Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 12.05.2006

LSG NRW: einheimische bevölkerung, arbeitsamt, litauen, zwangsarbeit, stadt, form, verordnung, arbeitskraft, freiwilligkeit, sozialversicherung

Landessozialgericht NRW, L 4 RJ 123/04
Datum:
12.05.2006
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 4 RJ 123/04
Vorinstanz:
Sozialgericht Düsseldorf, S 39 RJ 7/00
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 4 R 315/06 B
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts
Düsseldorf vom 11.08.2004 geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten werden in beiden Rechtszügen nicht erstattet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur Gewährung von Altersruhegeld
(ARG) unter Berücksichtigung von Beitragszeiten wegen einer Beschäftigung im Ghetto
Schaulen in der Zeit vom 01.09.1941 bis 16.09.1943.
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Der am 00.00.1925 in S (Lettland) geborene Kläger ist Jude und anerkannter Verfolgter
nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG). Er hielt sich seit September 1941 im
Ghetto Schaulen (Litauen) auf. Im Juni 1944 wurde der Kläger in das
Konzentrationslager Stutthoff deportiert. Am 01.05.1945 wurde er aus dem
Konzentrationslager Dachau befreit. Anschließend hielt sich der Kläger in
verschiedenen DP-Lagern auf. Im Juli 1948 wanderte er nach Israel aus und erwarb die
israelische Staatsangehörigkeit.
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Im Entschädigungsverfahren erhielt der Kläger eine Entschädigung für erlittenen
Freiheitsschaden im Umfang von 44 Kalendermonaten.
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Im Februar 2001 beantragte der Kläger Leistungen wegen Zwangsarbeit im
"Konzentrationslager Dachau-Lager 10, 1944" nach dem Gesetz über die Errichtung
einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZStiftG). Dem Kläger wurden
Leistungen nach dem EVZStiftG gewährt.
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Im November 1998 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von ARG,
die Anerkennung von Arbeitszeiten im Ghetto als Beitragszeiten sowie die Zulassung
zum Nachentrichtungsverfahren. Im am 14.12.1998 unterzeichneten Rentenantrag gab
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er an, dass er dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) angehört habe. Er habe in
der Zeit von Juli bis September 1941 Schwarzarbeiten für die deutsche Armee in
Schaulen ausgeführt. Er habe 6 Tage in der Woche ca. 10 bis 12 Stunden täglich Plätze
der Deutschen Armee gereinigt und unterhalten und dann dafür ein Gehalt erhalten. Ab
September 1941 habe er sich im Ghetto Schaulen aufgehalten. In der Zeit von
September 1941 bis Mai 1942 sei er auf dem Flugplatz der Luftwaffe beschäftigt
gewesen. Er habe 6 Tage wöchentlich, 10 Stunden täglich Straßenbauarbeiten und
verschiedene schwere Arbeiten gegen Gehalt verrichtet. In der Zeit von Mai bis August
1942 sei er bei S in der Torfangrabung beschäftigt gewesen. Er habe 8 Stunden täglich
im Dreischichtbetrieb 6 Tage wöchentlich Torf ausgegraben und ein Gehalt erhalten.
Anschließend habe er in der Zeit von September 1942 bis August 1943 bei der Firma T
Tankholz-Holzstelle gearbeitet. Die Arbeitszeit habe 9 Stunden täglich, 6 Tage
wöchentlich betragen, er habe ein Gehalt erhalten. In der Zeit von September 1943 bis
Juli 1944 sei er in einer Leder- und Schuhfabrik C 8 Stunden täglich, 6 Tage
wöchentlich gegen Gehalt beschäftigt gewesen. In der Zeit von August 1944 bis April
1945 habe er im Konzentrationslager Dachau Lager 10 für die Firma E GmbH 14
Stunden täglich, 6 Tage in der Woche gegen Erhalt von Nahrung und Kleidung
gearbeitet. Im Fragebogen zum dSK gab der Kläger unter dem 28. 01.1999 an, dass er
mit seinen Eltern im Ghetto Schaulen unter gräulichen Umständen gelebt habe und sie
zu verschiedenen Arbeiten außerhalb des Ghettos geschleppt worden seien. Nach
Beiziehung der Entschädigungsakten des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid
vom 10. 03.1999 den Antrag ab. Die behaupteten Arbeitszeiten von Juli 1941 bis April
1945 könnten nicht als Beitragszeiten anerkannt werden, da es sich um Zwangsarbeiten
im Rahmen von Verfolgungsmaßnahmen handele. Aus dem Inhalt der
Entschädigungsakten ergebe sich, dass der Kläger während der Zeit von Juli 1941 bis
April 1945 zu schweren physischen Zwangsarbeiten herangezogen worden sei. Es sei
daher nicht glaubhaft, dass es sich um ein freiwillig eingegangenes Arbeitsverhältnis
gehandelt habe.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte am 13.01.2000 als
unbegründet zurück.
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Im Oktober 2002 beantragte der Kläger die Gewährung von ARG unter Berücksichtigung
von Beitragszeiten in der Zeit vom 01.07.1941 bis 31.07.1944 nach dem Gesetz über die
Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). Diesen
Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.10.2002 ab.
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Mit der am 28.01.2000 erhobenen Klage hat der Kläger die Gewährung von ARG unter
Berücksichtigung einer Beitragszeit vom 01.09.1941 bis 16.09.1943 und Ersatzzeiten
nach Maßgabe des ZRBG begehrt. Der Kläger hat vorgetragen, seine Heimatstadt
Schaulen sei am 26.06.1941 von der Wehrmacht besetzt worden. Anfang Juli 1941
habe er begonnen zu arbeiten. Er habe Mitte September 1941 vom Ghetto aus
angefangen zu arbeiten. Er habe auf dem Flughafen A, nahe der Stadt gearbeitet. Das
Ghetto Schaulen sei im August 1941 entstanden und habe unter denselben
Arbeitsbedingungen und Gewohnheiten fortbestanden, bis er im Juli 1944 in das
Konzentrationslager Stutthoff deportiert worden sei. Im Jahre 1943 seien einige
Personen aus dem Ghetto genommen und in kleine abgeschlossene Lager in die
Umgebung von Schaulen verbracht worden, er sei aber mit seiner Familie im Ghetto
geblieben, wo alles wie gewohnt weitergelaufen sei. Zur Stützung seines Begehrens hat
der Kläger die Erklärungen von Herrn Q vom 30.11.2000 und Herrn L vom 19.12.2000
sowie Auszüge aus Lagin, Under Soviet Rule and in Ghetto Shavli zu den Akten
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gereicht.
Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.03.1999 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 13.01.2000 und des Bescheides vom 29.10.2002 zu
verurteilen, ihm Regelaltersrente unter Berücksichtigung einer Beitragszeit vom
01.09.1941 bis zum 16.09.1943 und Ersatzzeiten nach Maßgabe des ZRBG zu
gewähren.
11
Die Beklagt hat beantragt,
12
die Klage abzuweisen.
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Durch Urteil vom 11.08.2004 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf die Beklagte unter
Aufhebung des Bescheides vom 10.03.1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 13.01.2000 und des Bescheides vom 29.10.2002
verurteilt, dem Kläger Regelaltersrente unter Berücksichtigung einer Beitragszeit vom
01.09.1941 bis 16.09.1943 sowie Ersatzzeiten nach Maßgabe des ZRBG zu gewähren.
Es sei glaubhaft, dass der Kläger die Beschäftigungen innerhalb und außerhalb des
Ghettos aus freiem Willensentschluss aufgenommen habe. Der Annahme eines
freiwilligen Beschäftigungsverhältnisses stehe nicht entgegen, dass im
Entschädigungsverfahren seine Beschäftigungen zum Teil als "Zwangsarbeit"
bezeichnet worden seien. Die Furcht vor Deportationen und die wirtschaftliche Not habe
auf die jüdische arbeitsfähige Bevölkerung einen massiven mittelbaren Druck ausgeübt.
Dem Kläger sei es auf einem noch bestehenden "Arbeitsmarkt" im Ghetto Schaulen
nach der Tätigkeit auf dem Flughafen gelungen, auf Arbeitsplätze innerhalb des Ghettos
zu wechseln. Der Arbeitsplatzwechsel des Klägers belege die Existenz einer
Arbeitsvermittlung im Ghetto Schaulen, in dem bis Herbst 1943 eine Zivilverwaltung
bestanden habe. Im Rahmen der zivilen Verwaltung des Ghettos habe ein Arbeitsamt
bestanden, das mit der Organisation und der Verteilung von Arbeit befasst gewesen sei.
Angesichts der Organisation der Arbeitsvermittlung sei es zur Überzeugung der Kammer
glaubhaft, dass der Kläger die Möglichkeit gehabt habe, aus freiem Willensentschluss
im Rahmen bestehender Möglichkeiten einen Arbeitsplatz anzunehmen bzw. zu
wechseln. Erst mit der Übernahme der Verwaltung des Ghettos durch die SS sei die
Arbeitsaufnahme und die Beschäftigung im Ghetto als Zwangsarbeit zu bewerten.
Dahinstehen könne, ob der Kläger eine Entlohnung in Bargeld erhalten habe. Die dem
Kläger gewährten zusätzlichen Lebensmittelrationen seien unter Berücksichtigung der
historischen Umstände als Entgelt im Sinne des ZRBG zu qualifizieren. Die
Entgeltlichkeit der Beschäftigung im Ghetto Schaulen werde auch durch die Erlasse des
Reichskommissars Ostland vom 02.08.1941 und vom 27.08.1942 belegt, wonach die
Arbeitgeber von jüdischen Arbeitskräften im Ghetto Schaulen ein angemessenes
Entgelt an die Kasse des Gebietkommissars entrichten mussten. Aus dieser
Vergütungsregelung ergebe sich, dass die Beschäftigung des Klägers gegen Entgelt
ausgeübt worden sei.
14
Gegen das am 19.10.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.11.2004 Berufung
eingelegt. Sie trägt vor, entgegen der Auffassung des SG Düsseldorf sei davon
auszugehen, dass bei der Aufnahme der Tätigkeit des Klägers im streitbefangenen
Zeitraum nicht die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses mit dem hierfür
typischen Merkmalen im Vordergrund gestanden habe. Es scheitere schon an dem
15
fehlenden freien und eigenen Willen des Klägers selbst. Eine
rentenversicherungspflichtige Beschäftigung setze die Vereinbarung zwischen einem
konkreten Arbeitgeber und einem Beschäftigten über den Austausch von Arbeit und
Lohn sowie das Eingebundensein des Arbeitnehmers in den organisatorischen Ablauf
des Betriebes voraus. Der Kläger habe selbst unter dem 28.01.1999 angegeben, zu
verschiedenen Tätigkeiten außerhalb des Ghettos verschleppt worden zu sein. Auch in
den vorgelegten Zeugenerklärungen sei bestätigt worden, dass der Kläger zu Arbeiten
eingeteilt worden sei. Allein der Umstand, dass der Kläger seine Arbeit möglicherweise
durch das jüdische Komitee zugewiesen erhalten habe, nachdem er sich um eine Arbeit
beworben habe, reiche nicht aus, um die Freiwilligkeit der verrichteten Tätigkeit zu
bejahen. Auch vor dem Hintergrund der bekannten historischen Erkenntnisse sei nicht
von einer freiwilligen Beschäftigungsausübung auszugehen. Denn nach § 1 der
Verordnung über die Einführung des Arbeitszwanges für die jüdische Bevölkerung am
16.08.1941 hätten die in den neu besetzten Ostgebieten ansässigen Juden männlichen
und weiblichen Geschlechts im Alter vom vollendeten 14. bis zum vollendeten 60.
