Urteil des LSG Sachsen vom 08.08.2001

LSG Fss: kosmetische beeinträchtigung, krankheitswert, medizinische indikation, ärztliche behandlung, psychotherapeutische behandlung, diät, rückenbeschwerden, auskunft, eingriff, sport

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 08.08.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 16 KR 217/98
Sächsisches Landessozialgericht L 1 KR 11/00
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16. Dezember 1999 abgeändert und
die Klage abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. III. Die Revision
wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine plastische Bauchdeckenoperation.
Der am ... geborenen, bei der Beklagten krankenversicherten Klägerin verordnete zunächst am 19.06.1997 der
behandelnde Chirurg Dr. K ... eine Bauchdeckenplastik auf Grund bestehender Fettschürze mit rezidivierenden
Intertrigo (Wundsein) und Candidamykose (Infektion durch Sprosspilze der Gattung Candida). Die Beklagte ließ die
Klägerin durch Dipl.-Med. R ... vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung im Freistaat Sachsen (MDK)
gutachterlich untersuchen. Dieser stellte bei der Klägerin ein ca. 3 cm überhängenden Bauchlappen fest. Es hätten
keine Hautmazerationen (Hauterweichungen) bestanden. Die geklagten Rückenbeschwerden könnten im
Zusammenhang mit einer Dysbalance der Bauchmuskulatur stehen, entsprechende physiotherapeutische
Behandlungen brächten hier Abhilfe. Sowohl der Bauchumfang, d.h. die örtlich begrenzte Fettgewebsvermehrung, als
auch die Bauchdeckenptose (Bauchdeckensenkung) stellten keinen Befund mit Krankheitswert dar. Gestützt hierauf
lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14.08.1997 den Antrag der Klägerin ab.
Am 30.03.1998 bat die Klägerin um nochmalige Überprüfung ihres Antrages auf stationäre Krankenhausbehandlung
zur Bauchdeckenplastik und legte eine entsprechende Verordnung von Dipl.-Med. B ..., Fachärztin für
Allgemeinmedizin, vor. Die Klägerin trug vor, dass sie - leider ohne Erfolg - versucht habe, durch mehrmalige tägliche
Gymnastik und Treppensteigen "in vier Etagen" sowie viele Laufereien ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Die
Beklagte holte ein weiteres Gutachten vom MDK ein. Dr. M ..., MDK, konnte die vom behandelnden Chirurgen 06/97
attestierten Erkrankungen nicht bestätigen. Eine hautärztliche Behandlung wegen möglicher Hautveränderungen oder
bei Hautläsionen wegen bestehender Striae gravidarum und bei subcutaner Fettvermehrung und Bauchhautschlaffheit
seien bisher nicht notwendig gewesen. Nach Untersuchungsbefund und körperlichem Erscheinungsbild stelle die
besondere Bauchform bei der Klägerin keine von der Norm abweichende Körperstruktur dar, insbesondere habe diese
Konstitution keinen Krankheitswert. Eine Gewichtsreduktion sei die zu empfehlende Therapie. Gestützt hierauf lehnte
die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 05.05.1998 ab.
Hiergegen legte die Klägerin am 26.05.1998 Widerspruch ein. Dr. M ... habe ihr im persönlichen Gespräch gesagt, er
halte eine OP für nötig. Es liege nur an der Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Auch weitere Ärzte
(Frauenarzt, Allgemein- Arzt, Chirurg) hätten eine Bauchdeckenplastik befürwortet. Durch die Bauchform habe sie
Probleme in ihrer Beweglichkeit sowie im familiären Verhältnis zu ihrem Partner. Ihr persönliches Wohlbefinden sei
dadurch sehr gestört. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 01.10.1998
zurück. Im Ergebnis beider gutachterlicher Untersuchungen stelle nach dem körperlichen Erscheinungsbild der
Klägerin die besondere Bauchform keine von der Norm abweichende Körperstruktur dar und sei vor allem nicht als
krankheitswertig einzustufen. Wegen der orthopädischerseits untersuchten Rückenschmerzen werde der Klägerin in
Auswertung des Röntenbefundes angesichts ihrer Körpergröße (154 cm) insgesamt Gewichtsreduktion empfohlen. Zur
Unterstützung und auch zum Ausgleich der Dysbalance der Bauchmuskulatur würden gutachterlich entsprechende
physiotherapeutische Behandlungen als sinnvoll angesehen.
