Urteil des LSG Sachsen vom 20.06.2001

LSG Fss: ausbildung, erwerbsfähigkeit, chondropathia patellae, bildschirm, arthrose, meinung, skoliose, berufsunfähigkeit, erwerbsunfähigkeit, krankheit

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 20.06.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 8 RA 956/97
Sächsisches Landessozialgericht L 4 RA 185/00
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 22. August 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen
Berufsunfähigkeit bzw. Invalidität.
Die am ...1961 geborene Klägerin beantragte im Jahr 1995 eine Reha-Maßnahme und am 05.09.1996 die Gewährung
einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Auf Grund eines Wegeunfalles im März 1985 leide sie seit April
1995 an Bein- und Hüftbschwerden sowie Schmerzen im Wirbelsäulenbereich. Sie könne höchstens noch halbtags
leichte Büroarbeiten bei längeren Pausen verrichten.
Im Jahr 1980 schloss die Klägerin ihre Ausbildung zur Textilreinigungsfacharbeiterin ab. In der Folge war sie in
diesem Beruf tätig. Nach einem Unfall auf dem Arbeitsweg im März 1985 erhielt sie ab 06.05.1986 eine monatliche
Unfallrente von 120 Mark. Gleichzeitig musste sie ihre Stelle bei dem VEB DLK-Hauswirtschaft O ... aus
gesundheitlichen Gründen aufgeben. Ab 06.05.1986 wurde sie von der PGH Wärmetechnik O ... als
Materialbuchhalterin übernommen. Diese Stelle wurde zum 28.02.1991 gekündigt. In der Folge war die Klägerin
arbeitslos. Eine nachfolgende Umschulung zur Kauffrau für Bürokommunikation schloss sie erfolgreich mit
Prüfungszeugnis vom 02.12.1994 ab. Eine Arbeitsstelle fand die Klägerin danach nicht. Sie bezog zeitweise
Krankengeld, war dann arbeitslos gemeldet.
Die Beklagte zog ein MDK-Gutachten vom 04.12.1995 bei. Dieses kam zu den Diagnosen: - Dorsolumbalskoliose und
- Zustand nach Wegeunfall mit Oberschenkelschaft- und Patella- fraktur links (operative Behandlung). Bei der
Patientin liege eine vermutlich angeborene Verformung der Wirbelsäule vor. Die vorliegenden Beschwerden seien
bedingt durch die angeborene Torsionsskoliose. Unfallspätfolgen könnten beschwerdeverursachend sein. Es bestünde
bis 10.12.1995 Arbeitsunfähigkeit. Danach käme die Aufnahme einer Tätigkeit als Bürokauffrau in Betracht.
Nach Kur vom 24.10. bis 21.11.1996 zog die Beklagte den Entlassungsbericht der Reha-Klinik M ... in W ... vom
25.11.1996 bei. Dort wurde diagnostiziert: - lokales Lumbalsyndrom bei S-Skoliose und statischer Fehlbe lastung -
Coxalgie links bei statischer Fehlbelastung - Chondropathia patellae links bei Zustand nach Patellafraktur (März 1985)
- Zustand nach Oberschenkelfraktur und Operation, gut verheilt. Die Patientin könne leichte körperliche Tätigkeiten bei
wechselnder Körpererhaltung vollschichtig ausführen. Zu vermeiden seien längere einseitige sitzende aber auch
längere Geh- und Stehbelastung; kein häufiges Bücken, Hocken und Knien. Ein stufenweiser Einstieg werde
empfohlen. In Abständen seien gezielte physikalische Therapiemaßnahmen angezeigt.
Die Beklagte wies darauf den Antrag mit Bescheid vom 05.02.1997 ab. Berufsunfähig sei ein Versicherter, dessen
Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich, geistig und
seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken
sei. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen sei, umfasse alle
Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten ensprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des
Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen
Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar sei stets eine Tätigkeit, für die der Versicherte durch Leistungen
zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sei, § 43 Abs. 2 Sechstes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB VI). Es bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen im bisherigen Berufsbereich und
ebenfalls vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Berufsfeldes.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 25.02.1997 Widerspruch ein. Sie habe ihren Beruf nach
dem Unfall aufgeben müssen. Über die Rehabilitationsstelle sei nach vielen Schwierigkeiten ein geeigneter
Arbeitsplatz gefunden worden, den sie 1991 verloren habe. Ihr Gesundheitszustand habe sich immer mehr
verschlechtert. Sie könne nicht gerade sitzen. Durch die Schmerzen nehme das Konzentrationsvermögen rasch ab.
Außerdem benötige sie immer wieder größere Pausen.
