Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 10.03.2003

LSG NRW: kostenfreiheit, private krankenversicherung, allgemeine geschäftsbedingungen, kündigung, versicherungspflicht, unternehmen, gebühr, feststellungsklage, gesetzgebungsverfahren, versicherer

Landessozialgericht NRW, L 3 P 49/02
Datum:
10.03.2003
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 3 P 49/02
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 12 P 222/01
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 12 P 5/03 R
Sachgebiet:
Pflegeversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts
Dortmund vom 11.07.2002 insoweit abgeändert, als der Beklagte zur
Zahlung von 150,00 EUR Pauschgebühr an die Klägerin verurteilt
worden ist. Insoweit wird die Klage abgewiesen. Im Übrigen wird die
Berufung zurückgewiesen. Die Feststellungsklage wird abgewiesen.
Der Beklagte trägt Kosten des Mahnverfahrens i.H.v. 17,90 EUR sowie
die erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Im Übrigen
sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Beklagte wendet sich gegen seine Verurteilung zur Zahlung rückständiger Beiträge
zur privaten Pflegepflichtversicherung sowie zur Übernahme der der Klägerin vor dem
Sozialgericht entstandenen Pauschgebühr (§ 184 SGG - Sozialgerichtsgesetz -); die
Klägerin erstrebt im Wege der Anschlussberufung die Verpflichtung des Beklagten zur
Übernahme der Pauschgebühr für das Berufungsverfahren.
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Der Beklagte war selbständiger Dachdeckermeister und unterhielt bei der Klägerin -
einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit - seit August 1982 eine private
Krankenversicherung und ab Januar 1995 auch eine private Pflegepflichtversicherung
für sich und seine beitragsfrei mitversicherte Tochter D. Der Beitrag zur
Pflegeversicherung in Höhe von monatlich 76,73 DM ab dem 01.01.1999 wurden
aufgrund einer Einzugsermächtigung des Beklagten von dessen Konto abgebucht.
Lastschriften seit Mai 2000 konnten nicht mehr eingelöst werden. Mit Schreiben vom
02.07.1999 kündigte die Klägerin die Krankenversicherung des Beklagten wegen
Zahlungsverzuges zum 31.07.1999.
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Am 14.08.2000 ging bei ihr ein unter der Adresse und dem Namen des Beklagten
abgesandtes Schreiben ohne Unterschrift ein, in dem um Beitragserstattung für die Zeit
von August 1999 bis Mai 2000 im Hinblick auf eine für diesen Zeitraum bei der IKK
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bestehende Pflichtversicherung gebeten werde. Mit Schreiben vom 29.08.2000 teilte die
Klägerin dem Beklagten mit, dass weder ein Kündigungsschreiben noch ein Nachweis
der IKK über eine Pflichtversicherung vorliege. Um ein unterschriebenes
Kündigungsschreiben werde gebeten, da das vorliegende Schreiben nicht vom
Beklagten als Versicherungsnehmer unterschrieben worden sei. Mit Schreiben vom
15.11.2001 teilte die Klägerin dem Beklagten die Beitragshöhe zur
Pflegepflichtversicherung von 92,13 DM ab dem 01.07.1996 mit, die
Pflegepflichtversicherung seiner Tochter bestehe weiterhin beitragsfrei.
Mit Schreiben vom 21.11.2000 kündigte die Klägerin die Pflegeversicherung des
Beklagten zum 31.12.2000 und forderte den Beklagten mit Schreiben vom 05.03.2001
zur Zahlung rückständiger Beiträge auf. Dieses Schreiben sandte der Beklagte zurück
mit dem Hinweis, das sowohl Krankenversicherung als auch Pflegeversicherung mit
Ablauf des Monats Juli 1999 gekündigt worden seien.
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Der Zahlungsrückstand des Beklagten in der Pflegepflichtversicherung löste ein
Bußgeldverfahren (§ 112 Abs. 1 Nr. 6 SGB XI) aus. Der Beklagte focht den
Bußgeldbescheid des Kreises Soest an. Das Verfahren wurde nach der
Hauptverhandlung am 22.05.2001 durch Beschluss des Amtsgerichtes Soest (22 0WI
192 Js 141/01) eingestellt.
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Die Klägerin erwirkte wegen rückständiger Beiträge zur privaten
Pflegepflichtversicherung für die Zeit vom 01.05.2000 bis zum 31.12.2000 einen
Mahnbescheid des Amtsgerichts Hagen (01-6555742 - 0 -0), der dem Beklagten am
12.07.2001 zugestellt wurde. Auf den Widerspruch des Beklagten hat das Amtsgericht
das Verfahren an das Sozialgericht Dortmund zur Durchführung des streitigen
Verfahrens abgegeben. Vor dem Sozialgericht hat der Kläger angenommen, der
Beklagte sei aus dem Pflegepflichtversicherungsvertrag zur Zahlung der Beiträge bis
zum 31.12.2000 verpflichtet, da ein vorherige Kündigung nicht vorliege. Gemäß § 16
MB/PPV 96 (Mantelbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung 1996)
bedürften Willenserklärungen und Anzeigen gegenüber dem Versicherer der
Schriftform. Die vom Beklagten behauptete Kündigung über einen
Versicherungsvermittler sei nicht wirksam. Zu einer Entgegennahme seien
Versicherungsvermittler nicht bevollmächtigt. Der Beklagte hat behauptet, er habe am
01.08.1999 seine Krankenversicherung über seinen Versicherungsvermittler Bartels
gekündigt. Die Richterin im Bußgeldverfahren vor dem Amtsgericht Soest sei der
Auffassung gewesen, man brauche keine Pflegeversicherung zu bezahlen, wenn man
keine Krankenversicherung habe.
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Mit Urteil vom 11.07.2002 hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin
313,85 EUR sowie weitere 150,00 EUR an erst instanzlich entstandener Pauschgebühr
für das sozialgerichtliche Verfahren zu zahlen. Außergerichtliche Kosten hätten die
Beteiligten einander nicht zu erstatten.
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Der Zahlungsanspruch i.H. des ausgeurteilten Betrages folge aus einem bis zur
Kündigung der Klägerin ungekündigt bestehenden Versicherungsvertrag in der privaten
Pflegepflichtversicherung. Dieser Vertrag hätte auch bei angenommenem Eintritt von
Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung einer Kündigung seitens des
Beklagten bedurft. Denn anders als in der sozialen Pflegepflichtversicherung, bei der
ein Wegfall der Versicherungspflicht automatisch die Mitgliedschaft enden lasse (§ 49
Abs. 1 Satz 2 SGB XI), bestehe bei Eintritt der Versicherungspflicht in der sozialen
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Pflegeversicherung hinsichtlich eines privaten Pflegeversicherungsvertrages lediglich
eine Kündigungsmöglichkeit (§§ 20, 27 S. 1 SGB XI). Dieses gesetzliche
Kündigungsrecht habe die Klägerin vertraglich so ausgestaltet (§ 13 Abs. 1 MB/VVR
96), dass binnen 2 Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht in der sozialen
Pflegeversicherung ein Versicherungsvertrag rückwirkend bis zum Eintritt der
Versicherungspflicht gekündigt werden könne, danach nur zum Ende des Monats, in
dem der Eintritt der Versicherungspflicht nachgewiesen werde. Eine eigene Kündigung
des Pflegepflichtversicherungsvertrages seitens des Beklagten liege nicht vor bzw. sei
nicht nachgewiesen. Auch hätte eine Kündigung nach den Versicherungsbedingungen
(§ 16 MB/PPV 96) der - nicht gewahrten - Schriftform bedurft. Das Schreiben des
Beklagten vom 14.08.2002 sei schon mangels Unterschrift kein wirksames
Kündigungsschreiben. Auch habe die Klägerin umgehend hierauf hingewiesen. Die
Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung der Beiträge zur Pflegepflichtversicherung
bestehe auch im Hinblick auf den Ausgang des Bußgeldverfahrens sowie die
Kündigung des Krankenversicherungsvertrages durch den Kläger. Die gesetzlich
verankerte Verpflichtung privat Krankenversicherter (§§ 23 Abs. 1, 110 Abs. 1 Nr. 1 SGB
XI) belege, dass eine Abhängigkeit insoweit nicht bestehe. Der Anspruch auf Ersatz der
Pauschgebühr für das sozialgerichtliche Verfahren i.H. von 150,00 EUR beruhe auf §§
280 Abs. 2, 286 BGB i.d.F. des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26.11.2001
(BGBl I S. 3138 ff.). Die materiell-rechtliche Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz der
Pauschgebühren bestehe ungeachtet des Umstandes, dass nach dem prozessualen
Kostenrecht i.d.F. des Sechsten SGG-Änderungsgesetzes ein prozessualer
Kostenerstattungsanspruch nicht mehr vorgesehen sei. Schutzwürdige Belange des
säumigen Beitragszahlers seien nicht ersichtlich.
