Urteil des LSG Hamburg vom 24.01.2007

LSG Ham: krankenpflege, vergütung, stadt hamburg, erfüllung, versorgung, vertragsschluss, öffentlich, verbindlichkeit, befreiung, nichtschuld

Landessozialgericht Hamburg
Urteil vom 24.01.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 23 KR 1276/02
Landessozialgericht Hamburg L 1 KR 19/06
1. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 31. Mai 2006
abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Die
Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist, ob die Beklagte der Klägerin Zahlungen für die von dieser in der Zeit vom 11. September 2001 bis zum
26. August 2002 erbrachten ärztlich verordneten Leistungen der häuslichen Krankenpflege (§ 37 Sozialgesetzbuch -
SGB V) zu leisten hat.
Die Klägerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst. Sie erbrachte bereits gegenüber Versicherten der
Rechtsvorgängerin der Beklagten (BKK Stadt Hamburg) seit Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit im Jahr 1997
Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Für deren Vergütung fand die "Rahmenvereinbarung über die Durchführung
häuslicher Pflege- und Versorgungsleistungen - § 132 Absatz 1 Sozialgesetzbuch V" vom 1. August 1994
Anwendung.
Dieser Vertrag war von dem die Beklagte damals vertretenden BKK-Landesverband NORD mit Schreiben vom 25.
Juni 1998 zum 31. Dezember 1998 gekündigt worden. Der BKK-Landesverband NORD erklärte jedoch mit Schreiben
vom 18. Dezember 1998 und vom 12. April 2000, die Betriebskrankenkassen – also auch die Beklagte – ließen den
gekündigten Vertrag ab 1. Januar 1999 und mit Modifikationen ab 12. April 2000 "bis zum Abschluss der
Verhandlungen eines neuen Vertrages" weiter gegen sich gelten. Die Beklagte vergütete auch weiterhin auf dieser
Grundlage durch die Klägerin erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege.
Nachdem die Beklagte dem BKK-Landesverband NORD am 26. Oktober 2000 das Verhandlungsmandat entzogen
hatte, übermittelte sie mit Schreiben vom 12. März 2001 der Klägerin (und anderen Pflegebetrieben; vgl. LSG
Hamburg 10.11.2004 – L 1 KR 43/04, Breithaupt 2005, 472) ein schriftliches Vertragsangebot mit einer
Vergütungsregelung. In diesem den Beteiligten bekannten Schreiben ist ausgeführt:
"Sollten Sie den Vertrag nicht unterschreiben wollen, bitten wir um kurzfristige Information, damit wir die Versorgung
des Patienten über einen Partner, der den Vertrag unterschrieben hat, sicherstellen können. Da wir in der Lage sind,
die Versorgung aller unserer Patienten mit Partnern sicherzustellen, die dem Vertrag beigetreten sind, bitten wir um Ihr
Verständnis, daß unser Vertragsangebot nicht verhandlungsfähig ist."
Die Klägerin nahm dieses Vertragsangebot – zunächst – nicht an. Eine Besprechung am 3. April 2001 von Vertretern
der Beklagten und der Hamburgische Pflegegesellschaft e. V. (HPG), die auch die Klägerin in den Verhandlungen
vertrat, endete damit, dass die Beklagte die Verhandlungen vorerst für gescheitert erklärte. Mit dem den Beteiligten
bekannten Schreiben vom 5. April 2001 unterrichtete sie die Klägerin (und andere Pflegebetriebe; vgl. LSG Hamburg
10.11.2004 – L 1 KR 43/04, Breithaupt 2005, 472) davon, dass die Verhandlungen ohne Ergebnis abgeschlossen
worden seien. Damit ende die zwischen der HPG und dem BKK-Landesverband NORD abgeschlossene
Übergangsregelung vom 12. April 2000 mit der Folge, dass Versicherte der Beklagten vom 4. April 2001 an nicht mehr
zu Lasten der Beklagten betreut werden könnten.
Gleichwohl vergütete die Beklagte weiterhin die von der Klägerin erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege.