Die Beklagte zog einen Befundbericht des behandelnden Orthopäden Dr. F ... vom 19.03.1997 bei. Dieser
diagnostizierte: - Dorsolumbalskoliose und - recidivierende lokale Schmerzsyndrome. Die Patientin befinde sich
gelegentlich in seiner Behandlung. Eine Besserung der Leistungsfähigkeit sei durch medizinische und berufliche
Rehabilitation möglich. Dr. F ... wurde darauf mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt, das er
am 30.05.1997 erstattete. Danach stellte er eine Dorsolumbalskoliose, eine beginnende Arthrose Knie links und
Retropatellargelenk links fest. Die angegebenen Beschwerden stimmten nicht mit den klinischen und
röntgenologischen Befunden vollständig überein. Aus sozialmedizinischer Sicht könne die Patientin die Tätigkeit als
Kauffrau für Bürokommunikation vollschichtig ausüben. Aus orthopädischer Sicht bestehe ein gering eingeschränktes
Leistungsvermögen für ausschließlich stehende Tätigkeiten. Für sitzende Tätigkeiten bestehe im Wechsel mit Laufen
keine stärkere Leistungseinschränkung.
In einer berufskundlichen Stellungnahme führte die Beraterin M ... der Beklagten am 13.08.1997 aus, dass die
Ausbildung der Klägerin der eines Textilreinigers gleichstehe. Die Lösung von dem Beruf sei aus gesundheitlichen
Gründen erfolgt. Damit bestehe qualifizierter Berufsschutz, der eine Verweisung auf Tätigkeiten des allgemeinen
Berufsfeldes ausschließe. In Betracht käme die Verweisung auf eine Tätigkeit als Registratorin. Die Aufgabe sei
Verwaltung, Ablage und Herausgabe aufzubewahrender Akten, Geschäftspapiere, wissenschaftlicher und
verwaltungstechnischer Unterlagen nach einem festgelegten Aktenplan. Die Tätigkeit werde im Wechsel der drei
typischen Haltungsarten ausgeübt. Der Beruf sei der Ebene der angelernten Angestelltenberufe zuzuordnen und der
Versicherten damit sozial zumutbar.
Die Beklagte wies darauf den Widerspruch mit Bescheid vom 27.12.1997 zurück. Es bestehe ein vollschichtiges
Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten. Ausgehend von dem Beruf als Textilreinigerin käme eine
Verweisung auf den Beruf einer Registratorin in Betracht. Die Begründung der berufskundlichen Stellungnahme ist
eingefügt. Die Tatsache, dass die Klägerin keinen entsprechenden Arbeitsplatz erhalte, stelle keine Berufsunfähigkeit
dar. Dies stelle vielmehr ein Risiko dar, das die Arbeitslosenversicherung zu übernehmen habe, nicht die
Rentenversicherung.
Gegen den Bescheid richtet sich die am 12.11.1997 bei dem Sozialgericht Leipzig (SG) erhobene Klage, mit der die
Klägerin weiterhin eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit begehrt. Die Beschwerden seien in dem
Entlassungsbericht der Kurklinik Wiesenbad vom 25.11.1996 objektiviert. Auf Grund der statischen Fehlbelastung und
übrigen Unfallfolgen könne die Klägerin weniger als drei Stunden täglich arbeiten. Eine körperlich leichte Tätigkeit sei
perspektivisch vollschichtig möglich, aber nur in wechselnden Körperhaltungen. Eine solche Tätigkeit gebe es auf
dem Arbeitsmarkt nicht.
Das SG zog ein Gutachten des ärztlichen Dienstes des Arbeitsamtes O ... vom 09.12.1996 bei, das Dr. H ... erstattet
hatte. Dieser schätzte ein, dass die Klägerin körperlich leichte Arbeit in geschlossenen Räumen in wechselnder
Körperhaltung vollschichtig verrichten könne. Dies wäre in Tagschicht möglich. Vermieden werden sollten Arbeiten bei
Nässe, Kälte, Zugluft, Temperaturschwankungen, unter erhöhter Verletzungsgefahr, mit Zwangshaltungen im Knien
und Heben und Tragen über 5 kg. Er ging aus von der Unfallverletzung linker Oberschenkel und Kniegelenk und einer
Verbiegung der BWS. Das SG holte weiter Befundberichte der behandelnden Ärzte ein. Die Augenärztin Dr. M ... teilte
am 10.02.1998, dass sich die Patientin einmal vorgestellt habe. Sie habe Normalsichtigkeit festgestellt. Der
Allgemeinmediziner Dr. F ... gab am 18.02.1998 an, dass bei der Klägerin ein Zustand nach OS Fraktur mit
Küntschernagelung links, ein Zustand nach Patellafraktur links und ein pseudoradikuläres lumbales Schmerzsyndrom
bestünden. Die Befunde hätten sich seit März 1996 nicht verändert. Der Facharzt für Orthopädie Dr. F ... gab als
Diagnosen an: - Dorsolumbalskoliose 0 - 1°ig, - beginnende Arthrose Knie links. Eine Verschlechterung der
Beschwerden sei 1996/1997 eingetreten. Die aus den Veränderungen der BWS und LWS sowie des linken
Kniegelenks resultierenden Funktionsstörungen seien statischer Natur und führten prognostisch zu einer geringen
dauerhaften Leistungsminderung.
