Urteil des LSG Sachsen vom 29.10.2001

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Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 29.10.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 16 KR 2/00
Sächsisches Landessozialgericht L 1 KR 52/00
I. Die Berufung der Klägerinnen gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 06. Oktober 2000 wird
zurückgewiesen. II. Die Klägerinnen haben die außergerichtlichen Kos- ten der Beklagten in beiden Rechtszügen als
Gesamtschuldner zu tragen. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der ordentlichen Kündigung eines Vertrages über die Versorgung mit
häuslicher Krankenpflege und Haushaltshilfe nach §§ 132, 132 a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Die Klägerinnen sind Mitgesellschafterinnen der R ... W ... GmbH i. G. in R ... und Inhaberinnen sowie alleinige
Gesellschafter der Tagespflege und ambulanter Pflegedienst "G ... C ..." die als Gesellschaft bürgerlichen Rechts
(GbR) geführt wird.
Am 21. März 1996 schlossen der "Ambulante Pflegedienst G ... C ..." Heike K ... und die Beklagte einen Vertrag über
die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege und Haushaltshilfe nach §§ 132, 132 a SGB V. Nach § 1 des Vertrages
war Gegenstand der Vereinbarung die Übernahme der Versorgung der Versicherten der Beklagten seitens des
Pflegedienstes mit häuslicher Krankenpflege (Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung)
gem. § 37 Abs. 1 SGB V, häuslicher Krankenpflege (Behandlungspflege) gem. § 37 Abs. 2 SGB V, häuslicher Pflege
(Grundpflege) gem. § 198 Reichsversicherungsordnung (RVO) sowie Haushaltshilfe gem. § 38 SGB V, § 199 RVO.
Der Pflegedienst hat dabei grundsätzlich das gesamte Leistungsspektrum, also Behandlungs- und Grundpflege sowie
hauswirtschaftliche Versorgung anzubieten und aufgrund entsprechender ärztlicher Verordnung unter Beachtung der
ärztlichen Weisungen durchzuführen.
§ 13 des Vertrages enthält unter der Überschrift "Vertragsverstöße" folgende Vereinbarung:
"(1) Werden von einem Vertragspartner die vertraglichen Pflichten nicht beachtet oder handelt er entgegen den
Bestimmungen dieses Vertrages, kann von ihm Abhilfe bzw. Unterlassung verlangt werden. Der andere
Vertragspartner hat diese Verstöße schriftlich zu benennen. Schadensersatzansprüche der Vertragspartner bleiben
davon unberührt.
(2) Setzt ein Vertragspartner seine Vertragsverstöße fort oder handelt er in schwerwiegendem Maße gegen
Bestimmungen dieses Vertrages, so kann der Vertrag ihm gegenüber auch mit sofortiger Wirkung außerordentlich
gekündigt werden."
§ 15 des Vertrages hat unter der Überschrift "Inkrafttreten und Kündigung" folgenden Inhalt:
"(1) Der Vertrag tritt am 01.04.1996 in Kraft und wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.
(2) ...
(3) Der Vertrag kann von jedem Vertragspartner mit einer Frist von 3 Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres
schriftlich gekündigt werden.
(4) Die Anlage 3 (Vergütungsvereinbarung) kann unabhängig von einer Kündigung des Vertrages mit einer Frist von 3
Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres gekündigt werden. Bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung
gelten die bisherigen Preise weiter."
Am 09. Juli 1999 führte das Regierungspräsidium Dresden im Rahmen einer Begehung gem. § 9 Heimgesetz (HeimG)
einen Besuch in der S ... W ... in R ... durch. Anlass der Begehung waren beim Regierungspräsidium Dresden
vorliegende Hinweise auf Durchführung eines verdeckten Heimbetriebes. Am 14. Juli 1999 erfolgte eine
unangekündigte Begehung der R ... W ... durch eine Amtsärztin des Gesundheitsamtes des Landratsamtes des
Landkreises Meißen.
Mit Bescheid vom 22. Juli 1999 untersagte das Regierungspräsidium Dresden der R ... W ... GmbH i. G. den
Heimbetrieb in der R ... W ... ab 01. Oktober 1999 und unterrichtete unter dem selben Datum die Beklagte hierüber.
Die Beklagte teilte den Klägerinnen daraufhin mit Schreiben vom 04. August 1999 mit, sie hätten bis zum 30. Juli
1999 Gelegenheit gehabt, ihr eine weitere Pflegefachkraft, an deren Qualifikation und Berufspraxis bestimmte, ihnen
bekannte Bedingungen gestellt sein, nachzuweisen. Dies sei nicht erfolgt. Somit ende der Versorgungsvertrag für die
ambulante Pflege nach § 72 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) wie angekündigt per 30. Juli 1999. Auf der
Grundlage der Mitteilung des Regierungspräsidiums Dresden vom Dezember Juli 1999 über die Begehung der S ... W
... in R ... am 09. Juli 1999 würden die Landesverbände der Sächsischen Pflegekassen über die Fortführung des
Versorgungsvertrages für die Tagespflege "Gräfin Cosel" beraten. Mit Datum vom 27. September 1999 teilte die
Beklagte den Klägerinnen jeweils mit, der zwischen ihnen und der Beklagten abgeschlossene Versorgungsvertrag
vom 01. April 1996 werde hiermit gem. § 15 Abs. 3 dieses Vertrages fristgemäß zum 31. Dezember 1999 gekündigt.
