Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 07.11.2008

LSG Nsb: fahrtkosten, örtliche zuständigkeit, aufenthalt, sozialhilfe, wohnung, niedersachsen, notlage, sorgerecht, hauptsache, verfügung

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschluss vom 07.11.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Braunschweig S 32 SO 117/08 ER
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 8 SO 134/08 ER
Auf die Beschwerde der Antragsteller zu 2. und 3. wird der Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 10. Juli
2008 geändert.
Der Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung ver-pflichtet, den Antragstellern zu 2. und 3. vorläufig
– unter dem Vorbe-halt der Rückforderung vom 14. Juni 2008 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache
die ihnen durch die im Rahmen der Ausübung des Umgangsrechts erfolgten bzw. erfolgenden Besuchs-aufenthalte bei
dem Antragsteller zu 1. entstandenen bzw. entstehen-den Lebenshaltungskosten (anteiliges Sozialgeld) und
Fahrtkosten zu übernehmen, und zwar für die zurückliegende Zeit als Erstattung und für die zukünftige
Besuchsaufenthalte als Vorschuss. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Beschwerde des Antragstellers zu 1. wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die den Antragstellern zu 2. und 3. in beiden Rechtszügen entstandenen außergerichtlichen
Kosten zu erstatten. Außergerichtliche Kosten des Antragstellers zu 1. sind nicht zu erstat-ten.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe:
I.
Der in G. lebende und vom Antragsgegner (der zugleich örtlicher Sozialhilfeträ-ger ist) Leistungen nach dem SGB II
beziehende Antragsteller zu 1. sowie seine bei ihrer Mutter (seit 1999 vom Antragsteller zu 1. geschieden) in H.
lebenden Söhne Jannis und Lukas (Antragsteller zu 2. und 3., geboren am 22. Mai 1993 bzw. am 11. Oktober 1994;
gemeinsames Sorgerecht der Eltern) begehren, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu
verpflichten, die ihnen durch die Ausübung des Umgangsrechts entstehenden Kosten zu übernehmen. Das dem
Antragsteller zu 1. im Beschluss des Amtsgerichts I. vom 29. Februar 1999 eingeräumte Umgangsrecht gestattet ihm
im Wesentlichen, seine Söhne an jedem ersten und dritten Freitag eines jeden Monats bis zum darauf folgen-den
Sonntag zu sich zu holen. Der Beschluss sieht vor, dass der Antragsteller zu 1. seine Söhne bei der Mutter abholt
und wieder zurück bringt. Nach dem Vor-bringen des Antragstellers zu 1. halten sie sich einschließlich der
Ferienzeiten im Jahresdurchschnitt 10 von 30 Tagen im Monat bei ihm auf.
Der Antragsteller zu 1. bezieht von dem Antragsgegner ( Fachdienst Arbeit ) Arbeitslosengeld II ohne
Berücksichtigung der Antragsteller zu 2. und 3. und oh-ne Kosten des Umgangsrechts. Gegen die jeweiligen
Bescheide hat der An-tragsteller zu 1. Widerspruch eingelegt bzw Klage erhoben. Ein Antrag auf Über-nahme der
Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts wurde von dem An-tragsgegner – Fachgebiet Soziales – mit Bescheid
vom 17. März 2008 abge-lehnt. Ein Überprüfungsantrag des Antragstellers zu 1. vom 31. Mai 2008 ist bis-her von
dem Antragsgegner nicht beschieden worden.
Die Antragsteller haben am 14. Juni 2008 bei dem Sozialgericht Braunschweig um einstweiligen Rechtsschutz
nachgesucht und im einzelnen beantragt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
1. dem Antragsteller die notwendigen Lebenshaltungskosten für seine bei-den Kinder ab dem 14.06.2008 in Höhe von
1/3 der Regelleistung zu zah-len, 2. den Antragstellern die notwendigen Fahrtkosten für die Wahrnehmung des
Umgangsrechts zu zahlen, 3. die Zustimmung zum Umzug in eine 3-Zimmer-Wohnung zu erteilen und 4. die Kosten
für ein vollständiges Jugendzimmer zu übernehmen.
Das SG hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit Be-schluss vom 10. Juli 2008 abgelehnt.
Dagegen haben die Antragsteller am 31. Juli 2008 Beschwerde eingelegt.
II.
Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig und hinsichtlich der Antragsteller zu 2. und 3. weitestgehend begründet,
hinsichtlich des Antragstellers zu 1. un-begründet.
