Urteil des LSG Hessen vom 11.02.2009

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Hessisches Landessozialgericht
Beschluss vom 11.02.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Darmstadt S 18 AS 764/06
Hessisches Landessozialgericht L 9 B 229/08 AS
Die Beschwerde des Antragstellers vom 1. September 2008 wird als unzulässig verworfen.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer betrieb unter dem Aktenzeichen S 18 AS 764/06 ein Verfahren vor dem Sozialgericht
Darmstadt, mit dem er die Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung
für Arbeitssuchende - (SGB II) durch den dortigen Beklagten und hiesigen Beschwerdegegner begehrte. Das
Verfahren wurde im Erörterungstermin vom 16. Januar 2008 durch Vergleich, mit dem auch die drei weiteren Verfahren
des Beschwerdeführers (Aktenzeichen: S 18 AS 247/06, S 18 AS 746/07 und S 18 AS 733/07) beendet wurden,
beendet.
Erstmals mit Schreiben vom 26. Februar 2008 wandte sich der Beschwerdeführer unter der Überschrift "Widerspruch
Beschwerde / Revision" an das Sozialgericht Darmstadt und begehrte eine gerichtliche Entscheidung in der Sache.
Die damalige Kammervorsitzende legte daraufhin ein neues Verfahren unter dem Aktenzeichen S 18 AS 158/08 an,
dessen Streitgegenstand die Frage der Erledigung unter anderem des Verfahrens S 18 AS 764/06 durch den Vergleich
vom 16. Januar 2008 ist.
Mit dem Datum vom 5. März 2008 begehrte der Kläger weiterhin eine gerichtliche Entscheidung im Verfahren S 18 AS
764/06, wobei die Überschrift seines Schreibens ergänzt wurde um "Antrag zum vorigem Stand".
Unter dem Datum vom 1. April 2008 erinnerte der Beschwerdeführer erstmals an seinen/ seine "Widerspruch
Beschwerde / Revision ".
Am 1. September 2008 ging beim erkennenden Gericht ein Schreiben des Beschwerdeführers ein, das ebenfalls mit
"Widerspruch Beschwerde / Revision" überschrieben war. Das Schreiben nennt insoweit alle vier oben genannten
Aktenzeichen des SG Darmstadt. Weiterhin enthielt das Schreiben den Vermerk "Erinnerung 25.08.2008" und es heißt
darin ergänzend:" sehr geehrte Damen, sehr geehrter Herrn, sehr geehrter Richterin Y. wegen einigen (einen) Monaten
Untätigkeit zur Erinnerung gebracht! Untätigkeits-Klage wird somit ab 25.08.2008 eingereicht". Im Weiteren enthält
dieses Schreiben überwiegend allgemein gehaltene Ausführungen zum Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt, zum
tatsächlichen Aufenthalt und zu den Rechtsfolgen unterlassener Anhörung. Das erkennende Gericht hat diese –
wortgleichen - Eingaben unter den Aktenzeichen L 9 B 226/08 AS L 9 B 227/08 AS, L 9 B 228/08 AS und L 9 B
229/08 AS angelegt.
Einen konkreten Antrag hat der Beschwerdeführer nicht gestellt.
Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, sowie der Gerichtsakten in den
Verfahren L 9 B 226/08 AS, L 9 B 227/08 AS und L 9 B 228/08 AS und der Akte des Verfahrens S 18 AS 764/06 des
Sozialgerichts Darmstadt verwiesen. Diese wurden zur Entscheidung herangezogen.
II.
Das Rechtsmittel bzw. der Rechtsbehelf des Beschwerdeführers ist bereits unzulässig, da nicht statthaft.
Insoweit bleibt - trotz entsprechender Anfrage des Gerichts - schon unklar, was der Beschwerdeführer mit seinem
Rechtsmittel oder Rechtsbehelf überhaupt erreichen will. Zu Gunsten des Beschwerdeführers lässt es das Gericht
jedoch dahinstehen, ob insoweit überhaupt eine ordnungsgemäße Beschwerdeerhebung erfolgt ist, da der
Beschwerdegegenstand nicht erkennbar ist.
