Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 21.03.2003

LSG NRW: eintritt des versicherungsfalls, treu und glauben, eintritt des versicherungsfalles, anwartschaft, zugehörigkeit, rentenanspruch, rumänien, anerkennung, sozialversicherungsabkommen

Landessozialgericht NRW, L 13 RJ 106/00
Datum:
21.03.2003
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 13 RJ 106/00
Vorinstanz:
Sozialgericht Düsseldorf, S 8 RJ 176/97
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 13 RJ 23/03 R
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts
Düsseldorf vom 13. November 1998 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu
erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Streitig ist, ob das Altersruhegeld der Klägerin unter Berücksichtigung des § 22 des
Fremdrentengesetzes in der bis zum 30.06.1990 geltenden Fassung (FRG a. F.) bzw.
des Art. 6 § 5 des Fremdrenten und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) zu
berechnen ist.
2
Die Klägerin wurde am 23.01.1925 in T als rumänische Staatsangehörige geboren. Sie
war als Jüdin der nationalsozialistischen Verfolgung ausgesetzt und hat eine
Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) erhalten. 1964 wanderte
sie von Rumänien nach Israel aus, dessen Staatsangehörigkeit sie seither besitzt.
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Am 24.07.1990 stellte die Klägerin einen Rentenantrag, den sie darauf stützte, dass sie
in Timisoara zwischen 1950 und 1964 versicherungspflichtig gearbeitet habe. Es seien
Versicherungsbeiträge zur rumänischen Rentenversicherung entrichtet worden, die in
der deutschen Rentenversicherung anrechenbar seien, weil sie dem deutschen Sprach-
und Kulturkreis (dSK) angehört habe. Mit Schreiben vom 28.11.1994 bestimmte sie
ausdrücklich, dass die Anerkennung von Fremdbeitragszeiten "derzeit nur über § 17a
FRG erfolgen solle" und beantragte am 27.11.1995 die Nachentrichtung freiwilliger
Beiträge in höchstmöglicher Anzahl nach dem Zusatzabkommen zum deutsch-
israelischen Sozialversicherungsabkommen (ZA/DISVA).
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Die Beklagte bewilligte der Klägerin durch Bescheid vom 12.06.1997 Altersruhegeld
wegen Vollendung des 65. Lebensjahres ab dem 01.07.1990. Bei der
Rentenberechnung berücksichtigte sie Pflichtbeitragszeiten nach §§ 17a i. V. m. 15
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FRG und freiwillige, nachentrichtete Beiträge nach dem ZA/DISVA. Die
Fremdbeitragszeiten bewertete sie nach § 22 FRG in der ab dem 01.07.1990 geltenden
Fassung.
Die Klägerin widersprach, mit der Begründung, das § 22 FRG in der bis zum 30.06.1990
maßgeblichen Fassung anzuwenden sei.
6
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 23.09.1997 zurück:Die
Rentenberechnung sei zutreffend erfolgt, weil die Übergangsbestimmungen des Art. 6 §
4 FANG nicht zu Gunsten der Klägerin anwendbar seien.
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Mit der am 14.10.1997 zum Sozialgericht Düsseldorf erhobenen Klage hat die Klägerin
ihr Begehren weiterverfolgt: Aus den Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG)
4 RA 123/95 und 13 RJ 1/96 sei abzuleiten, dass nach Art. 6 § 4 Abs. 3 i. V. m. § 5
FANG die Rentenberechnung nach der bis zum 30.06.1990 geltenden Fassung des §
22 FRG zu erfolgen habe. Zwar sei Rentenbeginn der 01.07.1990 gewesen, die
Rentenanwartschaft habe aber bereits am 30.06.1990 bestanden.
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Die Beklagte hat geltend gemacht, die Klägerin habe am 30.06.1990 noch keine
Anwartschaft erworben, weil die für die Anrechnung der Fremdbeitragszeiten
maßgebliche Regelung des § 17a FRG erst am 01.07.1990 in Kraft getreten sei.