Der am 14. Juni 2008 gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war zulässig.
Das grundsätzlich für den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG erforderliche streitige
Rechtsverhältnis liegt hier vor. Der Antragstel-ler zu 1. hat gegenüber dem Antragsgegner eindeutig zum Ausdruck
gebracht, dass er für sich und seine Kinder Leistungen begehrt ("Fahrtkosten Umgangs-recht/Sorgerecht, anteiliges
Sozialgeld"), bestandskräftige Bescheide liegen je-denfalls hinsichtlich der Zeit ab dem Antragseingang beim SG am
14. Juni 2008 nicht vor. Dabei ist hier unbeachtlich, ob der Antragsgegner im Rahmen seiner Zuständigkeit als
örtlicher Sozialhilfeträger (§ 97 Abs 1 SGB XII iVm § 1 des Nie-dersächsischen Ausführungsgesetzes zum SGB XII)
oder als kommunaler Trä-ger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (§ 6 SGB II iVm der Kommunalträ-ger-
Zulassungsverordnung) betroffen ist, weil sowohl Bescheide des Fachdiens-tes Soziales als auch des Fachdienstes
Arbeit ergangen sind. Damit kann hier offen bleiben, ob das im Sozialrecht geltende Meistbegünstigungsprinzip (vgl
hierzu BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 8/9b SO 9/06 R , juris, Rdnr 10) im-mer bei Leistungsbegehren gilt, für die
Anspruchsgrundlagen im SGB II und im SGB XII in Betracht kommen oder dies – nur bei den sog Optionskommunen
gilt.
Bei der hier vorliegenden Fallgestaltung bedurfte es deshalb auch keiner Beila-dung, weil der Antragsgegner als
Rechtsträger ohnehin beteiligt ist und nach niedersächsischem Landesrecht Behörden nicht beteiligungsfähig sind (§
70 SGG).
Die Antragsteller zu 2. und 3. haben einen Anordnungsanspruch darauf, den An-tragsgegner im Wege einer
einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG vorläufig zur Übernahme der ihnen durch die im Rahmen
der Ausübung des Umgangsrechts erfolgten bzw. erfolgenden Besuchsaufenthalte bei dem An-tragsteller zu 1.
entstandenen bzw. entstehenden Lebenshaltungs- und Fahrt-kosten zu verpflichten.
Die Antragsteller zu 2. und 3. haben einen Anspruch auf die von ihnen für die Zeiten ihrer Besuchsaufenthalte bei dem
Antragsteller zu 1. begehrten anteiligen Regelleistungen (Sozialgeld) – allerdings nur in Höhe von 1/30 des Monatssat-
zes pro nachgewiesenem Tag des Aufenthalts – gemäß § 20 Abs 2 iVm § 28 Abs 1 Satz 1, Satz 2, Satz 3 Nr 1, § 7
Abs 1, Abs 2, Abs 3 Nr 4 und § 9 Abs 1, Abs 2 SGB II glaubhaft gemacht. Die Antragsteller zu 2. und 3. bilden – wie
von der Antragsgegnerin auch angenommen wird – in der Zeit ihres Aufenthaltes bei dem Antragsteller zu 1. mit
diesem eine zeitweise Bedarfsgemeinschaft (vgl BSG, Urteil vom 7. November 2006, – B 7b AS 14/06 R -, NZS 2007,
383, und juris, Rdnr 27, 28). Sie haben glaubhaft gemacht, während der Besuchsaufent-halte bei dem Antragsteller zu
1. hilfebedürftig zu sein. Der Antragsteller zu 1. kann ihren Lebensunterhalt nicht sicherstellen, weil er selbst
hilfebedürftig ist und die ihm gewährten SGB II - Leistungen des Antragsgegners nur zur Siche-rung seines eigenen
Lebensunterhalts ausreichen. Die Mutter der Antragsteller zu 2. und 3., Dr. J., ist – wie eine google-Recherche des
Senats ergeben hat – seit Januar 2003 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Sprach- und
Literaturwissenschaften der Universität K ... Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sie über ausreichendes
Einkommen verfügt, welches sie neben dem den Antragstellern zu 2. und 3. gewährten Betreuungsunterhalt (§ 1606
Abs 3 Satz 2 BGB) wegen der fehlenden Leistungsfähigkeit des an sich barun-terhaltspflichtigen Antragstellers zu 1.