Lebensjahr dem Arbeitszwang unterlegen. Nach den vorläufigen Richtlinien für die
Behandlung der Juden im Gebiet des Reichskommissariats Ostland seien die
arbeitsfähigen Juden nach Maßgabe des Arbeitsbedarfs zur Zwangsarbeit
heranzuziehen gewesen. Die Zwangsarbeit habe danach in Arbeitskommandos
außerhalb des Ghettos, im Ghetto oder in einer sich im Ghetto befindlichen Werkstätten
geleistet werden müssen. Die Vergütung habe nicht der Arbeitsleistung zu entsprechen
gehabt, sondern nur der Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes für die
Zwangsarbeiter gedient. Auch sei eine Beschäftigung gegen Entgelt im
rentenversicherungsrechtlichen Sinne nicht überwiegend wahrscheinlich.
Der Kläger habe im Rahmen der Antragstellung angegeben, für die von ihm geleistete
Arbeit ein Gehalt erhalten zu haben. Nach den Ausführungen des Zeugen Q habe der
Kläger die übliche Ghettoentlohnung sowie zusätzliche Lebensmittelrationen und
Arbeitskleidung bekommen. Der Zeuge L habe ausgeführt, dass sie ihre Tätigkeiten
gegen einen Hungerlohn sowie zusätzliche Lebensmittelrationen verrichtet hätten. Die
Entlohnung sei im Ghetto üblicherweise durch die Aushändigung von Coupons erfolgt
und habe kaum zum Überleben gereicht. Dies als Entgelt im Sinne der ZBRG
anzusehen, erscheine zweifelhaft. Sie gehe von der Zugehörigkeit des Klägers zum
dSK zum Zeitpunkt der Ausreise aus dem Heimatgebiet aus. Die Voraussetzungen des
§ 20 Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in
der Sozialversicherung (WGSVG), § 17 a 2 Alt. Fremdrentengesetz (FRG) lägen vor.
16
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.08.2004 zu ändern und die Klage
abzuweisen.
18
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
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die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise den Historiker Dr. Tauber als
Sachverständigen zur Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit der Beschäftigungen im Ghetto
Schaulen anzuhören.
20
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Im Schreiben vom 25.01.2006
hat der Kläger ausgeführt, er wisse nicht, wer seine Arbeitgeber gewesen seien. Er habe
keinen unmittelbaren Kontakt mit den Arbeitgebern zur Beschäftigungsaufnahme gehabt
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und habe mit ihnen keine Arbeitsverträge abgeschlossen. Die Arbeit auf dem Flughafen
und in Radviliskis sei ihm durch das Arbeitsamt im Ghetto vermittelt wurden. Die
Beschäftigungsaufnahme im Tankholzwerk T sei entweder durch das Arbeitsamt im
Ghetto oder den Judenrat geregelt worden. Die Arbeit in der Lederfabrik sei ihm durch
den Judenrat vermittelt worden. Während seiner Arbeit auf dem Flughafen habe er ein
Mittagessen und Sachbezüge von den Behörden im Ghetto erhalten. Für seine Arbeit in
Radviliskis habe er kein Bargeld, sondern Sachbezüge erhalten. Die Sachbezüge, die
u. a. auch aus Lebensmittelgutscheinen bestanden hätten, seien bei der
Ghettoverwaltung verteilt worden, damit man die nötigen Produkte habe einkaufen
können. Für die Arbeit im Tankholzwerk T und in der Lederfabrik habe er Sachbezüge
erhalten. Er habe gewusst, dass er sich in den geschäftlichen Teil der Arbeitverteilung
nicht einmischen durfte. Er habe keine Ahnung, wie die Bezahlung für seine Arbeit
während der Ghettozeit funktioniert habe. Es sei alles zentralisiert gewesen. Im April/Mai
1942 seien junge Männer für das Torfstechen gesucht worden, wobei bessere
Arbeitsbedingungen in Aussicht gestellt worden seien. Deshalb sei der
Arbeitsplatzwechsel erfolgt. Da die saisonale Arbeit im Torf im August/September 1942
beendet gewesen sei, sei der Arbeitsplatzwechsel zum Tankholzwerk erfolgt. Aufgrund
der "Kasernierung" im Ghetto sei im August/September 1943 der Wechsel des
Arbeitsplatzes zur Lederfabrik erfolgt. Er denke, dass sich weder die
Arbeitsbedingungen noch das Entgelt geändert haben, als die SS die Verwaltung des
Ghettos übernommen habe. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Merkmale eines
versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nur rudimentär vorgelegen haben
müssten, um die Voraussetzungen des ZRBG zu erfüllen. Aus dem im
Berufungsverfahren beigezogenen Material, insbesondere den Ausführungen des
Historikers Dr. Tauber, könne die Feststellung getroffen werden, dass allein der Wille
zum Überleben jeden Ghettoinsassen veranlasst habe, einen Arbeitsplatz inne zu
haben, so dass der "eigene Willensentschluss", auf den das ZRBG abstelle, nicht
geleugnet werden könne. Auf eine Freiwilligkeit der Beschäftigung werde im
Gesetzestext des ZRBG nicht abgestellt. Aufgrund der Verordnungen stehe fest, dass
die Ghettobewohner neben Sachbezügen Anspruch auf Barlohn hatten. Das Merkmal
der Entgeltlichkeit nach dem ZRBG werde allein aufgrund der Innehabung eines
Barlohnanspruches erfüllt. Der Entgeltanspruch der Ghettobewohner führe nach der
schon vom Reichsversicherungsamt vertretenen Rechtsanspruchstheorie dazu, dass er
für den Bereich der Rentenversicherung so zu stellen sei, als sei ihm das Monatsgehalt
tatsächlich ausgezahlt worden. Denn nach der Rechtsanspruchstheorie sei für die
Berechnung des Beitrags nicht auf das tatsächlich ausgezahlte Monatsgehalt, sondern
auf das Gehalt abzustellen, auf dessen Fälligkeit ein Rechtsanspruch bestehe. Trotz der
Nichtzahlung des tariflichen Entgelts handele es sich bei seinen streitbefangenen
Beschäftigungen aus der Sicht der Sozialversicherung um entgeltliche
Beschäftigungen, die nach den allgemeinen Rechtsvorschriften versicherungspflichtig
gewesen seien und für die aus Verfolgungsgründen die Beiträge nicht abgeführt worden
seien und die deshalb nach § 2 Abs. 1 ZRBG fingiert würden. Diesem Umstand stehe
auch nicht die praktizierte Lohnzahlung an den Judenrat entgegen, da die
Entgeltzahlung an Dritte den Bestand eines sozialversicherungsrechtlichen
Beschäftigungsverhältnisses nicht tangiere.
Auf Anforderung des Senats hat die Bevollmächtigte des Klägers die vollständige
Fassung von Lagin, Under Soviet Rule and in Ghetto Shavli zu den Akten gereicht
(Beiakte Bl. 294; S.22-25 des Berichts = Bl. 290-293 GA, Übersetzung S. 335-337 GA).
Der Senat hat den Artikel über den Ort Schaulen aus Pinkas Hakehillot, "Lithuania", Yad
Vashem Jehova, 1996 (S. 170-186 GA, Übersetzung S. 160-169 GA), die
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Veröffentlichung "Das Tagebuch von A. Jeruschalmi", abgedruckt in Arno Lustiger, "Das
Schwarzbuch", 1990 (S. 187 -207 GA), den Artikel "Schaulen" aus
Jäckel/Longerich/Schoeps, "Enzylopädie des Holocaust", München/Zürich (S. 208/209
GA), Benz/Kwiet/Matthäus, " Einsatz im Reichskommissariat Ostland", Berlin, 1998 (S.
210-221 GA), Valstybinis Vilniaus Gaono Zydu Muziejus," The Siauliai Ghetto: List of
Prisoners", Vilnius, 1996, das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 27.01.1970, 2 Ks
1/68, veröffentlicht in Justiz und NS-Verbrechen Bd. XXXIII, Amsterdam 2005, S.347 ff,
das Gutachten des Historikers Dr. Tauber über die Ghettos in Litauen, Kaunas, Wilnius
und Siauliai vom 22.11.2005, erstattet im Verfahren vor dem Sozialgericht Hamburg S 6
RJ 730/04 beigezogen. Des Weiteren hat der Senat eine Auskunft der Conference on
Jewish Material Claims Against Germany INC, des Center For Advanced Holocaust
Studies, US. Holocaust Memorial Museum, der ein Artikel des Historikers Dr. Bubny
über das Ghetto Schaulen beigefügt gewesen ist (S. 279-289 GA, Übersetzung: S. 328-
334 GA), und von Yad Vashem (S. 290-314 GA) über die Arbeitsbedingungen in und
außerhalb des Ghettos Schaulen, welcher Auszüge aus Pinkas Hakehillot, "Lithuania"
über das Ghetto Schaulen, der Artikel "The History of the Siualai Ghetto, 1941-1944"
von Itsikas (Beiakte Bl. 274 GA, Übersetzung von S. 205 -213 auf S. 355-374, 388-391
GA) und Auszüge aus Yerushalmi, "The Shavli Register" (Übersetzung S. 346 -354 GA)
beigefügt gewesen sind, eingeholt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der Verwaltungsakte sowie der beigezogenen Entschädigungsakten
des Klägers und der Akte des Landgerichts München, EK No. 619/53, Bezug
genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen ist.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist begründet.
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Das SG hat zu Unrecht die Beklagte zur Gewährung von ARG unter Berücksichtigung
einer Beitragszeit vom 01.09.1941 bis 16.09.1943 sowie Ersatzzeiten verurteilt. Die
angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.
26
Der Kläger hat keinen Anspruch auf ARG gegenüber der Beklagten nach §§ 35, 300
Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) inne. Die für den Rentenanspruch
erforderliche Wartezeit von 60 Kalendermonaten (§ 35 Nr. 2, 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB
VI) ist nicht erfüllt, weil auf die Wartezeit anrechenbare Versicherungszeiten nicht
vorliegen. Entgegen der Auffassung des SG ist die von dem Kläger geltend gemachte
Beschäftigungszeit im Ghetto Schaulen vom 01.09.1941 bis zum 16.09.1943 nicht als
Beitragszeit zu berücksichtigen. Anrechenbare Ersatzzeiten liegen nicht vor.
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Nach § 35 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 65.
Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Der Kläger vollendete
im Dezember 1990 das 65. Lebensjahr. Auf die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren
sind nach § 51 Abs. 1 und Abs. 4 SGB VI Kalendermonate mit Beitrags- und
Ersatzzeiten anzurechnen. Beitragszeiten sind nach §§ 55 Abs. 1, 247 Abs. 3 S. 1 SGB
VI Zeiten, für die nach Bundesrecht oder Reichsversicherungsrecht Pflichtbeiträge oder
freiwilliger Beiträge gezahlt worden sind oder nach besonderen Vorschriften als gezahlt
gelten. Ersatzzeiten werden nach § 250 Abs. 1 SGB VI nur bei Versicherten als
rentenrechtliche Zeiten berücksichtigt. Die Versicherteneigenschaft liegt vor, wenn vor
28
Beginn der Rente zumindest ein Beitrag wirksam entrichtet worden ist oder als wirksam
entrichtet gilt.
Der Kläger legte in der Zeit vom 01.09.1941 bis zum 16.09.1943 keine
Versicherungszeiten nach dem Reichsversicherungsgesetzen (§ 247 Abs. 3 S. 1 SGB
VI) zurück. Die Stadt Schaulen lag bis 1940 auf litauischem Staatsgebiet. Im August
1940 wurde Litauen als sozialistische Sowjetrepublik in die UdSSR aufgenommen und
war sowjetisches Staatsgebiet. Nach der Besetzung durch die deutschen Truppen im
Juni 1941 wurde Litauen dem Deutschen Reich nicht ein- oder angegliedert, sondern
war als besetztes Gebiet während des streitbefangenen Zeitraums dem Deutschem
Reich gegenüber Ausland. Als ehemaliger litauischer und später sowjetischer
Staatsangehöriger gehörte der Kläger nicht zu dem von der
Reichsversicherungsordnung (RVO) erfassten Personenkreis. Zuständig war nach dem
damaligen Rechtszustand zunächst allein der sowjetische Sozialversicherungsträger
bzw. ab August 1943 der vom Generalkommissar in Kaunas errichtete
Sozialversicherungsträger. Denn nach der Verordnung über die Sozialversicherung in
den besetzten Gebieten vom 04.08.1941 (RGBl. I, 486) unterlagen nur die in Litauen
beschäftigten deutschen Staatangehörigen und deutschen Volkszugehörigen den
Vorschriften der RVO. Auch durch die Verordnung des Generalkommissars in Kaunas
über den Aufbau einer Sozialversicherung vom 01.05.1943 (abgedruckt in Plön, Die
gesetzliche Rentenversicherung im Ausland, S. 256) wurde die "einheimische"
Bevölkerung, zu der alle nichtdeutschen Arbeiter, Angestellte und Lehrlinge mit
Ausnahme der Ostarbeiter und nicht im Reichskommissariat beheimateten Ausländer
gehörten (§ 1 Abs. 3 der Verordnung), nicht in die RVO miteinbezogen. Vielmehr war die
Ersetzung des bisherigen sozialen Sicherungssystems für die "einheimische"
Bevölkerung in Litauen, eingeführt durch die Sowjetunion, durch den Aufbau einer
eigenständigen Sozialversicherung beabsichtigt, die nicht der Reichsversicherung an-
oder eingegliedert wurde (BSG, Urteil vom 01.12.1966, - 4 RJ 401/64 - ; Urteil vom
17.05.1963, - 4 RJ 305/63 -).
29
Die vom Kläger geltend gemachte Beschäftigungszeit vom 01.09.1941 bis zum
16.09.1943 ist nicht als Zeit nach dem FRG Bundesgebietsbeitragszeiten gleichgestellt.
Dahinstehen kann, ob der Kläger dem dSK angehörte und damit die persönlichen
Voraussetzungen der §§ 17a FRG, 20 WGSVG für die Berücksichtigung von Beitrags-
oder Beschäftigungszeiten nach §§ 15, 16 FRG erfüllt. Jedenfalls sind die sachlichen
Voraussetzungen für die Anerkennung der geltend gemachten Beschäftigungszeit im
Ghetto Schaulen als Beschäftigungs- oder Beitragszeiten nach dem FRG nicht
gegeben.
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Die streitbefangenen Beschäftigungszeit stellt keine Beitragszeit bei einem
nichtdeutschen Rentenversicherungsträger im Sinne von § 15 Abs. 1 FRG dar. Die
Entrichtung von Beiträgen zum Rentenversicherungsträger, der während der deutschen
Besatzung für die "einheimische" Bevölkerung in Litauen zuständig war, ist weder
erwiesen noch glaubhaft gemacht worden. Der Kläger hat die Entrichtung von Beiträgen
für die im streitbefangenen Zeitraum geleistete Arbeit an einen
Sozialversicherungsträger nicht vorgetragen. Auch in den im Verfahren beigezogenen
Dokumenten und der beigezogenen Literatur ist eine Abführung von
Sozialversicherungsbeiträgen für von jüdischen Arbeitskräften während der deutschen
Besatzungszeit in Litauen geleistete Arbeit nicht belegt. In den Anordnungen des
Reichskommissars Lohse über die Arbeit von jüdischen Ghettobewohnern ist zwar
festgelegt, dass die jüdischen Arbeitskräfte eine Vergütung erhielten und private Dritte
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für die Inanspruchnahme von jüdischen Arbeitskräften ein angemessenes Entgelt bzw.
eine Miete an den Gebietskommissar als Vertreter der deutschen Besatzungsmacht zu
zahlen hatten (siehe Ziffer 5 e) der Vorläufigen Richtlinien des Reichskommissars für
die Behandlung der Juden vom 02.08.1941, Ziffer 5 des Erlasses des
Reichskommissars vom 27.08.1942 betreffend die "Verwaltung der jüdischen Ghettos").
Eine Verpflichtung zur Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen ist diesen
Anordnungen nicht zu entnehmen. Vielmehr ergibt sich aus der Verordnung des
Generalkommissars in Kaunas, über den Aufbau einer Sozialversicherung vom
01.05.1943 des Generalkommissars in Kaunas, der für die Verwaltung des
Generalkommissariats Litauen zuständig war, dass die jüdische Bevölkerung nicht in
die Sozialversicherung einbezogen werden sollte. § 2 Abs. 1 der Verordnung sah vor,
dass alle gegen Entgelt in einem Dienstverhältnis stehenden Beschäftigten, die zu der
in § 1 definierten einheimischen Bevölkerung gehörten, grundsätzlich der
Sozialversicherung unterlagen. Juden und Zigeuner standen in keinem Dienstverhältnis
im Sinne dieser Vorschriften (§ 2 Abs. 3).
Eine Gleichstellung der streitbefangenen Beschäftigungszeit mit nach Bundesrecht
zurückgelegten Beitragszeiten nach § 15 Abs. 3 S. 1 FRG kommt ebenfalls nicht in
Betracht. Voraussetzung für eine Gleichstellung mit deutschen Beitragszeiten ist u. a.,
dass die ausländische Beschäftigung, für die eine Beitragsgleichstellung erfolgen soll,
einer nach deutschem Recht dem Grunde nach versicherungspflichtigen Beschäftigung
entsprechen muss (BSG, Urteil vom 07.10.2004, - B 13 RJ 59/03 R -). Nach § 1226 Abs.
1 RVO a.F. wurden in der Arbeiterrentenversicherung insbesondere Arbeiter versichert.
Unter einem Arbeiter war nach damaligem Recht eine Person zu verstehen, die als
solche beschäftigt und aufgrund dieser Beschäftigung pflichtversichert war wie eine
Person im Sinne der Nachfolgevorschrift des § 1227 Abs. 1 RVO (in der bis Ende 1991
geltenden Fassung), die als Arbeitnehmer gegen Entgelt beschäftigt war, d. h. nicht
selbständige Arbeit verrichtete (§ 7 Abs. 1 SGB VI). Diese Beschäftigung musste nach
1226 Abs. 1 RVO in der bis zum 23.05.1945 geltenden Fassung gegen Entgelt erfolgen.
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Unter Zugrundelegung dieser Vorschriften ist die Ausübung einer nach deutschem
Recht versicherungspflichtigen Beschäftigungen durch den Kläger ab September 1941
weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht wurden. Eine Tatsache ist nach § 4 Abs.
1 Satz 2 FRG glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der
Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen,
überwiegend wahrscheinlich ist. Glaubhaftmachung bedeutet danach mehr als das
Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit
grenzende Wahrscheinlichkeit. Es genügt die "gute Möglichkeit", dass der
entscheidungserhebliche Vorgang sich so zugetragen hat, wie er behauptet wird.
Gleichzeitig muss mehr für als gegen den behaupteten Sachverhalt sprechen. Dabei
sind gewisse noch verbleibende Zweifel unbeachtlich. Als Mittel der Glaubhaftmachung
kommen neben der eidesstattlichen Versicherung alle Mittel in Betracht, die geeignet
sind, die Wahrscheinlichkeit der Tatsache in ausreichendem Maße darzutun. Dabei sind
ausgesprochen naheliegende, der Lebenserfahrung entsprechende Umstände zu
berücksichtigen. Bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten muss
das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten sein, weil nach
Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Tatsache spricht (LSG NRW,
Urteil vom 28.10.2005, - L 13 R 47/05 -). Die Glaubhaftmachung einer
versicherungspflichtigen Beschäftigung setzt somit voraus, dass ein hinsichtlich seines
Inhaltes und zeitlichen Verlaufs sowie auch der tatsächlichen Entlohnung hinreichend
konturiertes und konkretisiertes Beschäftigungsverhältnis die überwiegende
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Sachverhaltsvariante darstellt (LSG NW, Urteil vom 08.11.2004, - L 3 (18) RJ 82/02 -).
Der Senat sieht als glaubhaft gemacht an, dass der Kläger in der Zeit von September
1941 bis Juni 1944, dem Zeitpunkt der Deportation, verschiedene Beschäftigungen in
Schaulen ausübte. Im Verwaltungsverfahren hat der Kläger die Beschäftigung an vier
verschiedenen Arbeitsstätten unter Angabe der Dauer der Beschäftigung, des Umfangs
der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeiten und eines Entgelts in Form eines
"Gehalts" in der Zeit vom September 1941 bis August 1944 angegeben. Diese Angaben
hat der Kläger im Berufungsverfahren in der Erklärung vom 25.01.2006 bestätigt und
hinsichtlich der Umstände der Arbeitsaufnahme, den Arbeitsbedingungen und der Art
und Höhe des "Gehalts" konkretisiert. Den Einsatz des Klägers an den von ihm
angebenen Arbeitsstätten bestätigen die Zeugen Q und L in ihren schriftlichen
Erklärungen insoweit, als sie zusammen mit dem Kläger gearbeitet haben und den
Einsatz an verschiedenen Arbeitsstätten, u.a. am Flughafen, in einem Tankholzwerk
und einer großen Leder- und Schuhfabrik schildern. Die Angaben des Klägers stimmen
mit den Eintragungen über den Kläger in der Volkszählungsliste aus dem Jahr 1942, die
in " The Siauliai Ghetto: List of Prisoners" veröffentlicht ist, überein, wonach der Kläger
"Kristalis, Simonas, Sohn, 30.12.1925, Geburtsort S, Ausbildung mittlere Reife," die
Berufsbezeichnung "Arbeiter" führte und als Arbeitsstelle "Tagesarbeiter,
vorübergehend im Torfbruch in Radviliskis " eingetragen war. Die vom Kläger
angebenen Arbeitsstätten - Flughafen, Torflager S, Firma T Tankholz-Holzstelle und
Leder- und Schuhfabrik C - werden auch in der vom Senat beigezogenen Literatur
erwähnt (zur Verkehrsgesellschaft T siehe Jeruschalmi, S. 347 GA; zur Schuhfabrik C
siehe Jeruschalmi S. 349 GA und Seite 47 des Gutachten von Dr. Tauber, zum
Flughafen und zum Torflager Radviliskis siehe u.a. Enzyklopädie des Holocaust S.
