Urteil des LSG Sachsen vom 18.07.2001

LSG Fss: behinderung, gutachter, medizinisches gutachten, facharzt, schwerhörigkeit, verkehrsmittel, mittelohrentzündung, augenheilkunde, mensch, form

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 18.07.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 2 SB 157/98
Sächsisches Landessozialgericht L 1 SB 19/00
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 08. Februar 2000 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. III. Die Revision
wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den bei der Klägerin festzustellenden Grad der Behinderung (GdB) sowie die Feststellung
der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergabe der Merkzeichen "B", "G" und "RF".
Auf einen von der im Mai ... geborenen Klägerin bei dem Beklagten am 22. April 1991 gestellten Antrag auf
Ausstellung eines Ausweises über die Eigenschaft als Schwerbehinderte und den GdB nach § 4 Abs. 5
Schwerbehindertengesetz (SchwbG) stellte der Beklagte mit Bescheid vom 28. Januar 1992 als Behinderungen fest:
1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskel reizerscheinungen, Entkalkung des Knochens
(Osteoporose), Bewegungseinschränkung im Kniegelenk beidseits. 2. Schwerhörigkeit mit Gleichgewichtsstörung
beidseits Radikaloperationshöhle beidseits, Mittelohrentzündung beidseits. Das Ausmaß der festgestellten
Behinderungen ergebe sich aus dem GdB. Er betrage 50. Gesundheitliche Voraussetzungen für Merkzeichen lägen
nicht vor.
Unter dem 29. März 1993 stellte die Klägerin bei dem Beklagten einen Antrag auf Erhöhung des GdB und auf
Eintragung der Merkzeichen "G" und "B". Eine Neufeststellung nach § 4 SchwbG lehnte der Beklagte mit Bescheid
vom 24. Mai 1993 ab. Dagegen legte die Klägerin am 14. Juni 1993 Widerspruch ein. Mitte April 1994 beantragte sie
die Eintragung des Merkzeichens "RF" in den Ausweis. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom
26. Oktober 1994).
Unter dem 21. August 1996 stellte die Klägerin bei dem Beklagten einen Antrag "auf Verschlimmerung", auf Erhöhung
des GdB, auf Eintragung der Merkzeichen "G", "B" und "RF" sowie auf Feststellung weiterer Behinderungen und des
GdB. Dabei gab sie an, die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, die Osteoporose, die Erkrankung der Kniegelenke
und die Taubheit im linken Ohr hätten sich verschlimmert. Neu aufgetreten seien: Herzrhythmusstörung, Wasser in
den Beinen, Magen- und Darmkrämpfe, Fettleber, häufige Stürze, Allergien, Atembeschwerden, ständiger Husten,
Hautausschlag, Randzackenbildungen an den Gelenken, Schwellungen und Schmerzen an den Gelenken,
Bänderschwäche und Blutergüsse (meist linker Fuß), ein komplizierter Splitterbruch im linken Arm und Gelenk, ein
Morbus Sudeck, eine chronische Bindehautentzündung sowie eine Lichtempfindlichkeit beider Augen. Von Dr. B ...,
Fachärztin für Augenheilkunde in L ..., Dipl.-Med. W ..., Fachärztin für Allgemeinmedizin in L ..., Dr. St ..., Facharzt
für Chirurgie in L ..., holte der Beklagte hierzu Befundberichte ein. Von Dr. B ..., Fachärztin für Orthopädie in L ..., ließ
er ein medizinisches Gutachten erstellen. In ihrem Gutachten vom 22. September 1997 diagnostizierte sie folgende
Erkrankungen/Behinderungen: 1. Bewegungseinschränkung beider Hüftgelenke, Bewegungseinschränkung beider
Kniegelenke (Einzel-GdB 30) 2. Schwerhörigkeit beiderseits mit Gleichgewichtsstörungen Radikaloperation beiderseits
Mittelohrentzündung beiderseits (Einzel-GdB 40) 3. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20) 4.
Funktionsbehinderung des linken Handgelenkes und des dritten und vierten Fingers links (Einzel-GdB 20). Der
Gesamt-GdB betrage 60. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung von Nachteilsausgleichen könnten nicht
abgeleitet werden. Einen weiteren Befundbericht holte der Beklagte von Dr. H ..., HNO-Facharzt in B ..., ein.
Unter dem 28. Januar 1998 erließ der Beklagte einen Änderungs- Bescheid. Als Behinderungen wurden festgestellt: 1.
Bewegungseinschränkung des Hüftgelenkes beidseits, Bewegungseinschränkung im Kniegelenk beidseits. 2.
Schwerhörigkeit beidseits. Radikaloperationshöhle beidseits Mittelohrentzündung beidseits. 3. Funktionsbehinderung
der Wirbelsäule. 4. Funktionsbehinderung des linken Handgelenkes und des dritten und vierten Fingers links. Die
festgestellten Behinderungen bewirkten wie bisher einen GdB von 50. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die
Merkzeichen "B", "G", "aG", "Bl", "H", "RF" und "1. Kl." lägen nicht vor.