auch zur Zahlung von Barunterhalt ver-pflichtet (so genannte Ausfallhaftung, vgl Palandt, BGB, 66. Aufl 2007, § 1606
Rdnr 19). Ob entsprechende Unterhaltsansprüche der Antragsteller zu 2. und 3. bestehen, welche im Leistungsfall auf
den Antragsgegner übergehen, kann je-doch dahinstehen. Denn solche Ansprüche sind nicht – ihrer Hilfebedürftigkeit
entgegenstehende – Einkommen der Antragsteller zu 2. und 3. im Sinne von § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII. Solches
Einkommen läge nur vor, wenn sie tatsächlich Unterhaltszahlungen der Mutter für die Besuchsaufenthalte bei ihrem
Vater er-halten. Die Antragsteller zu 2. und 3. haben jedoch glaubhaft gemacht, dass dies nicht der Fall ist. Der
Antragsteller zu 1. hat zur Begründung der Beschwerde vorgetragen, die Kindesmutter gebe ihnen für die Zeit ihres
Besuchsaufenthalts bei ihm weder Geld noch Wechselwäsche oder sonstige Gegenstände mit. Die Antragsteller zu 2.
und 3. selbst haben mit schriftlicher Erklärung vom 4. Oktober 2008 glaubhaft versichert, ihre Mutter gebe ihnen für
die Aufenthalte bei ihrem Vater kein Geld mit. Diese Erklärungen sind vor dem Hintergrund, dass die Mut-ter an sich
nur den von ihr erbrachten Betreuungsunterhalt (und nicht auch noch Barunterhalt) schuldet und der Antragsteller zu 1.
als umgangsberechtigter El-ternteil grundsätzlich (Ausnahme – wie hier: eigene Hilfebedürftigkeit) die Kos-ten der
Ausübung des Umgangsrechts zu tragen hat, plausibel.
Das Kindergeld ist nicht Einkommen der Antragsteller zu 2. und 3. Es wird an ihre Mutter ausgezahlt und ist den
Antragstellern zu 2. und 3. auch nicht gemäß 11 Abs 1 Satz 3 SGB II als eigenes Einkommen zuzurechnen. Das
Kindergeld für minderjährige Kinder, die – wie hier die Antragsteller zu 2. und 3. während der zeitweisen
Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Vater – nicht in einer Familien-haushaltsgemeinschaft mit der kindergeldberechtigten
Person leben, ist Ein-kommen des bezugsberechtigten Elternteils und darf dem Kind nur angerechnet werden, soweit
es an dieses durch einen gesonderten zweckorientierten Zuwen-dungsakt tatsächlich weitergegeben wird (vgl. Brühl in
LPK-SGB XII, 8. Aufl 2007, § 82 Rdnr 60 mwN). Die Mutter ist zwar grundsätzlich gehalten, aus dem an sie gezahlten
Kindergeld den Antragstellern zu 2. und 3. Mittel zur Verfügung zu stellen, mit denen diese ihren Lebensunterhalt – zu
denen etwa auch die Kos-ten der Fahrten zum umgangsberechtigten Antragsteller zu 1. sowie die Kosten der dortigen
Besuchsaufenthalte gehören – bestreiten können. Insoweit ist je-doch – wie bereits ausgeführt – glaubhaft gemacht,
dass die Mutter der An-tragsteller zu 2. und 3. ihnen tatsächlich die benötigten Mittel zur Ausübung des
Umgangsrechts nicht zur Verfügung stellt.
Da den Antragstellern zu 2. und 3. die zur Ausübung des Umgangsrechts not-wendigen Mittel tatsächlich nicht zur
Verfügung stehen – auf die Anspruchsbe-rechtigung kommt es nach dem Tatsächlichkeitsgrundsatz nicht an -, droht
die Vereitelung des Umgangsrechts, und die Antragsgegnerin ist gehalten, das Feh-len der notwendigen "bereiten
Mittel" durch Gewährung der begehrten anteiligen Regelleistungen zu ersetzen (vgl LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil
vom 21. April 2008 – L 20 AS 112/06 -, juris Rdnr 47).