Dies hatte seinen Grund darin, dass die Klägerin bis zum Jahr 2000 Mitglied im Zentralverband Hamburger
Pflegedienste e. V. (ZHP) gewesen und dann zum Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V.
gewechselt, dies aber der Beklagten zunächst nicht bekannt geworden war. Infolge dessen vergütete sie bis zum 10.
September 2001 durch die Klägerin erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege aufgrund eines zwischen ihr
und dem ZHP geschlossenen Vergleichs. Für die Zeit ab 11. September 2001 stellte die Beklagte nach
Kenntniserlangung die Vergütungen für die von der Klägerin erbrachten Leistungen ein.
Dies teilte sie der Klägerin in der Form mit, dass sie dieser in den einzelnen Leistungsfällen schriftlich anzeigte, es
würden keine Kosten übernommen, da ein Versorgungsvertrag nicht abgeschlossen sei. Hierzu verwies die Beklagte
auf ihre Schreiben an die Klägerin im Leistungsfall des Versicherten O., dem die Klägerin ab 27. Dezember 2001
Pflegeleistungen erbrachte.
Die Beklagte informierte zudem ihre Versicherten schriftlich darüber, dass verordnete Leistungen der häuslichen
Krankenpflege zu ihren Lasten nur von Pflegediensten erbracht werden könnten, mit denen ein Versorgungsvertrag
bestehe und dass diese Voraussetzung der beauftragte Pflegedienst nicht erfülle. Doch könnten die Versicherten die
Leistungen, auf die sie nach wie vor einen Anspruch hätten, jederzeit von einem Pflegedienst erhalten, mit dem die
Beklagte einen Versorgungsvertrag geschlossen habe. Eine Liste der Vertragspartner war diesen Schreiben an die
Versicherten beigefügt.
Ein neuer Vertrag kam auch weiterhin zwischen den Beteiligten zunächst nicht zustande.
Gleichwohl erbrachte die Klägerin fortwährend Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegenüber Versicherten der
Beklagten, die jedoch von der Beklagten für die Zeit vom 11. September 2001 bis zum 26. August 2002 nicht vergütet
wurden.
Erst am 27. August 2002 unterschrieb die Klägerin einen neuen Vertrag nach § 132 Abs. 1, § 132a Abs. 2 SGB V mit
der Beklagten, der noch am 27. August 2002 in Kraft trat. Aufgrund dieses Vertrags nahm die Beklagte die Vergütung
der von der Klägerin erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege ab diesem Zeitpunkt wieder auf.
Mit ihrer Klage vom 19. Juli 2002 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht der Sache nach geltend gemacht, die
Beklagte habe ihr die in der Zeit vom 11. September 2001 bis zum 26. August 2002 erbrachten Leistungen der
häuslichen Krankenpflege nach den Sätzen des Vertrags vom 1. August 1994 unter Beachtung der Modifikationen
vom 12. April 2000, zumindest aber nach den Sätzen des am 27. August 2002 zwischen ihnen in Kraft getretenen
Vertrags zu vergüten. Dies habe die Beklagte abgelehnt.
Durch am 7. Juni 2006 der Beklagten zugestellten Gerichtsbescheid vom 31. Mai 2006 verurteilte das Sozialgericht
die Beklagte zur Zahlung von 16.722,11 EUR nebst Zinsen an die Klägerin. Zwar habe die Klägerin keine vertraglichen
Ansprüche gegen die Beklagte, wie sich aus der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Hamburg ergebe. Doch
habe die Klägerin einen Anspruch nach §§ 812 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf die 16.722,11 EUR, "welche die
Beklagte ohne die von der Klägerin für Versicherte der Beklagten erbrachten Pflegeleistungen an einen
Vertragspflegedienst hätte aufwenden müssen, und die damit den von der Beklagten nach § 818 Abs. 2 BGB zu
ersetzenden (objektiven Verkehrs-)Wert der von ihr i. S. d. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ohne rechtlichen Grund erlangten
Leistungen ausmachen". Diesem Anspruch stehe weder § 814 BGB noch der Einwand einer aufgedrängten
Bereicherung entgegen. Die Klägerin habe lediglich während ins Stocken geratener Vertragsverhandlungen weiter
Leistungen der häuslichen Krankenpflege für Versicherte der Beklagten in Erwartung einer noch zu erzielenden
Einigung erbracht.