Mit der am 26.10.1998 beim Sozialgericht Dresden (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr auf Übernahme der
Kosten für eine plastische Bauchdeckenoperation gerichtetes Begehren weiter verfolgt. Sie hat vorgetragen, dass ihr
Bauchumfang weiter zunehme, obwohl sie viel Bewegung habe (tägliche Gymnastik, Treppensteigen, gesunde Kost).
Ihre persönliche Bewegungsfreiheit sei dadurch stark eingeschränkt. Die Beziehung zu ihrem Partner habe bereits
sehr gelitten. Ein Psychologe könne ihr nicht helfen, dass der Bauch verschwinde. Im persönlichen Gespräch mit
ihren Ärzten sei ihr gesagt worden, dass es (die plastische Bauchdeckenoperation) gemacht werden müsse, besser
heute als morgen. Nach einem Bericht aus der Zeitschrift "Neue Woche" träten bei Frauen mit einer Taille von mehr
als 88 cm eher Krankheiten auf. Ihr Umfang betrage zur Zeit 114 cm.
Das SG hat zur Ermittlung des medizinischen Sachverhaltes Befundberichte von Dr. K ..., von Dipl-Med. B ..., dem
weitere Untersuchungsbefunde beilagen, und von Dr. G ..., Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, eingeholt.
Nach Auskunft von Dipl.-Med. B ... leidet die Klägerin neben einer Fettleber unter degenerativen
Wirbelsäulenveränderungen. Die durch sie erfolgte Verordnung der Bauchdeckenplastik sei auf Empfehlung der
behandelnden Gynäkologin erfolgt. Die Klägerin leide psychisch unter ihrem Bauch, der immer dicker werde.
Organisch bestehe ansonsten kein Krankheitswert. Allein durch Diät und Sport könne die schlaffe Bauchdecke nicht
beseitigt werden. Dr. G ... schloss eine Ascitesbildung (Bauchwassersucht) aus. Dem Zustand der Bauchdecke der
Klägerin komme kein Krankheitswert zu. Allerdings sei der Leidensdruck groß. Die Patientin leide seelisch unter ihrem
Aussehen. Nach Auffassung von Dr. K ... stelle die erhebliche Fettschürze eine kosmetische Beeinträchtigung dar,
die bei der Klägerin zu psychischen Problemen führe. Die rein diätische Gewichtsreduktion würde an der
Bauchdeckenschlaffheit nichts ändern, so dass zur Beseitigung allein der operative Eingriff erforderlich sei.
Das SG hat Beweis erhoben und ein Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet von Prof. Dr. F ... vom 06.09.1999
eingeholt. Dieser stellte bei der Klägerin eine schwere links-konvexe Skoliose der Lendenwirbelsäule seit Kindheit
bzw. Jugend fest. Die Fettschürze stehe teilweise mit der Lumbalskoliose in Beziehung. Die Klägerin weise einen
kurzen Rumpf auf, wodurch die Bauchweichteile fußwärts wanderten. Darüber hinaus liege ein abnormes
Fettverteilungsmuster vor. Die Fettschürze an sich habe durch ihr Gewicht durchaus einen Krankheitswert für die
Schmerzsyndrome der Lendenwirbelsäule. Sie ziehe die unteren Lendensegmente in eine Lordosehaltung hinein und
führe zur Überlastung der durch die Skoliose bereits erheblich geschädigten unteren Lendenbandscheiben. Da der
Prozess diätisch nicht beeinflusst werden könne, ergebe sich eine echte Indikation zur operativen Entfernung der
Fettschürze aus orthopädischer Sicht. Eingriffe an der Wirbelsäule seien vorläufig bei der Klägerin nicht indiziert. Die
Bauchdeckenplastik könne zur Abwendung solcher großen operativen Eingriffe an der Wirbelsäule beitragen. Auf das
Gutachten von Prof. Dr. F ... im Übrigen (Bl. 78-85 SG-Akte) wird Bezug genommen. Die Beklagte hat zu dem
Gutachten Stellung genommen. Der Sachverhalt der Diäteinhaltung sei für die Beklagte nicht logisch nachvollziehbar,
da das Körpergewicht der Klägerin im Gutachten des MDK vom 30.04.1998 mit 70,3 kg angegeben worden sei und der
gerichtlich bestellte Gutachter nach knapp 1 1/2 Jahren 74 kg festgestellt habe. Die Klägerin sollte unbedingt den von
der Beklagten angebotenen Ernährungskurs in Anspruch nehmen, um in Kombination mit einem Herz-Kreislauf-
Training ihr Körpergewicht langfristig zu reduzieren und zu stabilisieren bei gleichzeitiger Kreislaufentlastung.