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Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 13.11.1998 abgewiesen und zur
Begründung i.W. ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass ihr
Altersruhegeld nach § 22 FRG in der bis zum 30.06.1990 geltenden Fassung festgestellt
werde, weil diese Gesetzesfassung nach der in Art. 6 § 4 FANG getroffenen
Übergangsregelung nicht maßgebend sei. Art. 6 § 4 FANG, der durch das
Rentenreformgesetz 1992 mit Wirkung vom 01.07.1990 neu gefasst worden sei, ordne in
Abs. 2 Satz 1 an, dass das FRG in seiner bis zum 30.06.1990 geltenden Fassung weiter
anzuwenden sei, wenn vor dem 01.07.1990 ein Anspruch auf Zahlung einer Rente
bestehe. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, weil der Zahlungsanspruch erst mit dem
01.07.1990 entstanden sei. Von den vom BSG entschiedenen Fällen weiche der Fall
der Klägerin maßgeblich ab, denn es habe im Juni 1990 noch kein Rentenstammrecht
bestanden, das zu einem Rentenzahlungsanspruch mit Ablauf des Monats geführt habe.
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Art. 6 § 4 Abs. 3 Satz 1 FANG führe ebenfalls nicht zu einer Rentenberechnung nach
dem bis zum 30.06.1990 geltenden Recht. Die unmittelbare Anwendung des Art. 6 § 4
Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 5 FANG scheitere daran, dass die Klägerin ihren gewöhnlichen
Auf- enthalt nicht im Bundesgebiet begründet habe, weil sie bis 1964 in Rumänien
gelebt hat und seither in Israel wohne. Der gewöhnliche Aufenthalt in Israel stehe dem
in der Bundesrepublik Deutschland nicht gleich.
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Art. 6 § 4 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 5 FANG könne entgegen der Ansicht der Klägerin auch
nicht analog zu ihren Gunsten angewendet werden. Das BSG habe in den Urteilen vom
30.10.1997 - 13 RA 1/96, 30.09.1997- 4 RA 47/97- und 29.04.1997 - 4 RA 123/95- eine
analoge Anwendung für geboten gehalten, wenn der Versicherte bis zum Ablauf des
30.06.1990 in einer Sparte der gesetzlichen Rentenversicherung ein Anwartschaftsrecht
erworben habe, dessen Erstarken zum Vollrecht nur noch vom Eintritt des
Versicherungsfalls und vom Fehlen von das sogenannte Stammrecht hindernden oder
vernichtenden Einwendungen abhängig gewesen sei. Die Klägerin gehöre aber nicht zu
dem Personenkreis, der bis zum 30.06.1990 ein Rentenanwartschaftsrecht erlangt hatte.
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Denn erst mit Inkrafttreten des § 17a FRG am 01.07.1990 seien Versicherungszeiten in
der deutschen Rentenversicherung anrechenbar gewesen.
Gegen das am 14.12.1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 8.1.1999 Berufung
eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihren Vortrag aus dem
Klageverfahren, den sie durch das angefochtene Urteil nicht als widerlegt ansieht. Sie
meint ferner, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 6 § 4 Abs.3 FANG
schon deshalb vorlägen, weil sie auch zum Personenkreis des § 20 WGSVG gehöre:
Danach sei sie nicht von der Nachentrichtung nach Nr.11 SP/DISVA ausgeschlossen
gewesen. Nur Personen, denen bis zur Unterzeichnung des Zusatzabkommens
Beitrags- oder Beschäftigungszeiten nach dem FRG auf Grund anderer
Rechtsgrundlagen als dem neuen § 17a FRG anerkannt worden seien, hätten nach der
Denkschrift zum Abkommen von der Nachentrichtungsmöglichkeit ausgeschlossen sein
sollen. Dem entsprechend hätten alle RV-Träger ein Wahlrecht zwischen § 17a FRG
und § 20 WGSVG eingeräumt. Nichts anderes ergebe sich auch aus der
zwischenzeitlichen Rechtsprechung des 12. Senats des BSG (Urteile vom 22.3.2001- B