Das Kreiskrankenhaus O ... übersandte das vom OA Dr. P ... für die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft am
08.07.1997 erstattete Gutachten. Als Unfallfolgen stellte er einen leicht linksbetonten hinkenden Gang, eine
Unfähigkeit, sich hinzuknien oder in die Hocke zu gehen, leichte Bewegungseinschränkung im linken Hüftgelenk und
deutliche Bewegungseinschränkung im linken Kniegelenk, posttraumatische Arthrose im linken Kniegelenk, leichte
Umfangsminderung des linken Oberschenkels, Verkürzung des linken Beines um 1 cm gegenüber rechts und eine
hühnereigroße Muskelhernie am linken Oberschenkel fest. Die Erwerbsfähigkeit sei um 20 % herabgesetzt.
Das SG holte ein Gutachten der Orthopädin Dr. B ... ein, das am 14.03.1999 erstattet wurde. Diese diagnostizierte -
eine pseudoradikuläre Wurzelreizsymptomatik der Lendenwirbel säule bei rechtskonvexer Skoliose der LWS und BWS
ohne dege nerative Veränderungen, - schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenks mit
eingeschränkter Beugefähigkeit und beginnender Arthrose sowie deutlicher Arthrose des Femoropatellargelenks, -
Bewegungsschmerz im linken Hüftgelenk mit endphasiger Bewe gungseinschränkung, - Muskelschwäche des linken
Beines und - Beinverkürzung rechts um 1,5cm. Die Klägerin sei noch in der Lage, unter bestimmten Voraussetzungen
einer regelmäßigen Erberbstätigkeit nachzugehen. Kälte, Nässe, Zugluft und Temperaturschwankungen seien zu
vermeiden. Leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Lasten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen
seien vollschichtig möglich, wobei vorwiegend sitzende Tätigkeiten empfohlen würden. Zwangshaltungen seien zu
vermeiden. Arbeiten an laufenden Maschinen, am Fließband im Stehen, Steigen auf Leitern, Gerüste und Treppen
seien nicht möglich. Arbeiten unter Zeitdruck, in Wechsel- oder Nachtschicht seien nicht mehr zumutbar.
Einschränkungen der Sinnesorgane lägen nicht vor. Wegefähigkeit bestehe hinsichtlich eines Anmarschweges von 1
km. Die Klägerin könne die Tätigkeiten als Buchhalterin, Kauffrau für Bürokommunikation oder in einer Registratur
ausüben.
Nach Vorlage eines Berichts über ein MRT am 21.12. 1998 holte das SG weitere Befundberichte ein. Der Chirurg Dr.
W ... gab am 25.05.1999 an, dass sich eine fokale Verklumpung der kortikalen Liquorräume occipital beidseits mit
angrenzender Narbenbildung als Folge einer alten Kontusionsverletzung in diesem Bereich gefunden habe. Ein
Nachweis einer hirnorganischen Erkrankung oder von Folgeerscheinungen sei nicht erfolgt. Die Augenärztin Dr. L ...
teilte am 01.07.1999 mit, dass eine Myopie, Astigmatismus und Exophorie mit zeitweiser Dekompensation
festgestellt worden sei. Die Motorik zeige Auffälligkeiten. Die Neurologin Dr. T ... schätzt im Befundbericht vom
06.07.1999 ein, dass ein Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma II. Grades bestehe. In einem weiteren Schreiben vom
15.07.1999 ergänzte sie, dass sie die Sehbeschwerden der Klägerin mit den im MRT festgestellten Unfallverletzungen
in Verbindung bringen könne.
Darauf beauftragte das SG die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch ... mit der Erstellung eines
neurologischen Fachgutachtens, das am 24.03.2000 erstattet wurde. Die Gutachterin diagnostizierte: - vertebrogener
Beschwerdekomplex mit lumbalem Pseudoradikulär syndrom bei Verformung der Lendenwirbelsäule und unteren
Brustwirbelsäule (Skoliose), qualitativ leistungsmindernd (neurologische und orthopädische Diagnose - gebietsübergrei
fend); - schmerzhafte Funktionsminderung des linken Kniegelenkes mit eingeschränkter Beugefähigkeit und
beginnender Arthrose, qua litativ leistungsmindernd (orthopädische Diagnose); - zentrale vegetative Störungen nach
SHT 1985 mit noch nach weisbarer alter parenchymatöser Kontusionszone und sekundä rer Atrophie occipital
beidseits. - Im Rahmen der langen Arbeitslosigkeit und der vorhandenen Be schwerden sei es zu einer gewissen
ängstlichen Versagenshal tung gekommen, die eine beginnende Somatisierungsneigung an deute. Eine
schwerwiegende seelische Störung bestehe jedoch nicht. Körperlich leiche Arbeiten seien vollschichtig zumutbar,
wobei die Einschränkungen des orthopädischen Gutachtens ebenso genannt werden. Eine Tätigkeit mit besonderen
Anforderungen an die Sehkraft solle nicht sein, insbesondere keine ausschließliche Computertätigkeit, da mitunter
auftretende Sehstörungen der von der Klägerin geschilderten Art bei der festgestellten Hirnschädigung wahrscheinlich