Dagegen legte die Klägerin am 16. Februar 1998 Widerspruch ein. Sie leide an Dauernasenbluten,
Herzrhythmusstörungen, Kopfschmerzen und Nervenschmerzen im Gesicht. Sie sei Allergiepatientin. Durch etliche
Unfälle im Straßenverkehr stelle sie für sich und andere Teilnehmer eine Gefahr dar. Öffentliche Verkehrsmittel könne
sie seit Jahren nicht mehr benutzen wegen häufig erfolgter Stürze. Ein Hörgerät habe sie wegen Allergien im
Gehörgang zurückgeben müssen. Sie höre nur, wenn sie den Leuten auf den Mund schaue. Dies sei oft bei
synchronisierten Filmen im Fernsehen schon ein Problem.
Nach Einholung von versorgungsärztlichen Stellungnahmen und einem vom Medizinischen Dienst der
Krankenversicherung im Freistaat Sachsen am 30. Juli 1997 erstellten Pflegegutachten für die Klägerin erließ der
Beklagte am 07. Juli 1998 einen ablehnenden Widerspruchsbescheid. Dauernasenbluten, Kopfschmerzen,
Herzrhythmusstörungen und Allergien seien in den ärztlichen Befunden nicht beschrieben. Wohn- und
Ortsverhältnisse könnten bei der Feststellung von Behinderungen und Merkzeichen nicht berücksichtigt werden. Dem
festgestellten GdB von 50 seien zutreffend die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit
unter Berücksichtigung ihrer wechselnden Beziehung zugrunde gelegt. Die Voraussetzungen für die Merkzeichen "B",
"G" und "RF" lägen nicht vor.
Die Klägerin hat am 16. Juli 1998 beim Sozialgericht Leipzig (SG) Klage erhoben.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten bei Dr. B ..., Dipl.-Med. W ... und von Dr. Sp ...,
Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie in L ...
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG am 08. Februar 2000 die Klage mit Gerichtsbescheid abgewiesen. Nach
seiner Ansicht sei gegen die Einschätzung des GdB mit 50 nichts einzuwenden. Unter Einschluss der HNO-
ärztlicherseits bestehenden Behinderung erscheine dieser als angemessen. Das Übergewicht könne nicht als
eigenständige Behinderung berücksichtigt werden. Dieses könne sich jedoch erhöhend auf einzelne Behinderungen
auswirken. Dies sei aber offensichtlich in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 22. Dezember 1997 bereits
berücksichtigt worden. Die begehrten Merkzeichen könnten der Klägerin nicht zuerkannt werden. Das Merkzeichen
"G" stehe ihr nicht zu, weil bei ihr keine sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsstörung der unteren
Gliedmaßen bzw. der Lendenwirbelsäule bestehe, die für sich einen GdB von 50 bedinge. Ein Teil-GdB von 40 bis 50
werde jedoch für die Funktionsstörung der unteren Gliedmaßen und der Lendenwirbelsäule nicht erreicht. Ebenso
wenig könne ihr das Merkzeichen "B" zuerkannt werden. Eine ständige Begleitung sei nicht erforderlich. Kürzere
Strecken mit der Straßenbahn oder mit dem Linienbus könne die Klägerin durchaus noch alleine zurücklegen. Das
Merkzeichen "RF" komme für sie keinesfalls in Betracht. Die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen sei ihr
durchaus möglich.
Gegen den als Einschreiben am 02. März 2000 zur Post gegebenen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14. März
2000 beim SG Berufung eingelegt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten bei Dr. Sch ..., Facharzt für Orthopädie in L ...,
von Dipl.-Med. W ... und von Dr. Sp ... Von Prof. Dr. v ..., Direktor der Orthopädischen Klinik und Poliklinik des
Universitätsklinikums L ..., hat es ein orthopädisches Fachgutachten erstellen lassen. In seinem Gutachten vom 12.
Dezember 2000 - aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin - diagnostizierte er folgende Erkrankungen: 1.
Fehlform und Verschleißerkrankung der Wirbelsäule mit Bewegungseinschränkung ohne neurologische Ausfälle
(Einzel-GdB 30). 2. Verschleißerkrankung der Kniegelenke ohne Bewegungsein schränkung (Einzel-GdB 10). 3.