Die Klägerinnen teilten der Beklagten mit Schreiben vom 03. Dezember 1999 unter Beiführung verschiedener
beruflicher Anerkennungen, Beurteilungen und Bescheinigungen der bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmerin B ... K ...
mit, diese sei als stellvertretende Pflegedienstleiterin bei ihnen eingestellt worden. Die zum Nachweis der fachlichen
Qualifikation notwendigen Unterlagen habe man beigefügt. Soweit diese Unterlagen unvollständig sein sollten, bitte
man um kurze Benachrichtigung, damit die fehlenden Unterlagen nachgereicht werden könnten.
Die Beklagte erwiderte daraufhin mit Schreiben vom 15. Dezember 1999, unter dem 27. September 1999 habe sie den
Versorgungsvertrag zur häuslichen Krankenpflege fristgemäß zum 31. Dezember 1999 gekündigt. Eine Weiterführung
des Versorgungsvertrages sei daher nicht möglich. Demnach dürften Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß
§§ 132, 132 a SGB V bis zum 31. Dezember 1999 erbracht und abgerechnet werden. Es stehe den Klägerinnen
jedoch frei, einen neuen Antrag auf Zulassung nach dem Recht der Krankenversicherung zur häuslichen
Krankenpflege nach §§ 132, 132 a SGB V zu stellen. Gleichzeitig wurden ihnen die neuen Bedingungen für die
Zulassung einer Einrichtung zur häuslichen Krankenpflege und Haushaltshilfe nach dem Recht der
Krankenversicherung übersandt und mitgeteilt, die Zulassung zur Versorgung mit häuslicher Krankenpflege und
Haushaltshilfe nach dem Recht der Krankenversicherung erfolge durch die jeweilige Krankenkasse. Für den Bereich
der Beklagten sei dies in ihrem Falle die Regionaldirektion Dresden. Sollte innerhalb von acht Wochen nach Erhalt
dieses Schreibens keinerlei Unterlagen von den Klägern eingegangen sein, gehe man davon aus, dass der gestellte
Zulassungsantrag von diesen nicht mehr aufrechterhalten werde bzw. kein Pflegedienst gegründet werde.
Am 29. Dezember 1999 erhoben die Klägerinnen beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage, mit der sie die Feststellung
begehrten, dass der Versorgungsvertrag zwischen den Beteiligten über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege
und Haushaltshilfe nach §§ 132, 132 a SGB V vom 21. März 1996 nicht beendet sei, sondern fortbestehe, und die
Klägerinnen berechtigt seien, häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe nach dem SGB V gegenüber Versicherten
der Pflegekassen zu erbringen.
Im erstinstanzlichen Verfahren haben die Klägerinnen vorgetragen, die Beklagte habe in ihrem Kündigungsschreiben
keinerlei Gründe für die Kündigung des Versorgungsvertrages angegeben. Die Klägerinnen seien auf den Betrieb der
häuslichen Krankenpflege und Haushaltshilfe nach §§ 132, 132 a SGB V angewiesen, sie verdienten damit ihren
Lebensunterhalt. Derzeit beschäftigten sie sieben Arbeitnehmer in ihrem Unternehmen. Der Anteil der ambulanten
Pflege nach SGB XI entspreche ca. 25 % des Arbeitsaufwandes und des Umsatzes der Kläger (durchschnittlich
4.000,00 bis 5.000,00 DM Umsatz pro Monat). Soweit der Versorgungsvertrag nicht mehr fortbestehe und Tätigkeiten
der häuslichen Krankenpflege und Haushaltshilfe nach §§ 132, 132 a SGB V nicht mehr vergütet würden, könnten die
Klägerinnen diese Tätigkeiten nicht mehr ausüben. Damit breche der Geschäftsbetrieb von heute auf morgen um 25
% zusammen. Sie seien dann nicht mehr in der Lage, ihren Geschäftsbetrieb überhaupt aufrechtzuerhalten, da
Umsatzeinbußen in Höhe von 25 % dazu führten, dass die monatlichen Aufwendungen in Höhe von 15.000,00 DM bis
17.000,00 DM nicht mehr gedeckt werden könnten. Dies gelte um so mehr, als der Umsatz von heute auf morgen
wegbreche, jedoch Arbeitsverhältnisse nicht von heute auf morgen beendet und laufende Leistungen nicht von heute
auf morgen umgeschuldet werden könnten. Die Beendigung des Versorgungsvertrages hätte nicht nur Auswirkungen
auf diese Leistungen der Kläger und diesen Teil des Geschäftsbetriebes, sondern auch für den gesamten
Geschäftsbetrieb der Kläger. Im Rahmen der Leistungserbringung der Klägerinnen überschnitten sich Leistungen
sowohl im Rahmen der ambulanten Pflege nach SGB XI als auch Leistungen im Rahmen der teilstationären Pflege
und der häuslichen Krankenpflege und Haushaltshilfe nach §§ 132, 132 a SGB V bei ca. 25 % der Patienten. Die
Patienten hätten den Pflegedienst der Klägerinnen gewählt, da hier die gesamte Pflege aus einer Hand erfolge. Die
Patienten hätten bereits angekündigt, dass bei Wegfall eines Teils der Leistungen, nämlich der häuslichen
Krankenpflege und Haushaltshilfe nach §§ 132, 132 a SGB V, der Pflegedienst durch die Patienten gewechselt werde.
