Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 17.04.2008

LSG NRW: freizügigkeit der arbeitnehmer, vorläufiger rechtsschutz, eugh, erwerbsfähigkeit, erlass, arbeitserlaubnis, bulgarien, freizügigkeitsgesetz, hauptsache, arbeitssuche

Landessozialgericht NRW, L 7 B 70/08 AS ER
Datum:
17.04.2008
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 7 B 70/08 AS ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Gelsenkirchen, S 20 AS 30/08 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des
Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14.02.2008 geändert. Die
Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,
den Antragstellern vorläufig - unter dem Vorbehalt der Rückforderung -
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe des
Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 29.01.2008 bis zum 14.06.2008
zu gewähren. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen
außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für beide Rechtszüge. Im
Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
1
Die Antragsteller begehren die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der
Antragsgegnerin oder nach dem SGB XII von der Beigeladenen.
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Die am 00.00.1985 geborene Antragstellerin zu 1) ist bulgarische Staatsangehörige.
Nach ihren Angaben hat sie in Bulgarien das Gymnasium besucht, im Jahre 2004 einen
englisch-sprachigen Abschluss erlangt und in der Folgezeit eine Berufstätigkeit nicht
ausgeübt. Im Jahre 2005 habe sie sich mit ihrer Mutter in Deutschland aufgehalten und
im August 2005 Herrn B Z kennen gelernt. Er sei der Vater ihres am 00.00.2006
geborenen Sohnes (Antragstellers zu 2). Ihr Kind habe sie in Bulgarien zur Welt
gebracht. Herr Z sei bei der Geburt anwesend gewesen und habe ihr die Ehe
versprochen. Die Beziehung sei im Dezember 2007 auseinander gegangen. Von
August bis Dezember 2007 hätten sie gemeinsam in ihrer jetzigen Wohnung gewohnt.
Gegenüber Herrn Z seien außergerichtliche Unterhaltsansprüche geltend gemacht
worden; gerichtlich derzeit noch nicht, weil diese abhängig seien vom Ausgang des
Vaterschaftsverfahrens, welches beim Amtsgericht Gelsenkirchen unter dem
Aktenzeichen 33 F 32/08 anhängig sei. Zurzeit erhalte sie Spenden vom ev.
Kirchenkreis H.
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Der Antragstellerin wurde von der Ausländerbehörde eine Fiktionsbescheinigung über
die beantragte Aufenthaltserlaubnis nach § 81 AufenthG erteilt.
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Die Antragstellerin beantragte am 23.01.2008 die Gewährung von Leistungen nach dem
SGB II. Mit Bescheid vom 23.01.2008 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 Satz 2
SGB II ab. Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 29.01.2008
Widerspruch ein.
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Unter dem 18.01.2008 hatte die Antragstellerin zu 1) für sich und ihren Sohn bei der
Beigeladenen Leistungen nach dem SGB XII beantragt. Auch dieser Antrag blieb
erfolglos (Bescheid vom 29.01.2008). Die Beigeladene führte aus, dass vorrangige
Ansprüche gegenüber dem Integrationscenter für Arbeit Gelsenkirchen
(Antragsgegnerin) bestünden. Hiergegen legten die Antragstellerin mit Schreiben vom
21.02.2008 Widerspruch ein.
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Zuvor hatten die Antragsteller am 29.01.2008 beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen
den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt mit dem Ziel, die Antragsgegnerin
zu verpflichten, ihr und ihrem Sohn vorläufig Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.
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Mit Beschluss vom 14.02.2008 hat das SG den Antragstellern Prozesskostenhilfe
bewilligt. Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat es mit weiterem
Beschluss vom 14.02.2008 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen
ausgeführt, dass die Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht
haben. Die Antragstellerin zu 1) sei nicht erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1
Nr. 3 SGB II.
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Gegen den ihnen am 14.02.2008 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am
21.02.2008 Beschwerde eingelegt. Sie sind der Auffassung, dass ihnen Leistungen
nach dem SGB II oder SGB XII zustehen.