Chronische Außenbandlockerung der Sprunggelenke (Einzel-GdB 10). 4. Bewegungseinschränkung des linken
Handgelenkes nach in Fehl- stellung geheiltem Speichenbruch, knöchern geheilter Bruch des fünften
Mittelhandknochens links, schnellender dritter Finger links (Einzel-GdB 10). Hieraus resultiere somit auf
orthopädischem Fachgebiet ein Gesamtgrad der Behinderung von 30. Unter Mitberücksichtigung der Behinderungen
auf nichtorthopädischem Fachgebiet sei nach seiner Einschätzung ein Gesamtgrad der Behinderung von 50
angemessen. Die Klägerin sei aufgrund ihrer Behinderung nicht ständig an der Teilnahme öffentlicher Veranstaltungen
gehindert. Sicherlich könnten ihr längere Gehstrecken als zwei Kilometer nicht mehr regelmäßig zugemutet werden.
Darüber hinaus sollten die zumutbaren Wegstrecken von bis zwei Kilometern möglichst ohne Zeitdruck zurückgelegt
werden. Ansonsten sei sicheres und selbstständiges Gehen ohne Hilfe möglich. Die Fortbewegung sei ohne
Hilfsmittel möglich. Ein ununterbrochenes Sitzen von ein bis zwei Stunden sei selbstverständlich zumutbar. Eine
Wegstrecke von 2.000 Metern sei regelmäßig zumutbar, hierfür würden allerdings nach seiner Einschätzung ca. 45
Minuten benötigt. Technische Hilfsmittel seien beim Gehen nicht erforderlich. Öffentliche Verkehrsmittel könnten
benutzt werden. Die Klägerin sei trotz ihrer Behinderung bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht
regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen. Es finde sich kein Anhalt für das Vorliegen von Orientierungsstörungen. Eine
Begutachtung auf einem anderen ärztlichen Fachgebiet sei nicht erforderlich. Wegen der weiteren Einzelheiten des
Gutachtens im Übrigen wird auf Bl. 62 bis 72 der LSG-Akte Bezug genommen.
Die Klägerin trägt vor, ständig schliefen ihr die Gliedmaßen ein. Beim Sitzen leide sie starke Schmerzen, das Gesäß
schliefe ein oder die Beine. Wegen der Erkrankung der Halswirbelsäule drehe es sich ihr im Kopf und ihr sei schlecht.
Die Funktionsbehinderung des linken Handgelenkes beträfen auch den Daumen. Sie könne nicht am Stock gehen,
keinen Regenschirm halten, keine Tasche tragen. In einer fahrenden Straßenbahn oder in einem Bus könne sie sich
nicht festhalten. Auf ihre Herzrhythmusstörungen, eine chronische Bronchitis, Röcheln, Husten und Atemnot werde
überhaupt nicht eingegangen. Sie leide an wiederholten Hornhautgeschwüren, Schleiersehen, Lichtempfindlichkeit, zu
trockenen Augen, einer chronischen Bindehautentzündung sowie an einer Pollenallergie. Das linke Ohr sei taub und
weise mehrere Löcher im Trommelfell auf. Sie könne nur in Begleitung eingehenkt gehen. Sie könne keine Krücke
tragen. Ferner störe ihr Dauerhusten. Sie vertrage nur noch sehr wenig Medikamente wegen ihrer Allergie.
Die in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende und nicht vertretene Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 08. Februar 2000 und den Änderungsbescheid des Beklagten
vom 28. Januar 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07. Juli 1998 abzuändern und den Beklagten
zu verurteilen, bei ihr einen GdB von 60 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Nachteilsausgleiche "B",
"G" und "RF" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12. September 2000 der Ansicht, das Begehren
der Klägerin sei in der Vorinstanz eingehend geprüft und gewürdigt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge, der Schwerbehindertenakte
und der Beschädigtenakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit der ordnungsgemäß geladenen Klägerin verhandeln und entscheiden (§ 153 Abs. 1,
§ 110 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Gesamt-GdB der
Klägerin ist nicht im Wege der Neufeststellung mit mehr als 50 festzustellen. Die Merkzeichen "B", "G" und "RF"
stehen der Klägerin nicht zu. Der Änderungsbescheid des Beklagten vom 28. Januar 1998 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 07. Juni 1998 ist rechtmäßig.
Statthafte Klageart für das Begehren der Klägerin ist eine mit der Anfechtung der Verwaltungsakte des Beklagten
einhergehende Verpflichtungsklage als Sonderfall der Leistungsklage (vgl. derartige Klage ist der Sach- und
Streitstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz maßgeblich (Meyer-Ladewig,
SGG, 6. Auflage, § 54 Rn. 34). Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist daher das Neunte Buch
Sozialgesetzbuch (SGB IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - vom 19. Juni 2001 (BGBl. I, S.
1046), das am 01. Juli 2001 in Kraft getreten ist (Art. 68 Abs. 1 SGB IX).