seien. Sie könne eine Beschäftigung als Buchhalterin, Kauffrau für Bürokommunikation und - nach Kenntnis der
Gutachterin - als Mitarbeiterin einer Registratur ausüben. Eine Besserung des Zustandes sei nicht zu erwarten.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 22.08.2000 ab. Die Klägerin sei nicht berufsunfähig, da ihre Erwerbsfähigkeit
nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch
gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der
Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit zu beurteilen sei, umfasse alle Tätigkeiten, die den Kräften und
Fähigkeiten des Versicherten entsprächen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner
Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen an seine Berufstätigkeiten zugemutet
werden könnten. Zugemutet werden könnten alle Tätigkeiten, die nach ihrer Wertigkeit dem bisherigen Beruf nicht zu
fern stünden. Zur Beurteilung der Wertigkeit habe das Bundessozialgericht (BSG) ein Mehrstufenschema entwickelt,
nach dem die Berufe ausgehend von Dauer und Umfang der erforderlichen Ausbildung in Gruppen eingeteilt werden
können. Versicherte könnten sozial zumutbar auf Tätigkeiten verwiesen werden, die eine Stufe niedriger einzuordnen
seien als der bisherige Beruf. Der Hauptberuf der Klägerin sei der einer Textilreinigungsfacharbeiterin, der dem Beruf
eines Textilreinigers mit einer dreijährigen Ausbildung entspreche. Die Klägerin habe sich von dem Beruf nur aus
gesundheiltlichen Gründen gelöst, so dass er weiterhin den Hauptberuf darstelle. Damit könne die Klägerin auch auf
Angestelltentätigkeiten der Anlernebene verwiesen werden. Zu beachten sei weiter, dass die Klägerin ihren letzten
Beruf als Buchhalterin und den Beruf der Kauffrau für Bürokommunikation ausüben könne, für den sie umgeschult
worden sei. Außerdem könne die benannte Verweisungstätigkeit einer Registratorin ausgeführt werden. Dies ergebe
sich aus den eingeholten Gutachten und Befundberichten. Übereinstimmend sei eine vollschichtige Leistungsfähigkeit
für körperlich leichte Tätigkeiten in den Gutachten bescheinigt. Die gemachten Einschränkungen wie "keine
Temperaturschwankungen, keine Zugluft, kein Heben und Tragen von Lasten, kein Zeitdruck, keine Wechsel- oder
Nachtschicht", würden für diese Tätigkeiten zutreffen.
Gegen das am 27.10.2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 10.11.2000 beim Sächsischen Landessozialgericht
(LSG) eingelegte Berufung. Die Klägerin könne die Tätigkeit einer Registratorin nicht ausüben, denn sie müsse auch
Zugang zu den Akten haben. Dies sei teilweise nur von Leitern aus möglich. Außerdem wäre häufiges Bücken nötig.
Die Gutachter gingen von dem falschen Berufsbild aus, dass eine Registratorin nur eingehende Akten mit einem
Aktenzeichen versehe. Es gebe kein Büro, das Mitarbeiter alleine mit dieser Tätigkeit beschäftigen könne. Die
Verwaltung der vorhandenen Akten bedeute aber, dass größere Aktenmengen befördert werden müssten. Dazu sei die
Klägerin nicht in der Lage. Als Kauffrau für Bürokommunikation könne die Klägerin nicht tätig werden, da wegen der
Probleme mit den Augen Arbeiten am Computer nicht zu empfehlen seien. Dies betreffe auch die Arbeit einer
Buchhalterin, da mit einem Journal heute in keinem Betrieb mehr gearbeitet werde. Später führte der Prozessvertreter
aus, dass es den Beruf einer Registratorin nicht mehr gebe. Die Anlage einer Akte erfolge mit einem automatischen
Register. Soweit gemeint sei, dass die Registratorin auch die Akten verwalte, erfolge dies in Hochschränken, die nur
mit mobilen Stufen oder Kleintreppen begangen werden könnten. Diese Tätigkeit könne die Klägerin wegen
Absturzgefahr nicht ausführen. Auch in der Registratur in einem Einwohnermeldeamt könne die Klägerin nicht
arbeiten, da diese ebenfalls elektronisch geführt werde.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig zum Aktenzeichen S 8 RA 956/97 aufzuheben und der Klage wie folgt
stattzugeben, nämlich den Bescheid vom 05.02.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.12.1997
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise
Berufsunfähigkeit bzw. Invalidenrente ab 01.05.1996 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Gründe des Urteils erster Instanz. Die zeitliche Dauer des Sehtests lasse sich medizinisch
nicht begründen. Die Tätigkeiten am Bildschirm seien deshalb nur dann nicht möglich, wenn sie unter Zeitdruck oder
Stress ausgeführt werden müssten. Die Dauer einer Untersuchung sei kein medizinisches Maß für eine
Leistungsminderung.