Die Antragsteller zu 2. und 3. haben auch einen Anspruch gegen den Antrags-gegner auf Übernahme der zur
Ausübung des Umgangsrechts erforderlichen Fahrtkosten glaubhaft gemacht. Anspruchsgrundlage ist § 73 SGB XII
(vgl BSG, Urteil vom 7. November 2006, a.a.O. juris Rn. 22 - 26). Der Antragsgegner ist entgegen seiner Auffassung
insoweit gemäß §§ 97, 98 Abs. 1 SGB XII der sach-lich und örtlich zuständige Sozialhilfeträger.
Das BSG hält eine Zuständigkeit des für den Aufenthalt der Kinder bei dem zur Ausübung des Umgangsrechts
besuchten Elternteil zuständigen Trägers für denkbar (vgl. Urteil vom 7. November 2006, a.a.O., Rn. 26). Gemäß § 98
Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die
Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Seinen tatsächlichen Auf-enthalt hat ein Hilfesuchender dort, wo ihn der
Träger der Sozialhilfe in Person vorfindet. Der tatsächliche Aufenthalt ist mit dem gewöhnlichen Aufenthalt als dem
auf Dauer begründeten örtlichen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen nicht notwendigerweise identisch. Entscheidend
ist die rein physische Anwesenheit des Hilfesuchenden im Bereich des Sozialhilfeträgers. Die Antragsteller zu 2. und
3. haben ihren tatsächlichen Aufenthalt während der Ausübung des Um-gangsrechts bei ihrem Vater im
Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners, an-sonsten in H. bei ihrer Mutter. Ihr zu deckender
Fahrtkostenfinanzierungsbedarf zur Ausübung des Umgangsrechts entsteht sowohl während ihres tatsächlichen
Aufenthalts an ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort bei der Mutter in H. nämlich hinsichtlich der Fahrtkosten zum Vater
nach G. – als auch während ihres tat-sächlichen Aufenthalts zur Ausübung des Umgangsrechts bei ihrem Vater in G.
– nämlich hinsichtlich der Fahrtkosten zurück nach H. -. Sieht man den Bedarf zur Finanzierung der Fahrtkosten für
Hin- und Rückfahrt als einheitlich am Aus-gangsort entstanden an, ergibt sich ebenso wenig nur ein (klarer)
Aufenthaltsort, an dem dieser Bedarf entsteht. Denn aus der Perspektive des tatsächlichen Auf-enthalts bei dem
Vater in G. handelt es sich um eine Hinfahrt nach H. mit Rück-fahrt nach G. und aus der Perspektive des
tatsächlichen Aufenthalts in H. um eine Hinfahrt nach G. mit Rückfahrt nach H ... Allein nach dem Wortlaut des § 98
Abs. 1 Satz 1 SGB XII lässt sich daher nicht klären, ob der L. Sozialhilfeträger oder der für G. zuständige
Antragsgegner zuständig ist. Dem Schutzzweck der Norm – und einer sinnvollen Verwaltungsorganisation – würde es
widerspre-chen, eine geteilte bzw. wechselnde örtliche Zuständigkeit für die Gewährung von Leistungen zur Deckung
der durch die Ausübung des Umgangsrechts ent-stehenden Kosten anzunehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni
1994 – 5 C 26/92 -, BVerwGE 96, 152, juris Rnr. 11 zur Vorgängervorschrift des § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG).
Sinn und Zweck des die Zuständigkeit des ortsnahen Sozialhilfeträgers anord-nenden § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist,
im Interesse des Hilfesuchenden eine schnelle und effektive Beseitigung der gegenwärtigen Notlage zu ermöglichen.
Dem liegt die Vorstellung zu Grunde, dass der ortsnahe Sozialhilfeträger schnel-ler als der ortsferne in der Lage ist,
die erforderlichen Ermittlungen, insbesonde-re zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des
Hilfesuchenden, vorzunehmen (BVerwG, ebenda). Daher ist es in der vom Antragsgegner zur Begründung der
Zuständigkeit des M. Sozialhilfeträgers herangezogenen ver-waltungsgerichtlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urteil
vom 23. Juni 1994, aaO; VGH Baden- Württemberg, Urteil vom 23. November 1995 – 6 S 941/09 , Juris) für Fälle, in
denen der Hilfeempfänger sich in regelmäßigem Wechsel an zwei Orten tatsächlich aufhält, für gerechtfertigt erachtet
worden, die örtliche Zustän-digkeit des Sozialhilfeträgers an den Ort zu knüpfen, der die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse des Hilfeempfängers maßgeblich bestimmt und seinen familiären Lebensmittelpunkt
bildet. Diese Rechtsprechung beansprucht aber nicht für alle Fälle Geltung, in denen ein Hilfeempfänger sich im
regelmäßi-gen Wechsel an zwei Orten tatsächlich aufhält. Der Leitsatz des soeben zitierten Urteils des VGH Baden-
Württemberg ist zwar derart abstrakt formuliert, der ausschließliche Bezug auf den konkret entschiedenen Fall wird
aber aus den Entscheidungsgründen deutlich. In dem Urteil des BVerwG vom 23. Juni 1994, auf das sich auch der
VGH Baden- Württemberg gestützt hat, kommt der Einzel-fallbezug in folgender Formulierung sehr deutlich zum
Ausdruck:
"Das Ziel einer möglichst wirksamen sozialrechtlichen Betreuung des im August 1985 erst elf Jahre alt gewesenen
Klägers rechtfertigt es daher, die örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers an den Ort zu knüpfen, der die
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers maß-geblich bestimmt und seinen familiären
Lebensmittelpunkt bildet."
