine rückwirkende Beurteilung für spekulativ erachtet und
andererseits die unterschiedlich erhobenen Befunde und Beurteilungen der Vorgutachter nicht im Einzelnen erörtert
hat. Er hat lediglich unter Hinweis auf seine eigene schmerztherapeutische Kompetenz eine rückwirkende pauschale
Bewertung abgegeben. Da die Klägerin jedoch den Nachweis der Tatsachen, an die sie eine für sie günstige
Rechtsfolge knüpfen möchte, zu erbringen hat, musste für den Senat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
feststehen, dass das Leistungsvermögen der Klägerin im Juli 2002 untervollschichtig war. Ein solcher Nachweis ist
auf der Grundlage einer ausdrücklich als Spekulation bezeichneten Bewertung nicht möglich. Auch der bloße Hinweis
auf die Kompetenz des Gutachters enthebt diesen nicht von der gründlichen Auseinandersetzung mit erhobenen
Vorbefunden und abweichenden gutachterlichen Einschätzungen.
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zahlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit im Anschluss an die
auslaufende Erwerbsunfähigkeitsrente. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Gründe des
Sozialgerichts in der angefochtenen Entscheidung, die er sich nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage zu
Eigen macht, und sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
3. Der Klägerin steht ab dem 1. November 2006 ein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu.
Nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zum
Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie
teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre
Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine
Wartezeit erfüllt haben.
Die Klägerin ist seit dem 6. April 2006 teilweise erwerbsgemindert, da sie zur Überzeugung des Senats seitdem nicht
mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich arbeiten
kann. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder
Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll
erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind,
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu
sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage
nicht zu berücksichtigen.
Nach Auffassung des Senats hat die Klägerin auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. E. vom 7. August 2006
nachgewiesen, dass sich ihr qualitatives und quantitatives Leistungsvermögen weiter reduzierte und zunächst vom 6.
April 2006 bis zum 8. Februar 2008 auf unter sechs Stunden täglich und ab dem 9. Februar 2008, der Untersuchung
bei PD Dr. G., nachweislich auf unter drei Stunden täglich gesunken ist. Mangels konkreter Untersuchungsbefunde
kann der Nachweis eines unter sechs- bzw. unter dreistündigen täglichen Leistungsvermögens für Zeiträume davor
nicht erbracht werden. Die Beurteilung durch PD Dr. G. in seiner Stellungnahme vom 1. Juli 2008 gründet sich auf die
Darstellung der allmählichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin, nicht aber auf konkrete
Befunde zu konkreten Terminen. Insoweit waren für den Senat Anknüpfungspunkte für die nachgewiesenen
Verschlechterungen jeweils die ambulanten Untersuchungen bei Dr. E. und PD Dr. G ... Denn auch in
sozialgerichtlichen Verfahren gilt der Grundsatz, dass jeder die objektive Beweislast für die Tatsachen trägt, die den
von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9.
Auflage 2009, § 118 Rn. 6 m.w.N). Der abweichenden Beurteilung zum früheren Eintritt eines aufgehobenen
Leistungsvermögens durch Dr. H. hat der Senat aus den vorgenannten Gründen nicht folgen können.
Bei der Klägerin war für die Zeit vor dem 6. April 2006 ebenfalls nicht der Nachweis erbracht, dass eine schwere
spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorgelegen hat,
die trotz des bis dahin bestehenden mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens zur Verschlossenheit des
allgemeinen Arbeitsmarktes geführt hätte. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu
benennen. Das Restleistungsvermögen der Klägerin reichte vielmehr noch für leichte körperliche Verrichtungen im
Wechsel der drei Körperhaltungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen,
Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten aus (vgl. die Aufzählungen in
dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, SozR 3-
2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33f.). Insbesondere letztere Tätigkeiten konnte die Klägerin aufgrund ihrer
Berufserfahrung als Sachbearbeiterin noch verrichten.
Auch lag im Falle der Klägerin kein Seltenheits- oder Katalogfall vor, der zur Pflicht der Benennung eines konkreten
Arbeitsplatzes führen würde (vgl. BSG, Großer Senat, a.a.O., Seite 35). Der Arbeitsmarkt gilt unter anderem als
verschlossen, wenn einer Versicherten die so genannte Wegefähigkeit fehlt. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das
Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BSG ein abstrakter
Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit eine Versicherte täglich viermal Wegstrecken von knapp
mehr als 500 Meter mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal
öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihr zur Verfügung stehender
Mobilitätshilfen benutzen kann. Dann gilt die Erwerbsfähigkeit als nicht in beachtlichem Maße einschränkt und die
konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist nicht erforderlich. Sind Arbeitsplätze auf andere Art als zu Fuß
erreichbar, zum Beispiel mit dem eigenen Kraftfahrzeug bzw. mit einem Fahrrad, ist der Arbeitmarkt ebenfalls nicht
verschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 10). Die
Gehfähigkeit der Klägerin war nach der Beurteilung von Dr. K. nicht so wesentlich eingeschränkt, dass sie die oben
genannten Wegstrecken nicht zurücklegen konnte.