Der Senat hat ein Gutachten der Ärztin für Arbeitsmedizin und Allgemeinmedizin Dr. B ... eingeholt, das am
13.02.2001 erstattet wurde. Die Gutachterin kam zu folgenden Diagnosen: - Lumbales Pseudoradikulärsyndrom bei
rechtskonvexer Skoliose der Brust- und Lendenwirbelsäule mit geringgradigen Bewe gungseinschränkungen; -
Coxalgien bei statischer Fehlbelastung; - Zustand nach Schädel-Hirn Trauma 1985 mit leichtem posttrau matischem
Störsyndrom; - Myopie und Astigmatismus (mit Brille gut ausgeglichen); - Exophorie (Auswärtsschielen) mit
zeitweiser Dekompensation; - Untergewicht (BMI = 16,9) In dem Sehtest, wie er für die arbeitsmedizinische
Vorsorgeuntersuchung für Beschäftigte an Bildschirmarbeitsplätzen zur Anwendung komme, hätten sich bei der
Klägerin Defizite im Sehvermögen gezeigt. Bei einem durchschnittlichen Abstand zwischen Auge und Bildschirm von
60 cm sei nur ein Sehvermögen von 60 % erzielt. Als Mindestanforderung für Bildschirmarbeit gelten 80 % auf dem
besser sehenden Auge. Auffällig sei auch gewesen, dass die Klägerin das Dreifache der üblichen Zeit benötigt habe.
Sie habe immer wieder erklärt, dass Zeichen verschwinden würden, plötzlich wieder da seien (zeitweise
Dekompensation bei Auswärtsschielen). Aus diesen Gründen könne die Klägerin keine Tätigkeiten mit hohem Anteil
an Bildschirmarbeit ausüben. Eine generelle Nichteignung für Arbeiten am Bildschirm bestehe nicht. Seltene Arbeiten
ohne Zeitdruck wie Aufrufen und Erfassen einzelner Positionen könnten verrichtet werden.
Bei den benannten Verweisungstätigkeiten Kauffrau für Bürokommunikation, Buchhalterin und Registratorin würden
sich die Tätigkeiten am Bildschirm unterscheiden. Bei Kauffrau und Buchhalterin sei von überwiegender
Bildschirmarbeit auszugehen. Wegen der Einschränkungen im Sehvermögen bestehe nur halb- bis untervollschichtige
Einsatzmöglichkeit. Aus der berufskundlichen Stellungnahme der Frau Meck ergebe sich, dass bei dem Berufsbild der
Registratorin die Bildschirmarbeit keine vordergündige Rolle spiele. In dieser Tätigkeit sei ein vollschichtiger Einsatz
möglich.
Insgesamt besteht nach Meinung der Gutachterin eine vollschichtige Einsatzmöglichkeit nur für überwiegend
körperlich leichte Arbeiten ohne besonderen Zeitdruck. Die Tätigkeit sollte überwiegend sitzend mit der Möglichkeit
zum kurzfristigen Stehen und Gehen sein. Arbeiten an Bildschirmarbeitsplätzen und sonstige Arbeiten mit besonderer
Sehanforderung sollten weniger als die Hälfte der täglichen Arbeitszeit einnehmen. Für Steuer- und
Überwachungstätigkeiten mit hohen Anforderungen bestünde keine Eignung. Nässe, Kälte und Zugluft seien zu
vermeiden, ebenso Arbeiten mit Absturzrisiko und häufiges Heben oder Tragen von Lasten.
Der Senat hat dem Klägervertreter Kopien aus Breier/Uttlinger, Eingruppierung und Tätigkeitsmerkmale für Angestellte
im öffentlichen Dienst, und Claus, Lexikon der Eingruppierung der Angestellten im öffentlichen Dienst, übersandt, in
denen die Tätigkeit von Mitarbeitern einer Registratur beschrieben ist.
Wegen des übrigen Vorbringens wird auf die Gerichtsakten aus beiden Instanzen und die beigezogene
Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte und zulässige Berufung, §§ 143, 151, 153 Sozialgerichtsgesetz (SGG), erweist sich als unbegründet.
Die Klägerin ist durch das Urteil des SG Leipzig nicht in ihren Rechten verletzt. Ihr steht eine Rente wegen
Berufsunfähigkeit (BU) oder Erwerbsunfähigkeit (EU) weder nach §§ 43, 44 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden
Fassung noch nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung zu. Sie hat auch keinen Anspruch auf eine
Invalidenrente nach Art. 2 § 7 Rentenüberleitungsgesetz (RÜG).
BU liegt vor, wenn die Erwerbsfähigkeit von Versicherten wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte
derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen
Kenntnissen und Fertigkeiten gesunken ist, § 43 Abs. 2 SGB VI. Die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit eines
Versicherten gesunken ist, wird danach getroffen, welchen Verdienst er aus einer Erwerbstätigkeit erzielen kann, auf
die er nach seinem Berufswerdegang und nach seinem Gesundheitszustand zumutbar verwiesen werden kann
(Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 28.02.1963 - 12 RJ 24/58 - SozR Nr. 24 zu § 1246 RVO).