Gegen das ihm am 26.07.2002 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Eingang beim
Sozialgericht vom 06.08.2002 die vom SG zugelassene Berufung eingelegt, mit der er
das Urteil nicht anerkennt, weil er als Bürger des fortbestehenden deutschen Reiches
Rechtsakten von 0rganen der Bundesrepublik Deutschland nicht Folge zu leisten habe.
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Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist der Beklagte nicht erschienen; er war in
diesem Termin auch nicht vertreten.
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Schriftlich beantragt er,
12
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 11.07.2002 abzuändern und die Klage
abzuweisen.
13
Die Klägerin hat Anschlussberufung eingelegt und beantragt,
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die Berufung des Beklagten zurückzuweisen und festzustellen, dass der Beklagte
verpflichtet ist, die für das Berufungsverfahren an fallende Pauschgebühr zu erstatten.
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Die Klägerin hält über den erstinstanzlichen Vortrag hinaus den Beklagten auch zur
Übernahme der weiteren Pauschgebühr von 225,00 EURO für das Berufungsverfahren
auf der Grundlage eines materiell-rechtlichen Erstattungsanspruches verpflichtet.
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Zu Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakten einschließlich der beigezogenen
Akten (192 Js 141/01, StA Arnsberg) Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Der Senat hat in Abwesenheit des vom Termin benachrichtigten Beklagten entschieden.
Auf diese Möglichkeit war mit der Terminsnachricht hingewiesen worden (§§ 110 Abs. 1,
124, 126 SGG).
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Die Berufung des Beklagten ist zurückzuweisen, soweit er zur Zahlung der
rückständigen Beiträge zur privaten Pflegepflichtversicherung verurteilte worden ist (A).
Auf die Berufung des Beklagten ist das Urteil des Sozialgerichts insoweit zu ändern und
die Klage abzuweisen, als der Beklagte zur Zahlung von 150,00 EURO für die von der
Klägerin erstattete Pauschgebühr verurteilt worden ist, denn hierfür bietet sich keine
materiell-rechtliche Grundlage (B). Die (zweitinstanzliche) Feststellungsklage der
Klägerin ist aus den gleichen Gründen abzuweisen (C). Die Änderungen im Kostentenor
des angefochtenen Urteils waren nach § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG - Sozialgerichtsgesetz -
, die Differenzierung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten
des Klägers im Hinblick auf die im Verfahrensverlauf geänderte Rechtslage erforderlich
(D).
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A. Die Berufung des Beklagten gegen seine Verurteilung zur Zahlung rückständiger
Beiträge zu der bei der Klägerin unterhaltenen privaten Pflegepflichtversicherung für
den Zeitraum vom 01.05.2000 bis zum 31.12.2000 in Höhe von 313,85 EURO
(ursprünglich 613,84 DM) ist zurückzuweisen. Der Anspruch der Klägerin hierauf ergibt
sich aus dem bis zur Eigenkündigung der Klägerin nach § 39 VVG
Versicherungsvertragsgesetz zwischen den Beteiligten bestehenden
Versicherungsvertrag in Verbindung mit § 8 der dem Vertragsverhältnis
zugrundeliegenden allgemeinen Geschäftsbedingungen - MBPPV 1996 -. Der Senat
schließt sich den nach eigener Prüfung für richtig befundenen Entscheidungsgründen
des angefochtenen Urteils an und sieht von einer wiederholenden Darstellung ab (§ 153
Abs. 2 SGG).
21
Der Senat sieht keine Veranlassung, auf den pseudo-staatsrechtlichen Unsinn im
Berufungsvortrag des Beklagten einzugehen.
22
B. Auf die Berufung des Beklagten ist das Urteil insoweit abzuändern und die Klage
abzuweisen, als der Beklagte zur Übernahme der für das Verfahren vor dem
Sozialgericht von der Klägerin zu entrichtenden Pauschgebühr von (grundsätzlich)
150,00 EURO verurteilt worden ist.
23
Hinsichtlich der für das vorhergehende Mahnverfahren von der Klägerin zu
entrichtenden Gebühr (§ 11 Nr. 1100 GKG - Gerichtskostengesetz -) von 17,90 EURO
(ursprünglich 35,00 DM) kommt ein Schadensausgleich auf materiell-rechtlicher
Grundlage schon deshalb nicht in Betracht, weil hierüber im Rahmen des
Kostenausspruches von Amts wegen zu entscheiden ist (§ 193 Abs. 1 Satz 2 SGG). In
diesem Umfang mindert sich die Pauschgebührenforderung der Staatskasse gegen die
Klägerin (§ 182 a, 184 Abs. 1 Satz 2 FGG), entsprechend daher auch die Höhe des in
Betracht kommen den materiell-rechtlichen Erstattungsanspruches.
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Auch hinsichtlich der verbleibenden 132,10 EURO (150,00 EURO - 17,90 EURO) ist die
Klage abzuweisen, weil hierfür weder eine vertragliche (I.) noch eine gesetzliche
Anspruchsgrundlage (II.) besteht.
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I. Der zwischen den Beteiligten bis zur Eigenkündigung der Klägerin gemäß § 39 VVG
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bestehende Versicherungsvertrag in Verbindung mit den diesem Vertrag
zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen - MBPPV 1996 - als der vorrangig in
Betracht kommenden vertraglichen Anspruchsgrundlage trägt den geltend gemachten
materiell-rechtlichen Anspruch nicht.
Zwar sieht § 8 Abs. 7 MBPPV 1996 vor: "Wird ein Betrag nicht oder nicht rechtzeitig
gezahlt, ist der Versicherungsnehmer zum Ausgleich der Kosten verpflichtet, die den
Versicherer im Rahmen der Beitreibung entstehen."
27
Diese Klausel lässt jedoch nicht zweifelsfrei erkennen, ob sie den geltend gemachten
Anspruch umfasst; die sich aus dieser Auslegung ergebenen Zweifel gehen zu Lasten
der Klägerin.