Entgegen der Ausführungen von Dr. E. geht der Senat davon aus, dass die Klägerin noch viermal täglich knapp über
500 Meter in ca. 20 Minuten zurücklegen konnte. Dr. E. hat lediglich das regelmäßige Zurücklegen von Wegstrecken
von über 500 Meter für ausgeschlossen erachtet. Für den Senat ist jedoch nicht nachvollziehbar, weshalb das Gehen
von ca. 500 Meter bis zum öffentlichen Verkehrsmittel und von dort zur Arbeitsstelle vor der Arbeitsschicht und die
gleiche Wegstrecke zurück nach einer mindestens vierstündigen Unterbrechung durch die Arbeit nicht möglich
gewesen sein sollte. Dafür, dass für solche kurzen Wegstrecken noch eine ausreichende Fähigkeit bestand, sprechen
der zwar reduzierte, aber gleichmäßig ausgestaltete Muskelstatus und der gleichmäßige Sohlenabrieb der Schuhe.
Schließlich ist der Senat der Überzeugung, dass die Klägerin ohne betriebsunübliche Pausen vier Stunden täglich eine
leidensgerechte Arbeit verrichten konnte. Denn auch insoweit erschließt sich dem Senat nicht, aus welchen Gründen
Dr. E. zu der Einschätzung gelangt ist, die Klägerin hätte bei einer leichten körperlichen Arbeit im Wechsel der
Haltungsarten bereits nach 90 Minuten eine Pause von zehn Minuten einlegen müssen, zumal der Gutachter nicht
dargelegt hat, welche Entlastungen die Klägerin hätte in den Pausen vornehmen müssen. Vielmehr erscheint es dem
Senat ausreichend, wenn die Klägerin durch den Wechsel der Haltungsarten und ein dabei kurzes Auflockern der
Muskulatur eine Entlastung der Wirbelsäule, Sehnen und Bänder herbeiführen konnte. Noch bei der Begutachtung
durch Dr. K. hatte ein vollschichtiges Leistungsvermögen ohne betriebsübliche Pausen vorgelegen.
Für die Bewilligung der Rente wegen Erwerbsminderung liegen bei der Klägerin – ausgehend vom Eintritt des
Leistungsfalls der teilweisen Erwerbsminderung am 6. April 2006 – auch die (besonderen) versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen vor: Die Klägerin ist bei der Beklagten versichert und hatte bereits zum Zeitpunkt der ersten
Rentenantragstellung am 2. Mai 2000 die allgemeine Wartezeit nach § 50 Abs. 1 SGB VI von fünf Jahren (60
Monaten) erfüllt. Ausweislich der in der Verwaltungsakte enthaltenen Wartezeitaufstellung lagen bis zu diesem
Zeitpunkt 163 Monate mit Beitragszeiten vor.
Im maßgeblichen Zeitraum von fünf Jahren vor dem Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung, d.h. vom 6. April 2001
bis zum 5. April 2006 lagen vier Monate mit Pflichtbeiträgen vor. Der Zeitraum ist jedoch um zehn Monate
Rentenbezug (§ 43 Abs. 4 Nr. 1 2. Alt. SGB VI), um fünf Monate Arbeitslosigkeit vom 1. Juli bis zum 21. November
2002 (§ 43 Abs. 4 Nr. 1 1.Alt. i.V.m. § 58 Abs. 3 i.V.m. § 43 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI) sowie um 17 Monate
Arbeitslosigkeit vom 8. April 2003 bis zum 7. September 2004 (§ 43 Abs. 4 Nr. 1 1.Alt. i.V.m. § 58 Abs. 3 i.V.m. § 43
Abs. 4 Nr. 3 SGB VI) und damit um 32 Monate bis zum 6. August 1998 zu verlängern. Im Verlängerungszeitraum vom
6. August 1998 bis zum 5. April 2001 sind alle Monate mit Pflichtbeiträgen belegt, sodass mit den oben genannten
vier Monaten insgesamt 36 Monate Pflichtbeiträgen vorliegen und auch die so genannte Drei-Fünftel-Belegung erfüllt
ist.
Die Klägerin hatte ab dem 1. November 2006 Anspruch auf Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung
wegen der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes.
Nach § 102 Abs. 2 Satz 1, 2 und 3 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet,
wobei die Befristung für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn erfolgt und verlängert werden kann. Renten wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit können nur unbefristet geleistet werden, wenn der Anspruch auf diese Rente
unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, und es darüber hinaus unwahrscheinlich ist, dass die
Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann (§ 102 Abs. 1 Satz 5 SGB VI). Hier kam zunächst nur eine
befristete Rente in Betracht, da der Klägerin der Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nur wegen
der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes zustand.