Zum anderen ist die vorgenannte Rechtsprechung des BVerwG und des VGH Baden-Württemberg auch nicht auf den
vorliegenden Fall übertragbar, weil die-ser anders gelagert ist, als die vom BVerwG ("Der Sozialhilfeträger, der für ein
bei den Eltern lebendes minderjähriges Kind örtlich zuständig geworden ist, bleibt auch während der Schultage örtlich
zuständig, die das Kind in einem Schulinternat verbringt, das im Bereich eines anderen Sozialhilfeträgers liegt.") und
vom VGH Baden- Württemberg (in dieser Entscheidung ging es um eine verheiratete Hilfeempfängerin mit Kind, die
während der Woche am Ort der Aus-bildungsstätte ein Zimmer in einem Wohnheim bewohnte, an den Wochenenden
aber den Ort der gemeinsamen Ehewohnung zurückkehrte) entschiedenen Fälle. Ein entscheidender Unterschied
besteht darin, dass in diesen Fällen bereits un-streitig eine zunächst am Ort des familiären Lebensmittelpunkts
begründete örtli-che Zuständigkeit gegeben war, die als durch den vorübergehenden schul- bzw ausbildungsbedingten
tatsächlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich eines anderen Sozialhilfeträgers unberührt geblieben bewertet
worden ist. Hier lag es, zumal es um Hilfe zum Lebensunterhalt ging, auf der Hand, dass der für den Ort des
familiären Lebensmittelpunkts zuständige und bereits über die erforderlichen Informationen verfügende
Sozialhilfeträger schneller, effektiver und auch verwal-tungsökonomischer die erforderlichen Leistungen (weiter)
erbringen kann, als der erstmals mit der Sache befasste Sozialhilfeträger des neu hinzugekomme-nen
vorübergehenden Aufenthaltsortes. Die Antragsteller zu 2. und 3. beziehen hingegen in H. weder Sozialhilfeleistungen
noch Leistungen nach dem SGB II. Die Bearbeitung im Hinblick auf die Übernahme der zur Ausübung ihres Um-
gangsrechts erforderlichen Fahrtkosten kann am schnellsten und effektivsten durch den Antragsgegner als für den Ort
der Besuchsaufenthalt der Antragsteller zu 2. und 3. bei ihrem Vater in G. zuständigen Sozialhilfeträger erfolgen. Hier
wird das Umgangsrecht durch die Besuche der Antragsteller zu 2. und 3. bei dem Antragsteller zu 1. ausgeübt. Die
Antragsteller zu 2. und 3. haben das Recht auf Umgang mit ihrem Vater und dieser hat das Recht und die Pflicht auf
Umgang mit ihnen, § 1684 Abs 1 BGB. Verantwortlich für die Realisierung und konkrete Ausgestaltung des
Umgangsrechts ist der Antragsteller zu 1., der (ge-meinsam mit der Kindesmutter) das Sorgerecht für die
minderjährigen An-tragsteller zu 2. und 3. hat und sie so auch gesetzlich vertritt. Er kann sich – wie er es auch getan
hat – wesentlich leichter an den Antragsgegner als Sozialhilfe-träger vor Ort wenden, diesem die für die Übernahme
der zur Ausübung des Umgangsrechts erforderlichen Fahrtkosten der Antragsteller zu 2. und 3. not-wendigen
Informationen geben und das notwendigen Verwaltungsverfahren betreiben.