Wesentlich für die Beurteilung der Sache ist, welcher Beruf der Klägerin der Anspruchsprüfung zugrunde zu legen ist.
Dabei ist unter dem bisherigen Beruf in der Regel die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte
versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit zu verstehen. Sie ist auch dann maßgebend, wenn sie nur
kurzfristig verrichtet wurde, aber zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten war (vgl. BSG SozR
2200 § 1246 Nr. 130 S. 13; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17 S. 58). Die Aufnahme einer anderen Tätigkeit führt nicht in
jedem Fall zur Lösung vom früheren Beruf sondern nur dann, wenn der neue Beruf versicherungsrechtlich relevant ist,
wenn er also die Voraussetzungen erfüllt, die unabhängig von der früheren Berufsentwicklung zum Erwerb eines
versicherungsrechtlich geschützten Berufs führen. Das ist dann der Fall, wenn der Beruf mit dem Ziel aufgenommen
und ausgeübt wird, ihn weiterhin bis zum Eintritt der gesundheitlichen Unfähigkeit oder bis zur Erreichung der
Altersgrenze - also auf Dauer - auszuüben. Deshalb ist die nur vorübergehende Aufnahme einer anderen Tätigkeit
unschädlich; sie führt nicht zum Erwerb eines neuen Dauerberufs und damit nicht zum Verlust des alten Berufs (Urteil
des BSG vom 04.11.98, B 13 RJ 95/97; BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 158 m. w. N.). So hat die Rechtsprechung keine
Lösung von dem früheren Beruf angenommen, wenn der Versicherte die neue Tätigkeit nur aufnimmt, um Zeiten der
Arbeitslosigkeit zu überbrücken (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130). Auf der anderen Seite ist eine Lösung vom
bisherigen Beruf immer dann zu bejahen, wenn der rentenrechtlich relevante Berufswechsel freiwillig erfolgt (vgl. dazu
BSG Urteil vom 16. Februar 1962 - 4 RJ 183/62). Wurde die Arbeit gezwungenermaßen aufgegeben, so ist zu
unterscheiden: Waren dafür gesundheitliche Gründe verantwortlich, bleibt der Berufsschutz erhalten, da sich insofern
gerade das versicherte Risiko der gesetzlichen Rentenversicherung verwirklicht hat (vgl. BSGE 2, 182, 187; BSG
SozR Nr. 33 zu § 1246 RVO).
Auszugehen ist regelmäßig von dem Beruf, der bei Beantragung der Rente ausgeübt wird. Dies wäre der Beruf der
Buchhalterin, der zuletzt ausgeübt worden ist. Nach den durch die Rechtsprechung des BSG vorgegebenen Kriterien
ist die Aufgabe der Tätigkeit in der Textilreinigung aus gesundheitlichen Gründen erfolgt, was sich auch eindeutig aus
den früheren Gutachten ergibt. Damit hat sich die Klägerin nicht von dem ausgeübten Beruf der
Textilreinigungsfacharbeiterin gelöst. Dies ist der Beruf, der der Entscheidung zugrunde zu legen ist.
Da die Klägerin nicht mehr in der Lage ist, diesen Beruf auszuüben, ist festzustellen, ob es Tätigkeiten gibt, auf die
sie zumutbar verwiesen werden kann. Zur möglichst gleichmäßigen und vorhersehbaren Beurteilung der Zumutbarkeit
einer Verweisungstätigkeit hat die Rechtsprechung als Hilfsmittel ein sogenanntes Mehrstufenschema entwickelt,
welches die Berufe entsprechend ihrer Leistungsqualität in verschiedene Berufsgruppen gliedert. Bei
Angestelltenberufen werden mittlerweile bis zu sechs Stufen unterschieden. Das sind - mit der untersten Stufe
beginnend - (1) unausgebildete bzw. ungelernte Angestelltenberufe, deren Anforderungsprofil keine über die Erfüllung
der allgemeinen Schulpflicht hinausgehenden Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und für die eine nur kurzzeitige,
bis zu drei Monaten dauernde Einarbeitungszeit genügt (BSG Urteil vom 24.03.1998, B 4 RA 44/96 R). Es folgen auf
Stufe (2) die Berufe für angelernte Angestellte mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren sowie (3) Angestelltenberufe
mit einer längeren, regelmäßig 3-jährigen Ausbildung. Darüber gruppieren sich (4) Berufe, welche eine Meisterprüfung
oder den erfolgreichen Abschluss einer Fachschule voraussetzen, sowie (5) Angestelltentätigkeiten, die ein
abgeschlossenes Studium an einer Fachhochschule bzw. wissenschaftlichen Hochschule erfordern. Nach oben
abgeschlossen wird das Mehrstufenschema mit den (6) Angestelltenberufen der Führungsebene, deren hohe Qualität
regelmäßig auf einem Hochschulstudium beruht und in denen üblicherweise ein Bruttoarbeitsentgelt um die
Beitragsbemessungsgrenze oder darüber erzielt wird (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 1 sowie Meyer im
Gemeinschaftskommentar SGB VI, § 43 SGB VI Rd.-Ziff. 220).