Die Beklagte hat am 19. Juni 2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie unter anderem vor, es könne nicht
angehen, dass die Klägerin in Kenntnis der Vertragslosigkeit einfach "drauflos pflegt" in der Hoffnung, hinterher
"zumindest etwas" von dem Rechnungsbetrag zu erhalten. Die anwaltlich betreute Klägerin habe nicht damit rechnen
können, trotz des vertragslosen Zustands ihre Leistung durch Entgelt belohnt zu erhalten. Auch habe sie im streitigen
Zeitraum schon mit zahlreichen Pflegediensten einen neuen Vertrag geschlossen gehabt und die Klägerin monatlich
im Durchschnitt nur sechs Versicherte betreut. Dies zeige, dass diese Versicherten auch durch Vertragsunternehmen
hätten betreut werden können.
Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 31. Mai 2006 aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Sie verweist unter anderem darauf, dass es ihr darum gegangen sei, den Anspruch der Versicherten der Beklagten auf
Leistungen der häuslichen Krankenpflege dieser gegenüber weiterhin zu erfüllen. Durch ihr Tätigwerden sei die
Beklagte von ihrer Leistungspflicht befreit worden, ohne dass hierfür ein Rechtsgrund zwischen den Beteiligten
bestanden habe. Ihr Anspruch scheitere auch nicht an § 814 BGB. Dies käme nur in Betracht, wenn sie erkennbar
keine Gegenleistung erwartet hätte. So liege der Fall aber nicht, denn sie habe während der Zeit der
Vertragsverhandlungen und der Auseinandersetzung um die Frage des Inhalts des Vertrags weiterhin Leistungen für
die Beklagte erbracht und diese in Höhe der erbrachten Leistungen von ihren Verbindlichkeiten gegenüber den
Versicherten befreit. Die Beteiligten hätten in dieser Zeit im Wesentlichen nur über die Höhe der Vergütung gestritten.
Die Leistungen seien auch nicht als aufgedrängte Bereicherung zu werten, denn sie hätten im objektiven Interesse der
Beklagten gelegen, die lediglich keine höhere als die in ihrem Vertragsangebot bezeichnete Vergütung habe zahlen
wollen. Im Übrigen wird bestritten, dass die Beklagte in der Lage gewesen sei, in dem hier streitigen Zeitraum ihren
Versorgungsauftrag auch ohne die Leistungen der Klägerin erfüllen zu können.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der
Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§ 105 Abs. 2, §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere
form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat der zulässigen allgemeinen
Leistungsklage zu Unrecht im tenorierten Umfang – das heißt teilweise, auch wenn eine ausdrückliche Abweisung der
weitergehenden Klage im Übrigen fehlt – stattgegeben. Der Klägerin steht ein Zahlungsanspruch nicht zu.
Vertragliche Ansprüche für das Zahlungsbegehren der Klägerin scheiden von vornherein aus. Im streitigen Zeitraum
bestand zwischen den Beteiligten kein Vertrag. Dieser war wirksam zum 31. Dezember 1998 gekündigt worden (so
bereits die Urteile des erkennenden Senats LSG Hamburg 22.9.2004 – L 1 KR 1/03, n. v., und LSG Hamburg
10.11.2004 – L 1 KR 43/04, Breithaupt 2005, 472).
Auch nachwirkende Vertragsansprüche mit Blick auf den zum 31. Dezember 1998 gekündigten Vertrag oder
vorwirkende Vertragsansprüche mit Blick auf den am 27. August 2002 zwischen den Beteiligten in Kraft getretenen
neuen Vertrag scheiden aus.
