Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 25.02.2010

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschluss vom 25.02.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 56 AS 1358/08
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 7 SF 2/09
Auf die Beschwerde des beklagten Landes wird der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 04.02.2009
aufgehoben.
Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist eröffnet.
Der Rechtsstreit wird zur Entscheidung an das Sozialgericht Hannover zurückverwiesen.
Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten des beklagten Landes im Beschwerdeverfahren zu tragen.
Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben.
Gegen diesen Beschluss wird die weitere Beschwerde an das Bundessozialgericht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist der Rechtsweg für die am 13.05.2008 beim Sozialgericht Hannover erhobene Klage (S 56 AS 1358/08)
gegen die Festsetzung der Landesbeteiligung an den Kosten des Klägers für die Grundsicherung für Arbeitssuchende
im Haushaltsjahr 2008 nach Maßgabe des § 5 Abs. 3 Niedersächsisches Gesetz zur Ausführung des Zweiten Buchs
des Sozialgesetzbuches - Nds. AG SGB II - (Bescheid vom 18.12.2007 und Widerspruchsbescheid vom 04.02.2008).
Der Kläger ist der Auffassung, dass eine Umstellung im Festsetzungssystem des Beklagten insgesamt fünf
Landkreise sowie insbesondere die Region Hannover überproportional begünstige. Während es für die
Zuschussermittlung für das Jahr 2007 auf die jeweiligen Ausgaben der Kommunen im Kalenderjahr 2006 angekommen
sei, seien für die Zuschussermittlung 2008 die Ausgaben im Zeitraum von Juli 2006 bis Juni 2007 herangezogen
worden. Die Region Hannover habe jedoch im Oktober 2006 eine Nachzahlung i.H.v. 41 Mio EUR an die
Bundesagentur für Arbeit geleistet. Diese sei bei den Berechnungen des Beklagten infolge der Verschiebung des für
die Zuschussermittlung relevanten Bemessungszeitraums sowohl für die Landesbeteiligung für das Jahr 2007 als
auch für das Jahr 2008 in Ansatz gebracht worden. Dadurch sei die Region Hannover gegenüber den pünktlich an die
Bundesagentur für Arbeit nachzahlenden Kreisen - und damit auch gegenüber dem Kläger - doppelt begünstigt
worden. Denn die innerhalb vorangegangener Abrechnungszeiträume nicht abgeführten Nachzahlungen an die
Bundesagentur für Arbeit hätten durch die Wertstellung im Oktober 2006 sowohl die Zuwendung für das Jahr 2007 als
auch für das Jahr 2008 erhöht. Deshalb habe es bei der Zuschussermittlung auf die Ausgaben für das Jahr 2006 und
nicht auf die in 2006 kassenwirksam gewordenen Zahlungen ankommen müssen.
Demgegenüber hat sich der Beklagte im Wesentlichen darauf gestützt, dass § 5 Abs. 3 S. 2 Nds. AG SGB II nicht
darauf abstelle, für welchen Zeitraum Leistungen erbracht worden wären. Es komme auf den Zeitpunkt der Meldung
an, so dass auch periodenfremde Erstattungen als Ausgaben für den in Streit stehenden Abrechnungszeitraum in
Ansatz gebracht werden müssten.
Das Sozialgericht Hannover hat sich nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 04.02.2009 für unzuständig
erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Hannover verwiesen. Der Verwaltungsrechtsweg sei nach § 40
Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet. Die Streitigkeit sei nicht als Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitslose i.S.d.
aufdrängenden Spezialzuweisung des § 51 Abs. 1 Nr. 4a Sozialgerichtsgesetz - SGG - zu werten. Es handele sich
der Sache nach um einen Anspruch aus dem Recht des kommunalen Finanzausgleichs. Die Beteiligten stritten nicht
über im Einzelfall erbrachte Leistungen nach den Vorschriften des SGB II, sondern über die finanzielle Ausstattung
des Klägers.
Das beklagte Land hat gegen den am 10.02.2009 zugestellten Beschluss am 17.02.2009 Beschwerde erhoben. Es ist
der Auffassung, die Streitfrage sei nicht dem kommunalen Finanzausgleich zuzuordnen. Im Übrigen wären die
Beteiligung des Bundes an den Kosten der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach § 46 Abs. 5 SGB II und die
Berechnung des Landeszuschusses nach § 5 Nds. AG SGB II so eng miteinander verbunden, dass bei
Klageverfahren eine einheitliche Zuständigkeit geboten sei.