Für das Gericht ergeben sich zwei Auslegungsmöglichkeiten, die jedoch beide zur Unstatthaftigkeit der Beschwerde
führen. Zunächst könnte sich der Beschwerdeführer gegen die Verfügung der damaligen Kammervorsitzenden des
Sozialgerichts Darmstadt wenden, die Verfahren S 18 AS 764/06, S 18 AS 247/06, S 18 AS 746/07 und S 18 AS
733/07, welche gemeinsam durch den Vergleich vom 16. Januar 2008 beendet wurden, unter dem Aktenzeichen S 18
AS 158/08 fortzuführen. Diese Verfügung ist jedoch gemäß § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht mit der
Beschwerde anfechtbar, die Beschwerde ist daher nicht statthaft. Nach § 172 Abs. 1 SGG findet gegen die
Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser
Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Nach
§ 172 Abs. 2 SGG können prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Vertagungsbeschlüsse,
Fristbestimmungen, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und
Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht mit der Beschwerde
angefochten werden. Die Entscheidung der früheren Kammervorsitzenden des Sozialgerichts Darmstadt, den Streit
über die Wirksamkeit des Vergleiches vom 16. Januar 2008 unter dem Aktenzeichen S 18 AS 158/08 fortzuführen,
beinhaltet zugleich die Entscheidung, diesen in vier Verfahren existierenden Streit zu einem Verfahren zu verbinden.
Diese Entscheidung ist jedoch gemäß § 172 Abs. 2 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar. Dem Vortrag des
Beschwerdeführers lässt sich auch nicht entnehmen, dass er sich allein gegen die Vergabe eines neuen
Aktenzeichens wendet, so dass es auf diese Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht ankommt. Der
Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass insoweit eine Beschwer des Beschwerdeführers nicht zu erkennen ist, die
Beschwerde damit auch mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig ist.
Als weitere - und wohl nahe liegende - Auslegungsmöglichkeit sieht der erkennende Senat in der Beschwerde des
Beschwerdeführers eine Untätigkeitsbeschwerde, weil über die Fortsetzung des Verfahrens bisher durch das
Sozialgericht Darmstadt nicht entschieden wurde. Doch auch diese Beschwerde ist unzulässig, da eine
Untätigkeitsbeschwerde im SGG nicht statthaft ist. Das SGG kennt eine solche Beschwerde nicht. Die
Untätigkeitsbeschwerde ist als Rechtsmittel bzw. Rechtsbehelf im Gesetz nicht vorgesehen. Da jedoch
Rechtsbehelfe und Rechtsmittel in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für die
Bürger erkennbar sein müssen, würde eine allein durch Richterrecht geschaffene weitere Beschwerdeart dem aus dem
Rechtsstaatsgebot abzuleitenden Gebot der Rechtsmittelklarheit nicht genügen (vgl. BSG, Beschl. v. 21. Mai 2007 -
B 1 KR 4/07 S - [zitiert nach Juris] m. w. N. zu entsprechenden Entscheidungen des BVerfG, BVerwG, BFH und
EGMR). Eine Erweiterung des Rechtsschutzes über die im Gesetz vorgesehenen Rechtsbehelfe und Rechtsmittel
hinaus kann daher nicht erfolgen. Vielmehr gebietet es das rechtsstaatliche Erfordernis der Messbarkeit und
Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns, dem Rechtsuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen
klar vorzuzeichnen (vgl. BSG a.a.O., m.w.N.).
Der Beschwerdeführer wird daher die Entscheidung des Sozialgerichts Darmstadt im Verfahren S 18 AS 158/08
abwarten müssen. Sollte bei ihm besondere Eile geboten sein, steht ihm die Möglichkeit der Erhebung eines
Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes zur Verfügung.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.