Der gekündigte Vertrag wirkte nach Ablauf des Jahres 1998 nicht fort (siehe auch insoweit schon die Urteile des
erkennenden Senats LSG Hamburg 22.9.2004 – L 1 KR 1/03, n. v., und LSG Hamburg 10.11.2004 – L 1 KR 43/04,
Breithaupt 2005, 472). Ein allgemeiner Fortgeltungsgrundsatz lässt sich auch nicht aus der Pflicht zur Versorgung der
Versicherten nach § 70 SGB V ableiten, weil diese Vorschrift nichts über die Vergütung aussagt (BSG 13.5.2004 – B
3 KR 2/03 R, SozR 4-2500 § 132a Nr. 1, S. 4 Rn. 8). Dem steht die Erklärung des BKK-Landesverbandes NORD, die
gekündigten Regelungen zunächst weiter gegen sich gelten zu lassen, nicht entgegen. Diese einseitige Erklärung
band die Beklagte allenfalls bis zu ihrem Widerruf. Dementsprechend verlor sie ihre Geltung, nachdem die Klägerin
das ihr von der Beklagten unterbreitete Vertragsangebot vom 12. März 2001 nicht angenommen hatte und ihr mit
Schreiben der Beklagten vom 5. April 2001 mitgeteilt worden war, dass ohne Vertragsabschluss ab dem 4. April 2001
Leistungen weder bewilligt noch vergütet würden (siehe auch insoweit das Urteil des erkennenden Senats LSG
Hamburg 10.11.2004 – L 1 KR 43/04, Breithaupt 2005, 472). Nach dieser Erklärung der Beklagten, durch die sie ihren
einer Fortwirkung der früheren Vergütungsregelung entgegenstehenden Willen hinreichend deutlich zum Ausdruck
gebracht hat, kann sich die Klägerin nicht mehr auf ein fortbestehendes Vertrauen berufen (vgl. BSG 13.5.2004 – B 3
KR 2/03 R, SozR 4-2500 § 132a Nr. 1, S. 4 Rn. 8).
Daran ändert letztlich auch nichts, dass sich die Beklagte zunächst nicht entsprechend verhalten sondern nach dem
4. April 2001 bis zum 10. September 2001 weiterhin durch die Klägerin erbrachte Leistungen der häuslichen
Krankenpflege tatsächlich vergütet hatte. Denn ein erneuerter, erkennbarer Wille der Beklagten, die frühere
Vergütungsregelung – etwa mit Blick auf laufende Vertragsverhandlungen oder auf der Grundlage einer
vergleichsweisen Regelung – gegen sich fortwirken zu lassen, der der Klägerin einen entsprechenden Anspruch auf
eine weitere Vergütung auf rechtsgeschäftlicher Grundlage zu vermitteln vermöchte, lässt sich hieraus nicht herleiten.
Für eine Vorwirkung von Hauptleistungspflichten – hier der Vergütung – des erst am 27. August 2002 zwischen den
Beteiligten in Kraft getretenen Vertrags fehlt schon ein rechtlicher Anknüpfungspunkt.
Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen die Krankenkassen über die Preise und deren Abrechnung Verträge mit
den Leistungserbringern abschließen (§ 132a Abs. 2 SGB V). Kommen solche Verträge nicht zustande, liegt ein
vertragsloser Zustand vor, der nicht schlicht dadurch überbrückt werden kann, dass Leistungen der häuslichen
Krankenpflege erbracht, abgerechnet und vergütet werden, so als ob das Vertragsverhältnis fortbestünde (so aber im
Ergebnis Kranig, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 132a Rn. 15 f.). Dies jedenfalls dann nicht, wenn Vertragsverhandlungen
nicht mehr stattfinden.
So aber liegt es hier. Die Beklagte hielt bereits ab 4. April 2001 die Vertragsverhandlungen für gescheitert. Diese sind
auch nicht durch den – politischen – Mediationsversuch, der zudem am 12. September 2001 scheiterte, wieder
aufgenommen worden. Anders als die Klägerin immer wieder vorträgt befanden sich die Beteiligten im
streitbefangenen Zeitraum nicht mehr in Vertragsverhandlungen. Sie haben also nicht mehr nur um die Höhe der
Vergütung gestritten.