Das beklagte Land beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 04.02.2009 aufzuheben und den Rechtsstreit beim Sozialgericht
Hannover fortzuführen.
Der Kläger tritt dem Beschwerdebegehren entgegen.
Er ist der Auffassung, das beklagte Land sei grundsätzlich nicht in das Leistungssystem des SGB II eingebunden.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist nach § 17a Abs 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG - i.V.m. §§ 172, 173 SGG statthaft
und zulässig. Sie ist auch begründet.
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist nach § 51 Abs 1 Nr 4a SGG eröffnet. Das Sozialgericht Hannover ist
sachlich und örtlich zuständig (vgl. §§ 8, 57 SGG).
Nach § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche
Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Dazu zählt auch die im Streit stehende
Festsetzung des Landeszuschusses an den Kosten des Klägers für Leistungen der Grundsicherung für
Arbeitsuchende gem. § 5 Nds. AG SGB II. Danach beteiligt sich das Land an den Kosten der kommunalen Träger für
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende mit jährlich 136 Mio. EUR (Abs. 1). Die Verteilung und
Auszahlung der Landesbeteiligung erfolgt gemäß den Abs. 2 - 4. Vorliegend geht es um die Berechnung und
Festsetzung des Landeszuschusses für die Aufwendungen des Klägers für die Kosten für Unterkunft und Heizung
nach Maßgabe des Abs. 3. Die Vorschrift regelt ein dem Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende
zuzurechnendes Finanzierungssystem. Denn der Landeszuschuss und der in § 46 Abs. 5 SGB II geregelte
Bundeszuschuss für die Leistungen für Unterkunft und Heizung stellen ein spezielles Konzept der Finanzierung der
durch die Kommunen getragenen Grundsicherungsleistungen dar. § 5 Nds. AG SGB II und § 46 Abs 5 SGB II
zusammen setzen die mit dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Artikel 1 des Gesetzes
vom 24. Dezember 2003, BGBl. I-2954) vorgesehene finanzielle Entlastung der Kommunen um (vgl. LT-Drs. NDS
15/3850 u. LT-Drs. NDS. 15/3690, S. 4 ff). So bringt neben den in § 46 Abs. 5 SGB II geregelten
Entlastungszahlungen des Bundes das jeweilige Bundesland seine ersparten Wohngeldmittel ein und leitet diese an
die kommunalen Träger weiter. Die Verteilung der ersparten Wohngeldmittel ist in Niedersachsen durch § 5 Nds. AG
SGB II geregelt. Bei systematischer und historischer Betrachtung ist daher von einem speziellen den
Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuzurechnendem Finanzierungskonzept auszugehen. Im
Übrigen reichen für den Rechtsweg zu den Sozialgerichten nach § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG eine Verknüpfung der
rechtlichen Problematik mit dem SGB II sowie der enge sachliche Zusammenhang zur Verwaltungstätigkeit der
Behörden nach dem SGB II aus (BSG 15.12.2009 - B 1 AS 1/08 KL -, Rz. 20).
Etwas anderes ergibt sich nicht im Hinblick auf das Niedersächsische Gesetz über den Finanzausgleich - NFAG -
(vom 14.09.2007, Nds GVBl., S. 466) und das Niedersächsische Gesetz zur Regelung der Finanzverteilung zwischen
Land und Kommunen - NFVG - (vom 13.09.2007, Nds. GVBl., S 461). Das NFAG und das NFVG regeln die Teilhabe
der Kommunen an bestimmten Steuereinnahmen von Bund und Ländern und die Finanzierung bestimmter
kommunaler Aufgaben. Demgegenüber handelt es sich bei der Beteiligung an den kommunalen Kosten der
Grundsicherung für Arbeitssuchende nicht um die Verteilung bestimmter Steuereinnahmen nach dem NFAG oder die
vom NFVG vorgesehene Finanzierung dort genannter kommunaler Aufgaben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs 1 VwGO in entsprechender Anwendung.
Eine Streitwert- oder Gegenstandswerfestsetzung für das Beschwerdeverfahren war jedoch entbehrlich, da
wertabhängige Kosten nicht entstanden sind. Gerichtsgebühren sind nach § 21 Abs 1 Gerichtskostengesetz - GKG -
wegen unrichtiger Sachbehandlung durch das SG Hannover nicht zu erheben.
Die Beschwerde an das Bundessozialgericht war gem. § 202 SGG i.V.m. § 17a Abs. 4, S. 4, 5 GVG zuzulassen, weil
die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat.-