Nach § 69 Abs. 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen
Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert,
wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als
sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilnahme am Leben in der
Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist. Nach §
69 Abs. 3 SGB IX ist bei mehreren sich gegenseitig beeinflussenden Funktionsbeeinträchtigungen deren
Gesamtauswirkung maßgeblich. Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen oder Behinderungen vor, ist der GdB
nach den Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer
wechselseitigen Beziehungen festzustellen, wobei zu beachten ist, dass die Auswirkungen vereinzelter
Funktionsbeeinträchtigungen einander verstärken, sich überschneiden, aber auch gänzlich voneinander unabhängig
sein können (vgl. BSG, Urteil vom 09. April 1997, Az: 9 RVs 4/95; BSGE 48, 82, 8 = SozR 3870 § 3 Nr. 4).
Gleichgültig ist, auf welche Ursachen die Auswirkungen zurückzuführen sind; entscheidend ist, dass sie
Krankheitswert haben, denn dann sind sie als Behinderung zu berücksichtigen.
Der GdB ist nach den Maßstäben zu beurteilen, nach denen sich gemäß § 30 Abs. 1 BVG der Grad der Behinderung
der Erwerbsfähigkeit (MdE) bemisst, § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX. Die Auswirkung der Funktionsbeeinträchtigung ist
als GdB nach Zehnergraden, abgestuft von 20 bis 100, festzustellen.
Grundlage für die inhaltliche Bemessung und den Grad einer Behinderung sowie die konkrete Bestimmung des GdB
sind im Hinblick auf die Gleichbehandlung aller schwerbehinderten Menschen die vom Bundesministerium für Arbeit
und Sozialordnung herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen
Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP), hier Rechtsstand: November 1996. Die
Rechtsprechung der Sozialgerichte erkennt die AHP umfassend als eine der Entscheidungsfindung dienende
Grundlage der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zur Bemessung sowohl des Umfangs als auch der
Schwere der Beeinträchtigung an; denn in den AHP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von
Behinderungen jeweils aktualisiert wiedergegeben und ermöglicht auf diese Weise eine nachvollziehbare, dem
medizinischen Kenntnisstand entsprechende Rechtsprechung sowohl hinsichtlich des Umfanges als auch der
Schwere der Beeinträchtigung, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz genügt. Eine Abweichung von den AHP kann
daher nur in medizinisch begründeten Ausnahmefällen in Betracht kommen. Die AHP sind daher als antipizierte
Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken,
deshalb normähnliche Auswirkungen haben und im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie
untergesetzlicher Normen von den Gerichten anzuwenden sind (vgl. BSG, Urteil vom 09. April 1997; BSGE 72, 285,
286 = SozR 3-3870 § 4 Nr. 6).
Nach Überzeugung des Senats liegen bei der Klägerin folgende gesundheitliche Beeinträchtigungen vor:
1. Fehlform und Verschleißerkrankung der Wirbelsäule mit Bewegungseinschränkung ohne neurologische Ausfälle.
2. Verschleißerkrankung der Kniegelenke ohne Bewegungseinschränkung.
3. Chronische Außenbandlockerung der Sprunggelenke.
4. Bewegungseinschränkung des linken Handgelenkes nach in Fehlstellung geheiltem Speichenbruch, knöchern
geheilter Bruch des fünften Mittelhandknochens links, schnellender dritter Finger links.
5. Schwerhörigkeit beidseits, Radikaloperationshöhle beidseits sowie Mittelohrentzündung beidseits.
Der Senat folgt dabei dem überzeugenden, nachvollziehbaren und insoweit schlüssigen Gutachten Prof. Dr ... vom 12.
Dezember 2000 und hinsichtlich der HNO-ärztlichen Einschätzungen den Befundberichten Dr. R ..., Fachärztin für
HNO-Heilkunde in L ..., vom 21. Dezember 1991 sowie den Befundberichten Dr. H ..., HNO-Facharzt in B ..., vom 02.
Mai 1993 und 12. Oktober 1997.
Im Bereich der Augen leidet die Klägerin an rezidivierenden - wiederkehrenden - Hornhaut- und
Bindehautentzündungen, wobei die Beschwerden ständig wechseln, ohne eine Progredienz aufzuweisen
(Befundbericht Dr. B ..., Fachärztin für Augenheilkunde in Leipzig, vom 28. September 1998). Dabei handelt es sich
jedoch um vorübergehende Funktionsbeeinträchtigungen, deren Auswirkungen bei der Bemessung des GdB nicht zu
berücksichtigen sind.
Ferner leidet die Klägerin an einer röntgenologisch gesicherten chronischen Bronchitis (vgl. Befundbericht Dipl.-Med.
W ... vom 11. Oktober 1998). Es liegen bei ihr ferner eine Adipositas, eine Hypertonie und Herzrhythmusstörungen vor
(vgl. Befundbericht Dipl.-Med. W ...). Einzig Dr. W ... stellte in einem Gutachten zur Feststellung der
Pflegebedürftigkeit vom 30. Juli 1997 eine Linksherzinsuffienz bei der Klägerin fest, ohne eine entsprechende
Diagnostik durchgeführt zu haben. Diese Erkrankung wird von den die Klägerin behandelnden Ärzten nicht bestätigt
und ist daher nach Auffassung des Gerichts nicht nachgewiesen.