Über das Fehlen eines vertraglichen Vergütungsanspruchs vermag vorliegend auch das zivilrechtliche
Bereicherungsrecht der §§ 812 ff. BGB, das auf die öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen der Beteiligten
entsprechend anwendbar ist (siehe BSG 13.5.2004 – B 3 KR 2/03 R, SozR 4-2500 § 132a Nr. 1, S. 3 Rn. 6, unter
Hinweis auf § 69 Satz 3 SGB V; LSG Berlin-Brandenburg 4.7.2006 – L 24 KR 1127/05, PflR 2006, 534), nicht hinweg
zu helfen.
Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 818 Abs. 2 BGB ist, wer durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen
Grund erlangt, ihm zum Ersatz des Wertes verpflichtet. Vorliegend hat die Beklagte im Rahmen des sozialrechtlichen
Dreiecksverhältnisses die Befreiung von dem ihr gegenüber bestehenden Sachleistungsanspruch (§ 2 Abs. 2 SGB V)
der bei ihr Versicherten auf Gewährung von Leistungen der ambulanten häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB V)
erlangt, denen gegenüber die Klägerin ärztlich verordnete Leistungen der häuslichen Krankenpflege erbracht und so
den Anspruch erfüllt und zum Erlöschen gebracht hatte. Dies geschah im Verhältnis zur Beklagten auch – wie gezeigt
– ohne rechtlichen Grund.
Deshalb wäre die Beklagte grundsätzlich zum Ersatz des Wertes des dadurch Erlangten verpflichtet (so BSG
13.5.2004 – B 3 KR 2/03 R, SozR 4-2500 § 132a Nr. 1, S. 7 Rn. 13). Die Verpflichtung zum Ersatz des Wertes ist
zwar nach § 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Doch besteht hier die
Befreiung von den Ansprüchen ihrer Versicherten für die Beklagte fort.
Auch nach § 814 BGB ist die Verpflichtung der Beklagten zum Wertersatz nicht ausgeschlossen. Nach § 814 BGB
kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die im Zeitpunkt der Leistung in Wirklichkeit nicht bestand
(Palandt-Sprau, BGB, 66. Aufl. 2007, § 814 Rn. 1), Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende
gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Erforderlich ist positive Kenntnis der Rechtslage im Zeitpunkt
der Leistung. Der Leistende muss also, ggf. aufgrund einer Parallelwertung in der Laiensphäre, wissen, dass er nach
der Rechtslage nichts schuldet; Kennenmüssen genügt nicht (Palandt-Sprau, a. a. O., § 814 Rn. 3).
Eine Kenntnis der Nichtschuld im Sinne des § 814 BGB lag bei der Klägerin jedoch nicht vor. Davon könnte etwa
dann ausgegangen werden, wenn die Klägerin für ihre Leistung erkennbar keine Gegenleistung erwartet hätte, ihr
Verlangen nach Wertersatz deshalb widersprüchlich wäre (so BSG 13.5.2004 – B 3 KR 2/03 R, SozR 4-2500 § 132a
Nr. 1, S. 9 Rn. 17), woran es hier schon deshalb fehlen dürfte, weil die Beklagte bis zum 10. September 2001 die
Leistungen der Klägerin trotz Vertragslosigkeit vergütet hatte. Oder aber der Kenntnis von der Nichtschuld steht schon
entgegen, dass die Klägerin auf eine Verbindlichkeit geleistet hat, die tatsächlich bestand, nämlich den Anspruch der
Versicherten auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegen die Beklagte im Rahmen eines
Dreiecksverhältnisses (so M. Krasney, jurisPR-SozR 36/2004 mit Anmerkung zu o. g. Urteil des BSG).
Doch ist die Verpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin zum Wertersatz aus ungerechtfertigter Bereicherung
vorliegend ausgeschlossen, da es sich um eine aufgedrängte Bereicherung handelt. Diese durch Rechtsfortbildung
entwickelte dogmatische Konstruktion ist hier im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung anwendbar,
weil die Klägerin nicht unmittelbar an die Beklagte sondern aufgrund des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses an
deren Versicherte leistete. Die Beklagte ist so ohne ihr Zutun bereichert worden und bedarf hiergegen eines
wertungsoffenen Aufdrängungsschutzes (dazu, dass zu dessen Reichweite das Meinungsbild in der zivilrechtlichen
Dogmatik viele Schattierungen aufweist, siehe Lieb, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2004, § 812 Rn.