28
Die MB/PPV 1996 stellen allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des AGBG
(Gesetz zur Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen in der zuletzt
geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 29.06.2000, BGBl I, S. 946) bzw. der §§
305 ff. BGB (in der Fassung des zum 01.01.2002 in Kraft getretenen Gesetzes zur
Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001, BGBl. I S. 3138) dar, denn es
handelt sich um für eine Vielzahl von Verträgen vorvormulierte Vertragsbedingungen,
die die Klägerin als Verwenderin dem Beklagten als der anderen Vertragspartei bei
Abschluss des Pflegeversicherungsvertrages gestellt hat. Dass sie nicht körperlicher
Bestandteil des abgeschlossenen Vertrages geworden ist, schadet insoweit nicht, da
Inbezugnahme genügt (§§ 1 Abs. 1 AGBG, 305 Abs. 1 BGB n.F.).
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Nach dem sonach anwendbaren Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen ist es
aber zweifelhaft, ob die Klausel Rechtsgrundlage des Anspruches auf Erstattung des
(allgemeinen) Verzugsschadens sein kann. Die Klausel sieht eine Verpflichtung des
säumigen Beitragszahlers zum Ausgleich der Kosten vor, die dem Versicherer im
Rahmen der "Beitreibung" entstehen. Zweifelhaft ist, ob hiervon sozialgerichtliche
Pauschgebühren erfasst werden.
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Unter "Beitreibung" wird im juristischen Sprachgebrauch die zwangsweise Einziehung
einer (Geld-)Leistung durch Zwangsvollstreckung im Zivilverfahrensrecht und durch
Verwaltungszwang im Verwaltungsverfahrensrecht verstanden (Köbler, Juristisches
Wörterbuch, 2. Aufl. 1981, S. 34; Creifelds, Rechtswörterbuch, 12. Aufl. 1994, S. 159;
Brockhaus, Enzyklopädie in 24 Bänden, 19. Aufl. 1987, Band 3, S. 46).
Allgemeinsprachlich hat das Wort nach seiner Herkunft (Beitreiben des dem säumigen
Schuldner gehörenden Viehs in den eigenen Stall, Duden, deutsches
Universalwörterbuch, 2. Aufl. 1989, S. 229) den umfassenderen Sinn des Bemühens um
Ausgleich nicht regulär eingelöster Schulden. Bei diesem weiten Verständnis könnten
sowohl Kosten des Vollstreckungsverfahrens als auch des Erkenntnisverfahrens, mithin
auch die Pauschgebühren nach § 184 SGG gemeint sein. Da nun einerseits
anzunehmen ist, dass die MB/PPV 1996 von mit dem juristischen Sprachgebrauch
vertrauten Personen entworfen, insbesondere versicherungsaufsichtsrechtlichen
Anforderungen (§ 10 Versicherungsaufsichtgesetz) angepasst worden sind,
andererseits jedoch die AGBG-Auslegung, jedenfalls im Grundsatz, allgemein
bürgerlich-rechtlichen Auslegungsregeln folgt (Wolf/Horn/Linndacher, AGBG, 3. Aufl.,
Rdnrn. 5 ff. zu § 5; Palandt, Ergänzungsband zu BGB, 61. Aufl. Rdnrn. 15 ff. zu § 305 c
BGB n.F. m.w.N.) und daher insbesondere unter Berücksichtigung des Verständnisses
beim Empfänger vorzunehmen ist (§§ 133, 157 BGB), bei dem ein eher allgemeiner
Sprachgebrauch zugrunde gelegt werden muss, besteht ein Zweifel, der der Behebung
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durch Auslegung nicht zugänglich ist. Dieser Zweifel wird schon dadurch genährt, dass
mit größter Wahrscheinlichkeit die Versicherungsunternehmen selbst bei Schaffung der
fraglichen Klausel an nach Verfahrensrecht von ihnen zu tragende Pauschgebühren
überhaupt nicht gedacht haben. Dies gilt um so mehr, als bei Schaffung der AGB
Pauschgebühren überhaupt noch nicht von den privaten Versicherungsunternehmen zu
entrichten waren. Eine derartige Verpflichtung ist erst zum 02.01.2002 durch das 6.
SGGÄndG begründet worden. Noch weniger kann eine diese Gebühren umfassende
Interpretation daher vom Beklagten erwartet werden. Ein übereinstimmendes
Verständnis der Parteien und Vertragsparteien lässt sich gleichfalls nicht feststellen, da
offenbar ist, dass sich ihre materiellen Interessen in der Frage, wer Vollzugskosten zu
tragen hat, unvereinbar gegenüberstehen bzw. bereits zum Zeitpunkt des
Vertragsschlusses gegenüber gestanden hätten, sofern diese Frage seinerzeit bedacht
worden wäre. Eine Auslegung der Klausel aus dem Kontext der MB/PPV 1996 im
Übrigen führt mangels in der Zielrichtung vergleichbarer anderer Bestimmungen zu
keinem eindeutigen Ergebnis, nicht einmal zu dem Ergebnis, dass die Klausel nach der
ursprünglichen Intention der Klägerin als Grundlage eines allgemeinen
Verzugsschadensanspruches gedacht war. § 8 Abs. 7 innerhalb der die Pflichten des
Versicherungsnehmers betreffenden §§ 8 bis 10 MB/PPV 96 stellt die einzige
Verzugsfolgenregelung dar. Abs. 8 enthält lediglich unselbständige Hinweise auf
anderweitig geregelte Rechtsfolgen. Dem Fehlen von Verzugsfolgenregelungen im
Übrigen wie etwa einer Bestimmung hinsichtlich eines zu zahlenden Verzugszinses
ließe sich daher ggfs. auch entnehmen, dass die Klausel eine abschließende Regelung
sämtlicher den Beitragsgläubiger treffender Verzugsfolgen darstellt. Bei dieser
Auslegung wäre ihr die einzig sinnerhaltende Bedeutung beizumessen, dass sie den
Beitragsgläubiger von sämtlichen anderen Verzugsfolgen freistellt, insbesondere den
Rückgriff auf bürgerlich-rechtliche Verzugsfolgenregeln verwehrt. Die Frage, ob dies so
ist, kann an dieser Stelle allerdings offen bleiben, da die Klausel wegen der nicht durch
Auslegung zu behebenden Zweifel zum Nachteil der Klägerin als ihre Anwenderin
keinen vertraglichen allgemeinen Verzugsschadensanspruch trägt (§§ 5 Abs. 2 AGBGB,
305 c Abs. 2 BGB n.F.) und Pauschgebühren nach dem SGG auch nicht nach dem
subsidiär geltenden bürgerlichen Recht als Verzugsschaden verlangt werden können.
Für den Fall, dass wegen Unwirksamkeit oder Zweifelbehaftung eine Regelungslücke in
vorformulierten Verträgen besteht, die nicht auf Einbeziehungs- oder
Inhaltskontrollschranken beruht, wird in Rechtsprechung und Lehre die ergänzende
Vertragsauslegung für zulässig gehalten (BGHZ 92, 363, 370; 103, 228, 234; BGHZ
117, 92 ff. m.w.N. zu einer Regelungslücke wegen Unwirksamkeit einer Klausel in den
Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung MB/KT 78). Die ergänzende
Vertragsauslegung führt regelmäßig zur Heranziehung dispositiven Gesetzesrechtes
(Wolf/Horn/ Lindacher, AGBG, 3. Aufl. Rdnr. 23 zu § 5, 14 zu § 6), hier also der ohnehin
im Folgenden zu behandelnden Verzugsregeln des BGB.
32
II.