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Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
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den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14.02.2008 zu ändern und ihnen
im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II oder SGB XII zu gewähren.
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Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Die Antragsgegnerin ist weiterhin der Auffassung, dass die Antragsteller keinen
Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben. Die Antragstellerin zu 1) sei nicht
erwerbsfähig, weil sie zur Aufnahme einer Tätigkeit einer Arbeitserlaubnis bedürfe.
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Der Senat hat mit Beschluss vom 14.03.2008 die Stadt Gelsenkirchen beigeladen.
Diese trägt ergänzend vor, dass ein Anspruch nach dem SGB XII nicht gegeben sei,
weil die Antragsteller ihrer Auffassung nach zur Erlangung von Sozialhilfe eingereist
seien.
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Im Hinblick auf die Beiladung hat die Antragstellerin den Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung im Verfahren S 2 SO 16/08 ER zurückgenommen. Der Senat
hat die Streitakte S 2 SO 16/08 ER beigezogen und eine Auskunft von der Stadt
Dinslaken eingeholt. Danach hat Herr B Z die deutsche Staatsangehörigkeit.(Bl. 113
GA). Des Weiteren hat der Senat mit Beschluss vom 17.03.2008 den Antragstellern
Prozesskostenhilfe bewilligt und unter dem 27.03.2008 einen Erörterungstermin
durchgeführt. In diesem Termin hat die Antragstellerin zu 1) eine Fiktionsbescheinigung
vom 20.12.2007 vorlegt, die bis zum 14.06.2008 verlängert worden ist. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27.03.2008 verwiesen.
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II.
17
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
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Den Antragstellern steht ein Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur
Grundsicherung für Arbeitsuchende (Alg II) nach dem SGB II zu.
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Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige
Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein
streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer
einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d. h. des
materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das
Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung
aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können
ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders
nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren
nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur
summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung
der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der
Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu
entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 -1 BvR 569/05-, NVwZ 2005, S. 927).
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Den Antragstellern stehen bei der in Verfahren dieser Art gebotenen summarischen
Prüfung Leistungen nach dem SGB II zu. Diese sind vorrangig vor den Leistungen nach
dem SGB XII (§ 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II, § 2 Abs. 1 SGB XII). Die Antragsteller haben
sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinreichend
glaubhaft gemacht.
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Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten diejenigen Personen Leistungen nach dem
Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65.
Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren
gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige
Hilfebedürftige). Die Antragstellerin zu 1) erfüllt diese Voraussetzungen. Die
Antragstellerin zu 1) hat das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch
nicht vollendet. Sie hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland. Gemäß § 30 Abs. 3 SGB I hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort,
wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in
diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Voraussetzungen sind bei den
Antragstellern zu bejahen. Die Antragstellerin hält sich mit ihrem Sohn rechtmäßig in der
Bundesrepublik Deutschland auf. Sie hat eine Fiktionsbescheinigung nach § 81
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Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Diese Fiktionsbescheinigung ist einem Ausländer, der
sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, bei
Beantragung einer Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 81 Abs. 5 AufenthG
auszustellen. Bis zur Entscheidung der Ausländerbehhörde gilt sein Aufenthalt als
erlaubt (§ 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG).
Die Antragsteller sind auch hilfebedürftig. Sie verfügen über kein Einkommen und
Vermögen. Insbesondere erhalten sie von der Mutter der Antragstellerin zu 1) keine
finanziellen Unterstützungen. Zur Hilfebedürftigkeit haben die Antragsteller auf
Nachfrage des Senats noch unter dem 11.04.2008 ergänzend Stellung genommen. Ihre
Ausführungen sieht der Senat als glaubhaft an.