Es sei daher zu erwarten, dass auch ein wesentlicher Teil der teilstationären ambulanten Pflege der Klägerinnen
beendet werde. Dies bedeute für sie, dass bei ihnen ein Großteil des Geschäftsbetriebes sowohl die ambulante als
auch die teilstationäre Pflege betreffend zum Erliegen komme. Dies bedeute für die Klägerinnen, dass sie in kürzester
Zeit kaum noch Einnahmen aus ihrem Geschäftsbetrieb mehr haben werden, was bei gleichbleibender
Kostenbelastung zu einer zeitnahen Überschuldung/Zahlungsunfähigkeit und somit zur Insolvenz führe. Die
Nichtweiterführung des Vertrages habe auch für unbeteiligte Dritte nicht wieder gutzumachende Konsequenzen. Die
Beklagte sei bereits aggressiv gegenüber Patienten und Angehörigen aufgetreten und habe mitgeteilt, dass die
Klägerinnen ambulante Pflegeleistungen nicht mehr erbringen dürften. Konkurrierende Unternehmen der Klägerinnen
hätten insoweit direkten Kontakt zu Patienten der Klägerinnen aufgenommen, da die Beklagte auch gegenüber
konkurrierenden Pflegediensten bekannt gegeben habe, dass die Klägerinnen keinen Versorgungsvertrag mehr hätten.
Hierdurch drohe den Klägerinnen weiterer erheblicher Schaden, der den gesamten Geschäftsbetrieb erfasse. In einem
den ambulanten Pflegebereich betreffenden Gerichtsverfahren (SG Dresden, Az: S 16 P 80/99) habe die Beklagte das
Fortbestehen des Versorgungsvertrages zur ambulanten Altenpflege mit Schriftsatz vom 08. August 1999 anerkannt.
Die Leistungserbringung hinsichtlich der Leistungen der häuslichen Krankenpflege und Haushaltshilfe hätten die
Klägerinnen stets beanstandungsfrei in fachlich und umfänglich bester Qualität erbracht. Kein einziges Mal sei
insbesondere seitens der Pflegekassen die Qualität der Leistungserbringung beanstandet worden. Die Beklagte könne
sich nicht auf eine wirksame Kündigung des ursprünglich geschlossenen Versorgungsvertrages berufen, da keine
Kündigungsgründe vorlägen. Die Beklagte nehme bei den Krankenkassen eine beherrschende Stellung ein. Insoweit
könne ein freier Leistungserbringer Leistungen zur häuslichen Krankenpflege nur dann wirtschaftlich sinnvoll erbringen,
wenn auch ein Versorgungsvertrag mit der Beklagten bestehe. Sie nehme insoweit eine marktbeherrschende und
Monopolstellung ein. Aus dieser marktbeherrschenden und monopolen Stellung sei es ihr verwehrt, bei Verträgen über
häusliche Krankenpflege nach dem SGB V wie ein Privater unter Privaten zu handeln. Die Beklagte sei insoweit
sowohl gem. Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) als auch § 26 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen
(GWB) daran gebunden, Leistungserbringer, die ihre Leistungen in erforderlicher Qualität erbringen würden, gleich zu
behandeln. Dies habe auch seinen Niederschlag in § 132 SGB V gefunden, der den Krankenkassen die Beachtung der
Vielfalt der Leistungserbringer vorschreibe. Im Umkehrschluss sei es der Beklagten insoweit verwehrt, auch für den
Fall einer vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist ohne Kündigungsgründe eine willkürliche Beendigung des
Vertragsverhältnisses über die Erbringung von häuslichen Krankenpflegeleistungen herbeizuführen. Ferner sei es ihr
verwehrt, Kündigungsfristen für die Beendigung von Versorgungsverträgen willkürlich festzulegen. Insofern seien
sowohl für die Beendigungstatbestände des Versorgungsvertrages als auch für die hierfür heranzuziehenden
Kündigungsfristen allgemeine Grundsätze heranzuziehen, die sowohl Artikel 3 Abs. 1 GG als auch § 26 GWB
entsprächen. Der Gesetzgeber habe bei vergleichbaren Versorgungsverträgen zwischen den Kassen und freien
Leistungserbringern diese Grundsätze im § 74 SGB XI geregelt. Diese Regelung betreffe zwar Versorgungsverträge
für die Erbringung von Leistungen nach der Pflegeversicherung, sei aber auch in Fällen der häuslichen Krankenpflege
genauso sachgerecht, da eine absolut vergleichbare Situation vorläge, nämlich die Regelung des
Vertragsverhältnisses sowie dessen Beendigung zwischen den marktbeherrschenden Kassen und den freien
Leistungserbringern.
Die in § 74 SGB XI geregelten Grundsätze seien auch für die Vertragsverhältnisse zwischen Krankenkassen und
freien Leistungserbringern im Rahmen der häuslichen Krankenpflege anzuwenden. Insoweit finde § 74 SGB XI
zumindest über die Grundsätze von Artikel 3 Abs. 1 GG und § 26 GWB auch für Vertragsverhältnisse im Rahmen des
SGB V sowie des hier streitgegenständliche Vertragsverhältnises Anwendung. In § 74 SGB XI sei die Kündigungsfrist
auf ein Jahr festgelegt worden. Mithin sei auch in entsprechender Anwendung von § 74 SGB XI von einer
Kündigungsfrist von mindestens einem Jahr auszugehen. Dies bedeute, dass selbst für den Fall der Wirksamkeit der
Kündigung vom 27. September 1999 der Versorgungsvertrag nicht vor dem 27. September 1999 ende. § 59 SGB X
sei analog anzuwenden. Die Beklagte habe auch zu keinem Zeitpunkt gegenüber den Klägerinnen irgendeine
Abmahnung wegen vertragswidrigen Verhaltens ausgesprochen. Es liege weder ein Kündigungsgrund vor, noch
bestehe ein vordergründiges Interesse der Beklagten, das Vertragsverhältnis vom 31. Dezember 1999 zu beenden.