Nach Ansicht des Senates zutreffend hat der Gutachter Prof. Dr. v ... hinsichtlich der Fehlform und der
Verschleißerkrankung der Wirbelsäule mit Bewegungseinschränkung ohne neurologische Ausfälle einen Einzel-GdB
von 30 angesetzt. Für Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt
(Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades,
häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) sehen die AHP einen GdB von 30
vor, für Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei
Wirbelsäulenabschnitten einen GdB von 30 bis 40 (AHP Nr. 26.18, S. 139, 140). Zwar liegen bei der Klägerin
degenerative Veränderungen der Wirbelsäule vor, die durch eine Bewegungseinschränkung aller
Wirbelsäulenabschnitte um die Hälfte des normalen Ausmaßes objektivierbar sind, neurologische
Ausfallserscheinungen im Bereich der oberen Extremitäten als Folge der Wirbelsäulenerkrankung sind jedoch nicht
nachweisbar. Da keine schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen, erscheint
hierfür ein Teil-GdB von 30 als angemessen.
Hinsichtlich der Kniegelenke hat der Gutachter Prof. Dr. v ... für deren Beweglichkeit festgestellt, dass diese beidseits
frei sei, die Messwerte nach der Neutral-Null-Methode betrügen für das Beugen/Strecken 140/0/0 (normal: 120 bis
50/0/0). Die AHP sehen für eine Bewegungseinschränkung im Kniegelenk geringen Grades (z. B. Streckung/Beugung
bis 0/0/90) beidseitig einen GdB von 10 bis 20 vor (AHP Nr. 26.18, S. 151), für eine Bewegungseinschränkung
mittleren Grades (z. B. Streckung/Beugung 0/10/90) beidseitig einen GdB von 40. Da jedoch eine beidseits freie
Beweglichkeit besteht, ist ein Teil-GdB für die diagnostizierte Verschleißerkrankung der Kniegelenke ohne
Bewegungseinschränkung nach Auffassung des Senats nicht festzustellen. Der orthopädische Gutachter hat
festgestellt, dass die oberen und unteren Sprunggelenke beidseits frei beweglich sind. Die AHP sehen für eine
Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk geringen Grades einen GdB von 0 vor, für eine
Bewegungseinschränkung im unteren Sprunggelenk einen GdB von 0 bis 10 (AHP Nr. 26.18, S. 152, 153). Mangels
Vorliegens einer Bewegungseinschränkung ist nach Überzeugung des Senates hierfür - chronische
Vorliegens einer Bewegungseinschränkung ist nach Überzeugung des Senates hierfür - chronische
Außenbandlockerung der Sprunggelenke - kein Teil-GdB festzustellen.
Für die diagnostizierte Bewegungseinschränkung des linken Handgelenkes nach in Fehlstellung geheiltem
Speichenbruch, knöchern geheiltem Bruch des fünften Mittelhandknochens links, schnellender dritter Finger links hat
der Gutachter eine leichte Einschränkung der Auswärtsdrehung bei den Umwendebewegungen der linken Hand
festgestellt, bei der Bewegungsprüfung fand er eine im Seitenvergleich links mittelgradige Bewegungseinschränkung
mit dem Bewegungsausmaß bei Streckung/Beugung links 60/0/30 (normal: 35 bis 60/0/50 bis 60). Für eine
Bewegungseinschränkung des Handgelenkes geringen Grades (z. B. Streckung/Beugung bis 30/0/40) sehen die AHP
einen GdB von 0 bis 10 vor, stärkeren Grades von 20 bis 30 (AHP Nr. 26.18, S. 145). In Übereinstimmung mit dem
Gutachter Prof. Dr. v ... erscheint daher dem Senat ein Einzel-GdB hierfür von 10 als angemessen.
Hinsichtlich der Hörstörungen der Klägerin teilte Dr. H ..., Facharzt für HNO in B ..., in seinen Befundberichten vom
02. Mai 1993 und 12. Oktober 1997 mit, bei der Klägerin bestehe ein fast normales Gehör rechts und Taubheit links,
Audiogrammbefunde lägen ihm nicht vor. Unter Berücksichtigung einer Taubheit auf dem linken Ohr und einer
Normalhörigkeit auf dem rechten Ohr erscheint hierfür ein GdB von 20 als angemessen (Tabelle D, AHP Nr. 26.5, S.
72). Nach Auskunft von Dr. H ... (Befundbericht vom 12. Oktober 1997) sind in seiner Krankenakte Angaben über eine
Hörverschlechterung oder Gleichgewichtsstörung nicht festgehalten. Dr. W ... stellte in seinem Gutachten vom 30.