208/209 GA). Des weiteren sind die Angaben des Klägers und der beiden Zeugen Q
und L über das erhaltene Entgelt in Form eines "Gehalts " bzw. von Sachbezügen
(Kläger) bzw. eines "Hungerlohns/üblichen Ghettoentlohnung" und zusätzlichen
Lebensmittelrationen (Zeugen Q und L) mit den Erkenntnissen des Senats über die
Entlohnung von jüdischen Arbeitskräften im Ghetto Schaulen vereinbar. Jüdische
Arbeitskräfte erhielten eine Vergütung vom Judenrat ausgezahlt; ihnen wurden
zusätzliche Lebensmittelrationen ausgeteilt.
34
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens stellten aber die vom Kläger im
streitbefangenen Zeitraum ausgeübten Beschäftigungen keine freie und entgeltliche
Beschäftigungen und damit keine versicherungspflichtige Arbeiten dar, sondern es
handelte sich um "unfreie" und damit nichtversicherte Beschäftigungsverhältnisse. Die
Ausübung irgendeiner Beschäftigung reicht zur Glaubhaftmachung einer
versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht aus. Es existiert kein Grundsatz, dass die
Beschäftigung eines Ghettobewohners, vorliegend in Schaulen, grundsätzlich als freies
und entgeltliches und damit versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zu werten ist.
Vielmehr sind die konkreten Umstände eines jeden Einzelfalles zu berücksichtigen.
35
Zwischen den jüdischen Bewohnern des Reichskomissiariat Ostland, das u. a. das
Gebiet von Litauen umfasste, und den deutschen Besatzungsbehörden bestand
zumindest seit August 1941 ein öffentlich-rechtliches Gewaltverhältnis, dass unter
anderem durch Einschränkung der Freizügigkeit und der wirtschaftlichen Betätigung,
Registrierung, Kennzeichnungspflicht, Beschlagnahme und Enteignung des
Vermögens, Ortsgebundenheit, Arbeitszwang, Isolierung und Ausgrenzung von der
übrigen Bevölkerung, gekennzeichnet war (siehe LSG NRW, Urteil vom 13.01.2006, - L
4 RJ 113/04 -; Urteil vom 06.03.2006, - L 3 (18) R 98/05 -; Urteil vom 20.02.2006, - L 3 R
36
140/05 -). Dies ergibt sich aus den Bestimmungen der Verordnung des Reichsministers
für die besetzten Gebiete Rosenberg vom 16.08.1941 über die Einführung des
Arbeitszwangs für die jüdische Bevölkerung (abgedruckt in: Benz/Kwiet/Matthäus, S. 36
f) und den Vorläufigen Richtlinien für die Behandlung der Juden des Reichskommissars
Lohse vom 02.08.1941 (abgedruckt in: Benz/Kwiet/Matthäus, S. 38 ff). Damit handelte es
sich bei den jüdischen Bewohnern der Stadt Schaulen um sogenannte "unfreie"
Personen. Nach gefestigter Rechtsprechung des BSG ist bei "unfreien" Personen für die
Frage, ob sie im Einzelfall eine Beschäftigung im Rahmen eines freien oder eines
unfreien Arbeitsverhältnisses ausgeübt haben, nicht auf die sonstigen Lebensumstände,
unter denen die Beschäftigten leben mussten, abzustellen. Vielmehr ist das
Beschäftigungsverhältnis als solches und für sich zu untersuchen, ob es "frei" war (
BSG, Urteil vom 06.04.1960, - 2 RU 40/58 -, Urteil vom 17.03.1993, - 8 RKnU 1/91 -;
Urteil vom 18.06.1997, - 5 RJ 20/96 -; Urteil vom 14.07.1999, - B 13 RJ 61/98 -). Ein
freies Arbeitsverhältnis liegt vor, wenn die Beschäftigten aus dem öffentlich-rechtlichen
Gewaltverhältnis insoweit entlassen sind, als sie in einem Betrieb nach den Regeln des
Arbeitsrechts tätig sind und ein Einfluss dritter Stellen auf die Gestaltung des
Verhältnisses nicht stattfindet (BSG, Urteil vom 06.04.1960, - 2 RU 40/58 -; Urteil vom
17.03.1993, - 8 RKnU 1/91 -). Die Beschäftigten müssen aus eigenem Willen ein
konkretes Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnis durch zweiseitige Vereinbarung
eingegangen sein, tatsächlich die von ihnen auf der Grundlage des mit dem Arbeitgeber
geschlossenen Vertrags geforderte Arbeit geleistet haben und ihnen muss dafür im
Austausch eine den Umständen nach angemessene Gegenleistung als Bar- oder
Sachlohn gewährt worden sein (BSG, Urteil vom 18.06.1997, - 5 RJ 20/96 -; LSG NW,
Urteil vom 23.10.2000, - L 3 RJ 60/99 - ). Dies gilt auch, soweit die Arbeit unter den
allgemeinen Bedingungen nationalsozialistischer Gewaltherrschaft verrichtet wurde
(BSG, Urteil vom 23.08.2001, - B 13 RJ 59/00 R -).
Zur Abgrenzung zwischen einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis
und einem "unfreien" Arbeitsverhältnis, zu dem auch die Zwangsarbeit zählt, sind
solche Kriterien untauglich, die für beide Tätigkeitsformen charakteristisch sind, wie z. B.
Ausübung eines Direktionsrechts. Auch das bloße Abstellen auf Arbeit im Sinne einer
Erwerbsarbeit oder wirtschaftlich nützlichen Tätigkeit kann diese beiden Typen nicht
voneinander abgrenzen. Das Merkmal Arbeit ist beiden Tätigkeitstypen eigen, was eine
nähere Abgrenzung überhaupt erst erfordert. "Unfreie" Arbeit ist die Verrichtung von
Arbeit unter obrigkeitlichen (hoheitlichen) bzw. gesetzlichen Zwang.
37
Typisch für die "unfreie" Arbeit ist die obrigkeitliche Zuweisung von Arbeitskräften an
bestimmte Unternehmen ohne dass der Betroffene dies beeinflussen kann. Indizien
gegen ein freiwillig eingegangenes Beschäftigungsverhältnis können auch die
Arbeitsbedingungen, wie z. B. die Bewachung von Arbeitskräften während der Arbeit,
um zu verhindern, dass sie sich aus dem obrigkeitlichen Gewahrsam entfernen können,
die Bewachung von Arbeitskräften auf dem Weg zur Arbeitsstätte, eine Einschränkung
der Bewegungsfreiheit am Ort der Arbeitsstätte, keine oder geringe Auszahlung eines
Entgelts für individuell geleistete Arbeit an den Beschäftigen und Innehabung eines
anderen Status als die übrigen Arbeitnehmer sein. Diese beispielhaft aufgeführten
Kriterien zeigen, dass sich eine verrichtete Arbeit um so mehr vom Typus des freien
Arbeits-/Beschäftigungsverhältnisses entfernt und dem Typus der "unfreien" Arbeit
annähert, als sie durch hoheitliche Eingriffe überlagert wird, denen sich der Betroffene
nicht entziehen kann. Maßgebend für die Beurteilung ist das Gesamtbild der
ausgeübten Tätigkeit (BSG, Urteile vom 14.7.1999, - B 13 RJ 61/98 R -; Urteil vom
7.10.2004, - B 13 RJ 59/03 R - m.w.N.). Hingegen erfordert ein versicherungspflichtiges
38
Beschäftigungsverhältniss, dass ein wirtschaftliches Austauschverhältnis zwischen
geleisteter Arbeit und gezahltem Entgelt erkennbar wird. Zwar ist die Höhe des Entgelts
grundsätzlich kein wesentliches Merkmal für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines
Beschäftigungsverhältnisses. Art und Umfang der gewährten Leistungen können aber
Anhaltspunkte geben, ob das Entgelt als Bezahlung im Sinne einer Entlohnung für die
geleistete Arbeit oder zu anderen Zwecken, etwa als "Mittel zur Erhaltung der
Arbeitskraft" der zur Arbeit gezwungenen Beschäftigten gedacht ist. Allzu geringfügige
Leistungen außerhalb eines jeden Verhältnisses zur erbrachten Leistung haben keinen
Entgeltcharakter mehr. (BSG, Urteil vom 19.04.1990, - 1 RA 91/88 -; Urteil vom
22.09.1988, - 7 RAr 13/87 -; Urteil vom 07.10.2004, - B 13 RJ 59/03 R -; Seewald in
Kasseler Kommentar, § 4 SGB IV Rdnr.17).
Allein die Angabe des Klägers in der Erklärung vom 25.01.2006, dass ihm die vier
Arbeitstätten durch das Arbeitsamt im Ghetto und/oder den Judenrat vermittelt bzw. die
Arbeitsaufnahme von Institutionen im Ghetto geregelt wurde, genügt unter
Berücksichtigung der Organisation und Ausgestaltung des Arbeitseinsatzes von
jüdischen Arbeitskräften in Schaulen zur Glaubhaftmachung der Freiwilligkeit der Arbeit
nicht. Denn der Kläger hat angegeben, dass er weder seine Arbeitgeber kannte noch mit
ihnen Arbeitsverträge abgeschlossen hatte. Daher bestehen schon allein aufgrund der
Angaben des Klägers über das Zustandekommen der Beschäftigungen erhebliche
Zweifel, dass er die Beschäftigungen auf Grundlage einer zweiseitigen Vereinbarung
mit dem jeweiligen Betriebsinhabern ausübte. Der Umstand allein, dass die Arbeit vom
Judenrat zugewiesen oder vermittelt wurde, nachdem sich ein Verfolgter bei ihm um
Arbeit beworben hat, reicht nicht aus, um die Freiwilligkeit der verrichteten Arbeit bereits
zu bejahen (BSG, Urteil vom 7.10.2004, - B 13 RJ 59/03 R -). Vielmehr ist die
Organisation und Durchführung des Arbeitseinsatzes entscheidend, insbesondere ob
das Verhältnis der Verfolgten zum "Arbeitgeber" in erheblichem Umfang von Regeln
geprägt war, die durch einen zweiseitigen Vertrag mit einem "Arbeitgeber" vereinbart
waren oder aber durch Regeln, die von Dritten aufgestellt waren.
