Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 11.10.2000

LSG NRW: therapie, recht auf leben, körperliche unversehrtheit, krankenversicherung, heilbehandlung, arzneimittel, vergleich, hauptsache, ermessensleistung, erwerbsfähigkeit

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Sachgebiet:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Landessozialgericht NRW, L 7 B 3/00 V
11.10.2000
Landessozialgericht NRW
7. Senat
Beschluss
L 7 B 3/00 V
Sozialgericht Detmold, S 16 V 104/00 ER
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
rechtskräftig
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts
Detmold vom 18.04.2000 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten für eine Behandlung des
Antragstellers mit einem Thymuspeptid-Präparat.
Der Antragsgegner erkannte beim Antragsteller als Schädigungsfolge i.S.v. § 80
Soldatenversorgungsgesetz (SVG) eine kompensierte Lebercirrhose bei chronisch aktiver
Hepatitis C an und gewährt dem Antragsteller eine Grundrente nach einer Minderung der
Erwerbsfähigkeit (MdE) um 60%. Mit Bescheid vom 05.03.1998 i.d.F. des
Widerspruchsbescheids vom 15.10.1998 beschied der Antragsgegner den Antrag des
Antragstellers auf Übernahme der Kosten für eine Thymuspeptid-Behandlung gemäß §§
10, 11 BVG abschlägig. Ein Anspruch auf Kostenübernahme bestehe nach §§ 10, 18c Abs.
3 BVG nicht. Bei der Thymuspeptid-Behandlung handele es sich um eine
außervertragliche Behandlungsmethode, die von der Leistungspflicht der gesetzlichen
Krankenkassen nicht umfaßt werde. In der Zeit von März bis Juni 1999 führte der Kläger
eine Thymuspeptid-Behandlung auf eigene Kosten durch. In dem Verfahren S 16 V 370/98
vor dem Sozialgericht Detmold schlossen die Beteiligten einen Vergleich mit folgendem
Inhalt:
"1.
Der Beklagte verpflichtet sich, die Kosten der vom Kläger von Ende März bis Anfang Juni
1999 durchgeführten Thymuspeptid-Therapie bis zu einer nachgewiesenenen Höhe von
600,-- DM zu erstatten.
2.
Der Kläger verpflichtet sich bis zu dem Zeitpunkt, in dem eine Entscheidung des
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Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über eine mögliche Empfehlung der
Thymuspeptid-Behandlung getroffen wird, keinen neuen Antrag auf Gewährung einer
derartigen Behandlung gegenüber dem Beklagten zu stellen.
3.
Der Kläger ist hiermit einverstanden und betrachtet den Rechtsstreit als erledigt."
In Ausführung des Vergleiches erging ein Bescheid vom 28.10.1999, in dem der
Antragsgegner feststellte, die Kosten von der Ende März bis Anfang Juli 1999
durchgeführten Thymuspeptid-Therapie gegen Vorlage entsprechender Nachweise bis zu
einer Höhe von 600,-- DM zu erstatten. Unter dem 11.11.1999 erfolgte eine entsprechende
Auszahlungsanordnung.
Mit Schreiben vom 25.11.1999 legte der Antragsgegner Widerspruch gegen den Bescheid
vom 28.10.1999 ein. Er begehrte die Übernahme der Kosten einer weiteren Thymuspeptid-
Behandlung. Die im ersten Halbjahr 1999 durchgeführte Thymuspeptid-Behandlung habe
zu einem deutlichen Rückgang der entzündlichen Reaktionen geführt. Dieser deutliche
Therapieerfolg sei nur dann auf Dauer gesichert, wenn die Thymuspeptid-Behandlung
fortgesetzt werde. Hinsichtlich der konventionellen Behandlungsmethoden seien die bei
ihm anerkannten Schädigungsfolgen austherapiert. Bei der Thymuspetid-Behandlung
handele es sich um die einzige Therapieform, die sein schädigungsbedingtes Leiden
verringert habe. Aufgrund der funktionellen Auswirkungen der anerkannten
Schädigungsfolgen und der damit verbundenen geminderten Arbeitskraft und verringerten
Einkommen sei er nicht in der Lage, die Kosten für die Behandlung auf Dauer zu tragen. Mit
Widerspruchsbescheid vom 16.02.2000 verwarf der Antragsgegner den Widerspruch als
unzulässig.