Nach der vom BSG entwickelten Rechtsprechung zur "konkreten Betrachtungsweise" ist von einem verschlossenen
Teilzeitarbeitsmarkt auszugehen, wenn die Versicherte nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten kann
und arbeitslos ist bzw. keine Tätigkeit ausübt (BSGE 43, 75 f). Die Klägerin war im hier maßgeblichen Zeitraum nur
noch vier Stunden täglich einsetzbar und nicht erwerbstätig. Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
werden nach § 101 Abs. 1 SGB VI nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der
Erwerbsfähigkeit geleistet. Hier ist aus den oben genannten Gründen vom Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung am
Tag der Untersuchung bei Dr. E., d.h. am 6. April 2006, auszugehen. Der siebte Kalendermonat nach Eintritt der
nachgewiesenen Erwerbsminderung begann am 1. November 2006.
Der Klägerin war die Rente wegen voller Erwerbsminderung für sechs Jahre zu bewilligen. Ab dem Eintritt der vollen
Erwerbsminderung am 9. Februar 2008 war die Rente weiterhin zu befristen, da nicht unwahrscheinlich ist, dass bei
adäquater Krankheitseinsicht und entsprechender stationärer psychotherapeutischer Behandlung der Klägerin eine
Besserung des Gesundheitszustandes eintreten könnte. Auch insoweit schließt sich der Senat den überzeugenden
Einschätzungen der gerichtlichen Sachverständigen Dr. K. und PD Dr. G. an. Dem gegenüber konnten die
Beurteilungen von Dr. E. und Dr. H., wonach ein Dauerzustand besteht, nicht überzeugen. Denn die Klägerin ist schon
seit den Siebziger Jahren untergewichtig und von eher schmächtiger Konstitution gewesen. Gleichwohl war sie
Jahrzehnte lang leistungsfähig und hat einen Fünf-Personen-Haushalt geführt sowie Büroarbeiten für ihren Ehemann
verrichtet. Es ist deshalb für den Senat nachvollziehbar, dass sich erst im Laufe der Zeit Ursachen dafür ergeben
haben, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin abgenommen hat und dass bei der Erforschung der Gründe diese
Entwicklung umkehrbar ist und die Leistungsfähigkeit wieder zurück gewonnen werden kann.
4. Der Klägerin steht schließlich darüber hinaus auch kein Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu. Nach § 240 Abs. 1 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden
Fassung haben Anspruch auf eine solche Rente bei Erfüllung der sonstigen (versicherungsrechtlichen)
Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und
berufsunfähig sind.
Die Klägerin ist vor dem 2. Januar 1961, nämlich am 11. Dezember 1960, geboren. Sie ist aber nicht berufsunfähig.
Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung
im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher
Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis
der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren
Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung
sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden
können. Berufsunfähig ist nach § 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs
Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Da die Klägerin, wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat, keinen Berufsschutz in Anspruch nehmen kann, ist
sie auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, die sie im oben dargelegten Umfang gesundheitlich
und sozial zumutbar verrichten kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kostengrundentscheidung ist nach § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG
vom Gericht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu treffen. Die
Ermessensentscheidung des Gerichts hat sich dabei an den Erfolgsaussichten (voraussichtliches Obsiegen oder
Obliegen), dem erreichten Prozessergebnis und den zur Klageerhebung sowie zur Erledigung des Rechtsstreits
führenden Umständen zu orientieren. Werden erst während des Rechtsstreits die Anspruchsvoraussetzungen für das
Begehren einer Klägerin durch eine Veränderung der Verhältnisse erfüllt, hat die Beklagte dann keine Kosten zu
tragen, wenn sie unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, ein Anerkenntnis abgibt oder einen sachgerechten
Vergleich anbietet (BSG, Beschluss vom 24. Mai 1991 -7 RAr 2/91-, SozR 3-1500 § 193 Nr. 2). In einem solchen Fall
kann davon ausgegangen werden, dass die Beklagte auf einen neuen Antrag hin die Leistung zuerkannt hätte und der
Rechtsstreit nicht erforderlich gewesen wäre (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, Beschlüsse vom
30. April 2007 – L 3 B 33/06 R – und vom 5. November 2008 – L 3 R 196/06 –, jeweils nicht veröffentlicht). Hier hat
die Beklagte unmittelbar nach Erstattung des überzeugenden Gutachtens von PD Dr. G. sachgerechte
Vergleichsvorschläge unterbreitet, bei deren Annahme die Klägerin ein für sie vorteilhafteres Ergebnis erzielt hätte als
durch die Entscheidung des Senats, da die Beklagte bereit war, die nicht an konkreten Befunden orientierte
Schätzung der Verringerung des quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin ihren Vorschlägen zugrunde zu legen.
Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte nicht bereits nach Erstattung des Gutachtens durch Dr. E. zur Abgabe
eines Vergleichsangebots bereit war. Denn Dr. E. hat ein orthopädisches, in sich nicht in allen Punkten schlüssiges
Gutachten erstellt, das auch für den Senat als Entscheidungsgrundlage nicht ausreichend erschien. Erst nach
Erstattung des Gutachtens durch PD Dr. G., der die Verschlechterung im Gesundheitszustand der Klägerin schlüssig
dargelegt hat, konnte der Senat sich in Teilen der Einschätzung von Dr. E. anschließen.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine
Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160
Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.