Der Versorgungsvertrag sei den Klägerinnen vorgegeben worden, diese haben ihn akzeptieren können oder nicht. Dies
ergebe sich bereits aus der Tatsache, dass sämtliche weitere Verträge, die die Beklagte mit Leistungserbringern nach
dem SGB V geschlossen habe, dieselben Formulierungen und insbesondere dieselbe Kündigungsfrist enthielten.
Insoweit habe seitens der Beklagten keine Verhandlungsbereitschaft bestanden, womit die Kündigungsfrist von drei
Monaten der Verhandlungsdisposition der Parteien gerade nicht unterlegen hätte. Hätten die Klägerinnen die
Kündigungsfrist nicht akzeptiert, wäre ein Vertragsschluss nicht zustande gekommen. Der Versorgungsvertrag sei
schlicht willkürlich gekündigt worden.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, bei dem streitgegenständlichen Vertrag handele es sich um einen solchen
privatrechtlicher Natur, auf den die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unmittelbare Anwendung
fänden. Aufgrund der öffentlich-rechtlichen Eigenschaft der Beklagten müsse sich diese in ihrem Verhalten zusätzlich
an Artikel 3 GG messen lassen. § 20 Abs. 1 GWB, der gem. § 69 SGB V seit dem 01. Januar 2000 ohnehin auf die
Rechtsbeziehung zwischen Krankenkassen und (sonstigen) Leistungserbringern keine Anwendung finde, komme
insoweit daneben keine eigenständige Bedeutung zu. In beiden Vorschriften gehe es um ein sachlich nicht
gerechtfertigtes diskriminierendes Verhalten. Ein solches könne ihr nicht vorgeworfen werden. Eine Pflicht ihrerseits
zur Ausübung eines Ermessens in Rahmen einer Kündigung sei nicht gegeben. Sowohl § 132 SGB V als auch § 132
a SGB V statuierten ihrerseits eine Verpflichtung zur Ermessensausübung bei Auswahl des Leistungserbringers bzw.
Vertragspartners, also im Vorfeld eines noch abzuschließenden Vertrages. Nach Abschluss eröffneten diese
Vorschriften hingegen keine Ermessensspielräume, sondern bindeten sie an die in den Verträgen getroffenen
Vereinbarungen. Für eine Kündigung habe es daher genügt, die spezielle Regelung in § 15 Abs. 3 des Vertrages
hierzu zu beachten. Bereits diese individuelle Vereinbarung gehe nicht von einem Begründungserfordernis aus. Ein
solches könne auch nicht aus § 74 SGB XI hergeleitet werden, da diese Vorschrift weder systematisch noch ihrem
Regelungsgehalt nach auf einen Versorgungsvertrag gem. §§ 132, 132 a SGB XI anwendbar sei. Eine direkte
Anwendung des § 59 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) scheitere ebenfalls daran, dass es sich bei den
Versorgungsverträgen nach §§ 132, 132 a SGB V um solche des Zivilrechtes handele, während § 59 SGB X
ausschließlich öffentlich-rechtliche Verträge umfasse. Eine gleichwohl analoge Anwendung halte sie für
ausgeschlossen, da es insoweit an einer planwidrigen Regelungslücke mangele. Es entspreche nicht der Realität,
dass sie ihrerseits ihre Machtstellung ausgenutzt habe. Ihrerseits habe stets Gesprächsbereitschaft mit den
Klägerinnen bestanden, auch hinsichtlich einzelner Punkte des Versorgungsvertrages. Auch sei die 3-monatige
Kündigungsfrist Gegenstand der Vertragsverhandlungen gewesen wie die übrigen Punkte des letztlich
abgeschlossenen Vertrages. Unterbreite sie ein Vertragsangebot und bleibe dieses unwidersprochen, so könne ihr
dies bei vertragsgemäßer Beendigung des Vertrages nicht zum Vorwurf gemacht werden. Den Klägerinnen sei wegen
der 3-monatigen Kündigungsfrist ausreichend Planungsspielraum geblieben, um Auffangmaßnahmen für ihr
Unternehmen zu treffen. Ohnehin übten die Klägerinnen ihre Tätigkeit in einem Bereich aus, der von einer steten
Fluktuation auf der Seite der Dienstleistungsberechtigten gekennzeichnet sei. Versäumnisse der Klägerinnen bereits
zum Zeitpunkt der Aufnahme ihrer Tätigkeit könnten jetzt nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Auch der Umstand,
dass es bei einem Teil der von den Klägerinnen betreuten Patienten zu Leistungsüberschneidungen im Bereich von
SGB V und XI komme, könne nicht zu einem Bindungszwang ihrerseits führen. Dass betroffene Patienten
vorzugsweise die gesamte Leistung von einem Leistungserbringer erfüllt sähen und diesen daher wechselten statt bei
Kündigung eines Versorgungsvertrages gem. §§ 132, 132 a SGB V durch die Beklagte insoweit einen zweiten
Leistungserbringer in Anspruch nehmen zu müssen, sei legitim und liege in der Risikosphäre der Klägerin. Keinesfalls
sei die Beklagte im Bereich häuslicher Krankenpflege Monopolistin, sondern eine unter mehreren Anbietern, zum
anderen bestehe nach §§ 132, 132 a SGB V eine alleinige Bindung der Beklagten an das Wirtschaftlichkeitsgebot,
das aber keine Bindenswirkung an die mit Leistungserbringern geschlossenen Verträge entfalte, sondern seinem
Charakter nach gerade auch Lösungsmöglichkeiten von derartigen Verträgen eröffnen müsse. Erst recht sei nicht
erkennbar, inwieweit der Geschäftsbetrieb hinsichtlich der teilstationären Pflege der Klägerinnen wegbrechen solle.
