Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 06.05.2010

LSG NRW (aufschiebende wirkung, gegen die guten sitten, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, verwaltungsakt, wirkung, beschwerde, sgg, antrag, abschluss, folge)

Landessozialgericht NRW, L 12 AS 600/10 B ER
Datum:
06.05.2010
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 12 AS 600/10 B ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 3 AS 874/10 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des
Sozialgerichts Köln vom 06.04.2010 geändert. Der Antrag der
Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom
01.03.2010 gegen den Absenkungsbescheid vom 19.02.2010
anzuordnen, wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind in beiden
Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe:
1
I.
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Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres
Widerspruchs vom 01.03.2010 gegen den Absenkungsbescheid der Antragsgegnerin
vom 19.02.2010.
3
Die Antragstellerin steht bei der Antragsgegnerin im Bezug von Leistungen nach dem
Sozialgesetzbuch (SGB) II. Die Antragsgegnerin forderte die Antragstellerin mehrfach
zur Vorsprache auf, um mit ihr über das Bewerberangebot bzw. ihre berufliche Situation
zu sprechen. Aktenkundig sind schriftliche Einladungen zum 06.11.2009, 26.11.2009
und 09.12.2009. Die Einladungsschreiben enthielten Belehrungen über die
Rechtsfolgen bei Nichterscheinen.
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Nachdem die Antragstellerin unter Hinweis auf eine eigene Erkrankung bzw. eine
Erkrankung ihrer minderjährigen Tochter den Einladungen nicht Folge leistete, erließ
die Antragsgegnerin mit Datum vom 17.12.2009 eine Ersatzeingliederungsvereinbarung
nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II durch Verwaltungsakt. Darin war u.a. geregelt, dass die
Antragstellerin in der Zeit vom 17.12.2009 bis 16.06.2010 monatlich mindestens 5
Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse
zu unternehmen hatte und hierüber jeweils am 03. Montag eines Monats persönlich
beim zuständigen Arbeitsvermittler die in der Eingliederungsvereinbarung näher
genannten Nachweise vorzulegen hatte.
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Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Antragstellerin vom 21.12.2009, mit dem
sie im Wesentlichen geltend machte, eine Eingliederungsvereinbarung sei ein
öffentlich-rechtlicher Vertrag, der nicht per Verwaltungsakt erlassen werden könne. Im
Weiteren trug die Antragstellerin vor, sie könne auch aus Kostengründen den
Regelungen der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt nicht Folge leisten, da
die von ihr verlangten Bewerbungen ihr monatliches Budget überschreiten würden. Den
Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2010
zurück.
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Mit einem als Anhörung gemäß § 24 SGB X bezeichneten Schreiben vom 19.01.2010
wandte sich die Antragsgegnerin an die Antragstellerin, da sie trotz Belehrung über die
Rechtsfolgen ihre in der Eingliederungsvereinbarung vom 17.12.2009 festgelegten
Pflichten nicht erfüllt habe. Den Termin am 18.01.2010 als dritten Montag des Monats
zur Vorlage der Bewerbungsunterlagen habe sie nicht wahrgenommen. Nachdem die
Antragstellerin hierauf mit Schreiben vom 05.02.2010 geantwortet und die Ansicht
vertreten hatte, sie habe bereits dargelegt, aus welchem Grunde die erlassene
Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt von ihr nicht erfüllt werden könne,
erließ die Antragsgegnerin den Bescheid vom 19.02.2010, mit dem sie den der
Antragstellerin zustehenden Anteil des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 01.03.2010
bis 31.05.2010 monatlich um 30 v.H. der maßgebenden Regelleistung absenkte. Die
Entscheidung werde gestützt auf § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b und Abs. 6 SGB II, weil die
Antragstellerin ihrer Pflichten aus der per Verwaltungsakt erlassenen
Eingliederungsvereinbarung nicht nachgekommen sei. Die von ihr dargelegten Gründe
könnten bei Abwägung der persönlichen Einzelinteressen mit denen der Allgemeinheit
nicht als wichtig im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II anerkannt werden.