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Ein Anspruch auf Erstattung der von der Klägerin zu entrichtenden Pauschgebühren im
sozialgerichtlichen Verfahren besteht auch nicht nach dem BGB als dem subsidiären
Gesetzesrecht. Hierbei sind §§ 284, 286 BGB a.F. heranzuziehen, da das zwischen den
Parteien bestehende Schuldverhältnis im Jahre 1995 und damit vor dem nach Artikel
229 § 5 EGBGB mit dem 01.01.2002 bestimmten Stichtag für die Anwendung des
Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 begründet
worden ist.
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Der in §§ 284, 286 BGB a.F. geregelte Verzugsschadensersatzanspruch umfasst einen
Anspruch auf Erstattung der nach § 184 SGG ausschließlich von den dort genannten
Beteiligten zu entrichtenden Pauschgebühr durch andere, nach § 183 SGG durch die
Kostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens privilegierte Beteiligte grundsätzlich
nicht. Denn sowohl hinsichtlich der Verpflichtung bestimmter Beteiligter, durch Zahlung
von Pauschgebühren zu den Gerichtshaltungskosten beizutragen (§ 184 SGG), als auch
hinsichtlich der für sonstige Beteiligte vorgesehenen Kostenfreiheit des
sozialgerichtlichen Verfahrens im Übrigen (§ 183 SGG) hat der Gesetzgeber
abschließende, nicht disponible und einer den Regelungszielen zuwiderlaufenden
Behandlung nach bürgerlichem Recht entzogene öffentlich-rechtliche Regelungen
getroffen.
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In die Betrachtung sind folgende Kernregelungen einzubeziehen:
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Nach § 183 SGG ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für
Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger,
Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I kostenfrei, soweit sie in
dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein
sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug
kostenfrei. Nach § 184 Abs. 1 SGG haben Kläger und Beklagte, die nicht zu den in §
183 genannten Personen gehören, für jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten. Die
Gebühr entsteht, sobald die Streitsache rechtshängig geworden ist; sie ist für jeden
Rechtszug zu zahlen. Soweit wegen derselben Streitsache ein Mahnverfahren (§ 182 a
SGG) vorausgegangen ist, wird die Gebühr für das Verfahren über den Antrag auf Erlass
eines Mahnbescheides nach dem Gerichtskostengesetz angerechnet. § 184 Abs. 2
SGG ordnet die Höhe der zu entrichtenden Gebühren an, Abs. 2 die entsprechende
Geltung von § 2 des GKG an.
37
1. Hinsichtlich der in § 183 SGG verankerten Kostenfreiheit weicht das System des SGG
im Kostenrecht seit jeher wesentlich von anderen Verfahrensordnungen ab (Meyer-
Ladewig a.a.O., Rdnr. 1, § 183). Die Kostenfreiheit ist für den in der aktuellen Fassung
der Vorschrift genannten Kreis der von ihr Erfassten allein durchbrochen durch die nach
§ 192 SGG i.d.F. vor Inkrafttreten des 6. SGG ÄndG als "Mutwillenskosten", seither als
"Verschuldenskosten" bezeichneten Kostenfolgen nach § 192 SGG, die jedoch nach
Anzahl der Fälle keine nennenswerte Bedeutung hatten und angesichts der durch das
6. SGG ÄndG eingeführten Neuerungen voraussichtlich auch nicht erlangen werden (für
"einige Bedeutung" unter Berufung auf die Anzahl der Juris-Einträge: Berendes,
Mutwillenskosten nach neuem Recht, SGb 2002, 315 ff.), sowie die Ausnahme in § 197
a SGG hinsichtlich der dort in Abgrenzung zu § 183 SGG definierten Beteiligten. Die
sozialgerichtliche Kostenfreiheit ist seit Schaffung einer unabhängigen
Sozialgerichtsbarkeit (Darstellung der Historie bei Peters/ Sautter/Wolf, Stand April
2001, Rdnr. 4 zu § 183) Prinzip der sozialgericht lichen Verfahrensordnung gewesen (zu
den Gründen der Einführung: Becker, SozSich 2000, 354).
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An diesem Prinzip hat der Gesetzgeber trotz vielfach erhobener Kritik (u.a. unter
Hinweis auf die gewandelte Zusammensetzung des Klägerkreises, die Möglichkeit,
Bedürftigen Prozesskostenhilfe zu bewilligen, die Missbrauch erleichternde
Kostenlosigkeit an sich und die soziale Prägung auch vieler anderer Verfahren der
übrigen Gerichtszweige, die jedoch Kostenerheben; Darstellung bei Peters/Sautter/Wolf
a.a.0., Rdnrn. 5 ff.; Zeihe, SGG, Stand 01.10.2002, Rdnr. 2a zu § 183 m.w.N.) im Kern
39
festgehalten. So hat der Gesetzgeber auch im Gesetzgebungsverfahren des 6. SGG
ÄndG dem Drängen einzelner Landesregierungen und der Mehrheit der Präsidentinnen
und Präsidenten der Landessozialgerichte auf eine Kostenbeteiligung auch der
Versicherten und Sozialleistungsberechtigten mit dem Ziel, die Flut aussichtsloser
Gerichtsverfahren einzudämmen, standgehalten (Weisner, Das sozialgerichtliche
Verfahren auf der Grundlage des 6. SGG ÄndG, Mitteilungen der LVA 0berfranken und
Mittelfranken, 2002, 294 ff., 291 ff. S. 292). Die Kostenfreiheit des sozialgerichtlichen
Verfahrens ist daher bereits unter dem Gesichtspunkt, dass sie traditioneller Bestandteil
einer seit langem bestehenden Verfahrensordnung ist und der Gesetzgeber trotz
vielfacher Anlässe, die Beibehaltung zu überden ken, daran festgehalten hat, vermehrter
Beachtung wert. Es bedürfte deutlicher Hinweise seitens des Gesetzgebers, weitere als
die insbesondere mit dem 6. SGG ÄndG eingeführten Durchbrechungen (insbesondere:
§ 197 a, 193 Abs. 1 S. 2) zuzulassen.
2. An solchen Hinweisen seitens des Gesetzgebers fehlte es schon im Zusammenhang
mit der Zuweisung der Angelegenheiten der privaten Pflegepflichtversicherung als
"Streitigkeiten, die nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch entstehen" (§ 51 Abs. 2, S.
2 SGG, Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl., Rdnr. 37 b zu § 51 m.w.N.). Diese Verweisung in
den Sozialrechtsweg wurde eingeführt durch Art. 33 PflegeVG vom 26.05.1994 (BGBl. I
S. 1014). Schon im hierzu entstandenen Meinungsstreit hat sich die Ansicht
durchgesetzt, den privat und gesetzlich Pflegeversicherten stehe gleichermaßen der
Rechtsweg zu den Sozialgesetzen offen. Den vorhergehenden Meinungsstreit zwischen
mehreren Landessozialgerichten (LSG NRW, Beschluss vom 25.04.1996, - L 16 SP
3/96 -: Zivilgerichtsbarkeit; Hessisches LSG, Urteil vom 15.07.1996, - L 1/B 20/96 -:
Sozialgerichtsbarkeit) schlichtete die Rechtsprechung des BSG (Beschluss vom
08.08.1996, - 3 BS 1/96 -, SozR 3-1500 § 51 Nr. 19). Hierin hat das BSG einen engen
Zusammenhang zwischen beiden Zweigen der Pflegeversicherung kraft Regelung in
einem Gesetz bei weitgehender Leistungsgleichheit gesehen und dies insbesondere mit
dem bestehenden Kontrahierungszwang begründet. So sei der Inhalt der von privaten
Versicherungsunternehmen unter dem Kontrahierungszwang nach § 23 Abs. 1, 2 SGB
XI abzuschließenden Pflegeversicherungsverträge im Wesentlichen zwingend
gesetzlich vorgeschrieben und damit der autonomen Gestaltung der Vertragspartner
entzogen. Die Bindung des Versicherungsunternehmens an die vertragliche
Ausgestaltung sei nach §§ 110 Abs. 1 Nr. 2 a - g i.V.m. 23 Abs. 1 u. 3 SGB XI festgelegt.