12 RA 5/ 00 R und 7/00 R).
13
Für Versicherte, deren Beitragszeiten (§ 15 FRG) zwar wegen der Zugehörigkeit zum
Personenkreis des § 17a FRG berücksichtigt werden konnten, die aber auch zum
Personenkreis des § 20 WGSVG gehören, bestimme Art.6 § 4 Abs.3 FRG deshalb, dass
die Fremdbeitragszeiten nach Maßgabe von Art.6 § 5 FANG, praktisch also nach dem
bis zum 30.6.1990 geltenden FRG zu bewerten seien. Art. 6 § 4 Abs. 3 FANG sei
anwendbar, weil Nr. 11 Buchst. e Satz 1 SP/DISVA bestimme, dass die am 1.7.1990 in
den alten Bundesländern geltenden Rechtsvorschriften anwendbar seien, und dazu
auch die Übergangsvorschrift des Art. 6 § 4 FANG zähle. Durch das später in Kraft
getretene Zusatzabkommen sei daran nichts mehr zu ändern gewesen.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.11.1998 zu ändern und die Beklagte
unter Änderung des Bescheides vom 12.06.1997 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 23.09.1997 zu verurteilen, das Altersruhegeld nach
Maßgabe des § 22 FRG in der bis zum 30.06.1990 geltenden Fassung neu zu
berechnen, hilfsweise,
16
die Revision zuzulassen.
17
Die Beklagte beantragt,
18
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise,
19
die Revision zuzulassen.
20
Sie hält das angefochtenen Urteil und ihre Bescheide für zutreffend. Die Klägerin habe
die Rente nach dem ZA/DISVA beansprucht und auch erhalten. Dies habe
vorausgesetzt, dass sie am 30.06.1990 weder Rentenanwartschaften noch ein Vollrecht
auf Rente unter Einbeziehung von FRG- Beitragszeiten erworben hatte. Denn erst durch
die nach § 17a FRG anerkannten Beitragszeiten habe sie die Voraussetzungen für
einen Rentenanspruch nach dem ZA/DISVA erfüllen können. § 17a FRG als
Zugangsvoraussetzung für das ZA/DISVA sei jedoch frühestens mit Wirkung ab dem
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01.07.1990 in das FRG eingefügt worden. Beitragszeiten i. S. der Vorschrift hätten somit
erst ab ihrem Inkrafttreten am 01.07.1990 erworben werden können. Dadurch sei das
subjektive Stammrecht der Klägerin - hier aufgrund des ZA/DISVA i.V.m. § 17a FRG -
auch erst am 01.07.1990 entstanden.
Die Klägerin könne die Bewertung ihrer FRG - Beitragszeiten nach Art. 6 § 5 FANG
nicht mit der Begründung beanspruchen, sie sei auch - neben ihrer Zugehörigkeit zum
Personenkreis des § 17a FRG - vertriebene Verfolgte i.S. von § 20 WGSVG und als
solche auch schon vor dem 01.07.1990 Berechtigte i.S. von Art. 6 § 4 Abs. 3 Satz 1
FANG gewesen. Ein Berechtigter, der die Anerkennung seiner Fremdbeitragszeiten auf
§ 17a FRG stütze, könne sich nicht gleichzeitig oder später zusätzlich auf § 20 WGSVG
berufen, um so alle Vergünstigungen aus beiden Vorschriften zu kumulieren. In der
Entscheidung, Rechte aus § 20 WGSVG wegen der vermeintlich günstigeren Regelung
des § 17a FRG nicht mehr in Anspruch zu nehmen, liege konsequenterweise auch der
Verzicht auf vor dem 01.07.1990 vorhandene Anwartschaftsrechte aus § 20 WGSVG.