39
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat überzeugt, dass aufgrund der
Organisation und der Durchführung des Arbeitseinsatzes von jüdischen Arbeitskräften in
Schaulen das Verhältnis zwischen dem Kläger und seinen verschiedenen "Arbeitgeber"
fremdbestimmt war, da die deutschen Besatzungsbehörden, vorliegend der
Gebietskommissar für die Stadt Schaulen, überragenden Einfluss auf die Gestaltung
dieses Verhältnisses hatten. Seit Mitte August 1941 ist der Einsatz von jüdischen
Arbeitskräften im Reichskomissiariat Ostland als "unfreie" Beschäftigung zu
charakterisieren. Denn die jüdischen Arbeitskräfte wurden zum Zwecke der
Arbeitsaufnahme nicht aus dem öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis entlassen,
sondern die Organisation und die Ausgestaltung der Arbeit war von hoheitlichen
Eingriffen überlagert, denen sich weder die jüdischen Arbeitskräfte noch ihre
"Arbeitgeber" entziehen konnten. Dabei geht der Senat nach Auswertung der
beigezogenen Dokumente, der Sekundärliteratur und des Gutachtens des Historikers
Dr. Tauber von folgenden Verhältnissen in Litauen aus:
40
Nach dem Einmarsch der deutschen Armee im Juni 1941 wurde Litauen Teil des
Reichskomissiariat Ostland, in dem ab Juli 1941 eine Zivilverwaltung errichtet wurde.
Dem Reichskommissariat Ostland stand Reichskommissar Lohse vor, der dem
Reichsminister für die besetzten Gebiete Rosenberg in Berlin unterstellt war. Das
Reichskommissariat Ostland war in vier Generalbezirke unterteilt, die
Generalkommissaren unterstanden. Für Litauen wurde Dr. von Renteln zum
41
Generalkommissar mit Sitz in Kaunas ernannt. Das Generalkommissariat Litauen war in
sechs Gebietskommissariate unterteilt, die von Gebiets- und Stadtkommissare verwaltet
wurden. Für das Gebietskommissariat Siauliai (Schaulen) war Gebietskommissar
Kreisleiter Gewecke zuständig. Durch die Verordnung vom 16.08.1941 über die
Einführung des Arbeitszwangs für die jüdische Bevölkerung ordnete der Reichsminister
für die besetzten Gebiete Rosenberg an, dass die in den neu besetzten Ostgebieten
ansässigen Juden männlichen und weiblichen Geschlechts vom vollendeten 14. bis
zum vollendeten 60. Lebensjahr dem Arbeitzwang unterlagen und die Juden zu diesem
Zweck in Zwangsarbeitsabteilungen zusammengefasst werden sollten (§ 1). Die
Entziehung des Arbeitszwangs war strafbewehrt. Die zur Durchführung der Verordnung
erforderlichen Vorschriften sollten die Reichskommissare erlassen (§ 3) (abgedruckt in:
Benz/Kwiet/Matthäus, S. 36 f). Reichskommissar Lohse übersandte mit Schreiben vom
18.08.1941 jedem Generalkommissar eine Fassung der "Vorläufigen Richtlinien für die
Behandlung der Juden" vom 2.08.1941 (Vorläufige Richtlinien, abgedruckt in:
Benz/Kwiet/Matthäus, S. 38 ff). Diese Richtlinien galten für die Generalkommissariate
nach der Übernahme der Zivilverwaltung und sahen u.a. vor:
" ... 5 ... d) Die Juden sind tunlichst in Städten oder in Stadtteilen größerer Städte zu
konzentrieren, die bereits eine überwiegende jüdische Bevölkerung besitzen. Dort sind
Ghettos zu errichten. Den Juden ist das Verlassen der Ghettos zu verbieten. In den
Ghettos sind ihnen so viel an Nahrungsmittel zu überlassen, wie die übrige Bevölkerung
entbehren kann, jedoch nicht mehr, als zur notdürftigen Ernährung der Insassen der
Ghettos ausreicht. Das gleiche gilt für die Versorgung mit anderen lebenswichtigen
Gütern. Die Insassen des Ghettos regeln ihre inneren Verhältnisse in Selbstverwaltung,
die vom Gebiets-/Stadtkommissar oder seinem Beauftragten beaufsichtigt wird ...
42
e) Die arbeitsfähigen Juden sind nach Maßgabe des Arbeitsbedarfs zur Zwangsarbeit
heranzuziehen. Die wirtschaftlichen Interessen förderungswerter Landeseinwohner
dürfen durch die jüdische Zwangsarbeit nicht geschädigt werden. Die Zwangsarbeit
kann im Arbeitskommando außerhalb der Ghettos, im Ghetto oder, wo Ghettos "noch
nicht errichtet sind, auch einzeln außerhalb der Ghettos" (z.B. in der Werkstatt des
Juden) geleistet werden. Die Vergütung hat nicht der Arbeitsleistung zu entsprechen,
sondern nur der Bestreitung des notdürftigen Lebensunterhaltes für die Zwangsarbeiter
und seine nicht arbeitsfähigen Familienmitglieder unter Berücksichtigung seiner
anderen Barmittel zu dienen ... Diejenigen privaten Einrichtungen und Personen, zu
deren Gunsten die Zwangsarbeit erfolgt, zahlen ein angemessenes Entgelt an die
Kasse des Gebietskommissars, die wiederum die Vergütung an die Zwangsarbeiter
auszahlt. Über die Verrechnung der eingegangenen Geldbeträge ergeht besondere
Anordnung.
43
6. Es bleibt den Generalkommissaren überlassen, die unter Ziffer V genannten
Maßnahmen einheitlich für ihr Gebiet anzuordnen oder ihre Anordnung den einzelnen
Gebietskommissaren zu überlassen. Ebenso sind die Generalkommissare berechtigt, im
Rahmen dieser Richtlinien nähere Anordnungen zu treffen, oder ihre
Gebietskommissare dazu zu ermächtigen ..."
44
Der Generalkommissar Dr. von Renteln leitete die "Vorläufigen Richtlinien" mit
Schreiben vom 26.08.1941 an die ihm unterstellten Gebiets- und Stadtkommissare
weiter. In einem weiteren Erlass des Reichskommissars, Abteilung Finanzen (Vialon),
an die Generalkommissare vom 27.08.1942 über die "Verwaltung der jüdischen
Ghettos" ist zum Arbeitseinsatz jüdischer Arbeitskräfte ausgeführt:
45
" ... III. 2. Gegenstand der Vermögensverwaltung ist hiernach in erster Linie das
vorhandene Mobiliarvermögen. Hierzu tritt die Ausnutzung der Arbeitskraft der Juden,
die insoweit als angefallenes Vermögen gilt. Die Vermögensverwaltung ist durch den
Reichsminister für die besetzten Ostgebiete den Finanzabteilungen übertragen, die
diese Aufgaben unmittelbar oder über die Stadt- und Gebietskommissare erfüllen ...
46
4. Die Nutzung der Arbeitskraft der Juden geht in zweierlei Form vor sich: a) durch
Vermietung an öffentliche oder private Arbeitgeber,
47
b) durch Betrieb von Werkstätten (Regiebetrieb)
48
5. Die Vermietung der jüdischen Arbeitskräfte wird im Auftrag des Stadt- und
Gebietskommissars durch das örtliche Arbeitsamt durchgeführt. Dieses weist dem
Arbeitgeber die angeforderten Juden zu und teilt dies der Vermögensverwaltung des
Ghettos (Stadt- oder Gebietskommissar) mit. Der Stadt- oder Gebietskommissar erteilt
hierauf dem Arbeitgeber eine Rechnung, deren Begleichung zu überwachen ist.
49
6. Unter der Voraussetzung, dass die zugewiesenen jüdischen Arbeitskräfte voll
arbeitsfähig sind, ist für die Miete von Facharbeitern der übliche Lohn zu entrichten. Die
Generalkommissare erlassen über die Höhe der Löhne für Fachkräfte und Ungeschulte
nähere Bestimmungen. Es muss vermieden werden, dass die Unternehmer aus der
Beschäftigung von Juden zusätzliche Vorteile beziehen ..." (abgedruckt in:
Benz/Kwiet/Matthäus, S. 153 ff).
50
Seit dem Einmarsch der deutschen Truppen operierten die mobilen Einsatzkommandos
der SS in Litauen und ermordeten systematisch Juden. Die jüdische Bevölkerung wurde
im Sommer/Herbst 1941 in Ghettos konzentriert. Ende Dezember 1941 wurden die
"Aktionen" eingestellt. Am 21.06.1943 wurden auf Befehl Himmlers alle Ghettos im
Reichskommissariat Ostland, auch in Litauen, mit Wirkung zum 01.08.1943 unter SS-
Verwaltung gestellt. Er befahl die Auflösung der Ghettos, die Deportierung der
arbeitsfähigen Ghettobewohner in Konzentrationslager und die Ermordung der übrigen
Bewohner.
51
Demnach setzte der für das Reichskomissiariat Ostland zuständige Reichskommissar
Lohse den durch die Verordnung vom 16.08.1941 eingeführten, strafbewehrten
Arbeitszwang für alle in den neu besetzten Ostgebieten ansässigen Juden männlichen
und weiblichen Geschlechts vom vollendeten 14. bis zum vollendeten 60. Lebensjahr in
den Vorläufigen Richtlinien dahingehend um, dass alle arbeitsfähigen Juden im Alter
von 14 - 60 Jahren nach Maßgabe des Arbeitsbedarfs zur Zwangsarbeit heranziehen
waren. In den Vorläufigen Richtlinien wird weder nach Geschlecht (Männer/Frauen),
Aufenthaltsort (innerhalb oder außerhalb eines Ghettos), Lage der Arbeitsstätte
(innerhalb oder außerhalb des Ghettos) oder Arbeitgeber (privater oder öffentlicher)
unterschieden, sondern sämtliche Beschäftigungen von Juden werden von den
Vorläufigen Richtlinien erfasst.
52
Aus der Verwendung des Begriffs "Zwangsarbeiter" schließt der Senat, dass der
Reichskommissar die Verwendung von jüdischen Arbeitskräften in freiwilligen
Beschäftigungsverhältnissen ausschloss, also die jüdischen Arbeitskräfte zwecks
Arbeitsaufnahme nicht aus dem bestehenden öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis
entlies. Der Senat folgt nicht der vom Historiker Dr. Tauber im Gutachten vom
53
22.11.2005 vertretenen Auffassung, wonach allein die Tatsache, dass die Arbeit von
Ghettobewohnern geleistet worden sei, weder von vorneherein Entgeltzahlungen noch
die "Freiwilligkeit" der Arbeit auszuschließe, auch wenn sowohl aus der Sicht der
deutschen Täter als auch der jüdischen Opfer von "Zwangsarbeit" gesprochen wurden
sei. Auch unter den Bedingungen der Ghettos in Litauen sei jüdische Arbeitsleistung
teilweise "entgolten" worden und es hätte die Einzelperson gewissen Einfluss auf die
eigene Arbeitssituation nehmen können (Seite 4 des Gutachtens). Der Senat lässt dabei
offen, ob der Historiker Dr. Tauber bei seiner Bewertung der historischen Verhältnisse
den Begriff "Entgelt" im Sinne eines rentenversicherungsrechtlich relevanten Entgelts
verwandt hat. Die Überlagerung der Beziehung zwischen den jüdischen Arbeitskräften
und den jeweiligen "Arbeitgebern" wird insbesondere aus den Bestimmungen des
Erlasses vom 27.08.1942 deutlich, in denen die Arbeitskraft der Juden als "Vermögen"
angesehen wird, dessen Verwaltung der Reichskommissar wahrnimmt, und wo die
Form dieser "Vermögensverwaltung" - Vermietung der Arbeitskraft oder Betrieb von
Werkstätten (Regiebetrieb) - festgelegt wird. Nach der Konzeption des Erlasses vom
27.08.1942 handelt es bei dem Einsatz von jüdischen Arbeitskräften außerhalb des
Ghettos um eine Arbeitnehmerüberlassung, die von den deutschen Arbeitsämtern im
Auftrag der jeweils zuständigen örtlichen deutschen Besatzungsstellen organisiert
wurde und die öffentlich-rechtlich geregelt war. Nach Ziffer 5 des Erlasses wies das
Arbeitsamt dem jeweiligen " Arbeitgeber" die angeforderten jüdischen Arbeitskräfte zu,
eine Vereinbarung der Beteiligten - jüdische Arbeitskraft und Arbeitgeber - über das
Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses war nicht vorgesehen. Dabei wird
zwischen privaten und öffentlichen Arbeitgebern nicht unterschieden.