In beiden Bereichen entstünden dieselben oder zumindest gleichgeartete Rechtsfragen.
Zu berücksichtigen sei zudem, dass durch die einheitliche Rechtswegzuweisung die
Versicherten in der privaten Pflegeversicherung bei Rechtsstreiten mit ihren
Versicherungsunternehmen den gleichen Rechtsschutz wie Versicherte in der sozialen
Pflegeversicherung erlangen können, ohne z.B. durch das Kostenrisiko bei Klagen vor
Zivilgerichten von einer Klageerhebung abgehalten zu werden.
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3. Auch die spätere Rechtsentwicklung zeigt den (fortbestehenden) Willen des
Gesetzgebers, die bürgerfreundliche Ausgestaltung des Verfahrens nach dem SGG
gezielt auch den Versicherten der privaten Pflegeversicherung zukommen zu lassen. Im
Gesetzgebungsverfahren zur Einführung des 1. Pflegeversicherungsänderungsgesetzes
vom 06. Februar 1996 (hierzu: Marschner, Ausgewählte Rechtsprobleme des
Pflegeversicherungsgesetzes, SGb 1996, 318 ff.) war vorgeschlagen worden, in § 51
Abs. 2 SGG eine Änderung mit dem Ziel aufzunehmen, dass die Gerichte der
Sozialgerichtsbarkeit in den Angelegenheiten der privaten Pflegeversicherung nur über
Streitigkeiten nach § 44 SGB XI entscheiden sollten, also über Streitigkeiten, die die
soziale Sicherung der Pflegeperson betreffen (wobei die übrigen Streitigkeiten in der
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privaten Pflegeversicherung der Zivilgerichtsbarkeit zugeordnet und dem Kostenrisiko
auch für Gerichtskosten nach dem GKG unterworfen worden wären). In der Begründung
zu diesem Vorschlag heißt es (BT-DrS 13/3639, S. 19): "Nach dieser Regelung erstreckt
sich die Zuständigkeit der Sozialgerichte auf Streitigkeiten, die in Angelegenheiten der
sozialen Pflegeversicherung entstehen. Streitigkeiten von Versicherten der privaten
Krankenversicherungsunternehmen mit diesen Unternehmen werden mit Ausnahmen
der Streitigkeiten über die soziale Sicherung der Pflegeperson nicht erfasst." Dieser
Vorschlag ist nie Gesetz geworden; aus der Beibehaltung der alten Regelung konnte
später geschlossen werden, dass alle Streitigkeiten sowohl der privaten als auch der
sozialen Pflegeversicherung vor die Sozialgerichte gehören (Wollen schläger, Der
Rechtsweg in Streitigkeiten der privaten Pflegeversicherung, in: Festschrift für Krasney
zum 65. Geburtstag, S. 757 ff., 760).
Die Gründe, die zum Nichtzustandekommen dieses Gesetzesvorschlages geführt
haben, lassen erkennen, dass die bürgerfreundliche Ausgestaltung des
sozialgerichtlichen Verfahrens unter Einschluss der diesem Verfahren eigenen
Kostenfreiheit (mit) Beweggrund war, gesetzliche und private
Pflegeversicherungsstreitigkeiten gleichermaßen in der Zuständigkeit der Sozialgericht
zu belassen. Am deutlichsten kommt dies in der Stellung nahme des Bundesrates zum
Entwurf der Bundesregierung (BR-DrS 288/96) zum Ausdruck:
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" ... die Versicherten in der privaten Pflegeversicherung sind mit Blick auf
Leistungsumfang und Versicherungsbedingungen im Wesentlichen den Versicherten in
der sozialen Pflegeversicherung gleichgestellt ... Schließlich spricht die sozialbezogene
Ausgestaltung des Verfahrens der Sozialgerichte für deren ausschließliche
Zuständigkeit. Der für das sozialgerichtliche Verfahren bestimmende
Amtsermittlungsgrundsatz trägt den Besonderheiten sozialrechtlicher
Rechtsstreitigkeiten Rechnung. In Angelegenheiten der Pflegeversicherung wird
Rechtsschutz von Personen begehrt, die hilfsbedürftig sind. Dies gilt für Versicherte in
der privaten und der sozialen Pflegeversicherung gleichermaßen. Deshalb muss beiden
Personengruppen der auf sozialgerichtliche Rechtsstreitigkeiten zugeschnittene
Rechtsschutz vor den Sozialgerichten in Angelegenheiten der Pflegeversicherung
gewährt werden."
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Diesem Gesetzgebungsverfahren ist daher zu entnehmen, dass die
Gerichtskostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens als Ausfluss des
Sozialstaatsprinzips sowie die ausgeprägte Parteifreundlichkeit des sozialgerichtlichen
Verfahrens nach dem ausdrücklichen Willen des damaligen Gesetzgebers beiden
Versichertengruppen - den privat wie den gesetzlich Pflegepflichtversicherten - zugute
kommen sollte (Wollenschläger a.a.0., S. 789 nimmt gleichwohl an, auch eine andere
Rechtsweglösung wäre verfassungsrechtlich tragbar gewesen). Die ausdrückliche,
durch die nachfolgende Gesetzgebung bestätigte Rechtswegzuweisung wie auch die
begleitende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts legen daher gleichermaßen wie
der historische Ansatz eine ausnahmslose Geltung der Gerichtskostenfreiheit auch in
Angelegenheiten der privaten Pflegeversicherung nahe. Diese spricht schon nach dem
soweit beschriebenen Stand der Rechtsentwicklung eindeutig gegen die Möglichkeit,
das angestrebte Ziel der absoluten Kostenfreiheit der durch § 183 begünstigen
Beteiligten zivilrechtlich auszuhebeln.
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4. Dass der Gesetzgeber die Gebührenfreiheit der von § 183 begünstigten Beklagten bei
Beitragsstreitigkeiten der privaten Pflegeversicherung im Zuge der weiteren
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Rechtsentwicklung aus dem Auge verloren haben könnte, ist angesichts der weiteren
verfahrensrechtlichen Rechtsentwicklung durch das 5. SGG-Änderungsgesetz (5. SGG-
ÄndG vom 30.03.1998, BGBl I, Seite 638) auszuschließen: Hierbei wurden speziell auf
diese Fälle zugeschnittene Regelungen, nämlich § 184 Abs. 1 Satz 3, 182 a SGG in
Kraft gesetzt: Nach § 182 a SGG können Beitragsansprüche in der privaten
Pflegepflichtversicherung nach den Vorschriften der ZPO vor dem Amtsgericht geltend
gemacht werden. Die hierbei entstehenden Kosten sind auf die von den Unternehmen
zu entrichteten Pauschgebühren nach § 184 Abs. 1 Satz 3 SGG anrechenbar.