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Am 01. März 2010 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Köln um die Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes ersucht und beantragt, unter Aufhebung des
Absenkungsbescheides vom 19. Februar 2010 ihr die gekürzten Leistungen in voller
Höhe auszuzahlen und die Eingliederungsvereinbarung als nichtig zu erklären.
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Mit Beschluss vom 06.04.2010 hat das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung des
Widerspruchs der Antragstellerin vom 01.03.2010 gegen den Absenkungsbescheid vom
19.02.2010 angeordnet und der Antragsgegnerin aufgegeben, unter dem Vorbehalt der
Rückforderung bei Unterliegen im Hauptsacheverfahren im streitigen Zeitraum die
bewilligten Leistungen ohne Berücksichtigung des Minderungsbetrages in Höhe von
monatlich 107,70 EUR auszuzahlen. Den weiteren Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung hat das Sozialgericht abgelehnt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat
es die Auffassung vertreten, die Sanktionsvorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b SGB
II biete keine Rechtsgrundlage für eine Sanktionierung des von der Antragsgegnerin
angenommenen Verstoßes gegen die Pflichten aus dem Eingliederungsverwaltungsakt
vom 17.12.2009. Der Gesetzestext gehe von einer Eingliederungsvereinbarung aus,
diese könne jedoch nicht in Form eines Verwaltungsaktes erlassen werden. Aus diesem
Grund fehle es der Regelung der Antragsgegnerin an einer Rechtsgrundlage, so dass
das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
ihres Widerspruchs das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug überwiege. Der
weitergehende Antrag sei nach § 86 b Abs. 2 SGG abzulehnen gewesen, da die
Antragstellerin nicht hinreichend glaubhaft gemacht habe, dass ihr der geltend
gemachte Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zustehe und es der sofortigen
Durchsetzung des Anspruchs im Wege einer einstweiligen Anordnung bedürfe.
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Ungeachtet der Frage, inwieweit ein solcher Antrag überhaupt zulässig sei, sei er
deshalb abzulehnen gewesen, weil es an einem Anordnungsgrund fehle, denn es sei
keine gegenwärtige Notlage anzunehmen, die abzuwenden wäre.
Gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln richtet sich die Beschwerde der
Antragsgegnerin vom 13.04.2010. Den Ausführungen des Sozialgerichts sei nicht zu
folgen. Dem Wortlaut des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b SGB II sei eine Konkretisierung nur
auf die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht zu entnehmen.
Die Norm nenne hier die Eingliederungsvereinbarung, ohne zwischen den Formen des
§ 15 Abs. 1 SGB II zu differenzieren. Die Regelung zur Eingliederungsvereinarung per
Verwaltungsakt sei ebenso wie die Eingliederungsvereinbarung unter § 15 Abs. 1 SGB
II zu finden. Eine wie auch immer geartete Abstufung bzw. Differenzierung der beiden
Ausformungen des Grundsatzes des Förderns und Forderns sei nicht erkennbar. Folge
man der Auffassung, dass eine Sanktion bei Verletzung der Pflichten aus einer
Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt unzulässig sei, würde den Integrations-
und Unterstützungsbemühungen jegliche Grundlage entzogen.
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Die Antragstellerin hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und ist der
Auffassung, aus diesem Grunde sei die Beschwerde der Antragsgegnerin
zurückzuweisen. Im Übrigen sei die Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt
vom 17.12.2009 nicht nur als öffentlich-rechtlicher Vertrag nichtig, sondern sie verstoße
auch gegen die guten Sitten. Da sie acht laufende Verfahren gegen die Antragsgegnerin
vor dem Sozialgericht Köln betreibe, sei die Motivation für die Vorgehensweise der
Antragsgegnerin im vorliegenden Fall offenkundig.