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Die Antragstellerin zu 1) ist auch erwerbsfähig. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die
Antragsgegnerin nicht bereits unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 44a Abs. 1
Satz 3 SGB II zur Erbringung der Leistungen verpflichtet ist. Danach erbringen die
Agentur für Arbeit und der kommunale Träger Leistungen der Grundsicherung für
Arbeitsuchende bis zur Entscheidung der Einigungsstelle. Ob § 44a SGB II nicht nur
eine fehlende Einigkeit zwischen den Trägern über die gesundheitlichen
Voraussetzungen des Arbeitsuchenden nach § 8 Abs.1 , sondern auch den Fall, dass
seine rechtliche Erwerbsfähigkeit gemäß § 8 Abs. 2 im Streit steht, erfasst, da der
Wortlaut des § 44a SGB II keine Beschränkung auf Streitigkeiten über die
gesundheitliche Erwerbsfähigkeit enthält und sich dies auch nicht aus der
Entstehungsgeschichte ergibt (vgl. hierzu Blüggel in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum
SGB II, 2. Auflage 2008, § 44a Rn. 21), ist vorliegend nicht entscheidungserheblich.
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Zur Überzeugung des Senats liegt nämlich eine rechtliche Erwerbsfähigkeit vor.
Erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II können dabei nach § 8 Abs. 2 SGB
II nur diejenigen sein, denen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt
werden könnte. Diese Voraussetzungen sind bei der Antragstellerin zu 1) gegeben.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die rechtliche Erwerbsfähigkeit gemäß § 8 Abs. 2
bereits dann zu bejahen ist, wenn die bloß abstrakt-generelle Möglichkeit besteht, einen
Aufenthaltstitel bzw. eine Beschäftigungserlaubnis zu erteilen (vgl. Blüggel in
Eicher/Spellbrink, a.a.O., § 8 Rn. 63 ff. mit Hinweisen auf Literatur und Rechtsprechung).
Grundsätzlich genießen Unionsbürger privilegierten Zugang zum deutschen
Arbeitsmarkt und die Aufnahme einer Beschäftigung ist ihnen generell erlaubt im Sinne
des § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU. Dieses ist bei der Antragstellerin als
bulgarische Staatsangehörige jedoch nicht der Fall. Gemäß § 13 Freizügigkeitsgesetz
(EU) wird vielmehr bestimmt, dass in den Fällen, in denen nach Maßgabe des Vertrages
vom 25.04.2005 über den Beitritt unter anderem der Republik Bulgarien abweichende
Regelungen anwendbar sind, dieses Gesetz Anwendung findet, wenn die
Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 284 SGB III genehmigt
wurde. Dies heißt vorliegend, dass der Antragstellerin eine Arbeitsgenehmigung-EU
durch die Bundesagentur für Arbeit nach § 284 Abs. 1 SGB III erteilt worden sein
müsste. Eine solche Genehmigung liegt nicht vor. Zur Überzeugung des Senats wäre
der Antragstellerin zu 1) bei einem entsprechenden Antrag bei der Bundesagentur für
Arbeit eine Arbeitserlaubnis/EU nach § 284 Abs. 1 SGB III in Verbindung mit § 39 Abs. 2
bis 4, 6 des Aufenthaltsgesetzes voraussichtlich zu erteilen. Voraussetzung hierfür wäre,
dass keine vermittlungsfähigen Arbeitnehmer zur Verfügung stehen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1b
Aufenthaltsgesetz). Dies hat das SG unter Hinweis auf den Beschluss des LSG Berlin
vom 20.12.2007 - L 5 B 2073/07 AS ER - mit der Begründung verneint, dass eine solche
Genehmigung bei der ungelernten Antragstellerin ohne abgeschlossene
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Berufsausbildung und einer hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland gerade bei den
Geringqualifizierten auszuschließen ist. Diese Auffassung wird vom Senat im
vorliegenden Fall nicht geteilt. Bei seiner Entscheidung hat der Senat die
Rechtsprechung des EuGH zum Begriff des Arbeitnehmers bezüglich der Vorschriften
über die Freizügigkeit berücksichtigt. Danach sind die Vorschriften über die
Freizügigkeit auf den Arbeitnehmer anzuwenden, der eine tatsächliche und echte
Tätigkeit ausübt, mit Ausnahme derjenigen Arbeitnehmer, deren Tätigkeit einen so
geringen Umfang hat, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellt
(so etwa EuGH, Urteil vom 23.03.1982, 53/81). Dabei fällt unter die
gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer auch,
wer eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausübt, mit der er weniger verdient
als in dem Mitgliedsstaat, in dem er sich aufhält, als Existenzminimum angesehen wird
(EuGH, a.a.O.). Der EuGH geht in gefestigter Rechtsprechung davon aus, dass auch
geringfügig Beschäftigte im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV Arbeitnehmer im Sinne
von Artikel 39 EG-Vertrag sein können (vgl. EuGH, Urteil vom 18.07.2007, C-213/05).
Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH hat das LSG NRW im Beschluss
vom 30.01.2008 (L 20 B 76/07 SO ER) bereits eine Beschäftigung von monatlich 16
bzw. 20 Stunden bei einem Verdienst von 160,00 Euro für Reinigungstätigkeiten
ausreichen lassen, eine Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des
Freizügigkeitsgesetz/EU anzunehmen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des
EuGH besteht nach Auffassung des Senats im Rahmen der summarischen Prüfung eine
hinreichende Aussicht auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis/EU.
Ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II liegt entgegen der Auffassung
der Antragsgegnerin nicht vor. Nr. 1 der Vorschrift ist nicht einschlägig, weil die
Antragstellerin und ihr minderjähriges Kind in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts
keine Leistungen nach dem SGB II erhalten bzw. beantragt haben.
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Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind ebenfalls nicht gegeben.
Danach sind Ausländer und ihre Familienangehörigen von den Leistungen
ausgeschlossen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zwecke der Arbeitssuche
ergibt. Zur Überzeugung des Senats ist die Antragstellerin, wenn überhaupt, jedenfalls
nicht allein zum Zwecke der Arbeitssuche nach Deutschland eingereist, sondern zum
Zwecke der Familienzusammenführung und zur Feststellung der Vaterschaft sowie
Weiterverfolgung ihrer Unterhaltsansprüche, auch wenn derzeit noch nicht
abschließend geklärt ist, ob Herr Z der Vater ihres Kindes ist.
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Schließlich ist auch ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II nicht
gegeben, weil die Antragstellerin zu 1) nicht leistungsberechtigt nach § 1 des
Asylbewerberleistungsgesetzes ist. Mithin stehen der Antragstellerin zu 1) Leistungen
nach dem SGB II zu. Verbleibende Zweifel bezüglich der Hilfebedürftigkeit und der
Erwerbsfähigkeit sind ggf. in einem Hauptsacheverfahren zu klären.
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Der Leistungsanspruch des Antragstellers zu 2) ergibt sich aus § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II.
Danach erhalten Leistungen auch Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in
einer Bedarfsgemeinschaft leben. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören, wie vorliegend,
auch die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1
bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem
Einkommen oder Vermögen beschaffen können (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II).
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Ein Anordnungsgrund liegt ebenfalls vor, weil den Antragstellern zur Bestreitung ihres
Lebensunterhaltes nur kleine Spenden zur Verfügung stehen.
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Bei der Verpflichtung zur vorläufigen Gewährung von Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts ist auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrages auf vorläufigen
Rechtsschutz bei Gericht abzustellen. Durch eine einstweilige Anordnung soll in
Verfahren dieser Art eine gegenwärtige Notlage behoben werden, wobei die Zeit des
Eingangs des Antrages bei Gericht bis zu seiner (Beschwerde-) Entscheidung nicht zu
Lasten des Antragstellers gehen darf (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom
14.01.2008, L 8 SO 88/07 ER). Die Dauer der Leistungen hat der Senat bis zum Ablauf
der Fiktionsbescheinigung am 14.06.2008 befristet. Dabei geht der Senat davon aus,
dass die Antragsgegnerin den Antragstellern nach Verlängerung der
Fiktionsbescheinigung auch weiterhin Leistungen gewährt, sofern keine wesentliche
Änderung in den Verhältnissen eintritt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1
SGG.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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