Die Zuordnung einer bestimmten beruflichen Tätigkeit zu einer Berufsgruppe dieses Mehrstufenschemas für
Angestellte hat dabei in aller Regel nach Maßgabe von Dauer und Umfang (Intensität) der hierfür erforderlichen
Ausbildung zu erfolgen. Die tarifvertragliche Einstufung der Tätigkeit kann jedoch als wichtiges Hilfsmittel (Indiz)
insbesondere dann herangezogen werden, wenn die zu beurteilende Tätigkeit kein staatlich geregelter
Ausbildungsberuf ist (BSG Urteil vom 24.03.1998, B 4 RA 44/96 R). Nach der Position und der Ausbildung der
Klägerin ist diese in die Stufe 3 des Schemas in ihrer Tätigkeit als Facharbeiterin in der Textilreinigung
einzugruppieren, da nach der berufskundlichen Stellungnahme der Beklagten diese Facharbeiterausbildung mit der
dreijährigen Ausbildung eines Textilreinigers gleichgestellt wurde.
Eine zumutbare Verweisungstätigkeit ist damit in dieser Stufe oder in Stufe 2 des Mehrstufenschemas zu benennen.
Die nach diesem Schema vorzunehmende Einordnung erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der
absolvierten förmlichen Ausbildung. Entscheidend ist vielmehr die Wertigkeit der verrichteten Arbeit, d. h. der aus
einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es
durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des
bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. BSG SozR 3-2600
§ 43 Nr. 15 S. 50, Nr. 17 S. 58 ff. m. w. N.). Davon ausgehend darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen
Beruf grundsätzlich auf die nächstniedrigere Berufsgruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 5 S.
21 ff. m. w. N.; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17 S. 59). Was die Suche nach Verweisungstätigkeiten anbelangt, die den
Kräften und Fähigkeiten eines Versicherten entsprechen, so ist nach der vom Großen Senat des BSG (vgl. BSGE 80,
24 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8) bestätigten Rechtsprechung des BSG davon auszugehen, dass einem Versicherten
grundsätzlich zumindest eine Tätigkeit konkret zu benennen ist, die er noch ausüben kann. Jeder Angestellte kann,
wenn es um zumutbare Verweisungstätigkeiten geht, jeweils auf Tätigkeiten verwiesen werden, die eine Stufe tiefer
einzuordnen sind, als es dem bisherigen Beruf entspricht. Ein Angestellter mit beruflicher Ausbildung kann demnach
auf Anlerntätigkeiten, ein angelernter Angestellter auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden usw. (BSG Urteil vom
04.11.98 - B 13 RJ 95/97). Voraussetzung einer Verweisung ist nicht, dass die Klägerin sofort eine derartige Stelle in
O ... oder Umgebung antreten kann. Verlangt wird nur, dass derartige Tätigkeiten in ausreichender Anzahl im
Bundesgebiet vorhanden sind (BSG, Beschluss des Großen Senates vom 19.12.1996, GS 2/95 = BSGE 80, 24).
Dies bedeutet für den Fall der Klägerin, dass sie zumutbar auf eine Tätigkeit als Mitarbeiterin einer Registratur
verwiesen werden kann. Die weiter benannten Tätigkeiten der Buchhalterin und der Kauffrau für Bürokommunikation
scheiden aus medizinischen Gründen aus. Entgegen der Meinung der Beklagten ist der Ausschluss von über 50 %
Bildschirmtätigkeit medizinisch begründet. Die Gutachterin hat ein Auswärtsschielen mit zeitweiser Dekompensation
in Übereinstimmung mit der Augenärztin Dr. L ... festgestellt. Aufgrund dieser Sehstörung ist nach der
nachvollziehbaren Erklärung die Klägerin zeitweise nicht in der Lage, Zeichen auf dem Bildschirm zu erkennen, was
zu einer Verlängerung der für die Tätigkeiten notwendigen Zeit führt. Zu einem entsprechenden Ergebnis kam auch die
Gutachterin Dr. Sch ..., die ebenfalls Tätigkeiten mit hohem Bildschirmanteil ausschließt. Das Arbeitsvermögen der
Klägerin am Bildschirm ist damit auf etwa 1/3 vergleichbarer Versicherter gesunken.