Ein von den Klägerinnen gestellter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung blieb im Ergebnis erfolglos
(Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts vom 03. August 2000, Az: L 1 B 3/00 KR-ER).
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage am 06. Oktober 2000 mit Gerichtsbescheid abgewiesen. Die
Kündigungserklärung vom 27. September 1999 sei rechtmäßig. Sie entspreche der in § 15 Abs. 3 des Vertrages vom
21. März 1996 getroffenen Vereinbarung, wonach der Vertrag von jedem Vertragspartner mit einer Frist von drei
Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres schriftlich gekündigt werden kann. Eine Begründung der
Kündigungserklärung sei nicht erforderlich gewesen. Bei dem am 21. März 1996 zwischen den Beteiligten
geschlossenen Vertrag handele es sich um einen privatrechtlichen Vertrag, auf den die §§ 53 ff. SGB X nicht - auch
nicht analog - anwendbar seien. Damit sei § 59 Abs. 2 Satz 2 SGB X nicht anwendbar. Zum anderen habe es auch
keiner Ermessensausführung durch die Beklagte bedurft. Die Regelungen der §§ 132 Abs. 2 Satz 2, 132 a Abs. 2
Satz 3 SGB V seien für die Beendigung der Beschaffungsverträge unbeachtlich. Vielmehr verbleibe es bei der
zwischen den beteiligten Betroffenen der zivilrechtlichen Vertragsautonomie entsprechenden Vereinbarung zur
Kündigung. Darüber hinaus ergebe sich vorliegend auch aus der Regelung des § 74 Abs. 1 SGB XI keine längere
Kündigungsfrist, als vertraglich vereinbart. Diese Vorschrift erstrecke sich allein auf die Versorgungsverträge im Sinne
des SGB XI. Des Weiteren hätten die Klägerinnen die streitbefangene Vereinbarung selbst unterzeichnet und daher
aufgrund ihrer eigenen Disposition mit der Beklagten einvernehmlich die hier anzuwendende 3-monatige
Kündigungsfrist festgelegt. Im Übrigen seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte die
Vereinbarung unter Verletzung ihrer marktbeherrschenden Stellung gekündigt hätte. Zwar seien insoweit die
Bestimmungen des Wettbewerbsrechts vorliegend anwendbar, jedoch fehle hier der Hinweis darauf, dass die Beklagte
die Kündigung missbräuchlich ausgeübt hätte.
Gegen den den Klägerinnen am 02. November 2000 zugestellten Gerichtsbescheid haben diese am 17. November
2000 beim Sächsischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.
Die Klägerinnen sind der Ansicht, es hätte beim Ausspruch der Kündigung einer Ermessensausübung seitens der
Beklagten bedurft. Bei ihr handele es sich um die größte Krankenkasse, womit eine faktische Monopolstellung
vorliege. Da eine weitergehende Regelung in den §§ 132, 132 a SGB V zur Beendigung von Versorgungsverträgen
nicht enthalten sei, seien dieselben Grundsätze, die für den Abschluss von Versorgungsverträgen gelten, auch bei
deren Beendigung anzuwenden. Dies bedeute, dass zumindest die für den Abschluss von Versorgungsverträgen
anzuwendenden Maßstäbe auch bei deren Beendigung maßgeblich seien. Insoweit sei § 59 SGB X analog
anzuwenden. Zumindest jedoch müsse eine Abwägung vorgenommen werden, inwieweit der Vertrag gem. §§ 132, 132
a SGB V nicht mehr zum Zeitpunkt der Kündigung hätte abgeschlossen werden dürfen. Insoweit sei eine Begründung
der Kündigung und zumindest eine Auswahl- bzw. Ermessensentscheidung der Beklagten erforderlich gewesen. Diese
sei vorliegend nicht vorgenommen worden, daher sei die Kündigung des Versorgungsvertrages unwirksam. Etwas
anderes ergebe sich auch nicht aus der privatrechtlichen Gestaltung der Verträge. Soweit aus der privatrechtlichen
Gestaltung der Versorgungsverträge geschlussfolgert werden solle, dass die Kündigung ohne Angabe von
Kündigungsgründen wirksam sein könnte, führe dies dazu, dass eine willkürliche Kündigung der Versorgungsverträge
möglich sei. Dem stehe jedoch die Regelung der §§ 132, 132 a SGB V entgegen, welche einen Anspruch von fachlich
sowie wirtschaftlich geeigneten Leistungserbringern auf Abschluss von Versorgungsverträgen in sich trügen. Soweit
man in diesem Falle eine willkürliche Kündigung für möglich erachte, führe dies dazu, dass die Krankenkasse einen
Versorgungsvertrag schließe, diesen jedoch sofort wieder kündigen könne, womit eine Umgehung der Regelung der §§
132, 132 a SGB V vorliege. Da dies dem gesetzlichen Sinn und Zweck nicht entspreche, sei dem Regelungsinhalt
dieser Vorschriften zu entnehme, dass willkürliche Kündigung nicht möglich seien. Die Angabe von
Kündigungsgründen und eine Ausfallentscheidung/Ermessensentscheidung sei bei einer Kündigung notwendig.