Für die Inanspruchnahme der Vertrauensschutzregelung des Art. 6 § 4 Abs. 3 FANG sei
folglich kein Raum. Dieses Ergebnis müsse erst recht in Zusammenhang mit der
abkommensrechtlichen Nachentrichtungsbestimmung in ZA/DISVA (Nr. 11 SP) gelten.
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Wenn die Klägerin zunächst die Feststellung der Abkommensrente beantrage, um die
Voraussetzung "erstmals" zu erfüllen und anschließend - nach Bewilligung dieser Rente
- weitere Rechte (hier: günstigere Bewertung der FRG- Beitragszeiten oder Anrech-
nung von Vertreibungsersatzzeiten) über die "Auch- Zugehörigkeit" nach § 20 WGSVG
geltend zu machen, verstoße dies gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Der
Abkommensrente würde nachträglich die Grundlage entzogen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Streitakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage
zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres Altersruhegeld.
Die Beklagte hat insbesondere zutreffend die berücksichtigten Fremdbeitragszeiten
nach Maßgabe des FRG in der ab dem 1.7.1990 geltenden Fassung bewertet.
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Die Höhe des der Klägerin zustehenden Altersruhegeldes richtet sich gemäß § 1254
RVO unter anderem nach der für die Versicherten maßgebenden
Rentenbemessungsgrundlage. Bei der Bestimmung der Rentenbemessungsgrundlage
und damit bei der Bildung von Werteinheiten für die glaubhaft gemachten
Fremdbeitragszeiten hat die Beklagte zu Recht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 und 2 FRG
der ab dem 1.7.1990 bis zum 31.12.1991 maßgeblichen Fassung für die Zeiten nach §§
15 und 16 FRG Werteinheiten nach Maßgabe der Anlage 17 zum FRG ermittelt und
dazu die Versicherte entsprechend der ausgeübten Beschäftigung einer
Leistungsgruppe nach Anlage 1 Buchstabe a für Arbeiter sowie einem
Wirtschaftsbereich zugeordnet. Dass die Beklagte die von der Klägerin im
Vertreibungsgebiet ausgeübten Beschäftigungen einer unzutreffenden Leistungsgruppe
bzw. einem unzutreffenden Wirtschaftsbereich zugeordnet hätte, ist nicht erkennbar und
wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Die Klägerin begehrt vielmehr allein
die Bildung der Werteinheiten ohne die Berücksichtigung von Wirtschaftsbereichen
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entsprechend der Übergangsvorschrift des Artikel 6 § 4 Abs. 2 bzw. Abs. 3 i.V.m. Art 6 §
5 FANG bzw. des § 22 FRG in der bis zum 30.6. 1990 maßgeblichen Fassung.
Die Anwendung von § 22 Abs. 1 FRG in der Fassung vom 1.7. 1990 bis zum 31.12.
1991 durch die Beklagte entspricht jedoch den gesetzlichen Bestimmungen zur
Ermittlung der Leistungshöhe von Rentenansprüchen - die neben Fremdbeitragszeiten
und sonstigen Versicherungszeiten auf nach dem ZA/DISVA vom 12. Februar 1995
nach entrichteten freiwilligen Beiträgen beruhen.
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Dies folgt aus Nr. 11 Buchst.e Satz 1 SP/DISVA, eingefügt durch Artikel 1 des
ZV/DISVA vom 12.2.1995, wonach zur Ermittlung der Leistungshöhe die am 1.7.1990 im
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet geltenden
rentenrechtlichen Vorschriften einschließlich derjenigen über die Erbringung von
Leistungen an Berechtigte im Ausland in Verbindung mit diesem Abkommen
anzuwenden sind (vgl. LSG Berlin Urteil vom 23.10.2002 - L 6 RA 57/99; SG Berlin
Urteil vom 24.3.2000 - S 11 RA 5310/98 ).