Dies wird insbesondere aus Ziffer III. 5 des Erlasses deutlich, wonach der Stadt- oder
Gebietskommissar dem jeweiligen Arbeitgeber eine Rechnung über den Arbeitseinsatz
der Ghettobewohner erteilt. Ein Wille des Reichskommissars, den jüdischen
Arbeitskräften im Reichskommissariat Ostland einen Freiraum der wirtschaftlichen
Betätigung durch Aufnahme eines freiwilligen Beschäftigungsverhältnisses
einzuräumen, ist auch nicht aus den Vorläufigen Richtlinien erkennbar. Die Tatsache,
dass die jüdischen Arbeitskräfte nach den Vorläufigen Richtlinien eine Vergütung, deren
Form nicht festgelegt war, erhalten sollten, begründet kein wirtschaftliches
Austauschverhältnis zwischen der von ihnen geleisteten Arbeit und dem gezahltem
Entgelt, was unabdingbarer Bestandteil eines "freien" Beschäftigungsverhältnisses ist.
Denn nach dem Willen des Reichskommissars sollte die Vergütung keine
angemessene Entlohnung für die geleistete Arbeit darstellen, sondern nur geeignet
sein, den notdürftigen Lebensunterhalt des Zwangsarbeiters und seiner nicht
arbeitsfähigen Familienangehörigen zu sichern, und damit als Mittel zur Erhaltung der
Arbeitskraft des zur Arbeit gezwungenen Beschäftigten gedacht sein. Leistungen, die
nicht der Entlohnung einer geleisteten Arbeit, sondern anderen Zwecken dienen, stellen
kein Entgelt im Sinne des Rentenversicherungsrechts dar (siehe BSG, Urteil vom
19.04.1990, - 1 RA 91/88 -). Die von den privaten/öffentlichen "Arbeitgebern", die die
Leistungen von jüdischen Arbeitskräften in Anspruch nahmen, zu erbringenden
Zahlungen an die Kasse des Gebietskommissars sind entgegen der Auffassung des SG
nicht als Entgelt werten, da ein Arbeitsentgelt dem Beschäftigten selbst zufließen muss.
Die Abführung von Beträgen des Arbeitgebers für geleistete Arbeit an Dienststellen des
Staates stellt keine Entlohnung dar (BSG, Urteil vom 10.12.1974, - 4 RJ 379/73 -).
54
Gegen das Bestehen einer Gegenseitigkeitsbeziehung zwischen den jüdischen
Arbeitskräften und den privaten Dritten in Form des Austausches von Arbeit gegen Lohn
spricht auch, dass die Vergütung nicht direkt von den jeweiligen "Arbeitgebern" an die
55
jüdischen Arbeitskräfte ausgezahlt werden sollte, sondern die Zahlungen sollten durch
die Kasse des Gebietskommissars erfolgen, wobei diese die Höhe der an die jüdischen
Arbeitskräfte auszuzahlende Vergütung bestimmte, der jeweilige "Arbeitgeber" hatte
keinen Einfluss darauf, ob und in welcher Form die von ihm in Anspruch genommene
Arbeitskraft ein Entgelt für die geleistete Arbeit erhielt. Die in den Vorläufigen Richtlinien
festgelegte Dreiecksbeziehung zwischen den jüdischen Arbeitskräften, den privaten
Dritten und dem jeweiligen Gebietskommissar lässt sich zusammenfassend als
öffentlich-rechtlich organisierte Dienstverschaffung zugunsten privater Unternehmen
charakterisieren, wobei zwischen den jüdischen Arbeitskräften und den privaten Dritten
keine arbeitsrechtlichen Beziehungen bestanden. Dafür spricht auch, dass die in der
Allgemeinen Anordnung des Reichskommissars Lohse vom 21.11 1941 für die
einheimischen Arbeiter im öffentlichen Dienst und in der Wirtschaft (abgedruckt in
Verkündungsblatt des Reichskommissars für das Ostland, 1941 S. 75) festgelegten
Stundensätze für einheimische Arbeiter nicht für jüdische Arbeitskräfte galten, sondern
die Bestimmungen der Anordnung auf jüdische Arbeitskräfte keine Anwendung fanden
(§ 10). Die Höhe der Vergütung, welche die jüdischen Arbeitskräfte erhielten, sowie die
Höhe der Zahlungen der privaten Arbeitgeber wurden jeweils von dem zuständigen
Gebiets- oder Stadtkommissar festgelegt (Ziffer 5e der Vorläufigen Richtlinien; Ziffer 6
des Erlasses vom 27.08.1942). Ein Indiz für einen Sonderstatus der jüdischen
Arbeitskräfte im Vergleich zu dem der einheimischen Arbeiter ist weiterhin, dass der
Generalkommissars in Kaunas in der Verordnung über den Aufbau einer
Sozialversicherung vom 01.05.1943 die Dienstverhältnisse von Juden als nicht
sozialversicherungspflichtig ansah. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass nach
den Darlegungen des Historikers Dr. Tauber "die Beziehungen zwischen den
"Arbeitgebern" und den jüdischen Arbeitern oftmals nicht einmal den minimalen
Forderungen der deutschen Verwaltung entsprachen. Unterschlagung von Lohn,
Vorenthalten von Nahrung oder Misshandlung usw. sicher keine Ausnahmen waren,
sondern eher die Regel" (Seite 21 des Gutachtens). Auch dies spricht nicht für das
Bestehen regulärer Beschäftigungsverhältnisse.
Entsprechend den Vorgaben der Vorläufigen Richtlinien setzte der Gebietskommissar
für die Stadt Schaulen den Arbeitszwang auch tatsächlich um. Nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass neben der
Ausführung von Arbeiten in "unfreien" Beschäftigungsverhältnissen für jüdische
Arbeitskräfte in der Stadt Schaulen die Möglichkeit bestand, eine Beschäftigung in Form
eines freiwilligen und entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses auszuüben. Die
Angaben des Klägers in seinem Schreiben vom 25.01.2006 erhalten keinerlei
Anhaltspunkte für das Bestehen eines freiwilligen und entgeltlichen
Entschädigungsverhältnisses. Sowohl die Arbeit auf dem Flughafen als auch die
Arbeiten beim Torfstecken in Radviliskis, im Tankholzwerk T und anschließend in der
Lederfabrik verrichtete der Kläger nach seinen Angaben nicht aufgrund einer irgendwie
gearteten individuellen Vereinbarung mit einem Arbeitgeber. Vielmehr wurden ihm die
Arbeiten nach Vermittlung durch das Arbeitsamt im Ghetto und dem Judenrat
zugewiesen. Er hatte keinerlei Kenntnis darüber, welche Vereinbarungen zwischen den
jeweiligen Arbeitgebern und dem Arbeitsamt, dem Judenrat und sonstigen Stellen
bestanden. Auf die Frage nach der Zahlung von Entgelt führte er aus, "wir wussten und
durften uns nicht in das geschäftliche Teil der Arbeitsverteilung rein mischen" und an
anderer Stelle: "Ich habe keine Idee wie diese Zahlungen für die Arbeit in der Ghettozeit
funktionierten - nur eines ist sicher - alles wurde zentralisiert - Deutsche, Litauische
Arbeitgeber wurden durch Judenräte und Arbeitsämtern in den Ghettos, haben es nicht
in Officieller Weise geführt." Als an ihn zu entrichtendes Entgelt gibt der Kläger lediglich
56
Sachbezüge in der Form von Mittagessen während der Arbeitszeit und als Lebensmittel
und Gutscheine für Lebensmittel, die im Ghetto verteilt werden, an. Dies bestätigt die
nachfolgend dargestellten Erkenntnisse des Senats. Nach Auswertung der
beigezogenen Dokumente und der Literatur sowie des Gutachtens von dem Historiker
Dr. Tauber stellen sich die Verhältnisse in der Stadt Schaulen wie folgt dar:
Am 26.06.1941 wurde Schaulen von der Deutschen Wehrmacht besetzt. In den ersten
zwei Wochen der Besatzung wurden von Deutschen und Litauern ca. 1.000 jüdische
Einwohner Schaulens ermordet. Zwischen dem 25.07 und 31.08.1941 wurde in den
Stadtbezirken Kaukazas und Trakai ein Ghetto eingerichtet. Ab dem 01.09.1941 wurde
das Ghetto als "geschlossenes" Ghetto geführt. Das Ghetto konnte nur mit einer
Sondergenehmigung verlassen werden. Die Tore wurden von litauischen Wachtposten
bewacht. (Pinkas Hakehillot, S. 163 GA; Bubny, S. 331 GA; Jeruschalmi, S. 351/352
GA). Die Ghettobevölkerung betrug ca. 4.500 bis 5.000 Personen, davon waren ca. 65
% Frauen. Es wurde ein Judenrat eingerichtet und eine jüdische Polizei aufgestellt. Der
Judenrat überwachte die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Ghetto, den
Arbeitseinsatz der Arbeiter, die Nahrungsmittelversorgung und deren Verteilung
innerhalb des Ghettos, sanitäre Einrichtungen und sonstige Aktivitäten des Alltags. Er
war Adressat der Anordnungen des Gebietskommissars für die Ghettobewohner und
Repräsentant der Ghettobewohner mit der Pflicht, die Weisungen des
Gebietskommissars weiterzugeben und deren Erledigung zu beaufsichtigen (siehe LG
Lübeck, Urteil vom 27.01.1970, 2 Ks 1/68 S. 528 GA; Bubny S. 332 GA; Dr. Tauber S. 22
des Gutachtens). Die " Aktionen", bei denen Ghettobewohner selektiert und ermordet
wurden, endeten Ende September 1941. Ab dem 15.08.1942 galt das Verbot von
Geburten im Ghetto, es wurden Zwangsabtreibungen durchgeführt (Pinkas Hakehillot,