Zumindest sei die Regelung des § 74 Abs. 1 SGB XI anzuwenden. Da die §§ 132, 132 a SGB V selbst keine
Vorschrift für die Kündigung von Versorgungsverträgen enthielten, weise das Gesetz eine Lücke auf. Soweit für die
Füllung dieser Lücke nicht § 59 SGB X analog angewandt werde, sei zumindest auf die gesetzliche Regelung des §
74 Abs. 1 SGB XI zurückzugreifen. Dasselbe ergebe sich aus den Grundsätzen von Artikel 3 GG i. V. m. § 26 GWB.
Zumindest sei nach den Grundsätzen von Artikel 3 GG i. V. m. § 74 Abs. 1 SGB XI analog eine entsprechende
längere Kündigungsfrist anzunehmen.
Die Klägerinnen beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 06. Oktober 2000 abzuändern und festzustellen, dass der
zwischen den Beteiligten geschlossene Versorgungsvertrag über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege und
Haushaltshilfe nach §§ 132, 132 a SGB V vom 21. März 1996 über den 31. Dezember 1999 hinaus fortbesteht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der Vertrag über die häusliche Krankenpflege sei kündbar. Ihr obliege hierbei nicht die Pflicht, im
Rahmen der Begründung der Kündigung eine Ermessensausübung darzulegen. Aus den Regelungen der §§ 132, 132 a
SGB V direkt ergebe sich diese Pflicht nicht. Verträge über die häusliche Krankenpflege würden von der
Rechtsprechung als zivilrechtliche Verträge eingestuft. Aufgrund dieses privatrechtlichen Charakters ergebe sich eine
solche Pflicht zur Begründung der Kündigung keineswegs aus den Regelungen des SGB X. Aus dem gleichen Grund
scheitere auch die analoge Anwendung der Regelung des SGB XI. Die Kündigung von Verträgen nach §§ 72 ff. SGB
XI werde überwiegend als Verwaltungsakt angesehen. Da für öffentlich-rechtliches Handeln der Verwaltung immer
besondere Grundsätze gelten, komme eine Übertragung dieser Vorschriften auf privatrechtliche Verträge der
häuslichen Krankenpflege nicht in Betracht. Der Vertrag über die häusliche Krankenpflege werde von jeder
Krankenkasse einzeln mit dem jeweiligen Pflegedienst abgeschlossen. Die Pflegeverträge nach § 72 SGB XI würden
dagegen zwischen den Landesverbänden der Pflegekassen einerseits und dem Pflegedienst andererseits
geschlossen. Insofern seien beide Verträge nicht miteinander vergleichbar. Da nach dem SGB XI alle Pflegekassen
gemeinsam als Vertragspartner aufträten, sei die Pflegeeinrichtung im Hinblick auf eine mögliche marktbeherrschende
Stellung wesentlich schutzbedürftiger als bei Verträgen über die häusliche Krankenpflege, die jede Krankenkasse
getrennt mit dem Pflegedienst abschließe. Da die Kassen bei der häuslichen Krankenpflege keinen gemeinsamen
Vertrag schlössen, seien diese für Schutzregelungen der Vertragspartner hierauf nicht anwendbar. Die Ausführung der
Klägerinnen zu § 74 SGB XI seien daher für die Kündigung des Vertrages über häusliche Krankenpflege nicht
entscheidend. Aus diesem Grund könne auch die Kündigungsfrist des § 74 SGB XI nicht analog angewendet werden.
Bei der Verhandlung über die privatrechtlichen Verträge zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege sei es den
Klägerinnen keinesfalls verwehrt, wie unter Privaten zu handeln. Die Beklagte habe beim Abschluss von Verträgen
über häusliche Krankenpflege keineswegs eine marktbeherrschende und monopolistische Stellung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Verwaltungsakte
der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der streitbefangene
Versorgungsvertrag zwischen den Beteiligten über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege und Haushaltshilfe
nach §§ 132, 132 a SGB V vom 21. März 1996 besteht nicht über den 31. Dezember 1996 hinaus, weil er durch
Kündigung seitens der Beklagten beendet ist.
Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist gem. § 51 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz Nr. 3
Sozialgerichtsgesetz (SGG) eröffnet. Nach dieser Vorschrift entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch
über Streitigkeiten, die in Angelegenheiten nach dem Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) entstehen aufgrund
von Entscheidungen oder Verträgen der Krankenkassen oder ihrer Verbände, wobei es gleichgültig ist, ob die Verträge
dem Privatrecht oder dem öffentlichen Recht zuzurechnen sind (vgl. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, §
132 SGB V Rn. 5; Hauck/Kranig, SGB V-Kommentar, K § 132 Rn. 8).
Die von den Klägerinnen erhobene Feststellungsklage ist zulässig. Das für eine Feststellungsklage erforderliche
Feststellungsinteresse ist gegeben. Gegenstand einer Feststellungsklage kann nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG neben
der Frage des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses auch die Feststellung einzelner auf diesem
Rechtsstreit basierender Rechte und Pflichten sein (BSGE 4, 184, 185; 43, 148, 150; Meyer-Ladewig, SGG mit
Erläuterungen, 5. Auflage, § 55 Rn. 6). Hier haben die Klägerinnen ein berechtigtes Interesse an einer grundsätzlichen
Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des Vertrages über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege
und Haushaltshilfe nach §§ 132, 132 a SGB V vom 21. März 1996, bevor sie ihre Leistung in der Ungewissheit über
eine Vergütung erbringen. Das berechtigte Interesse der Klägerinnen an der baldigen Feststellung ist daher in jedem
Falle zumindest wirtschaftlicher Art. Es liegt auch in einer Unsicherheit über die Rechtslage - Weiterbestehen des
Versorgungsvertrages -.