Am 15.03.2000 hat der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom
16.02.2000 beim Sozialgericht Detmold, S 16 V 104/00, erhoben, mit dem Begehren, den
Beklagten zur Übernahme der Kosten von weiteren Thymuspeptid-Behandlungen zu
verpflichten.
Mit Schreiben vom 16.03.2000 beantragte der Antragsteller erneut die Übernahme der
Kosten einer Therapie mit Thymuspeptid-Präparaten. Mit Bescheid vom 24.03.2000 i.d.F.
des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2000 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab.
Hiergegen hat der Antragsteller am 24.05.2000 Klage beim Sozialgerichht Detmold, S 16 V
170/00, erhoben. Er verfolgt sein Begehren weiter. Er ist der Auffassung, der Antragsgegner
habe zur Besserung seines Leidens und zur Verhütung einer Verschlechterung seines
Gesundheitszustandes eine Einzelfallentscheidung zu treffen. Dabei müsse er
berücksichtigen, daß die schon einmal durchgeführte Thymuspeptid-Therapie erfolgreich -
Rückgang der Entzündungsparameter - gewesen sei und nach unterbliebener Fortführung
der Therapie eine Verschlechterung der Laborwerte bezüglich der entzündlichen
Reaktionen bei ihm feststellbar sei.
Am 15.03.2000 hat der Antragssteller beim Sozialgericht Detmold einstweiligen
Rechtsschutz begehrt. Er hat dargelegt, das bei ihm als Schädigungsfolge anerkannte
Leiden sei nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten unheilbar und austherapiert. Wegen
des fortschreitenden Leidens und des damit verbundenen Risikos zum Auftreten weiterer
Krankheiten bestünde bei ihm eine dringende Behandlungsbedürftigkeit, insbesondere
unter dem Gesichtspunkt, daß schon Folgeerkrankungen aufgetreten seien und sich sein
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Gesundheitszustand zunehmend verschlechtere. Deshalb sei der Antragsgegner
verpflichtet, die Kosten für weitere Therapien mit Thymuspetid-Präparaten zu übernehmen.
Die Weigerung des Antragsgegners verstoße gegen Art. 2 Grundgesetz (GG). Wegen
Überschuldung sei er derzeit nicht in der Lage, die Kosten der Therapie selbst zu tragen.
Mit Beschluss vom 18.04.2000 hat das Sozialgericht Detmold den Antrag abgelehnt.
Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Gegen den am 22.04.2000 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 27.04.2000
Beschwerde eingelegt.
Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringenn. Ergänzend trägt er vor, daß die
recidivierenden Entzündungsschübe zu irreversiblen Schädigungen führen würden, die
eine Verkürzung seiner individuellen Lebenserwartung zur Folge habe. Deshalb sei die
einzige bei ihm erfolgversprechende Therapie im Rahmen einer Einzelfallentscheidung zu
gewähren. Die Kosten einer Therapie mit den Präparaten Thym-Uvokal-Injektionslösung,
Thymoject oder Neythymun k-solubile-Trockensubstanz und Lösungsmittel betrage je
Behandlungsintervall ca. 500,-- DM.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 18.04.2000 aufzuheben und den
Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, bis zur
Entscheidung in der Hauptsache eine Therapie mit den Präparaten Thym-Uvokal-
Injektionslösung oder Thymoject oder Neythymun, k-solubile-Trockensubstanz und
Lösungsmittel durchzuführen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Senat hat Auskünfte von dem Arbeitsausschuß "Arzneimittel" des Bundesausschusses
der Ärzte und Krankenkassen eingeholt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auuf den Inhalt der
Gerichts- und Verwaltungsakte sowie der beigezogenen Akten des Sozialgerichts Detmold
S 16 V 370/98 und S 16 V 170/00 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Im sozialgerichtlichen Verfahren ist der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung
statthaft. Dies folgt, da der einstweilige Rechtsschutz in § 97 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
nur bruchstückhaft geregelt ist, aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG
(grundlegend: Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 19.10.1977, BVerfGE
46, 166 ff. zur einstweiligen Anordnung). Art und Umfang des zu gewährenden
Rechtsschutzes ergeben sich hierbei aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 80
Abs. 5 und 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Antragsteller begehrt im Wege