Diese Änderungen geben mehrererlei zu erkennen, nämlich zum Einen, dass der
Gesetzgeber unter Berücksichtigung spezieller, im Gesetzgebungsverfahren zum
Ausdruck gekommener Beweggründe (BT-DrS 13/3696, 13/4688, BT-DrS 399/96, BT-
DrS 13/9609, BT-DrS 13/9812) eine Ausnahme von der Zuständigkeit der
Sozialgerichtsbarkeit für Angelegenheiten der privaten Pflegepflichtversicherung
einschließlich der diese charakterisierenden Gerichtskostenfreiheit schaffen wollte. Zum
Anderen legt die Änderung das Verhältnis der ausnahmsweise von den späteren
Beteiligten des sozialgerichtlichen Verfahrens zu tragenden (anteiligen und ein anderes
Gerichtsverfahren betreffenden) Kosten zu den Pauschgebühren offen: Die
Pauschgebühren werden gemindert um den bereits anderweitig betriebenen
finanziellen Aufwand zur Durchsetzung der Beitragsrückstände.
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5. Insbesondere jedoch die Gesetzgebungsgeschichte des 6. SGG ÄndG (hierzu
Kummer, SGb 2001, 705 ff.; Kraitzek, Die Sozialversicherung 2002, S. 230 ff., Weisner
a.a.0., Seiten 249 ff.) belegt, dass die Intention des Gesetzgebers, allen nicht
ausdrücklich hiervon Ausgenommenen bzw. ihrerseits zur Entrichtung von
Pauschgebühren verpflichteten Beteiligten die Kostenfreiheit uneingeschränkt zu
erhalten, bis in die Gegenwart lebendig geblieben ist. So hat der Gesetzgeber des 6.
SGG ÄndG einerseits durch die massive Erhöhung der Pauschgebühr gezeigt, dass ihm
an einer Verbesserung der Kostendeckungsquote der Gerichtsbarkeit gelegen ist,
andererseits hat er (wiederum) davon abgesehen, generell Beteiligten des
sozialgerichtlichen Verfahrens Gebührenpflichten nach dem GKG oder eine wie immer
geartete Kostenbeteiligung auf anderer Grundlage aufzuerlegen. So heißt es in der
amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf (BT-DrS 14, 5943 S. 20 ff., 28 zu Nr. 61,
§ 183): "Der Grundsatz der Gebührenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens wird
beibehalten. Die Kostenbegünstigung des Klägers oder Beklagten soll erhalten bleiben,
wenn das Verfahren nach seinem Tod ... unterbrochen und von einem
Sonderrechtsnachfolger ... aufgenommen wird ..." In der gleichen Begründung wird zu
den später dann unverändert Gesetz gewordenen Entwürfen zu § 184 SGG und § 197 a
SGG Stellung genommen. Zu § 184 (Nr. 62, S. 28 a.a.0.) heißt es auszugsweise: "Abs. 1
Satz 1 basiert auf dem geltenden Recht und bezieht die Verfahrensbeteiligten, die als
Kläger oder Beklagte nicht zu dem kostenrechtlich privilegierten Personenkreis der
Versicherten, Leistungsempfänger, hinterbliebenen Leistungsempfänger und
Behinderten (§ 183) gehören, in die Gebührenpflicht ein; ... unberührt davon bleibt die
Kostenregelung für das Verfahren nach § 197 a, für die das Gerichtskostengesetz gilt ..."
Sodann zu Nr. 68 (§ 197 a) ist festgehalten: "Als Ausnahmeregelung zu der in § 183
vorgesehenen Gebührenfreiheit regelt § 197 a die Anwendung des
Gerichtskostengesetzes und bestimmter Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung
für die Verfahren, an denen Personen beteiligt sind, die nicht eines besonderen sozialen
Schutzes in Form eines kostenfreien Rechtsschutzes bedürfen. Dies gilt z.B. für
Streitigkeiten von Sozialleistungsträgern untereinander oder Streitigkeiten zwischen
Sozialleistungsträgern und Arbeitgebern ..." Zu dieser Begründung hat der Bundesrat
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keine abweichende Stellung genommen, lediglich eine Ergänzung des § 184 nach dem
Regierungsentwurf um den dann auch akzeptierten Absatz 3 (entsprechende Geltung
von § 2 GKG) vorgeschlagen (BT-DrS 14/5943, S. 35).
Die so beschriebenen Entwürfe der Bundesregierung haben den 11. Ausschuss für
Arbeit und Sozialordnung unverändert passiert und wurden in Beschluss, Empfehlung
und Bericht (BT-DrS 14/6335) übernommen. Auch die ser jüngeren Rechtsgeschichte
kann eindeutig entnommen werden, dass die Gerichtskostenfreiheit in allen nicht
ausdrücklich ausgenommenen Fällen auch künftig gelten soll.
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6. Angesichts dieses zweifelsfrei nachweisbaren Willens des Gesetzgebers können die
Argumente der Klägerin nicht überzeugen.
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a) Nachvollziehbar und auch nach der Beobachtung des Senats richtig ist zwar die
Annahme, dass säumige Beitragszahler in der privaten Pflegepflichtversicherung nach
ihrem Prozessverhalten, das sich regelmäßig im Nichtstun erschöpft oder wie hier beim
Beklagten an der Sache vorbei zielt, nicht zum primär schutzwürdigen Kreis der von der
Kostenfreiheit nach § 183 SGG begünstigen Beteiligten zu rechnen sind. Dem ist jedoch
entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber dies nach dem bereits Dargestellten zwar als
Rechtsdurchsetzungsproblem erkannt (Einführung von §§ 182 a, 184 Abs. 1 Satz 3
SGG), nicht jedoch durch eine Einschränkung der Gerichtskostenfreiheit speziell für
solche Fälle sanktioniert hat. Die verbleibende Einschränkung der
Gerichtskostenfreiheit nach § 192 SGG a.F., nach der das Gericht, auch aufgrund
schriftlicher vorheriger Anhörung, einem mutwillig prozessierenden Beteiligten anteilige
Gerichtshaltungskosten oder Kosten der Beteiligten als Mutwillenskosten auferlegen
konnte, hat der Gesetzgeber des 6. SGG ÄndG durch Einführung des neuen § 192 SGG
(Verschuldenskosten) im Gegenteil entscheidend geschwächt. Denn nun ist im
Gegensatz zur vorhergehenden Rechtslage die Auferlegung von Kosten bei Missbrauch
nur noch nach vorheriger Darlegung der Missbräuchlichkeit in einem (präsenten) Termin
möglich (§ 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG n.F.). Als Sanktion für das typische
Prozessverhalten säumiger Beitragsschuldner in der privaten Pflegepflichtversicherung
scheidet § 192 SGG n.F. daher schon deshalb aus, weil die derart als Beklagte am
sozialgerichtlichen Verfahren Beteiligten regelmäßig nicht zu Terminen erscheinen.
Zudem ist nach der Neufassung, in der die Kosten anderer Beteiligter als Gegenstand
der aufzuerlegenden Kosten keine ausdrückliche Erwähnung mehr finden,
insbesondere im Hinblick auf die Gesetzgebungsgeschichte zweifelhaft geworden, ob
diese Möglichkeit überhaupt noch besteht (Darstellung bei Meyer-Ladewig, 7. Aufl.,
Rdnr. 13 zu § 192). Hieraus kann nur geschlossen werden, dass der Gesetzgeber die
Problematik erkannt, jedoch bewusst und unter Berücksichtigung des Prinzips der
Kostenfreiheit keine Konsequenzen gezogen hat.