Die mithin zulässige Feststellungsklage ist indessen unbegründet. Nach § 132 Abs. 1 SGB V kann die Krankenkasse
zur Gewährung von Haushaltshilfe geeignete Personen anstellen. Wenn die Krankenkasse dafür andere geeignete
Personen, Einrichtungen oder Unternehmen in Anspruch nimmt, hat sie über Inhalt, Umfang, Vergütung sowie Prüfung
der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Dienstleistung Verträge zu schließen. Über die Einzelheiten der Versorgung mit
häuslicher Krankenpflege sowie über die Preise und deren Abrechnung schließen die Krankenkassen Verträge mit den
Leistungserbringern, § 132 a Abs. 2 Satz 1 SGB V. Einen Vertrag über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege
und Haushaltshilfe nach den §§ 132, 132 a SGB V haben die Beteiligten am 21. März 1996 geschlossen. Dieser
Beschaffungsvertrag ist, da er mit einem privaten Dienstleistungserbringer abgeschlossen wurde, dem bürgerlichen
Recht zuzuordnen (vgl. Peters a.a.O.; Kasseler Kommentar-Hess, § 132 SGB V Rn. 2; BGH [Kartellsenat], Urteil vom
25. Juni 1991, Az: KZR 19/90 = NJW 1992, 1561; Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung -
Kommentar, § 132 SGB V Rn. 4, § 132 a SGB V Rn. 7; LSG Niedersachsen, Beschluss vom 14. Mai 1998, Az: L 4
KR 143/97 ER).
Nach § 15 Abs. 3 des Vertrags vom 21. März 1996 war die Beklagte berechtigt, den Versorgungsvertrag vom 21.
März 1996 unter dem 27. September 1999 gegenüber den Klägerinnen, die den Empfang jeweils am 28. September
1999 bestätigt haben, zum 31. Dezember 1999 zu kündigen. Weder aus dem Inhalt des Vertrages vom 21. März 1996
noch aus anderen gesetzlichen Vorschriften ergibt sich, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, eine
Begründung für die Kündigung anzugeben. In ihrem Vertrag vom 21. März 1996 haben die Beteiligten keine
Vereinbarung darüber geschlossen, dass eine ordentliche Kündigung nach § 15 Abs. 3 des Vertrages zu begründen
ist, eine Benennungspflicht für Verstöße gegen die vertraglichen Pflichten der Vertragspartner findet sich allein für den
Fall einer außerordentlichen Kündigung nach § 13 des Vertrages. Der Vertrag selbst ist Ausfluss der
Dispositionsfreiheit der Vertragsschließenden. Ein Nachweis darüber, dass die Klägerinnen gedrängt oder gar
gezwungen worden wären, diesen Vertrag mit der Beklagten abzuschließen, wurde von diesen nicht erbracht. Auch
lässt sich eine Pflicht zur Ermessensausübung hinsichtlich der Vereinbarung vertraglicher Kündigungsregelungen oder
einer Kündigung selbst aus §§ 132 und 132 a SGB V nicht ableiten. Die vorgenannten Regelungen betreffen in ihrem
jeweiligen Absatz 2 bereits ihrem Wortlaut nach nur ein Auswahlermessen der Krankenkassen bei Begründung so
genannter Beschaffungsverträge hinsichtlich des Kreises der verschiedenen, in Betracht kommenden
Leistungserbringer; nicht erfasst vom Wortlaut der Vorschrift werden hingegen die Voraussetzungen, unter denen
bereits bestehende Beschaffungsverträge durch die Vertragsparteien beendet werden können. Eine Ausdehnung der
nach den genannten Vorschriften ausdrücklich begründeten Pflicht zur Ausübung eines Auswahlermessens bei
Abschluss der Verträge auch auf die Beendigung bzw. Kündigung bestehende Vertragsverhältnisse etwa im Wege
einer Analogie und eines Umkehrschlusses ist nicht ersichtlich. Es ist insoweit auch nicht ersichtlich, dass eine
planwidrige Regelungslücke durch den Gesetzgeber vorliegt, die durch eine Analogie oder einen Umkehrschluss zu
schließen wäre. Vielmehr sind die Voraussetzungen, unter denen nach Betätigung eines Auswahlermessens durch die
Krankenkassen die Vertragspartner sodann die näheren Modalitäten zur Beendigung des Vertragsverhältnisses regeln
wollen, dem zivilrechtlichen Grundsatz der Vertragsfreiheit unterstellt. Dies entspricht auch dem überwiegend
zivilrechtlichen Charakter dieser Beschaffungsverträge.
Anhaltspunkte dafür, dass auch für die Beendigung der Beschaffungsverträge die vorgenannten öffentlich-rechtlichen
Normen zu beachten sind, lassen sich weder aus dem Gesetzesmaterialien noch aus dem Wortlaut herleiten. Hinzu
kommt, dass auch die in den §§ 132, 132 a SGB V genannten Kriterien, die die Krankenkassen bei der Ausübung
ihres Ermessens, dass sich auf die Auswahl unter mehreren mögliche Leistungserbringern bezieht, zu beachten hat
(Vielfalt, Bedeutung der Freien Wohlfahrtspflege), demgegenüber kaum taugliche Kriterien darstellen, um für die
Beendigung durch schriftliche Kündigung eines konkreten, einzelnen Beschaffungsvertrages herangezogen werden zu
können; denn bei Beendigung eines bereits bestehenden Vertrages mit einem bestimmten Leistungserbringer kann
bereits begrifflich eine Auswahl mit den hierfür normierten Ermessenskriterien zwischen verschiedenen
Leistungserbringern nicht erfolgen. Vor diesem Hintergrund hat es dann aber bei der zwischen den Beteiligten
getroffenen, der zivilrechtlichen Vertragsautonomie entsprechenden Vereinbarung zur Kündigung zu verbleiben, deren
Voraussetzungen die Beklagte eingehalten hat.