der einstweiligen Anordnung von dem Antragsgegner die vorläufige Durchführung einer
Therapie mit einem bestimmten Arzneimittel bis zum Abschluß der beiden Klageverfahren
und somit den Erlaß einer Leistungsanordnung. Sein Begehren ist daher nach § 123
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VwGO analog zu beurteilen, soweit die Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens
dem nicht entgegenstehen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 30.08.1990, L 9 S 42/90; vom
06.09.1999, L 7 V 47/99). Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung
die Sachleistung in vollem Umfang - Durchführung einer Therapie mit einem bestimmten
Arzneimittel -, die Gegenstand der beiden anhängigen Klageverfahren beim SG S 6 V
100/00 und S 16 V 170/00 Detmold ist. Eine Leistungsanordnung darf eine endgültige
Entscheidung nicht vorweg nehmen. Deshalb ist es in der Regel unzulässig, einen
Antragsgegner zum Erlaß eines im Hauptsacheverfahren begehrten Verwaltungsaktes zu
verpflichten. Eine Vorwegnahme einer Hauptsache kann im Rahmen einer
Leistungsanordnung nur dann erlassen werden, wenn dies zur Abwehr schwerer,
unzumutbarer und nicht anders zu behebender Nachteile erforderlich ist, zu deren
nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage
wäre. Die Feststellung, daß die zu befürchtenden schweren Nachteile für den
Rechtsuchenden unzumutbar sind, erfordert eine Abwägung des im Rahmen des
Ausgangsverfahrens bestehenden öffentlichen Interesses des Leistungsträgers am
Bestand des von ihm erlassenen Verwaltungsaktes mit dem des Rechtsuchenden auf
Durchsetzung der von ihm geltend gemachten Rechte. Im Rahmen dieser Abwägung sind
auch die Erfolgsaussichten einer Klage gegen den Verwaltungsakt zu berücksichtigen. Bei
offensichtlicher Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes wird seine Vollstreckung
auszusetzen und gegebenenfalls eine vorläufige Leistung anzuordnen sein. Andererseits
kann es dem Rechtsuchenden zuzumuten sein, eventuell schwerwiegende Nachteile auch
schon vor der Entscheidung im Klageverfahren hinzunehmen, wenn ein Erfolg der Klage
nicht zu erwarten ist. Im einzelnen sind das Ausmaß der für den Rechtsuchenden
entstehenden Nachteile und die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Klage nach dem
jeweiligen Sachverhalt abzuschätzen und in umfassender Abwägung der Interessen des
Rechtsuchenden mit denen des Leistungsträgers einzubeziehen.
Die Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Es fehlt sowohl ein
Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund.
Nach der im einstweiligen Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ist der Bescheid
vom 28.10.1999 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2000 sowie der Bescheid
vom 24.03.2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2000 offensichtlich
rechtmäßig.
Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 28.10.1999 i.S.d.
Widerspruchsbescheides vom 16.02.2000 nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen
des erstinstanzlichen Gerichts, die er sich zu eigen macht.
Die Ablehnung des Antragsgegners zur Durchführung einer Therapie mit Thymuspeptid-
Präparaten in dem Bescheid vom 24.03.2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom
27.04.2000 ist ebenfalls offensichtlich rechtmäßig.
Dem Anspruch des Antragstellers auf Durchführung einer Heilbehandlung mit bestimmten
Arzneimitteln aus § 80 Abs. 1 Satz 1 SVG i.V.m. §§ 18 c Abs. 3, 10 Abs. 1, 11 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 S. 2 BVG steht zwar nicht schon der zwischen den Beteiligten im Verfahren S 16 V
370/98 geschlossene Vergleich entgegen. Dort hat der Antragsteller auf die
Geltendmachung seines Rechts auf Gewährung einer Heilbehandlung mit Thymuspeptid-
Präparaten gegenüber dem Antragsgegner verzichtet. Diesen materiell-rechtlichen Verzicht
auf eine Sozialleistung - Durchführung einer Heilbehandlung nach §§ 10, 11 BVG - kann
der Antragsteller gemäß § 46 SGB I jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen, auch
wenn der Verzicht in einem gerichtlichen Vergleich wirksam erklärt worden ist (vgl. BSG,
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Urteil vom 15.10.1985, 11a RA 58/84 SozR 200 § 1251 RVO Nr. 115). Ein Widerruf des
Verzichtes ist spätestens konkludent durch das Schreiben vom 16.03.2000 erfolgt.
Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Durchführung einer Heilbehandlung mit den
im Schreiben vom 08.06.2000 angegebenen Thymuspeptid-Präparaten aus § 80 Abs. 1
Satz 1 SVG i.V.m. §§ 10 Abs. 1, 11 Abs. 1 Satz 1 Nr.2, S. 2 BVG sind nicht gegeben. Wenn
eine Krankenkasse - wie vorliegend - eine bestimmte Leistung nicht erbringen will, ist der
Antragsgegner nach § 18c Abs. 3 BVG verpflichtet zu entscheiden, ob er die vom
Beschädigten begehrte Behandlung als Heilbehandlung i.S.v. §§ 10, 11 BVG durchführt.
Aus § 10 Abs. 1 Satz 1 BVG, wonach einem Beschädigten Heilbehandlung für
Gesundheitsstörungen gewährt wird, um u.a. diese oder die durch diese bewirkte
Beeinträchtigung der Berufs- oder Erwerbsfähigkeit zu beseitigen oder zu bessern, eine
Zunahme des Leidens zu verhindern, folgt nicht unmittelbar ein- Leistungsanspruch des
Beschädigten. Vielmehr bedarf diese Regelung der Umsetzung durch Einzelnormen, wie
sie insbesondere in § 11 BVG enthalten sind (vgl. BSG, Urteil vom 21.10.1998, B 9 V 3/98
R). In § 11 Abs. 1 Satz 2 BVG ist die versorgungsrechtliche Grundentscheidung
konkretisiert, daß einem Beschädigten die Heilbehandlung als Naturalleistung auf dem
standardisierten, kostengünstigen Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung
gewährleistet wird (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, B 9 VG 4/99 R; Urteil vom 28.07.1997,
9 RV 18/96; Urteil vom 13.07.1988, 9/9 a RV 11/87), falls das BVG keine abweichende
Regelung enthält. Einzelnormen, die einen weitergehenden Anspruch auf Versorgung mit
Arzneimitteln, als er dem Leistungsrahmmen der gesetzlichen Krankenversicherung
entspricht, sind im BVG nicht enthalten. Dabei entspricht der versorgungsrechtliche
Arzneimittelbegriff dem des Krankenversicherungsrechts (vgl. BSG, Urteil vom 13.07.1988,
9/9a RV 11/87). Die Verordnung der Präparate Thym-Uvokal-Injektionslösunng oder
Thymoject oder Neythymunk-solubile- Trockensubstanz und Lösungsmittel wird nicht vom
Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung umfaßt. Bei den vom Antragsteller
genannten Präparaten handelt es sich nicht um verordnungsfähige Arzneimittel i.S.v. §§ 27
SGB V. Nach § 27, 31 SGB V umfaßt der Leistungsrahmen der gesetzlichen
Krankenversicherung die Versorgung mit arzneimittelrechtlich zugelassenen Arzneimitteln,
sofern die Arzneimittelapotheken-, d.h. zulassungspflichtig sind (vgl. BSG, Urteil vom
28.01.1999, B 8 KN 1/98 KR R). Nach der Auskunft des Arbeitsausschusses "Arzneimittel"
des Bundesausschusses für Ärzte und Krankenkassen (kurz Bundesausschuß) handelt es
sich bei diesen drei Präparaten um Fertigarzneimittel i.S.v. § 2 AMG, die grundsätzlich der
arzneimittelrechtlichen Zulassung bedürfen. Die drei Präparate sind allerdings nicht
ausdrücklich arzneimittelrechtlich zugelassen worden. Sie gelten bis zur Durchführung
eines Nachzulassungsverfahrens bis 2004 als fiktiv zugelassen, wobei die drei Präparate
gemäß Nr. 17.1.m der Arzneimittelrichtlinien von der Verordnung ausgeschlossen sind.