11
Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichts- und Verwaltungsakte, die der Senat beigezogen und deren Inhalt er seiner
Entscheidung zugrunde gelegt hat, verwiesen.
12
II.
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Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft nach § 172 Abs. 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Zwar erreicht die Summe der für die streitigen Monate
März bis einschließlich Mai 2010 festgesetzten Minderungsbeträge von monatlich je
107,70 EUR nicht die in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG festgelegte Berufungssumme
von 750,00 EUR, jedoch hat die Antragstellerin mit ihrem Gesuch auf Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes sich auch gegen die Wirksamkeit der
Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt vom 17.12.2009 gewandt. Dieser
Eingliederungsverwaltungsakt stellt keinen Verwaltungsakt im Sinne von § 144 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 SGG dar, da er nicht auf eine Geldleistung, sondern auf Handlungspflichten
der Antragstellerin gerichtet ist. In diesem Fall ist die Beschwerde nicht beschränkt (vgl.
hierzu Beschluss des LSG NRW vom 08.07.2009 - L 19 B 140/09 AS ER -). Auch der
Umstand, dass nur die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt hat, die sich nur auf die
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die
Minderungsbeträge von 3 x 107,70 EUR richtet, vermag zu keinem anderen Ergebnis zu
führen, denn die Beschränkung der Beschwerde richtet sich nach dem Regelungsgehalt
der angefochtenen Entscheidung insgesamt und nicht danach, in welchem Umfang die
Beteiligten von ihren Rechtsmittelmöglichkeiten Gebrauch machen. Ein Additionsverbot
besteht nur bei wirtschaftlicher Identität der geltend gemachten Ansprüche (vgl. hierzu
Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, §
144 Rdz. 18). Diese Voraussetzung ist vorliegend aber nicht gegeben.
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Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist auch begründet. Zu Unrecht hat das
Sozialgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom
01.03.2010 gegen den Absenkungsbescheid vom 19.02.2010 angeordnet.
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Rechtsgrundlage für die begehrte einstweilige Anordnung ist § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG.
Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in Fällen, in denen der
Widerspruch oder die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die
aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben
ein Widerspruch und eine Klage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der
Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Bei der
Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Gericht eine
Abwägung des Aussetzungsinteresses der Antragstellerin, die Wirkung des
angefochtenen Bescheides (zunächst) zu unterbinden, mit dem Vollzungsinteresse der
Antragsgegnerin vorzunehmen. Dabei besteht ein Regel-Ausnahmeverhältnis. In der
Regel überwiegt das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Die aufschiebende
Wirkung eines Widerspruchs ist anzuordnen, wenn das Aussetzungsinteresse das
Vollzugsinteresse überwiegt. Dies ist der Fall, wenn mehr gegen als für die
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes spricht.
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Von Letzterem kann jedoch nicht ausgegangen werden, denn zu Unrecht hat das
Sozialgericht seiner Entscheidung die Annahme zugrunde gelegt, die
Absenkungsregelung des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b SGB II könne auf einen
Eingliederungsverwaltungsakt nicht angewandt werden. Die
Eingliederungsvereinbarung, an die der Wortlaut der genannten Vorschrift anknüpft, ist
in § 15 SGB II geregelt. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II soll die Agentur für Arbeit im
Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jedem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
die für seine Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren
(Eingliederungsvereinbarung). In § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II wird der tragende Inhalt der
Eingliederungsvereinbarung grob umrissen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II sollen die
Regelungen der für die Eingliederung erforderlichen Maßnahmen durch Verwaltungsakt
erfolgen, wenn eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande kommt. Hierzu hat das
Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 13/09 R - entschieden,
dass es sich bei § 15 Abs. 1 SGB II um eine reine Verfahrensvorschrift handele, die das
Verhalten und Vorgehen der Grundsicherungsträger - Arbeitsagentur und kommunaler
Träger - steuern solle. Der Grundsicherungsträger treffe insoweit eine nicht justiziable
Oppertunitätsentscheidung darüber, welchen Verfahrensweg er zur Erfüllung des Ziels
der Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wähle, ohne dass dieser
dadurch einen Rechtsverlust erleide. Hauptzweck des SGB II sei es, arbeitsfähige
Arbeitslose wieder in das Erwerbsleben einzugliedern. Um dieses Ziel zu erreichen,
sehe das SGB II in sachlicher Hinsicht vielfältige Instrumente und Förderleistungen vor,
vor allem solche, die sich im Bereich der Arbeitsförderung nach dem SGB III bewährt
hätten (BSG, a.a.O., Juris-Ausdruck Rdz. 14 m.w.N.). Die Umsetzung der Konzepte
obliege den Grundsicherungsträgern, wobei ihnen das Gesetz zwei Verfahrenswege
hierfür an die Hand gebe. Nach Wortlaut, Gesetzesbegründung, systematischem
Zusammenhang sowie Sinn und Zweck von § 15 Abs. 1 SGB II seien der Abschluss
einer Eingliederungsvereinbarung sowie der Erlass eines eine
Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts zwei grundsätzlich
gleichwertige Wege. Stelle man allein auf den Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II
ab, lege dieser zwar nahe, dass der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung der
Normalfall, der Erlass eines die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden
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Verwaltungsakt die Ausnahme sein solle. § 15 Abs. 1 SGB II wende sich an die
Arbeitsagentur und gebe ihr das Initiativrecht. Die Verwaltung könne vom Abschluss
einer Eingliederungsvereinbarung absehen und eine solche durch Verwaltungsakt
schließen. Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten werde, dass nur in atypischen
und einzeln zu begründenden Fällen von dieser Grundregel abgewichen werden dürfe
(Müller in Hauck-Nofz, SGB II, Stand VI/07, § 15 Rdz. 10; Berlit in LPK SGB III, 3.
Auflage 209, § 15 Nr. 16) folge der Senat dem nicht. Aus Entstehungsgeschichte,
systematischem Zusammenhang sowie Sinn und Zweck von § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II
ergebe sich vielmehr, dass dem Grundsicherungsträger die Alternative des Erlasses
eines Verwaltungsaktes schon dann zustehe, wenn ihm dies als der besser geeignete
Weg erscheine. Danach treffe der jeweilige Sachbearbeiter die Entscheidung darüber,
ob Verhandlungen mit dem Ziel des Abschlusses einer Eingliederungsvereinbarung
geführt werden oder die Eingliederungsvereinbarung durch einen Verwaltungsakt
ersetze bzw. von vornherein ein Verwaltungsakt über Eingliederungsleistungen
erlassen werde, in der konkreten Situation unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalls. Er könne aufgrund seiner Sach- und Personenkenntnis in der konkreten
Situation am besten beurteilen, welcher Weg am ehesten einen raschen
Eingliederungserfolg verspreche, ohne dass der Hilfebedürftige dadurch einen
Rechtsverlust erleide. In der Sache habe die Entscheidung des
Grundsicherungsträgers, welche Wege er gehe, keinen Einfluss auf den Anspruch des
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen auf die für ihn in Betracht kommenden
Eingliederungsleistungen, denn deren Durchsetzung hänge nicht davon ab, ob diese in
einer Eingliederungsvereinbarung oder in einem ersetzenden Verwaltungsakt festgelegt
worden seien. Die Möglichkeit des gleichwertigen Handelns durch Erlass einer
Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt werde auch durch die
Entstehungsgeschichte des § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II gedeckt. Im
Gesetzgebungsverfahren sei zwar ein partnerschaftlicher Umgang zwischen Träger und
Hilfebedürftigen beim Zustandekommen der Eingliederungsvereinbarunt gefordert
worden, - der ursprünglich vorgesehene Begriff "Festlegen" sei letztlich durch das Wort
"vereinbaren" ersetzt worden - jedoch sei die weitergehende Forderung, durch
geeignete Maßnahmen zu gewährleisten, dass im Fall von Differenzen beim Abschluss
und Einhalten der Eingliederungsvereinbarung die Interessen des Hilfebedürftigen
gewahrt wurden, nicht umgesetzt worden. Die Einseitigkeit der
Durchsetzungsmöglichkeit im Hinblick auf die Vorstellung des Grundsicherungsträgers
sei damit im Gesetz nicht eingeschränkt worden (BSG, a.a.O., Juris-Ausdruck Rdz. 18
m.w.N.).