Die Tätigkeit einer Registratorin kann die Klägerin aus medizinischer Sicht ausüben. Diese Tätigkeit gibt es auch
noch, wie der Klägervertreter in seinen widersprüchlichen Schriftsätzen selbst ausführt. Die Tätigkeit erschöpft sich
nicht im Erfassen von Vorgängen und Vergabe eines Aktenzeichens. Nach Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Pühler(im
Kommentar zum Bundesangestelltentarifvertrag) ist ein "Registraturangestellter ein Angestellter, dem nach Maßgabe
der behördlichen Vorschriften und Übung die Auszeichung der Eingänge, die Beifügung der einschlägigen
Aktenvorgänge, die ordnungsgemäße Aktenaufbewahrung sowie nach den Umständen auch die Aufzeichung von
Schriftstücken obliegt", (Anhang B. 60.4 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts; so auch
Breier/Uttlinger, Eingruppierung und Tätigkeitsmerkmale für Angestellte im öffentlichen Dienst, S. 118). Claus
(Lexikon der Eingruppierung der Angestellten im öffentlichen Dienst, Buchstabe R, S. 6.1-8) beschreibt die Tätigkeit
als Schriftgutverwaltung, nicht die Führung von Registern. Eine Registratur ist nach Sachgesichtspunkten vielfach
gegliedert, wenn das Schriftgut auf der Grundlage eines eingehenden, nach Sachgebieten, Oberbegriffen,
Untergruppen und Stichworten weit gefächerten Aktenplanes unterzubringen ist. Diese Tätigkeiten sind vor allem in
die Vergütungsgruppen VII und VIII des BAT eingruppiert, die an der Grenze der Stufen 2 und 3 des
Mehrstufenschemas einzuordnen sind. Die Tätigkeiten gibt es auch in ausreichendem Maß zumindest im öffentlichen
Dienst.
Die Klägerin ist auch gesundheitlich in der Lage, die Tätigkeit auszuüben. Bürotätigkeiten gehören bekanntermaßen
zu den körperlich leichtesten Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Derartige Tätigkeiten kann die Klägerin nach den
übereinstimmenden Aussagen der Gutachten des MDK vom 04.12.1995, des Orthopäden Dr. F ... vom 30.05.1997,
des medizinischen Dienstes des Arbeitsamtes vom 09.12.1996, der Orthopädin Dr. B ... vom 14.03.1999, der
Neurologin Dr. Sch ... und der Arbeitsmedizinerin Dr. B ... vom 13.02.2001, denen sich der Senat nach eigener
Prüfung anschließt, unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen vollschichtig ausüben. Die gemachten
Einschränkungen wie Kälte, Feuchtigkeit, Zugluft, Nachtschicht treffen für die genannten
Entgegen der Meinung des Prozessvertreters bleibt der Anteil an der Bildschirmtätigkeit unter 50 %. Die Registrierung
im Aktenplan und des Standortes der Akten erfolgt regelmäßig über den Computer. Zu der Tätigkeit gehört aber auch
die Einheftung von Schriftstücken in die Akten, die Vorlage der Akten an den zuständigen Bearbeiter. Das Erfassen
ist nur möglich, wenn vorher das Schriftstück wenigstens teilweise gelesen wurde. Die Vorlage der Akten erfolgt in der
Regel nicht dadurch, dass der Mitarbeiter der Registratur große Aktenstösse zum Bearbeiter trägt. Zum einen stehen
in der Regel Aktenwagen zur Verfügung. Zum anderen sind für das Transportieren der Akten in den meisten Behörden
besondere Boten vorhanden. Auch die Behauptung des Prozessvertreters der Klägerin, dass sich die Registratur
immer in Hockschränken befindet, ist nach eigener Kenntnis des Senates unzutreffend. Dies betrifft jedenfalls im
Öffentlichen Dienst in der Regel die "Altregistratur" mit abgeschlossenen Akten, während die laufenden Akten in der
Nähe des Verwalters in normalen Aktenschränken untergebracht sind. Dauerndes oder häufiges Bücken und Steigen
auf Leitern ist damit nicht erforderlich. Auf der anderen Seite verlangt die Tätigkeit immer wieder kurzzeitiges Stehen
oder Gehen.
Auch die vorgetragene Meinung, die Tätigkeit in einem Einwohnermeldeamt sei wegen der Bildschirmtätigkeit von der
Klägerin nicht auszuüben, ist nicht zutreffend. Die Tätigkeit erfordert zum einen Lesen, bevor am Bildschirm Eingaben
gemacht werden. Zum anderen ist die Tätigkeit regelmäßig mit Besucherverkehr verbunden. Der Umgang mit dem
Besucher verlangt weit mehr Zeit als kurzzeitige Suche in Dateien und Korrektur von Einträgen.
Da die Klägerin nicht berufsunfähig ist, erfüllt sie auch nicht die strengeren Voraussetzungen der Erwerbsunfähigkeit
nach § 44 SGB VI alter Fassung. Sie ist nicht erwerbsunfähig nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden
Fassung, da eine wenigstens 6-stündige Tätigkeit jeden Tag möglich ist. Auch Invalidität nach Art. 2 § 7 RÜG liegt
nicht vor, denn das Leistungsvermögen der Klägerin ist bei vollschichtiger Arbeitsfähigkeit nicht durch Unfall,
Krankheit oder sonstige geistige oder körperliche Schäden um mindestens zwei Drittel gegenüber demjenigen von
geistig und körperlich Gesunden im Beitrittsgebiet gemindert. Da somit eine Erwerbsminderung nicht nachgewiesen
ist, ein Rentenanspruch nicht besteht, ist die Berufung gegen das Urteil des SG Leipzig vom 22.08.2000
zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung einer Revision liegen nicht vor, § 160 Abs.
2 SGG.