Das Fehlen der arzneimittelrechtlichen Zulassung sowie der verfügte
Verordnungsausschluß hinsichtlich der drei Präparate sind von den Sozialgerichten wie
Tatsachen zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.1995, 1 RK 8/94). Der
Antragsgegner ist auch nicht verpflichtet, die vom Antragsteller begehrte
Arzneimitteltherapie als neue Behandlungs- und Untersuchungsmethode i.S.v. § 135 SGB
V durchzuführen. Nach § 135 Abs. 1 SGB V unterfällt eine neue Untersuchungs- und
Behandlungsmethode der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn
der Bundesausschuß in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V (sog. NUB-RL)
Empfehlungen zugunsten einer konkreten Therapie abgegeben hat. Bei den sog. NUB-RL
handelt es sich um untergesetzliche Rechtsnormen, die in Verbindung mit § 135 Abs. 1
SGB V für Ärzte, Krankenkassen und Versicherte verbindlich festlegen, welche neuen
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zum Leistungsumfang der gesetzlichen
Krankenversicherung gehören. Dabei unterfallen auch Therapien mit dem Einsatz von
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Arzneimitteln, deren Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht in einem
arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren überprüft worden sind - wie vorliegend - dem
Anwendungsbereich des § 135 SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 28.03.2000, B 1 KR 18/98 R).
Der Bundesausschuß hat in den NUB-RL keine Empfehlung zugunsten der vom
Antragsteller begehrten Arzneimitteltherapie abgegeben. Es sind auch keine Anhaltspunkte
dafür ersichtlich, daß die Einleitung oder Durchführung des Prüfungsverfahrens durch den
Bundesausschuß willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen blockiert oder verzögert
wird und damit eine durch die Untätigkeit des Bundesausschusses hervorgerufene
Versorgungslücke (Systemversagen) vorliegt. Dies ist der Fall, wenn die Wirksamkeit der
neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung
ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei
geführter Statistiken belegt ist oder die begehrte Therapie sich in der medizinischen Praxis
durchgesetzt hat, falls ein Wirksamkeitsnachweis wegen der Art oder des Verlauf der
Erkrankung oder wegen unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnisse auf erhebliche
Schwierigkeiten stößt (vgl. BSG, Urteil vom 28.03.2000, B 1 KR 18/98 R m.w.N.). Der
Antragsteller hat keine Tatsachen glaubhaft gemacht, aus denen auf das Vorliegen eines
Systemversagens geschlossen werden kann. Eine Erweiterung der Leistungspflicht der
Krankenkasse auf Behandlungsmethoden, die sich erst im Stadium der Forschung oder
Erprobung befinden und (noch) nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen
Erkenntnisse entsprechen, läßt daß Gesetz auch bei schweren und sogar vorhersehbar
tödlich verlaufenden Krankheiten grundsätzlich nicht zu.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Ausschluß von nicht verordnungsfähigen
Arzneimitteln i.S.v. §§ 27, 31 SGB V aus dem Leistungskatalog der §§ 10, 11 BVG
bestehen nicht. Aus Art. 2 Absätze 1 und 2 Satz 1 GG folgt eine objektiv-rechtliche Pflicht
des Staates, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen und im
Rahmen des Selbstbestimmungsrechtes zu gewährleisten, daß dem Erkrankten die letzte
Entscheidung über die in seinem Fall anzuwendende Therapie belassen wird. Daraus
ergibt sich jedoch nicht ein subjektiver Anspruch des einzelnen auf Gewährung konkreter
Leistungen durch die gesetzlichen Krankenkassen bzw. Versorgungsverwaltung, also auf
Bereithaltung jeglicher spezieller Gesundheitsleistungen, die der Heilung der Krankheiten
dienen oder jedenfalls bezwecken, daß sich die Krankheit nicht weiter verschlimmert. Bei
der Ausführung der objektiv-rechtlichen Schutzpflicht des Staates und seiner Organe steht
diesem ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Der Umfang des
Heilbehandlungsanspruches des einzelnen wird durch die Leistungsgesetze bestimmt. Die
Bestimmungen der Leistungsgesetze dürfen zum Schutz des Grundrechtes aus Art. 2 Abs.