S. 165 GA; Bubny S. 333 GA).
57
Den "arbeitsfähigen" Ghettobewohnern wurden gelbe Arbeitskarten ausgeteilt. Die
Zuweisung der Ghettobewohner zu bestimmten Arbeitsstellen nahm das Arbeitsamt vor,
das zunächst eine selbständige Behörde war und vom Jahr 1942 als Abteilung des
Gebietskommissars geführt wurde. Wehrmachtsdienststellen und andere deutsche "
Bedarfsträger" forderten beim Arbeitsamt jüdische Arbeitskräfte an. Das Arbeitsamt
stellte mittels eines im Ghetto eingerichteten und von einem Litauer geleiteten Büros mit
jüdischen Hilfskräften, das ihm unterstellt war, die entsprechende Zahl der
Ghettobewohner zusammen und wies sie der anfordernden Stelle zu. Ghettobewohner
waren innerhalb und außerhalb des Ghettos beschäftigt. Wichtige Arbeitsstellen waren
der bei Schaulen gelegene Flugplatz, das Bekleidungs- und Verpflegungssamt, ein
Verpflegungslager der Wehrmacht, Einrichtungen der Reichsbahn, die Lederfabrik
Frenkel sowie die Schuhfabrik C (siehe LG Lübeck, Urteil vom 27.01.1970, 2 Ks 1/68
S.518/519 GA; Jeruschalmi S. 347/352 GA). Der Tageslohn für jüdische Arbeitskräfte
soll nach den Darlegungen des Historikers Dr. Tauber (Seite 47 des Gutachtens) 1,50
RM für Männer und 1,30 RM für Frauen betragen haben. Entsprechend den Vorgaben in
den Vorläufigen Richtlinien zahlten die "Bedarfsträger" 50 % der Vergütung an das
Arbeitsamt für die Kasse des Gebietskommissars. Die jüdischen Arbeitskräfte erhielten
keinen Lohn direkt von den "Bedarfsträgern" ausgezahlt, sondern eine Vergütung wurde
durch den Judenrat ausgezahlt. Mit der Vergütung konnte die Arbeitskräfte in den
Geschäften des Ghettos Lebensmittel kaufen (siehe Lipshitz, The Siauliai Ghetto in "The
Siauliai Ghetto: Lists of Prisoners, S. 201 ff, S. 212; Bubny S. 332 GA).
58
Für die Verpflegung der Ghettobewohner legte der Reichskommissar Rationen in Höhe
der Hälfte der für die litauischen Bevölkerung vorgeschriebenen Zuteilungen fest. Nach
59
diesen Sätzen stellte die Behörde des Gebietskommissars Großbezugsscheine aus,
aufgrund derer die litauische Stadtverwaltung dem Ghetto Nahrungsmittel zu liefern
hatte. Die für eine angemessene Versorgung der Juden unzureichenden Rationen
wurden infolge von Versäumnissen der litauischen Stellen oft nicht im vollen Umfang
zur Verfügung gestellt. Im Ghetto herrschte Hungersnot. Die jüdischen Arbeitskräfte
versuchten deshalb, auf den außerhalb des Ghettos gelegenen Arbeitstätten zusätzliche
Lebensmittel zu erwerben und in das Ghetto zu schmuggeln (siehe LG Lübeck, Urteil
vom 27 01.1970, 2 Ks 1/68 S.520 GA). Erwerbstätige Ghettobewohner erhielten vom
Judenrat höhere Rationen als die übrigen Ghettobewohner. Die zusätzlichen Rationen
finanzierte der Judenrat nach Angaben von Herrn Jeruschalmi, der Sekretär des
Judenrats war, aus Gewinnen von Lebensmittelverkäufen (siehe Jeruschalmi S. 346
GA).
Am 17.09.1943 übernahm die SS die Verwaltung des Ghettos und das Ghetto erhielt
den Status eines Konzentrationslagers (Dr. Tauber, Seite 14 des Gutachtens).
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Selbst wenn noch von einem gewissen Maß an eigener Entscheidungsfreiheit des
Klägers zur Beschäftigungsaufnahme ausgegangen wird (siehe zur deutlich
eingeschränkten Entscheidungsfreiheit der Ghettobewohner zur
Beschäftigungsaufnahme Dr. Tauber, Seite 30 des Gutachtens), hatte der Kläger keinen
Einfluss auf die Ausgestaltung der Beschäftigungsverhältnisse. Vielmehr war aufgrund
der Organisation des Arbeitseinsatzes von jüdischen Arbeitskräften in Schaulen das
Verhältnis zwischen dem Kläger und seinen"Arbeitgeber" fremdbestimmt, hatte der
Gebietskommissar für die Stadt Schaulen überragenden Einfluss auf die Gestaltung
dieses Verhältnisses. Der in der Stadt Schaulen konkretisierte und tatsächlich
umgesetzte Arbeitseinsatz von Ghettobewohnern entsprach den Vorgaben über den
Arbeitseinsatz in den Vorläufigen Richtlinien und im Erlass vom 27.08.1942 und war
dadurch gekennzeichnet, dass die Ghettobewohner, die zur Arbeitsaufnahme bereit und
vorgesehen waren, durch die Ausgabe von Arbeitsausweisen vom Arbeitsamt erfasst
waren, das Arbeitsamt, welches eine Dienststelle des Gebietskommissars war,
alleinzuständig für die Zuweisung von jüdischen Arbeitskräften war, die Arbeitsabteilung
im Ghetto dem Arbeitsamt direkt unterstellt war und sich die potentiellen Arbeitgeber an
das Arbeitsamt zwecks Zuweisung von Arbeitskräften wandten. Aus den Angaben des
Klägers sowie der Zeugen Q und L über die Organisation und die Bedingungen der
Beschäftigungen ergibt sich nichts abweichendes. Der Kläger und die beiden Zeugen Q
und L berichten übereinstimmend, dass die Beschäftigungen der Ghettobewohner durch
den das Arbeitsamt im Ghetto bzw. dem Judenrat organisiert und vermittelt wurden. Der
Kläger hat ergänzend in der Erklärung vom 25.01.2006 dargelegt, dass er seine
Arbeitgeber nicht kannte und ein Entgelt für geleistete Arbeit im Form von Sachbezügen
und Lebensmittelcoupons nicht von den Arbeitgebern, sondern von den
Behörden/Verwaltung im Ghetto ausgezahlt erhalten habe. Für die Fremdbestimmtheit
der Tätigkeiten schon vor dem 17.09.1943, dem Zeitpunkt der Umwandlung des Ghettos
in ein Konzentrationslager, spricht auch insbesondere die Einlassung des Klägers im
Schreiben vom 05.11.2002, wonach das Ghetto Schaulen unter "denselben
Arbeitsbedingungen und Gewohnheiten" fortbestanden habe, bis er im Juli 1944 ins KZ
Stutthof deportiert worden sei und dass er und seine Familie im Jahr 1943 im Ghetto
geblieben seien, wo "alles weiterlief wie gewohnt". Aus dieser Erklärung wie auch der
Erklärung vom 25.09.2006 ist zu entnehmen, dass sich nach Einschätzung des Klägers
sich die Verhältnisse im Ghetto nach der Übernahme der Verwaltung durch die SS im
September 1943 und der Umwandlung in ein Konzentrationslager - auch in Hinblick auf
den Arbeitseinsatz - nicht wesentlich änderten. In der folgenden Zeit, als der Kläger in
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einer Lederfabrik arbeitete, beschreibt er seine Lebensbedingungen sogar als "viel
leichter" als vorher. Deshalb folgt der Senat nicht der Auffassung des SG , dass erst ab
Übernahme der Verwaltung des Ghettos durch die SS die Beschäftigung der
Ghettobewohner als Zwangsarbeit bewertet werden kann.
Entgegen der Auffassung des SG existierte im Ghetto Schaulen kein Arbeitsmarkt
neben dem Arbeitsamt, einer Dienststelle des Gebietskomisssars, der sich über
Angebot und Nachfrage regulierte. Aus den Arbeitsplatzwechseln des Klägers kann
nicht geschlossen werden, dass im Ghetto eine Arbeitsvermittlung bestand und deshalb
der Kläger die Möglichkeit hatte, aus freiem Willensentschluss im Rahmen der
bestehenden Möglichkeiten einen Arbeitsplatz anzunehmen bzw. zu wechseln. Dabei
geht das SG zunächst unzutreffend davon aus, dass der Kläger ab Mai 1942 nur noch
Arbeiten innerhalb des Ghettos verrichtet habe und das Arbeitsamt im Ghetto für die
Organisation und Verteilung der Arbeit zuständig war. Sämtlich von Kläger angebenen
Arbeitsstätten lagen außerhalb des Ghettos. Das Büro im Ghetto, das den Arbeitseinsatz
organisierte, wurde nicht vom Judenrat geleitet, sondern von einem Litauer, wobei das
Büro direkt dem Arbeitsamt unterstellt war. Soweit die Ghettobewohner durch
persönliche Beziehungen zu Mitarbeitern der Arbeitsabteilung einen
Arbeitsplatzwechsel erreichten, nutzten diese nur eine Möglichkeit, die ihnen das
System bot, sie konnten aber den Arbeitsplatz ohne Einschaltung des Arbeitsamts nicht
frei wählen. Auch aus der Vielzahl der Arbeitstätten außerhalb und innerhalb des
Ghettos, an denen Ghettobewohner eingesetzt waren, lässt sich nicht ableiten, dass ein
sich selbst regulierender Arbeitsmarkt bestand. Vielmehr ist dies nur ein Indiz dafür,
dass das von den deutschen Besatzungsbehörden verfolgte Konzept der Ausbeutung
der Arbeitskraft der Juden im Form von Zwangsarbeit erfolgreich umgesetzt wurde.
Insoweit sind die Verhältnisse im Ghetto Schaulen nicht vergleichbar mit den
Verhältnissen im Ghetto Lodz, die u.a. durch das Bestehen eines "Ghetto-
Arbeitsmarktes" gekennzeichnet waren, der durch die Nachfrage nach Arbeitskräften
aufgrund branchenspezifischer Anforderungen entstanden war und auf dem durch den
Judenrat, der einer eigenen Stadtverwaltung mit umfangreicher Verwaltungsbürokratie
entsprach, Arbeitskräfte je nach Arbeitsmarktlage in verschiedene Betriebe vermittelt
wurden (siehe BSG, Urteil vom 18.06.1997, - B 5 RJ 66/95 -; Urteil vom 21.09.1999, -. B
5 RJ 48/98 R -). In Schaulen forderten die Betriebsinhaber beim Arbeitsamt, einer
Dienststelle des Gebietskommissars, jüdische Arbeitskräfte an, diese Stelle wies die
Arbeitskräfte nach eigenem Ermessen zu, das Büro für Arbeit im Ghetto handelte im
Auftrag des (deutschen) Arbeitsamts, ein eigenständiger Arbeitsmarkt entwickelte sich
im Ghetto Schaulen nicht.