Das SG hat auf mündliche Verhandlung mit Urteil vom 16.12.1999 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom
05.05.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.1998 verurteilt, die entstehenden Kosten für eine
plastische Baudeckenoperation der Klägerin sowie die hierfür notwendigen Kosten für Krankenhausaufenthalt und
Krankenbehandlung zu übernehmen. Zur Begründung hat sich das SG auf das Gutachten des gerichtlich bestellten
Sachverständigen gestützt. Danach komme der Fettschürze Krankheitswert für die Lendenwirbelsäule zu. Diätisch
könne der Prozess nicht beeinflusst werden, eine echte Indikation zur operativen Entfernung der Fettschürze bestehe.
Die Beklagte hat gegen das Urteil, das ihr am 01.03.2000 zugestellt worden war, am 22.03.2000 Berufung eingelegt.
Der Sachverhalt sei unzureichend aufgeklärt. Es sei abzuklären, ob die Gewichtszunahme und die Fettvermehrung
durch eine Stoffwechselstörung verursacht werde. Außerdem wäre zu eruieren, wie die orthopädische
Grunderkrankung (Torsionsskoliose im Lendenwirbelbereich) in schulmedizinischem Sinne günstig, d.h.
schmerzlindernd beeinflusst werden könne, bevor als letztes Mittel die reduzierende Operation eines anderen Organes
(Bauch) in Betracht komme.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16.12.1999 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienene und nicht vertretene Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass eine Ernährungsumstellung für sie nicht in Frage käme, da durch ihre behandelnden
Ärzte sowie in dem Gutachten und den Befundberichten festgestellt worden sei, dass durch Sport und Diät allein sich
an ihrer Bauchdecke nichts ändere. Sie habe schon mehrere Diäten versucht und an Sport fehle es auch nicht.
Psychotherapeutische Behandlungen unternehme sie nicht, da dadurch weder die Fettschürzen noch die
Rückenbeschwerden beseitigt würden. Auch sei eine solche Behandlung kaum für ihren Partner von Nutzen. Hin und
wieder bekomme sie zur Minderung der Rückenbeschwerden "Mikrowelle", schmerzstillende Salben besorge sie sich
selbst.
Der Senat hat in weiterer Sachverhaltsermittlung einen Befundbericht von Dr. K ..., von Dipl.-Med. B ... und von Dr. G
... sowie eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. F ... und eine Auskunft von Prof. Dr. D ... ,Chefarzt der
Chirurgischen Klinik des Städtischen Krankenhauses D ..., eingeholt. Prof. Dr. F ... hat ausgeführt, dass bei der
Klägerin ein Typ der Fettverteilung vorliege, bei dem das Fett überwiegend in der Bauchhaut angesiedelt sei. Dieses
Verteilungsmuster des Fettgewebes sei zum Teil genetisch gesteuert, zum Teil durch überwiegend hormonelle
Krankheiten bzw. Varianten der normalen Regulation gesteuert. Die Klägerin habe in der Anamnese angegeben, dass
trotz Einhaltung von Diät kein Rückgang des Fettgewebes im Bauchbereich festzustellen gewesen sei. Dieser
Umstand sei aus ärztlicher Erfahrung bekannt. Das vorgegebene Fettverteilungsmuster werde unter dem Regime einer
Diät in der Regel beibehalten, d.h. im vorliegenden Falle verschwänden zunächst überwiegend die anderen Fettdepots
und zuletzt werde erst das Fett in der Bauchhaut abgebaut. Als Teilursache für die Fettvermehrung komme durchaus
eine Stoffwechselstörung in Betracht. Es bestünden aber nur geringe Aussichten, diese Stoffwechselstörungen
medizinisch näher zu klassifizieren und noch geringere Aussichten, über entsprechende Diagnostik ein wirksames
Behandlungsverfahren auf dieser Grundlage anwenden zu können. Nach Auskunft von Prof. Dr. D ... sei die stationäre
Aufnahme der Klägerin zu einer Fettschürzenplastik geplant gewesen. Bei der Begutachtung der Klägerin habe sich
jedoch herausgestellt, dass für eine Fettschürzenplastik keine Indikation bestehe. Wegen der allgemeinen Adipositas
sei der Klägerin eine eventuelle Fettabsaugung angeraten worden.