1 Satz 1 GG nicht völlig ungeeignet und unzugänglich sein. Dabei ist es unter
verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht bedenklich, die Verordnungsfähigkeit und
Unbedenklichkeit eines Arzneimittels zu verneinen, wenn und solange dieses nicht
arzneimittelrechtlich zugelassen ist. Mit der arzneirechtlichen Zulassung verfügen die
Krankenkassen über ein eindeutiges und zugängliches Kriterium bei der Entscheidung
über die Verordnungsfähigkeit von pharmazeutischen Produkten (vgl. BVerfG, Beschlüsse
vom 05.03.1997, 1 BvR 1071/95 und 1068/96; Beschluss vom 15.12.1997, 1 BvR 1953/97;
BSG, Urteil vom 23.07.1998, B 1 KR 19/96 R; Urteil vom 28.03.2000 B 1 KR 18/98 R).
Die Einlassung des Antragstellers, daß sich die Therapie mit den Thymuspetid-Präparaten
in seinem konkreten Einzelfall als erfolgreich erwiesen habe, weil es zu einer Besserung
seines Gesundheitszustandes gekommen sei, begründet einen Leistungsanspruch nicht.
Denn nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V müssen die Qualität und Wirksamkeit der Leistung der
Krankenversicherung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse
entsprechen. Da nach ist ein nur möglicher Behandlungserfolg grundsätzlich nicht
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geeignet, die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht zu begründen. Entscheidend
ist der Nachweis der generellen Wirksamkeit; die Tatsache, daß eine Therapie im
konkreten Einzelfall sich als erfolgreich erwiesen hat, ist nicht relevant (vgl. BSG, Urteil
vom 06.10.1999 B 1 KR 13/97 R; LSG NRW, Urteil vom 04.06.1998, L 16 KR 11/98).
Dahinstehen kann, ob die Durchführung einer Therapie mit Thymuspeptid-Präparaten unter
Berücksichtigunng der Gesichtspunkte - Art und Krankheitsverlauf der anerkannten
Schädigungsfolgen, erfolgloses Ausschöpfen der konventionellen Therapieformen, Nach
weis von positiven Therapieeffekten im konkreten Einzelfall, Höhe der anfallenden
Therapiekosten und besondere Fürsorgepflicht des Antragsgegners - wegen einer
besonderen Härte nach § 89 BVG als Ermessensleistung in Betracht kommt (vgl. BSG,
Urteil vom 13.07.1988, 9/9 a RV 11/87; Rohr/Sträßer, Bundesversorgungsgesetz, § 10 BVG
K 15). Denn der Antragsgegner hat in dem Bescheid vom 24.03.2000 i.d.F. des
Widerspruchsbescheides vom 27.04.2000 nur eine Entscheidung über die Pflichtleistungen
nach § 80 Abs. 1 Satz 1 SVG i.V.m. §§ 18c Abs. 3, 10, 11 BVG, nicht aber über eine
Ermessensleistung nach § 89 BVG getroffen. Überdie Ermessensleistung nach § 89 BVG
hat der Antragsgegner noch einen Bescheid zu erteilen. Denn bei dem Anspruch auf eine
Pflichtleistung - vorliegend aus § 11 Abs. 1 Nr. BVG - und einem Härteausgleich nach § 89
BVG handelt es sich um verschiedene Ansprüche, über die selbständig mit bindender
Wirkung entschieden werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.1996, 9 RV 2/95).
Ein Anordnungsgrund ist ebenfalls nicht gegeben. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft
gemacht, daß es ihm unzumutbar ist, bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens die
anfallenden Therapie kosten vorzustrecken. Nach seinen eigenen Einlassungen betragen
die Kosten für eine Thymuspeptid-Behandlung je Behandlungsintervall 499,-- DM, wobei
jährlich 2 bis 3 Behandlungsintervalle an fallen. Der Antragsteller hat nicht nachvollziehbar
dargelegt, daß er nicht in der Lage ist, den Betrag von ca. 1500,-- DM aus den laufenden
Einkünften - Erwerbseinkommen und Leistungen des Antragsgegners - vorzustrecken. Das
Sozialgericht hat auch zu Recht darauf hingewiesen, daß sich ein Beschädigter bis zur
Klärung seines streitigen Leistungsanspruches im Hauptsacheverfahren auf die Hilfe des
Sozialhilfeträgers verweisen lassen muß.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).