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b) Für in der Sache zutreffend hält der Senat auch das Argument der Klägerin, dass die
gegenwärtige Kostenrechtslage nach dem SGG dazu führt, dass die Gemeinschaft der
Beitragszahler deshalb für das Fehlverhalten einzelner säumiger Beitragszahler mit
einstehen muss, weil die Versicherungsgesellschaften die von ihnen zu entrichtenden
Pauschgebühren auf die Beiträge umlegen (müssen, §§ 12 ff., 12 f.
Versicherungsvertragsgesetz). Dies ist jedoch keine Besonderheit zu Lasten der
privaten Pflegepflichtversicherung; es gilt vielmehr hinsichtlich sämtlicher von der
Entrichtung von Pauschgebühren nach § 184 SGG erfasster Beteiligter, namentlich also
der konkurrierenden gesetzlichen Pflegepflichtversicherer.
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c) Im Verhältnis zu diesen kann der Senat auch deswegen keine entscheidende
Ungleichbehandlung erkennen, weil gesetzliche Pflegekassen mit Bescheid und
Widerspruchsbescheid sich selbst einen Vollstreckungstitel schaffen können. Vielmehr
wird dieses Verfahren durch einfachen, nicht begründungspflichtigen und insbesondere
nicht kostenträchtigen Widerspruch mit anschließender, gleichfalls keine Kostenfolgen
nach sich ziehender Klage vor dem Sozialgericht genau so in das streitige Verfahren
übergeleitet wie das Mahnverfahren nach § 197 a SGG auf den Einspruch des
Schuldners. Die hinsichtlich der Verpflichtung zur Tragung von Pauschgebühren dann
entstehenden Verpflichtungen der privaten Pflichtversicher einerseits und der
gesetzlichen Pflichtversicherer anderer seits sind nach Höhe und Unausweichlichkeit
identisch; diesen Zustand hat der Gesetzgeber mit der ausdrücklichen Erwähnung von
Unternehmen der privaten Pflegeversicherung im Rahmen der Neufassung von § 184
Abs. 1 S. 1 i.d.F. des 5. SGG ÄndG mit Wirkung vom 01.06.1998 gezielt angestrebt (Art.
1 Nr. 5 a des 5. SGG ÄndG vom 30.03.1998, BGBl. S. 638). Im zugrundeliegenden
Gesetzentwurf des Bundesrates heißt es zur Begründung auszugsweise (BT-DrS
13/9609, S. 9: "Die Änderung des Satzes 1 begründet auch für Unternehmen der
privaten Pflegeversicherung eine den Pflegekassen entsprechende Gebührenpflicht ...
Eine kostenrechtliche Privilegierung privater Pflegeversicherungsunternehmen ist aus
Gleichbehandlungsgründen gegenüber den Pflegekassen nicht zu vertreten. Auch eine
Besserstellung gegenüber Unternehmen der privaten Krankenversicherung, die der
zivilgerichtlichen Kostenpflicht unterliegen, durch die grundsätzliche
Gerichtskostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens, ist nicht zu rechtfertigen." Da
den gesetzlichen Pflegekassen - bereits ungeachtet der Unzulässigkeit eines solchen
Vorhabens - keine Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die ihnen entstehenden
Pauschgebühren auf die Versicherten abzuwälzen, liefe die von der Klägerin insoweit
gesuchte Möglichkeit nicht auf den Ausgleich einer nicht gerechtfertigten
Benachteiligung, vielmehr auf die den erklärten Zielen des Gesetzgebers des 5. SGG
ÄndG zuwiderlaufende Privilegierung privater Pflichtversicherer hinaus.
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d) Die von der Klägerin behauptete, aus der Unwirtschaftlichkeit der gerichtlichen
Verfolgung geringer Beitragsrückstände resultierende Rechtsschutzlücke sieht der
Senat weder dem Grunde noch der Höhe der entstehenden Schäden nach, erst recht
nicht unter Berücksichtigung ihrer Vorteile in der Sozialgerichtsbarkeit, als bedenklich
an: Gemeingut aller Rechtsschutzverfahren ist, dass sie eine Abwägung zwischen
Nutzen und möglichem Ertrag vor Inanspruchnahme des Rechtsschutzes erfordern.
Dies kann aus wirtschaftlichen Erwägungen zu dem Ergebnis führen, dass es sinnvoller
ist, bestimmte Rechte nicht durchzusetzen. Hierbei sind die privaten
Pflegepflichtversicherer nach der bestehenden gesetzlichen Konzeption gegenüber den
gesetzlichen Kassen bereits im Vorteil: Sie können unter Berücksichtigung
insbesondere der internen Kosten einer Rechtsverfolgung entscheiden, ob sie einen
Mahnbescheid erwirken; dies ist der gesetzlichen Pflegekasse verwehrt, da sie zur
Herstellung des gesetzlichen Zustandes, also der Zahlung und Beitreibung
ausstehender Pflichtbeiträge, verpflichtet ist. Den durch die Zuweisung der
Beitragsklagen an die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit angeblich entstehenden
Nachteilen der privaten Pflegeversicherer hinsichtlich der Entrichtung von
Pauschgebühren stehen allerdings erhebliche Vorteile bei Leistungsklagen der
Versicherten gegenüber. So dürfte der kostenrechtliche Nachteil einer Verfolgung von
Beitragsrückständen in der Sozialgerichtsbarkeit gegenüber einer Verfolgung in der
ordentlichen Gerichtsbarkeit bei Weitem überkompensiert werden durch die
Kostenersparnis bei Leistungsklagen der Versicherten vor den Gerichten der
Sozialgerichtsbarkeit, bei denen sich das Gerichtskostenrisiko der privaten
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Pflegeversicherer eben auch auf die Pauschgebühren beschränkt, während sie in der
ordentlichen Gerichtsbarkeit bei Gebührenberechnung nach dem GKG weitaus höhere
Gerichtskosten zu tragen hätten. Denn im Leistungsrecht der Pflegeversicherung nach
dem SGB XI erwachsen angesichts relativ hoher periodischer Leistungen und langer
Leistungszeiträume typischerweise hohe Streitwerte als Berechnungsgrundlage der
Gebühren nach dem GKG. Hinzu tritt die Überlegung, dass private Pflichtversicherer
auch bei erfolgreicher Verfolgung ihrer Beitragsklagen in der Zivilgerichtsbarkeit in den
vermutlich häufigen Fällen der Vermögenslosigkeit des unterlegenen Schuldners für die
Gerichtskosten haften müssen, weil sie das Verfahren der Instanz beantragt haben (§ 49