Die Beklagte hat im Hinblick auf die ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. F ... vorgetragen, dass beim Vorliegen
eines genetisch gesteuerten Typs der Fettverteilung anzunehmen sei, dass über einen längeren postoperativen
Zeitraum eine analoge Situation eintrete, wie sie jetzt zu verzeichnen sei, d.h. die operative Lösung wäre annehmbar
nur zeitweilig erfolgreich. Beim Vorliegen einer überwiegend hormonellen (unbehandelten Krankheit) sei dies gleichfalls
zu erwarten. Außerdem bleibe zu bedenken, dass der angestrebte operative Eingriff die erschlaffenden Bauchdecken
der Klägerin zusätzlich negativ beeinflussten.
Der Senat hat Beweis erhoben und ein medizinisches Sachverständigengutachten durch Prof. Dr. K ..., Facharzt für
Chirurgie, eingeholt. Dieser kam in seinem Gutachten vom 18.06.2001 zu dem Ergebnis, dass die bei der Klägerin
vorhandene Fettschürze am Bauch keinen Befund von Krankheitswert darstelle. Eine Hautfalte mit subkutanem
Fettgewebe sei bei der Klägerin nicht vorhanden. Die Bauchhaut sei reizlos, nicht gerötet und nicht ekzematös
verändert. Die gesamte im Stand sich markierende Haut-Subkutangewebefalte habe ein geschätztes Gesamtgewicht
von 1,5 kg. Das großflächig verteilte Gewicht der überhängenden Bauchwandfalte führe nicht zu einer zusätzlichen
statischen Belastung der vorgeschädigten Wirbelsäule. Eine Gewichtsreduzierung von 10 bis 15 kg sei zur
Beseitigung der Belastungsatemnot und zur Mengenreduzierung der intraabdominalen Bauchfellfalte notwendig. Eine
Fettabsaugung der subkutanen Fettschicht in der gesamten Bauchwand über dem Beckenknochen sei technisch nicht
durchführbar. Eine isolierte Absaugung der Subkutan-Schicht im Unterbauch verkleinere nicht die Hautfalte, sondern
mache die herabhängende Hautfalte kosmetisch visuell störend. Eine weitere internistische Begutachtung sei nicht
notwendig. Auf das Gutachten im Übrigen (Bl. 85-97 LSG-Akte) wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen
sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit der ordnungsgemäß geladenen Klägerin verhandeln und entscheiden (§§ 153 Abs.
1, 110 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten (§§ 143, 151 SGG) ist zulässig und erweist sich auch in
der Sache als begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Kostenübernahme einer plastischen
Bauchdeckenoperation verurteilt. Der angefochtene Bescheid vom 05.05.1998 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 01.10.1998 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2
Satz 1 SGG). Die Beklagte hat zutreffend einen Anspruch der Klägerin verneint.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Bauchdeckenplastik als Sach- oder Dienstleistung der
gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 2 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch -SGB V-). Nach § 27 Abs. 1 SGB
V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu
heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst
u.a. die ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie, die Versorgung mit Arzneien, Verband-, Heil- und
Hilfsmitteln sowie die Krankenhausbehandlung (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Krankheit im Sinne des SGB V ist
ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder - zugleich oder allein -
Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u. a. BSGE 33, 202, 203; 35, 10, 12; 59,
119, 121; Urteil vom 30.09.1999 Az. B 8 KN 9/98 KR R). Als "regelwidrig" ist dabei ein Zustand anzusehen, der von
der Norm, vom Leitbild des gesunden Menschen, der zur Ausübung normaler körperlicher oder psychischer
Funktionen in der Lage ist, abweicht (BSGE 26, 240, 242; 59, 119, 120 m.w.N.).
Behandlungsbedürftigkeit liegt vor, wenn der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand ohne ärztliche Hilfe nicht mit
Aussicht auf Erfolg behoben, mindestens aber gebessert oder vor Behandlung erforderlich ist, um Schmerzen oder
sonstige Beschwerden zu lindern (BSGE 35, 10, 12). Dabei setzt Behandlungsbedürftigkeit Behandlungsfähigkeit
voraus, d.h. die Möglichkeit, dass durch die Behandlung die Beschwerden und Schmerzen gelindert werden.
Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die bei der Klägerin
vorhandene Fettschürze keinen Befund von Krankheitswert darstellt. Der Senat stützt sich insbesondere auf die
schlüssigen und überzeugenden Festlegungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. K ... Danach
bestehen bei der Klägerin insgesamt stärkere subkutane Fettansammlungen zirkulär zwischen unterem Rippenbogen
und Symphyse, eine ausgeprägte Rektusdiastase und im Stehen eine 3,5 cm überhängende Hautfalte am Oberbauch
ohne Krankheitswert. Die überhängende Hautfalte hat ein geschätztes Gewicht von 1,5 kg. Ihr großflächig verteiltes
Gewicht führt zu keiner zusätzlichen statischen Belastung der vorgeschädigten Wirbelsäule. Auch gab die Klägerin
keine wesentlichen Beschwerden an, die durch diese Hautfalte verursacht werden würden. Die geklagten
Bauchbeschwerden im Stehen, beim Bücken, beim Aufrichten werden hauptsächlich durch das Auseinanderweichen
der Mittellinie im Oberbauch (Rektusdiastase) und Vorlagern von Anteilen des fettreichen großen Netzes im
Diastasenbereich am mittleren Oberbauch hervorgerufen. Die Belastungsdyspnoe (Kurzatmigkeit) ist wesentlich durch
das Übergewicht bedingt. Die Rückenbeschwerden werden durch die anlagebedingte Verformung der Wirbelsäule
hervorgerufen. Auf Grund dessen besteht keine medizinische Indikation zur Exzision der sich nur im Stehen
ausbildenden, relativ geringen Haut-Subkutanfalte. Die Feststellungen von Prof. Dr. K ... werden im Ergebnis durch
die Gutachter des MDK und die behandelnden Ärzte bestätigt. Auch nach deren Einschätzung hat der Zustand der
Bauchdecke keinen Krankheitswert. Vielmehr handelt es sich nach den Feststellungen von Dr. K ... um eine
kosmetische Beeinträchtigung, die bei der Klägerin zu psychischen Problemen führt. Dies wird durch Dipl.-Med. B ...,
Dr. G ... und auch durch die Klägerin selbst bestätigt, wonach die Klägerin seelisch unter ihrem Aussehen leidet und
es auf Grund dessen zu Partnerschaftskonflikten kommt. Der Senat konnte dahingestellt lassen, ob das durch die
Fettschürze hervorgerufene seelische Leiden der Klägerin bereits zu einer krankhaften psychischen Störung geführt
hat. Denn es fällt nicht unter die Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, ein körperliches Erscheinungsbild,
das objektiv im Falle der Klägerin durchaus in einem optischen Normbereich liegt, durch operative Eingriffe zu
verändern. Krankheitsbedingt indiziert ist hierfür vielmehr eine psychiatrische und insbesondere psychotherapeutische
Behandlung (vgl. BSGE 72, 96, 98 f.).
Soweit Prof. Dr. F ... der Fettschürze auf Grund ihres Gewichts einen Krankheitswert für die Schmerzsyndrome der
Lendenwirbelsäule zuerkennt, hält dies der Senat bei einem Gesamtgewicht der Hautfalte von ca. 1,5 kg bei allgemein
bestehender Adipositas auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. K ... für nicht überzeugend, zumal alle der im
Verfahren gehörten Chirurgen, denen ein entsprechender Eingriff obliegt, eine Bauchdeckenplastik für medizinisch
nicht indiziert halten. Prof. Dr. K ... führt vielmehr in seinem Gutachten aus, dass die Indikation zur Durchführung
einer Bauchdeckenplastik eine Fettschürze mit chronischer Infektion unter dem überhängenden Gewebe sei oder bei
Patienten durchgeführt werde, bei denen die Arbeitsfähigkeit durch extreme Formen gemindert sei. Eine derartige
Indikation liegt indes bei der Klägerin nicht vor. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. K ... war die Bauchhaut reizlos,
nicht gerötet und nicht exzematös. Eine extreme Form der Fettschürze liegt nach den Feststellungen von Prof. Dr. K
... nicht vor. Dies hält der Senat angesichts einer Gesamtdicke der Hautfalte von 3,5 cm und einer Faltenlänge von
3,5 cm für schlüssig.
Da die von der Klägerin vorgetragenen Beschwerden nicht durch die herabhängende Bauchfalte verursacht werden,
hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer plastischen Operation der Bauchdecke.
Vielmehr hält der Senat auf der Grundlage der Ausführungen von Dipl.-Med. R ... physiotherapeutische Maßnahmen
zur Beseitigung der Dysbalance der Bauchmuskulatur sowie entsprechend der Einschätzung von Dr. M ... und Prof.
Dr. K ... eine allgemeine Gewichtsreduzierung, die mit Hilfe des von der Beklagten bereits angebotenen
Ernährungskurses in Verbindung mit einem Herz-Kreislauf-Training erfolgen sollte, sowie die Verordnung einer
Leibbinde gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V für notwendig, aber auch ausreichend zur Behandlung der geklagten
Bauchbeschwerden sowie der Belastungsdyspnoe.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.