Juli 1997 fest, die Klägerin sei etwas schwerhörig. Für die bei der Klägerin vorliegende Augenerkrankung (Myopie
rechts und links) sowie Konjunctivitis sicca (vgl. Befundbericht Dr. V ..., Fachärztin für Augenheilkunde in L ..., vom
15. November 1997) werden von dieser eine korrigierte Sehschärfe für rechts von 0,8; 1,0 p und links von 0,63 ohne
Gesichtsfeldeinschränkung angegeben. Da es sich um eine rezidivierende Hornhaut- und Bindehautentzündung
handelt (vgl. Befundbericht Dr. B ... vom 28. September 1998) und die korrigierte Sehschärfe der Klägerin auf beiden
Augen als fast normal anzusehen ist (vgl. MdE-Tabelle der DOG, AHP Nr. 26.4, S. 65) ist hierfür kein Teil-GdB
festzustellen.
Für die bei der Klägerin diagnostizierte chronische Bronchitis ergeben sich aus den beigezogenen Akten keinerlei
Anhaltspunkte für nachgewiesene objektive Lungenfunktionsbeeinträchtigungen. Für eine chronische Bronchitis (in
zwei oder mehr aufeinanderfolgenden Jahren je Jahr mindestens drei Monate Husten und/oder Auswurf) als
eigenständige Krankheit ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion, in leichter Form (symptomfreie Intervalle
über mehrere Monate, wenig Husten, geringer Auswurf) wird ein GdB von 0 bis 10 für angemessen gehalten (AHP Nr.
26.8, S. 82). Inwieweit tatsächlich bei der Klägerin objektive Lungenfunktionsbeeinträchtigungen vorliegen, konnte der
Senat nicht feststellen, da es die Klägerin entgegen ihrer Mitwirkungspflicht bei der Erforschung des Sachverhaltes
von Amts wegen (§ 103 Satz 1, 2. Halbsatz SGG) es abgelehnt hat, sich einer internistischen Begutachtung zu
unterziehen. Gleiches gilt für die bei der Klägerin beschriebenen Herzrhythmusstörungen. Die Beurteilung des GdB
richtet sich dabei vor allem nach der Leistungsbeeinträchtigung des Herzens (AHP Nr. 26.9, S. 89). Inwieweit eine
Leistungsbeeinträchtigung des Herzens bei der Klägerin vorliegt, konnte der Senat ebenfalls nicht feststellen, da sich
wie o. a. die Klägerin keiner internistischen Begutachtung gestellt hat. Für eine Hypertonie (Bluthochdruck), die auch
bei der Klägerin diagnostiziert wurde, sehen die AHP für eine leichte Form (keine oder geringe
Leistungsbeeinträchtigung, [höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen]) einen GdB von 0 bis 10 vor, für eine
mittelschwere Form mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrundveränderungen - Fundus
hypertonicus I bis II - und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie), diastolischer Blutdruck mehrfach
über 100 mmHg trotz Behandlung, je nach Leistungsbeeinträchtigung einen GdB von 20 bis 40 (AHP Nr. 26.9, S. 92).
Ob bei der Klägerin eine Leistungsbeeinträchtigung durch den vorliegenden Bluthochdruck vorliegt, konnte der Senat
aufgrund der vorliegenden Akten nicht feststellen, eine internistische Begutachtung hat die Klägerin verweigert. Ein
Einzel-GdB war daher hierfür nicht festzustellen.
Die bei der Klägerin vorliegende Adipositas bedingt allein keinen GdB. Nur Folge- und Begleitschäden (insbesondere
am kardiopulmonalen System und am Stütz- und Bewegungsapparat) können die Annahme eines GdB begründen
(AHP Nr. 26.15, S. 120). Diesbezüglich wird auf die obigen Einschätzungen zum GdB am kardiopulmonalen System
und am Stütz- und Bewegungsapparat verwiesen.
Bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsstörungen zusammen dürfen nach AHP Nr. 19 die einzelnen
Teil-GdB-Werte nicht einfach addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB
ungeeignet. Maßgebend sind vielmehr die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen in ihrer Gesamtheit unter
Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehung zueinander. Dabei führen indes leichte Gesundheitsstörungen, die
nur einen GdB von 10 bedingen nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamt-Beeinträchtigung,
die bei dem Gesamt-GdB berücksichtigt werden könnte. Auch bei leichten Behinderungen mit einem Teil-GdB um 20
ist es regelmäßig nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Bei der Bestimmung des Gesamt-GdB ist daher in der Regel von der Behinderung auszugehen, die den höchsten
Einzel-GdB bedingt und damit im Hinblick auf alle weiteren Funktionsstörungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch
das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsstörungen dem ersten GdB 10 oder
20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Gesamtbehinderung gerecht zu werden. Vor diesem Hintergrund
liegen allein ein Teil-GdB für die Fehlform und Verschleißerkrankung der Wirbelsäule mit Bewegungseinschränkung
ohne neurologische Ausfälle vor (Einzel-GdB von 30) sowie ein Teil-GdB für die Hörstörungen von 20. Der Senat ist
insoweit der Überzeugung, dass mit einem Gesamt- GdB von 40 dem Beschwerdebild der Klägerin hinreichend
Rechnung getragen worden ist. Etwas andere ergäbe sich auch nicht, wenn man wie der Gutachter Prof. Dr. v ... die
Verschleißerkrankungen der Kniegelenke ohne Bewegungseinschränkung mit einem Einzel-GdB von 10, die
chronische Außenbandlockerung der Sprunggelenke mit einem Einzel-GdB von 10 und die Bewegungseinschränkung
des linken Handgelenkes nach in Fehlstellung geheiltem Speichenbruch, knöchern geheilter Bruch des fünften
Mittelhandknochens links, schnellender dritter Finger links mit einem Einzel-GdB von 10 bewertete. Im Ergebnis steht
der Klägerin jedenfalls kein höherer als der von dem Beklagten bereits anerkannte Gesamt-GdB von 50 zu.
Die Klägerin erfüllt auch nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G". Auf das Merkzeichen
"G" hat Anspruch, wer gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX schwerbehindert i.S. des § 2 Abs. 1 SGB IX und darüber
hinaus erheblich gehbehindert, d.h. in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist. In
seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wer
infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von
Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder
andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise zu Fuß zurückgelegt werden. Die
Wegstrecken, die "üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden" und die der schwerbehinderte Mensch infolge
seiner Funktionsausfälle nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder Gefahren bewältigen kann, sind laut
höchstrichterlicher Rechtsprechung mit zwei Kilometern in einer Fußwegdauer von 30 Minuten zu bemessen (BSGE
62, 273, 275). Das ist die Wegstrecke, die eine Vergleichsperson ohne Einschränkung des Gehvermögens im
Ortsverkehr üblicherweise noch zurücklegt, wobei bei der Ermittlung dieser Wegstrecke nicht darauf abgestellt wurde,
welche Entfernung andere, nicht erheblich bewegungseingeschränkte Personen nach ihrem Leistungsvermögen noch
zu Fuß zurücklegen sollen, sondern vielmehr auf die tatsächlichen Gehgewohnheiten der Bevölkerung.
Rechtstatsächliche Ermittlungen über die entsprechende übliche Leistungsfähigkeit erübrigen sich somit (BSGE
a.a.O.). Bei dem Vergleich, ob der betreffende schwerbehinderte Mensch diese übliche Wegstrecke ohne erhebliche
Schwierigkeiten im Ortsverkehr bewältigen kann oder nicht, ist wie in allen Fällen, bei denen es auf besonders
eindeutig erkennbare Weise um die Bestätigung eines klägerischen Vortrages durch den Kläger selbst ankommt, nicht
allein auf die Angaben der Klägerin abzustellen, sondern auf den objektivierbaren Befund und die damit verbundenen
Funktionsbeeinträchtigungen. So resultiert die tatsächliche Verminderung der Gehleistungsfähigkeit aus dem
Vorliegen bestimmter Gesundheitsstörungen, die im Funktionsbereich der Gehfähigkeit bestimmte
Funktionseinschränkungen verursachen. Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung
der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens
sind als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen
und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB um wenigstens 50 bedingen.
Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50
gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B. bei Versteifung des
Hüftgelenkes, Versteifung des Knie- oder Fußgelenkes in ungünstiger Stellung, arterielle Verschlusskrankheit mit
einem GdB von 40 (AHP Nr. 30, S. 166). Wie o. a. liegen keine Behinderungen bzw. Funktionsstörungen der unteren
Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule vor, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingten. Es liegen auch
keine Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 vor, die sich auf die Gehfähigkeit der
Klägerin besonders auswirkten. Der Senat folgt dabei den überzeugenden, nachvollziehbaren und schlüssigen
Ausführungen im Gutachten Prof. Dr. v ..., der auch ausgeführt hat, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass
infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für
sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückgelegt werden könnten, die üblicherweise noch zu Fuß
zurückgelegt werden. Der Gutachter hält eine Wegstrecke von 2.000 Metern durchaus für zumutbar, nach seiner
Einschätzung der Persönlichkeit der Klägerin allerdings nicht in einer Zeit von 30 Minuten, sondern eher von 45
Minuten. Maßgeblich ist jedoch allein die Wegstrecke, die der schwerbehinderte Mensch infolge seiner
Funktionsausfälle nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder Gefahren bewältigen kann. Funktionsstörungen der
unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule liegen jedoch nicht vor. Es gibt daher insgesamt keine
Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin eine Wegstrecke von zwei Kilometern in einer Fußwegdauer von 30 Minuten
nicht zurücklegen könnte. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung
des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei
Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung nach Gruppe 3 (AHP Nr. 26.9, S. 87) und bei Atembehinderungen
mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades (AHP Nr. 26.8, S. 83) anzunehmen
(AHP Nr. 30, S. 166). Lungenfunktionseinschränkungen sind bei der Klägerin jedoch nicht nachgewiesen, ebenso
wenig ein Herzschaden mit Beeinträchtigung der Herzleistung. Aufgrund innerer Leiden ist eine Einschränkung des
Gehvermögens der Klägerin nicht anzunehmen.