S. 1 GKG).
Auch die Höhe der den privaten Pflegepflichtversicherern im Sozialgerichtsverfahren
abverlangten Pauschalgebühren an sich deutet nicht auf eine mit den rechtsstaatlichen
Grundsätzen unverträgliche Behinderung des Justizgewährungsanspruches hin. Die
von der Klägerin im Berufungsverfahren geäußerten und von einer Mitbewerberin
bereits dem Bundesverfassungsgericht vorgetragenen (Verfassungsbeschwerde in dem
Verfahren 1 BvR 1806/02) Bedenken teilt der Senat nicht. Die nach der Rechtslage des
6. SGG ÄndG erhobenen Pauschgebühren stellen ihrer Höhe nach keinen durch die
Schrankenregelung des Art. 14 Grundgesetz nicht gedecken Eingriff in das
Eigentumsgrundrecht dar. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichtes (Beschluss vom 08.07.2002 - B 13 SF 1/02 S -) an: Mit der
Anhebung der seit 1968 unverändert gebliebenen Pauschgebühren durch das 6. SGG
ÄndG wird letztlich nur dem seit dem eingetretenen Geldwertverlust und dem seit
längerem bestehenden Wunsch nach einer angemessenen Anhebung der
Pauschgebühren Rechnung getragen. So hatte das Gebührenaufkommen im Jahre
1969 noch 6,3 v.H., im Jahre 1999 dagegen nur noch 2 bis 3 v.H. der
Gerichtshaltungskosten gedeckt (Meyer-Ladewig, SGb 1999, 269, 271). Auch ein
Vergleich mit der Entwicklung der von den Rechtsanwälten im sozialgerichtlichen
Verfahren zu beanspruchenden Rahmengebühren mit den Pauschgebühren des § 184
SGG zeigt, dass die jetzige Höhe der Pauschgebühren im Rahmen der allgemeinen
Kostenentwicklung liegt (Erhöhung der SGG-Pauschgebühren seit 1955 um den Faktor
5, der BRAG0-Gebühren für das sozialgerichtliche Verfahren seit 1957 um den Faktor
10). Die Besonderheit für Unternehmen der privaten Pflegeversicherung besteht daher
im Wesentlichen darin, dass sie durch Zuweisung der sie betreffenden Streitigkeiten an
die Sozialgerichte zu einem relativ späten Zeitpunkt Bestandteil des Systems und
(potentielle) Pauschgebührenschuldner geworden sind.
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Zusammenfassend ist daher kein ausreichend gewichtiger Grund ersichtlich, einer
Umgehung und Aushebelung der dem sozialgerichtlichen Verfahren wesenseigenen
Gerichtskostenfreiheit durch einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Erstattung der
Pauschgebühren als Verzugsschaden Vorschub zu leisten.
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C. Die (zweitinstanzliche) Feststellungsklage der Klägerin ist abzuweisen. Die -
vorrangig zu erhebende - Leistungsklage kann nicht zur Verurteilung des Beklagten
führen, weil die Klägerin - unabhängig von der zuvor behandelten Frage nach einer
materiell-rechtlichen Rechtsgrundlage - bereits deswegen keinen vollstreckbaren
Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der zweitinstanzlichen Pauschgebühr
haben kann, weil sie selbst dieser Forderung seitens der Staatskasse (noch) nicht
ausgesetzt ist. Denn die nach § 184 SGG zu erhebenden Pauschgebühren entstehen
zwar, sobald die Streitsache rechtshängig geworden ist (§ 184 Abs. 1 Satz 2 SGG); die
Gebühr wird jedoch nach § 185 SGG erst fällig, sobald die Streitsache durch
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Zurücknahme des Rechtsbehelfs, durch Vergleich, Anerkenntnis, Beschluss oder durch
Urteil erledigt ist. An den hier in Betracht kommenden erledigenden Ereignissen des
instanzbeendenden Schlussurteiles (Meyer-Ladewig a.a.O., Rdnr. 86 zu § 185, LSG
Berlin SGB 58, 363) oder Beschlusses nach § 153 Abs. 4 SGG (Zeihe, SGG, Stand
01.10.2002, Rdnr. 9 b zu § 185) fehlt es jedoch im laufenden Berufungsverfahren.
Allerdings ist die Feststellungsklage i.S. von § 55 SGG ist zulässig, weil der Kläger ein
berechtigtes Interesse an der Feststellung einer Verpflichtung des Beklagten (§ 55 Abs.
1 SGG) hat. Mit Instanzbeendigung ist die Klägerin der Gebührenforderung der
Staatskasse ausgesetzt. Sie zur Geltendmachung dieser Forderung in einem weiteren
Verfahren vor dem Sozialgericht zu veranlassen, ist unsinnig und begründet letztlich ein
perpetuum mobile.
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Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet, da es wegen des Fehlens einer
materiell-rechtlichen Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der dem Kläger
originär entstehenden Pauschgebühren im Berufungsverfahren an einem
festzustellenden Rechtsverhältnis fehlt. Auf die oben B. ausgeführte Begründung wird
Bezug genommen.
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Hinsichtlich der nach § 193 SGG zu treffenden Kostenentscheidung über die Verteilung
der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten ist nach der noch für das Verfahren vor
dem Sozialgericht geltenden und der nun mehr das Berufungsverfahren betreffenden
Rechtslage zu differenzieren, da das sozialgerichtliche Verfahren vor, das
Berufungsverfahren nach dem Inkrafttreten des 6. SGG-Änderungsgesetz rechtshängig
geworden ist. Das 6. SGG-Änderungsgesetz ist am 02.01.2002 in Kraft getreten (Art. 19
des 6. SGG-ÄndG vom 17.08.2001, BGBl. I, 2166 ff. ausdrücklich zum Gebühren recht;
zu dieser Differenzierung im Recht des SGB XI vgl. Urteile des BSG vom 08.07.2002, B
3 P 3/02 R und vom 11.04.2002 - B 3 P 10/01 R; zur Differenzierung im Kassenarztrecht:
Urteile des BSG vom 30.01.2001 - B 6 KA 12/01 R, - B 6 KA 73/00 R -).
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Für das Verfahren vor dem Sozialgericht gilt noch § 193 in der Fassung des 5. SGG-
Änderungsgesetzes, mit der Möglichkeit, außergerichtliche Kosten privater
Pflegepflichtversicherungsunternehmen anderen Beteiligten aufzuerlegen, da das
Verfahren vor dem Sozialgericht vor dem Stichtag rechtshängig geworden ist: Nach §
696 Abs. 3 ZPO gilt die Streitsache als mit Zustellung des Mahnbescheides (hier:
12.07.2001) rechtshängig geworden, wenn sie alsbald nach Erhebung des
Widerspruches abgegeben wird. Unter Berücksichtigung der bei der
Kostenentscheidung nach § 193 SGG zu gewichtenden Gesichtspunkte ist der Beklagte
zu verpflichten, die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Verfahren vor dem
Sozialgericht zu tragen, da der Beklagte den gesamten der Klägerin entstehenden
Aufwand (sowie den gesamten der öffentlichen Hand, letztlich also dem Steuerzahler
zur Last fallenden Aufwand) durch sein säumiges Verhalten veranlasst hat.
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Aus dem gleichen Grund hat er die Kosten des vorhergehenden Mahnverfahrens in
Höhe von 17,90 EURO zu tragen - § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG -.
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Eine Möglichkeit, dem Beklagten außergerichtliche Kosten des Klägers auch im
Berufungsverfahren aufzuerlegen, besteht nicht. Für das Berufungsverfahren ist das
Kostenrecht in der Fassung des 6. SGG-Änderungsgesetzes anzuwenden, da die
Berufung im August 2002 und damit nach dem vorbenannten Stichtag der
Rechtsänderung anhängig geworden ist. Nach § 193 i.V.m. 184 SGG in der Fassung
62
des 6. SGG-Änderungsgesetzes sind u.a. private
Pflegepflichtversicherungsunternehmen nicht mehr zur Geltendmachung der
außergerichtlichen Kosten berechtigt. Eine Kostenbelastung der Klägerin mit Teilen der
außergerichtlichen Kosten des Beklagten im Berufungsverfahren erschiene dem Senat
selbst angesichts des teilweisen Erfolgs der Berufung unter Berücksichtigung seines
Gesamtverhaltens unbillig.
Der Senat hat die Revision in der Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der Sache
zugelassen (§ 160 Abs. 2 Satz 1 SGG).
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