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Die in Nr. 11 Buchst.e SP/DISVA enthaltene Verweisung greift ein, weil die Klägerin zu
einer Beitragsnachentrichtung nach Nr. 11 SP/DISVA bindend (§ 77 SGG) zugelassen
und die Nachentrichtung entsprechend durchgeführt worden ist. Diese Zulassung zur
Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen nach dem ZA/DISVA (Nr. 11 SP/DISVA) ist
von der Klägerin zu keinem Zeitpunkt angefochten oder auch nur in Frage gestellt
worden. Sie entspricht ihren Anträgen, die Anerkennung ihrer in Rumänien
zurückgelegten Fremdbeitragszeiten solle nur über § 17a FRG und die Zulassung zur
Nachentrichtung nach dem Zusatzabkommen (ZA/DISVA) erfolgen. Offen bleiben kann
hier, ob diese Zulassung zur Nachentrichtung nach Nr. 11 SP/DISVA wegen der von der
Klägerin bereits im Verwaltungsverfahren behaupteten Zugehörigkeit zum
Personenkreis des § 20 WGSVG zu Unrecht erfolgt ist (vgl. dazu BSG Urteil 22.3.2001 -
B 12 RA 5/00R).
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Nr. 11 Buchst.e SP/DISVA verweist (allein) auf die materiellrechtlichen Regelungen des
FRG und bestimmt, welche Fassung der die Bewertung von Fremdbeitragszeiten
regelnden Normen im jeweiligen Einzelfall Anwendung findet. Dies ergibt die
Auslegung von Nr. 11 Buchst.e SP/DISVA nach Wortlaut, systematischem
Zusammenhang sowie Sinn und Zweck. Nr. 11 Buchst.e SP/DISVA steht in einem
Konkurrenzverhältnis zu Artikel 6 § 4 i.V.m. § 5 FANG und verdrängt - entgegen der
Auffassung der Klägerin - diese Bestimmung als spezielleres und späteres Gesetz.
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Nach seinem Wortlaut verweist Nr. 11 Buchst.e Satz 1 SP/DISVA auf die am 1.7.1990
geltende Fassung der anzuwendenden materiellrechtlichen Norm ( hier der RVO oder
des FRG) wobei dem Wortlaut, - es handelt sich um eine abkommensrechtliche
Regelung - besonderes Gewicht zu kommt, denn Sozialversicherungsabkommen sind
im Hinblick auf das Gegenseitigkeitsprinzip aus sich heraus auszulegen (vgl. LSG
Berlin Urteil vom 23.10.2002 - L 6 RA 57/99 und BSG SozR 3-6855 Artikel 11 Nr. 1). Nr.
11 Buchst.e regelt somit bereits konkret die Frage des anzuwendenden Rechts.
Angesichts dieser konkreten Regelung, aber auch der weiteren detaillierten
Regelungen des Abkommens verbietet sich die von der Klägerin befürwortete
Auslegung, welche der Nr. 11 Buchst. e SP/DISVA die Bedeutung gäbe, auf eine ältere
Übergangsregelung (Art. 6 § 4 und 5 FANG) zu verweisen. Wegen des Wortlautes der
Nr. 11 Buchst.e und des systematischen Kontextes ist somit die Anwendung von § 22
FRG in der bis zum 30.6 1990 geltenden Fassung ausgeschlossen.
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Zudem entspricht die Anwendung des § 22 FRG in der ab dem 1.7. 1990 geltenden
Fassung auch dem Konzept, das der Begründung in das Ausland zahlbarer
Rentenansprüche nach Maßgabe der Nr. 11 SP/DISVA zugrunde liegt. Wie das LSG
Berlin im bereits erwähnten Urteil vom 23.10.2002 zutreffend ausgeführt hat,
korrespondiert das Abstellen auf die am 1. 7. 1990 maßgebliche Fassung der
unmittelbar die Leistungshöhe regelnden Normen in Nr. 11 Buchst.e Satz 1 SP/DISVA
mit dem in Artikel 2 ZA/DISVA vorgesehenen rückwirkenden Rentenbeginn am 1.7.1990
und gewährt die Anwendung der am 1.7.1990 geltenden Fassung der RVO und des
FRG den zur Nachentrichtung zugelassenen Versicherten bereits erhebliche Vorteile.