Generell spricht zur Überzeugung des Senats in Konstellationen wie der vorlie-genden Überwiegendes dafür, den für
den Ort der Ausübung des Umgangs-rechts örtlich zuständigen Sozialhilfeträger auch als für die Übernahme der zur
Ausübung des Umgangsrechts erforderlichen Fahrtkosten zuständig anzusehen. Denn in seinem
Zuständigkeitsbereich wird mit den in Ausübung des Umgangs-rechts durchgeführten Besuchsaufenthalten die
Ursache für den zu deckenden Fahrtkostenbedarf geschaffen. Zu bedenken ist insoweit schließlich auch, dass in
einer Vielzahl von Fällen – nämlich dann wenn er selbst hilfebedürftig ist und die Kinder etwa aufgrund ihres geringen
Alters von ihrem gewöhnlichen Aufent-haltsort abholen muss – auch Fahrtkosten des das Umgangsrecht ausübenden
Elternteils gemäß § 73 SGB XII zu übernehmen sind. Dafür wäre zweifellos der für den Wohn- und tatsächlichen
Aufenthaltsort dieses Elternteils zuständige So-zialhilfeträger zuständig. Würde man – anders als hier vom Senat
vertreten – für die das Umgangsrecht ausübenden Kinder den für den Ort ihres Lebensmittel-punkts (bei dem
Elternteil, bei dem sie leben) zuständigen Sozialhilfeträger für die Deckung ihres umgangsbedingten
Fahrtkostenbedarfs zuständig halten, kä-me es in den genannten Fällen zu unterschiedlichen Zuständigkeiten für den
Er-satz der Fahrtkosten des das Umgangsrecht ausübenden Elternteil einerseits und für den Ersatz der Fahrtkosten
der Kinder andererseits. Eine solche geteilte Zuständigkeit wäre nicht im Sinne einer schnellen, effektiven und
verwaltungs-ökonomischen Leistungsgewährung. Sie würde auch zu einer zumindest ver-meidbaren Belastung des
umgangsberechtigten Elternteils führen, weil er sich in der gleichen Sache an zwei Sozialhilfeträger wenden müsste.
Die Antragsteller zu 2. und 3. sind auch – wie bereits oben ausgeführt hilfebe-dürftig. Unstreitig kann der Antragsteller
zu 1. die Fahrtkosten der Antragsteller zu 2. und 3. nicht aufbringen, weil er selbst hilfebedürftig nach dem SGB II ist.
Ob bei der Bestimmung der Einkommensgrenze nach § 85 Abs. 2 SGB XII auf das Einkommen der Mutter der
Antragsteller zu 2. und 3. abzustellen ist, kann dahinstehen, weil diese – wie sie in ihrer eidesstattlichen Versicherung
vom 29. September 2008 ausdrücklich erklärt hat – nicht bereit ist, die Fahrtkosten ihrer Söhne (regulär) zu zahlen.
Das Kindergeld ist aus den vorstehend zu § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II gemachten Ausführungen nicht (ohne – hier
fehlende – Weiterlei-tung durch die Mutter) gemäß § 82 Abs 1 Satz 3 SGB XII als Einkommen der Antragsteller zu 2.
und 3. anzurechnen.
Die zur Ausübung des Umgangsrechts erforderlichen Fahrtkosten der An-tragsteller zu 2. und 3. bewegen sich in einer
Größenordnung, die den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigt.
Es besteht auch ein Anordnungsgrund, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig zur
Übernahme der zur Ausübung des Um-gangsrechts mit dem Antragsteller zu 1. erforderlichen Fahrt- und Lebenshal-
tungskosten der Antragsteller zu 2. und 3. zu verpflichten. Das Umgangsrecht der Antragsteller hat Verfassungsrang
(vgl. jüngstens BVerfG, Urteil vom 1. April 2008 -1 BvR 1620/04 NJW 2008, 1287-1292, juris Rn. 70f.; LSG
Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21. Juni 2007, L 8 AS 491/05) und seine Ausübung würde ohne die vorgenannte
vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache verhindert oder doch
zumindest in einer für die Antragsteller unzumutbaren Weise erschwert.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist bei der Verpflichtung zur vorläufigen Gewährung von Sozialhilfe – wie hier –
auf den Zeitpunkt des Eingangs des An-trages auf vorläufigen Rechtsschutz bei Gericht abzustellen. Durch eine
einst-weilige Anordnung soll in den Verfahren dieser Art eine gegenwärtige Notlage behoben werden, wobei die Zeit
des Eingangs des Antrages bei Gericht bis zu seiner (Beschwerde-) Entscheidung nicht zu Lasten des
Hilfesuchenden gehen darf. Demgemäß waren die Leistungen dem Grunde nach ab dem 14. Juni 2007 zuzusprechen.