Auch unter systematischen Gesichtspunkten ergebe sich kein Vorrang der
Eingliederungsvereinbarung gegenüber dem Verwaltungsakt. Verhandlungen über oder
der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung seien auch nicht deshalb im
rechtlichen Interesse des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, weil der Hilfebedürftige auch
auf diese Weise in Gestalt eines darin geregelten Leistungsversprechens des
Grundsicherungsträgers zu der seine Hilfebedürftigkeit überwindenden
Eingliederungsleistung gelangen könnte. Einer Eingliederungsvereinbarung bedürfe es
nicht, um einen Leistungsanspruch des Hilfebedürftigen zu begründen. Vielmehr könne
jede der im SGB II für den Kreis der Leistungsberechtigten vorgesehenen
Eingliederungsleistungen vom erwerbsfähigen Hilfebedürftigen beantragt werden. Über
einen derartigen Antrag habe der Grundsicherungsträger alsdann durch überprüfbaren
Verwaltungsakt zu entscheiden. Ähnliches gelte für den Fall, dass eine
Eingliederungsvereinbarung ohne Zutun des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nicht
zustande komme; der Sanktionstatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a
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SGB II greife hier nicht. Die Eingliederungsvereinbarung solle auch dann nach § 15
Abs. 1 Satz 6 SGB II durch Verwaltungsakt des Grundsicherungsträgers erfolgen.
Soweit der erwerbsfähige Hilfebedürftige nicht mit den dortigen Regelungen
einverstanden sei, könne er diesen Verwaltungsakt durch Anfechtung zur Überprüfung
stellen (BSG, a.a.O. Rdz. 19 ff. m.w.N.).
Der erkennende Senat folgt den Ausführungen des BSG uneingeschränkt. Eine
abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aufgrund der Tatsache, dass sich die
Absenkungsregelung des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b SGB II nur auf den Begriff der
Eingliederungsvereinbarung bezieht, ohne dass der Gesetzestext hier die Möglichkeit
einer nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II erlassenen Eingliederungsvereinbarung durch
Verwaltungsakt einbezieht, denn wenn letztere neben der Eingliederungsvereinbarung
durch öffentlich-rechtlichen Vertrag als gleichwertige Handlungsform angesehen wird,
lässt sich nicht sachgerecht begründen, dass sich bei gleichwertiger
Handlungsmöglichkeit unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben, weil der Verstoß gegen
eine Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt dann nicht Sanktionierbar wäre.
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Soweit die Antragstellerin im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung die Ansicht vertritt,
die Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt verstoße auch gegen die guten
Sitten, ist ein solcher Verstoß nicht ansatzweise erkennbar. Wenn die Antragstellerin
angesichts der Tatsache, dass sie alle Angebote, die ihr die Antragsgegnerin
unterbreitet hat, um in Eigenverantwortung ihren Lebensunterhalt unabhängig von der
Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten zu können, unter Vorlage
von ärztlichen Bescheinigungen verstreichen lässt und sich schließlich sogar
formaljuristischer Argumente bedient, um ihren Pflichten zu entgehen, mutet der
Vorwurf, es verstoße gegen die guten Sitten, diesen Pflichtenverstoß zu sanktionieren,
unsachlich an. Die Antragstellerin, die Leistungen bezieht, die von der Allgemeinheit
aufgebracht werden, um die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin zu sichern, ist
sich ganz offensichtlich weder dieser Situation noch der sich daraus für sie ergebenden
Pflichten bewusst.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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