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Aus den Angaben des Klägers sowie der Zeugen Q und L ergibt sich nichts
Abweichendes. Insbesondere waren für die Arbeitsplatzwechsel nach den Angaben des
Klägers nicht nur sein Wunsch, eine Arbeit unter besseren Bedingungen zu erhalten,
sondern auch äußere Umstände - Beendigung einer saisonalen Arbeit im Herbst 1942
und "Kasernierung im Ghetto" im Sommer 1943 -entscheidend, wobei er nach eigenen
Angaben wusste, dass er sich in den "geschäftlichen Teil der Arbeitsverteilung nicht
reinmischen" durfte. Auch aus dem von der Klägerbevollmächtigten erstinstanzlich
vorgelegten Auszug aus den Erinnerungen von Frau Lagin über ihr Leben im Ghetto
Schaulen wird deutlich, dass auch bei Arbeitsplätzen innerhalb des Ghettos nicht die
Absprache zwischen einer Arbeitskraft und dem jeweiligen Arbeitgeber für den Erhalt
einer Arbeitsstelle entscheidend war, sondern die Entscheidung des Arbeitsamts, an
welcher Stelle eine Arbeitskraft eingesetzt wird. Frau Lagin schildert den Verlust einer
Arbeitsstelle in einer Apotheke im Ghetto, in dem ohne ihr Wissen ihr Arbeitsplatz einer
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anderen Ghettobewohnerin vom Arbeitsamt zugewiesen wurde, wobei ihre
Arbeitgeberin keinen Einspruch erhob. Des weiteren suchte sich Frau Lagin einen
neuen Arbeitsplatz nicht selbst, sondern wandte sich an das Büro im Ghetto zwecks
Zuweisung eines neuen Arbeitsplatzes.
Auch die Tatsache, dass die jüdischen Arbeitskräfte nicht nur Sachbezüge in Form von
Essen am Arbeitsplatz und Zuteilung von erhöhten Lebensmittelrationen durch den
Judenrat, deren Erhalt der Kläger in der Erklärung vom 25.01.2006 angibt, sondern nach
den Angaben in der Sekundärliteratur auch ein Barentgelt - dessen Erhalt der Kläger in
der Erklärung vom 25.01.2006 verneint - ausgezahlt erhielten, spricht nicht gegen die
Annahme eines "unfreien" Beschäftigungsverhältnisses. Denn weder die Sachbezüge
noch die Barvergütung wurden nach der beigezogenen Literatur von den jeweiligen
"Arbeitgebern", sondern von einem Dritten - dem Judenrat - ausgezahlt. Dies entspricht
den Angaben des Klägers in der Erklärung vom 25.01.2006, wonach die Auszahlung
von Sachbezügen und Lebensmittelgutsheinen durchgehend durch die Verwaltung im
Ghetto erfolgte. Der Judenrat handelte bei der Ausgabe der Sachbezüge oder
Auszahlung des Barentgelts nicht als Zahlstelle der Arbeitgeber bzw. nahm die
Vergütung für die geleistete Arbeit nicht als Beauftragter oder Treuhänder der
Ghettobewohner im Empfang. Denn der Judenrat erhielt die Zahlungen nicht von den
jeweiligen "Arbeitgebern" zwecks Weiterleitung an die Beschäftigten, sondern es
handelte sich um Leistungen der Kasse des Gebietskommissars, der bestimmte, ob und
in welchem Umfang ein Teil der an ihn für die "Miete von Arbeitskräften" geleisteten
Zahlungen der "Arbeitgeber" an die Beschäftigten über den Judenrat weitergeben
wurden. Dabei waren die zusätzlichen Lebensmittelrationen, die vom Judenrat an
Erwerbstätige ausgegeben wurden, nicht Bestandteil der in den Vorläufigen Richtlinien
vorgesehenen Vergütung, sondern es handelte sich um eine zusätzliche Leistung des
Judenrats (siehe Jeruschalmi S. 246 GA). Werden Sachbezüge lediglich im
Zusammenhang mit der Beschäftigung, aber nicht mit der Zweckbestimmung einer
Gegenleistung für erbrachte Dienst- und Arbeitsleistungen - wie im vorliegenden Fall -
gewährt, fehlt den Sachbezügen der Rechtscharakter eines Entgelts (siehe BSG, Urteil
vom 19.04.1990, - 1 RA 91/88 -).
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Entgegen der Auffassung des Klägers folgt auch nicht aus dem von der Rechtsprechung
vertretenen Entstehungsprinzip (siehe dazu BSG, Urteil vom 14.072004, - B 12 KR 7/04
R - m.w.N.), dass die Beschäftigung von Bewohnern des Ghettos Schaulen, also auch
die des Klägers, als entgeltliche und damit auch sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung zu bewerten ist. Das Entstehungsprinzip gilt zwar für die Feststellung der
Versicherungspflicht (Überschreiten der Grenzen einer versicherungsfreien
Beschäftigung) und die Beitragshöhe. Es stellt für die Entstehung, den Fortbestand und
die Berechnung einer Beitragsforderung nicht auf das tatsächlich gezahlte
Arbeitsentgelt, sondern auf die Höhe des Arbeitsentgelts ab, auf das dem Arbeitnehmer
ein Rechtsanspruch zusteht (siehe dazu BSG, Urteil vom 14.07.2004, - B 12 KR 7/04 R -
m.w.N.). Aus dem Entstehungsprinzip lässt sich aber nicht das Bestehen einer freien
Beschäftigung ableiten. Denn es setzt das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses
aufgrund von arbeitsvertraglichen Beziehungen sowie einen Rechtsanspruch des
Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt voraus und regelt die Folgen einer Verletzung der
arbeitsvertraglichen Pflichten durch den Arbeitgeber im Beitragsrecht (siehe Seewald in
Kasseler Kommentar, § 4 SGB VI Rz. 50 ff, 56; BSG, Urteil vom 14.072004, - B 12 KR
7/04 R - ). Es lässt keinen Rückschluss auf das Vorliegen eines freien
Beschäftigungsverhältnisses zu. . Eine Anerkennung als Beschäftigungszeit nach § 16
FRG scheidet für die Zeit vom 01.09.1941 bis zum 25.12.1942 aus, da der Kläger in
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diesem Zeitraum noch nicht das 17. Lebensjahr vollendet hatte. Auch kann die Zeit vom
26.12.1942 bis zum 16.09.1943 nicht als Beschäftigungszeit nach § 16 FRG
berücksichtigt werden, da die Beschäftigung in diesem Zeitraum nach dem am 1. März
1957 geltenden Bundesrecht keine Versicherungspflicht in den gesetzlichen
Rentenversicherungen begründet hätte, wenn sie im Gebiet der Bundesrepublik ohne
dass Beitrittsgebiet verrichtet worden wäre (§ 16 Abs. 1 S. 2 1 Halbsatz FRG).
Die Beklagte hat auch zutreffend die Anerkennung von Ghetto-Beitragszeiten nach § 1
des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto
(ZRBG) durch Bescheid vom 29.10.2002 abgelehnt. Nach § 1 Abs.1 gilt das ZRBG für
Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise
aufgehalten haben, wenn die Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zustande
gekommen ist, gegen Entgelt ausgeübt wurde (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr.1 ) und das Ghetto sich
in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt war (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2).
Eine Beschäftigung im Sinne von § 1 Abs.1 S. 1 Nr. 1 ZRBG ist vorliegend nicht
glaubhaft gemacht. Bei den vom Kläger in der Zeit vom 01.09.1941 bis 16.09.1943
ausgeübten Beschäftigungen handelt es sich nicht um aus eigenem Willensentschluss
zustande gekommene und gegen Entgelt ausgeübte Beschäftigungen im Sinne von § 1
Abs. 1, S. 1 Nr. 1 ZRBG. Entgegen der Auffassung des Klägers genügt es zur Erfüllung
der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1Nr. 1 ´ZRBG nicht, dass die Merkmale einer
versicherungspflichtigen Beschäftigung rudimentär vorgelegen haben. Bei der
Auslegung der in § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZRBG verwandten Begriffe "aus eigenem
Willensentschluss zustande gekommen" und "gegen Entgelt ausgeübt" ist auf die
Kriterien der Rechtsprechung des Bundssozialgerichts (BSG) zur Frage der
versicherungsrechtlichen Einordnung und Abgrenzung von Zwangsarbeit zu
versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen in einem Ghetto abzustellen (vgl.
Urteile vom 14.07.1999, - B 13 RJ 75/98 R - und - B 13 RJ 61/98 R -). Denn das ZRBG
knüpft nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, erkennbar an
die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit
für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in einem Ghetto an. Eine Erweiterung
des anspruchsberechtigten Personenkreises über die von der "Ghetto-Rechtsprechung"
Begünstigten hinaus ist vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen. Die in § 1 ZRBG
genannten Kriterien folgen der Rechtsprechung des BSG und verdeutlichen die
Abgrenzung einer von den Merkmalen der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit bestimmten
Beschäftigung, die grundsätzlich der Versicherungspflicht unterliegt, gegenüber der
nichtversicherten Zwangsarbeit, also unfreien Beschäftigungsverhältnissen (BSG, Urteil
vom 7.10.2004, - B 13 RJ 59/03 R -; Urteil vom 20.07.2005, - B 13 RJ 37/04 -; LSG
NRW, Urteil vom 27.01.2006, - L 4 RJ 126/04 -).
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Da keine Beitragszeiten glaubhaft gemacht worden sind, können wegen Fehlens der
Versicherteneigenschaft keine Ersatzzeiten zur Erfüllung der Wartezeit berücksichtigt
werden.
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Weitere Ermittlungen von Amts wegen sind nicht geboten. Der Sachverhalt ist
hinreichend geklärt. Der Senat verfügt unter Berücksichtigung der vom Senat
vertretenen Auslegung des Begriffs einer " freiwilligen und entgeltlichen Beschäftigung"
und der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG sowie nach Auswertung der beigezogenen
Dokumente und den beigezogenen Abhandlungen mehrerer Historiker über die
Verhältnisse in Litauen bzw. im Ghetto Schaulen über eigene Sachkunde, um
Feststellungen über die Verhältnisse in Schaulen in den Jahren 1941 bis 1943 treffen
und ihre rechtliche Relevanz beurteilen zu können. Der Senat hat sich daher nicht
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gedrängt gefühlt, entsprechend dem Beweisantrag des Klägers ein historisches
Gutachten von Dr. Tauber über die Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit von
Beschäftigungen im Ghetto Schaulen einzuholen. Der Senat hat das im Verfahren vor
dem Sozialgericht Hamburg, S 6 RJ 730/04, erstattete Gutachten von Dr. Tauber über
die Ghettos in Litauen, Kaunas, Wilnius und Siauliai vom 22.11.2005 beigezogen und
verwertet. Soweit Dr. Tauber auf Seite 4 des Gutachtens ausführt, dass allein die
Tatsache, dass die Arbeit von Ghettobewohnern geleistet wurde, weder
Entgeltzahlungen noch die "Freiwilligkeit" der Arbeit von vorneherein ausschließe, auch
wenn sowohl aus der Sicht der deutschen Täter als auch der jüdischen Opfer von
"Zwangsarbeit" gesprochen wurden sei und auch unter den Bedingungen der Ghettos in
Litauen jüdische Arbeitsleistungen teilweise "entgolten" worden seien und die
Einzelperson einen gewissen Einfluss auf die eigenen Arbeitssituation hätten nehmen
können, kann dies hier offenbleiben. Denn der Senat hat unter Würdigung der Angaben
des Klägers über seine Beschäftigungen zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für
die Annahme eines freien beziehungsweise unfreien Beschäftigungsverhältnisses im
Sinne der Rentenversicherung vorliegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
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