Die Beschwerde des Antragstellers zu 1. hat in der Sache keinen Erfolg. Der An-tragsteller zu 1. hat keinen
(Anordnungs-) Anspruch auf Erstattung der ihm durch Fahrten zwischen G. und H. zum Abholen bzw Zurückbringen
der Antragsteller zu 2. und 3. entstehenden Kosten gemäß § 73 SGB XII, weil er nicht glaubhaft gemacht hat, dass
diese Kosten erforderlich sind. Kindern im Alter der An-tragsteller zu 2. und 3. (14 bzw 15 Jahre alt) ist zumal dann,
wenn sie gemein-sam reisen zumutbar, eigenständig mit öffentlichen Verkehrsmitteln ohne die Begleitung eines
Elternteil von H. nach G. (und zurück) zu fahren. Dass hier in der Person des Antragstellers zu 2. oder des
Antragstellers zu 3. besondere Gründe vorliegen, die ihnen die in Rede stehenden Reisen unzumutbar machen, ist
von den Antragstellern nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Der Antragsteller zu 1. kann sich auch nicht
erfolgreich darauf berufen, dass im Um-gangsbeschluss des Amtsgerichts I. vom 29. Februar 1999 eine Regelung ent-
halten ist, nach der er die Kinder persönlich bei der Mutter abholt und wieder-bringt. Denn diese Regelung ist auf der
Grundlage der damaligen Verhältnisse getroffen. Die Antragsteller waren erst vier bzw. fünf Jahre alt und ihr Abholen
und Zurückbringen durch den Antragsteller zu 1. daher – anders als heute zur Ausübung des Umgangsrechts
erforderlich. Die in Rede stehende Regelung in dem im FGG-Verfahren ergangenen Beschluss ist entgegen dem
Vorbringen des Antragstellers zu 1. für ihn nicht in dem Sinne rechtsverbindlich, dass er da-von nicht wegen der
eingetretenen Änderung der ihr zugrunde liegenden maß-geblichen Umstände abweichen dürfte. Zudem hat er worauf
bereits das SG zutreffend hingewiesen hat – die Möglichkeit, die Regelung gerichtlich abändern zu lassen. Es ist
auch davon auszugehen, dass die Antragsteller zu 2. und 3. tatsächlich ohne Begleitung des Antragstellers zu 1.
nach G. und zurück fahren. Die Mutter der Antragsteller zu 2. und 3. hat in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom
29. September 2008 u.a. erklärt, dass ihre Söhne selbständig zu ihrem Vater nach G. fahren.
Schließlich ist für die von den Antragstellern im Wege einer einstweiligen Anord-nung erstrebte vorläufige
Verpflichtung des Antragsgegners, die Zustimmung zum Umzug in eine 3-Zimmer-Wohnung zu erteilen und die
Kosten für ein voll-ständiges Jugendzimmer zu übernehmen, ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Der
Senat vermag ebenso wenig wie das SG eine die Eilbedürftigkeit einer solchen Regelung begründende Notlage zu
erkennen, weil die Ausübung des Umgangsrechts durch die gegenwärtigen räumlichen Bedingungen nicht ge-fährdet
ist. Die Antragsteller zu 2) und 3) können sich – wenn auch möglicher-weise unterhalb des bei ihnen sonst üblichen
Unterkunftsniveaus - nach wie vor besuchsweise in der Wohnung des Antragstellers zu 1) aufhalten (siehe dazu
bereits Senatsbeschluss vom 18. August 2005 – L 8 AS 204/05 ER), und es ist den Antragstellern zumutbar, eine
Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, zumal – wie der Antragsgegner unwidersprochen vorgetragen hat – der
An-tragsteller zu 1. trotz eines entsprechenden Hinweises bisher noch nicht einmal ein Darlehen gemäß § 23 Abs. 1
SGB II zur Finanzierung von weiteren Woh-nungseinrichtungsgegenständen beantragt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gerichtskosten werden in Sozialhilfeverfahren dieser Art nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.