Ebenso wenig steht der Klägerin das Merkzeichen "B" zu. Nach § 146 Abs. 2 SGB IX ist ständige Begleitung bei
schwerbehinderten Menschen notwendig, die bei Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung
zur Vermeidung von Gefahren für sich oder andere regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind. Die Notwendigkeit
ständiger Begleitung ist anzunehmen bei Querschnittsgelähmten, Ohnhändern, Blinden und den in Nr. 30, Absätze 4
und 5 AHP genannten Sehbehinderten, Hörbehinderten, geistig Behinderten und Anfallskranken, bei denen die
Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr gerechtfertigt ist (AHP Nr.
32, S. 169). Zu diesem Personenkreis gehört die Klägerin nicht. Der Gutachter Prof. Dr. v ... hat dazu ausgeführt, aus
den vorhandenen Behinderungen lasse sich nicht ableiten, dass die Klägerin zur Vermeidung von Gefahren für sich
oder andere bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen wäre. Das
Bewegungsmaß der Extremitätengelenke und der Wirbelsäule sei ausreichend, um öffentliche Verkehrsmittel ohne
Hilfe zu betreten, sich in diesen zu bewegen, darin zu sitzen und diese auch ohne fremde Hilfe wieder zu verlassen.
Dies entspricht auch der Einschätzung der die Klägerin behandelnden Orthopädin Dr. Sch ... Diese verneinte die
Frage, ob die Klägerin bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zur Vermeidung von Gefahren für sich oder
andere regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sei (Befundbericht vom 20. Juni 2000). Die behandelnde
Allgemeinmedizinerin Dipl.-Med. W ... hat die Wegefähigkeit der Klägerin nicht überprüft (Befundbericht vom 26. Juni
2000). Nach Überzeugung des Senates liegen daher die Voraussetzungen für die Gewährung des Merkzeichens "B"
bei der Klägerin nicht vor.
Die Klägerin hat auch nicht die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt. Die
Voraussetzung für die Vergabe des Merkzeichens "RF" richten sich nach § 69 Abs. 4 SGB IX i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 3
der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über die Voraussetzung für die Befreiung von der
Rundfunkgebührenpflicht vom 06. Januar 1992 (Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1992, S. 16), der seine
Ermächtigungsgrundlage in Artikel 4, § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Staatsvertrages über den Rundfunk im Vereinten
Deutschland vom 21. April 1991 i.V.m. Artikel 1 des Gesetzes zum Staatsvertrag über den Rundfunk im Vereinten
Deutschland vom 19. Dezember 1991 (Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1991, S. 425) hat. Danach werden
auf Antrag von der Gebührenpflicht befreit: Behinderte, die nicht nur vorübergehend um wenigstens 80 v. H. in ihrer
Erwerbsfähigkeit gemindert sind und wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen
können. Wie o.a. liegt bei der Klägerin ein GdB von wenigstens 80 nicht vor. Insgesamt ergeben sich für den Senat
auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin unabhängig vom Vorliegen eines GdB von mindestens 80
wegen ihrer Leiden ständig, d. h. allgemein und umfassend, vom Besuch von Zusammenkünften politischer,
künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender oder wirtschaftlicher Art ausgeschlossen ist.
Dies wäre dann der Fall, wenn sie praktisch an das Haus gebunden wäre und allenfalls an einer nicht nennenswerten
Zahl von Veranstaltungen teilnehmen kann. Eine Teilnahme der Klägerin an öffentlichen Veranstaltungen ist ihr noch
möglich. Dies wird von den die Klägerin behandelden Ärzten bestätigt (vgl. Befundbericht Dr. Sch ... vom 20. Juni
2000 und Dipl.-Med. W ... vom 26. Juni 2000).
Zwar liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" auch bei Hörgeschädigten vor, die
gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist.
Letzteres ist dann nicht möglich, wenn an beiden Ohren mindestens eine hochgradige kombinierte Schwerhörigkeit
oder hochgradige Innenohrschwerhörigkeit vorliegt und hierfür ein GdB von wenigsten 50 anzusetzen ist (AHP Nr. 33
Abs. 2b), S. 169-170). Bei der Klägerin sind die Voraussetzungen jedoch nicht gegeben. Ihre Hörstörungen bedingen -
wie o.a. - lediglich einen Teil-GdB von 20.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).