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Für die von der Klägerin begehrte Anwendung der §§ 4 und 5 des Art.6 FANG bleibt
nach alledem kein Raum, weil Nr.11 Buchst.e SP/ DISVA gegenüber Art.6 § 4 und 5
FANG die speziellere Vorschrift ist.
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Auch über Art. 6 § 4 Abs. 2 oder 3 FANG kommt § 22 FRG a.F. bzw. des Art.6 § 5 FANG
nicht zur Anwendung.
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Die Klägerin hatte am 30.6.1990 keinen Anspruch auf Zahlung einer Rente, weil § 17a
FRG erst am 1.7.1990 in Kraft getreten ist, Rentenbeginn erst der 1.7.1990 sein konnte
(vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 23.2.2001 - L 13 RJ 65/99; LSG NRW Urteil
vom 12.7.2000 - L 8 RJ 36/00) und auch der erstinstanzliche Hinweis der Klägerin auf
die Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2200 § 300 Nr 3) fehl geht, wie das
Sozialgericht, auf dessen Ausführungen insoweit Bezug genommen wird, richtig
festgestellt hat.
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Allerdings ist nach der Rechtsprechung des BSG das Vertrauen schützende
Übergangsrecht des Art.6 § 4 Abs.3 Satz 1 FANG in verfassungskonformer Analogie so
auszulegen, dass es auch diejenigen Versicherten umfasst, die bis zum 30.6.1990 im
Ausland gelebt und Rentenanwartschaften erworben hatten , deren Erstarken zum
Vollrecht nur noch vom Eintritt des Versicherungsfalles und vom Fehlen das ( das
sogenannte Stammrecht hindernden oder vernichtenden) Einwendungen abhing und
dessen Wert unter Anrechnung von Beitrags- oder BeschäftigungszeiteniS des FRG
festzustellen war (vgl.BSG, Urteile vom 29.4.2997 - 4 RA 123/95 und vom 30.9. 1997 - 4
RA 47,49,51,52,53 und 55/97; Urteil vom 30.10.1997 - 13 RJ 1/96).
37
Unterstellt, dass die Klägerin (auch) zum Personenkreis des § 20 WGSVG gehört hat
und deshalb am 30.6.1990 eine Anwartschaft über §§ 20 WGSVG, 15 FRG bestanden
hat, wäre dies eine Anwartschaft gewesen, die inkongruent zu dem durch die
ausdrückliche Entscheidung der Klägerin für den Weg über § 17a FRG und die
Abkommensnachentrichtung konkretisierten Rentenanspruch gewesen wäre. In einem
solchen Falle, in dem die Versicherte sich bewusst und mit guten Gründen gegen die
Weiterverfolgung ihrer Rechte aus §§ 20 WGSVG, 15 FRG entschieden hat, ist aber
auch unter Berücksichtigung der o.g. Rechtsprechung des BSG kein Grund erkennbar,
über den Wortlaut des Art.6 § 4 FANG hinaus, der einen Anspruch auf Zahlung
voraussetzt, die bloße Anwartschaft nach §§ 20 WGSVG und 15 FRG zu schützen und
diesen Schutz auf den Rentenanspruch nach § 17a FRG und dem Abkommen in dem
Sinne zu erstrecken, dass für die Berechnung der Rente nach § 17a FRG i.V.m. der
Abkommensnachentrichtung die Fassung des § 22 FRG angewendet wird, die für die
Anwartschaft nach §§ 20 WGSVG, 125 FRG gegolten hätte.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §193 SGG.
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Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Sache grundsätzliche Bedeutung
beimisst.
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