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen findet auch nicht § 59 SGB X analog Anwendung. § 59 SGB X konkretisiert
für alle öffentlich-rechtlichen Verträge im Sinne des § 53 SGB X und wörtlich übereinstimmend mit § 60
Verwaltungsverfahrensgesetz die Anwendung der clausula rebus sic stantibus (Beachtung grundlegender Änderungen
der für den Vertrag maßgebenden Verhältnisse), die aber im Vertrag selbst auch näher ausgestaltet werden können; §
59 SGB X steht somit (schriftlichen) Vertragsregelungen über die Anpassung und Kündigung von Verträgen bei
wesentlichen Änderungen der Vertragsgrundlage nicht entgegen (KassKomm-Krasney § 59 SGB X Rn. 2). Wenn § 59
SGB X schon schriftlichen Vertragsregelungen über die Anpassung und Kündigung von öffentlich-rechtlichen
Verträgen bei wesentlichen Änderungen der Vertragsgrundlage nicht entgegensteht und auch das Fehlen einer
Begründung die Wirksamkeit der Kündigung nicht berührt (KassKomm-Krasney a.a.O. Rn. 11), ergibt sich schon bei
einer direkten Anwendung des § 59 SGB X keine Unwirksamkeit der von der Beklagten erklärten Vertragskündigung.
Etwas anderes lässt sich auch nicht aus § 74 Abs. 1 SGB XI entnehmen. Zwar kann nach § 74 Abs. 1 Satz 1 SGB
XI der Versorgungsvertrag von jeder Vertragspartei mit einer Frist von einem Jahr ganz oder teilweise gekündigt
werden, von den Landesverbänden der Pflegekassen jedoch nur, wenn die zugelassene Pflegeeinrichtung nicht nur
vorübergehend eine der Voraussetzungen des § 72 Abs. 3 Satz 1 nicht oder nicht mehr erfüllt; nach Abs. 2 Satz 1 der
Vorschrift kann der Versorgungsvertrag von den Landesverbänden der Pflegekassen auch ohne Einhaltung einer
Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn die Einrichtung ihrer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung gegenüber
den Pflegebedürftigen oder deren Kostenträgern derart gröblich verletzt, dass ein Festhalten an dem Vertrag nicht
zumutbar ist. Diese Vorschrift bezieht sich jedoch allein auf die Versorgungsverträge nach dem SGB XI.
Die Zulassung zur Leistungserbringung im Rahmen der gesetzlichen Pflegeversicherung wird durch Abschluss eines
so genannten Versorgungsvertrages begründet, der als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 53 SGB X, bei
dem sich die Vertragsparteien gleichrangig und gleichberechtigt gegenüberstehen, gilt (KassKomm-Leitherer § 72
SGB XI Rn. 7). Da es sich insoweit bei einem Versorgungsvertrag nach dem SGB XI um einen öffentlich-rechtlichen
Vertrag handelt, ist diese Vorschrift weder direkt noch analog auf den hier vorliegenden Streitgegenstand anwendbar.
Die Klägerinnen selbst haben die streitbefangene Vereinbarung unterzeichnet und mit der Beklagten einvernehmlich
aufgrund ihrer eigenen Disposition die hier anzuwendende 3-monatige Kündigungsfrist festgelegt.
Der zwischen den Beteiligten am 21. März 1996 geschlossene Versorgungsvertrag begegnet auch keinen
wettbewerbsrechtlichen Bedenken, die auch in der Beurteilung des Senats stehen (vgl. § 87 Abs. 1 Satz 3 GWB i. d.
F. des Artikel 10 Nr. 1 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 (BGBl. I Seite 2626)). Hinweise darauf, dass die Beklagte
die Kündigung missbräuchlich ausgeübt hätte, sind nicht ersichtlich. Zwar haben Leistungserbringer, die in gleicher
Weise wie Verbände der Freien Wohlfahrtspflege eine fachliche, ordnungsgemäße, wirtschaftliche und preisgünstige
(preislich angemessene) Pflege gewährleisten können, sowohl unter dem Gesichtspunkt des Artikel 3 Abs. 1 GG als
auch des § 26 GWB (a. F. = § 19 GWB i.d.F. der Bek. vom 26. August 1998 (BGBl. I Seite 2546)) ohne Rücksicht auf
ihren rechtlichen Statusanspruch darauf, von den Krankenkassen als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung an
der Haushaltshilfe und der häuslichen Krankenpflege beteiligt zu werden (Peters, Handbuch der Krankenversicherung,
§ 132 SGB V Rn. 8, § 132 a SGB V Rdn. 6). Dies kann jedoch nach Überzeugung des Senats nicht dazu führen, dass
die Beteiligten eines Beschaffungsvertrages für immer und ewig an diesen gebunden wären. Rechtswidrig wäre allein
ein genereller Ausschluss eines Dienstleistungserbringers. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, da die Beklagte es den
Klägerinnen bereits mit Schreiben vom 15. Dezember 1999 freigestellt hat, einen neuen Antrag auf Zulassung nach
dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zur häuslichen Krankenpflege nach §§ 132, 132 a SGB V zu
stellen. Dass diese einen derartigen Antrag gestellt hätten, ist aus den vorhandenen Akten jedoch nicht ersichtlich.
Nach alledem hatte die Berufung keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 2, 194 Satz 2 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).