307, 310, 311).
Eine aufgedrängte Bereicherung liegt nach dem Grundgedanken dieser Konstruktion vor, wenn für den Erwerbenden
die ohne seine Zustimmung erfolgte objektive Wertsteigerung subjektiv kein Interesse hat; dann kollidiert dessen
Selbstbestimmungsrecht mit dem Bereicherungsausgleich (vgl. Palandt-Bassenge, a. a. O., § 951 Rn. 18). Ist die
Beseitigung der Bereicherung nicht mehr möglich, so ist der Wertersatzanspruch entsprechend § 818 Abs. 2 BGB
nach dem subjektivierten Interesse zu bemessen, das der Zuwachs für den Erwerbenden hat (vgl. Palandt-Bassenge,
a. a. O., § 951 Rn. 21; Lieb, a. a. O., § 812 Rn. 313 f.; LSG Berlin-Brandenburg 4.7.2006 – L 24 KR 1127/05, PflR
2006, 534).
Ein solches Interesse an den von der Klägerin erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege aber bestand hier
für die Beklagte im streitigen Zeitraum nicht. Zwar war sie nach § 37 SGB V verpflichtet, ihre Versicherten mit diesen
Leistungen zu versorgen. Sie hatte jedoch kein Interesse daran, dass diese Leistungen durch die Klägerin erbracht
wurden. Sie hatte sich im hier streitigen Zeitraum auch mit dem entsprechenden Tätigwerden der Klägerin nicht
einverstanden erklärt (dies unterscheidet den vorliegenden vom Sachverhalt im Urteil LSG Berlin-Brandenburg
4.7.2006 – L 24 KR 1127/05, PflR 2006, 534). Die Erfüllung ihres Versorgungsauftrags gegenüber den bei ihr
Versicherten war nicht gefährdet, denn die Beklagte war zur Erfüllung der Ansprüche ihrer im Durchschnitt nur sechs
zeitgleich durch die Klägerin betreuten Versicherten durch die über 80 Pflegebetriebe in der Lage, mit denen sie im
streitigen Zeitraum in Vertragsbeziehungen stand. Darüber waren sowohl die Versicherten als auch die Klägerin
informiert. Die Klägerin vereitelte die Inanspruchnahme der Vertragsunternehmen der Beklagten und wich zudem dem
Einigungsdruck, der von vertragslosen Zeiten auch ausgehen soll, aus, indem sie ohne Vertrag weiter Leistungen
erbrachte. Dies lag nicht nur nicht im subjektiven Interesse der Beklagten; es lag auch nicht in ihrem objektiven
Interesse, denn der Leistungen der Klägerin bedurfte es nicht zur Erfüllung des Versorgungsauftrags der Beklagten.
Die Leistungserbringung lag auch deshalb nicht im objektiven Interesse der Beklagten und schließt einen
bereicherungsrechtlichen Anspruch der Klägerin aus, weil die Zahlung für vertragslose Leistungen im vorliegenden Fall
das Vertragskonzept des Gesetzgebers konterkarieren würde. Dieses Konzept könnte seine insbesondere
wettbewerbliche und qualitätssichernde Steuerungsfunktion nicht erfüllen, wenn Leistungserbringer, die mangels
Vertragsschluss nicht zur Leistungserbringung zugelassen sind (zur mit dem Vertragsschluss verbundenen
Zulassungsentscheidung siehe Kranig, a. a. O., § 132a Rn. 8, 10) und deren vertragslose Leistungen auf die
Einhaltung vertraglich zu regelnder Qualitätsanforderungen durch die Krankenkasse nicht überprüfbar sind, ihre
dennoch erbrachten Leistungen immer über einen Wertersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung im
Ergebnis vergütet bekämen (vgl. – in anderen Zusammenhängen – BSG 8.9.2004 – B 6 KA 14/03 R, SozR 4-2500 §
39 Nr. 3, S. 5 Rn. 14; BSG 17.3.2005 – B 3 KR 2/05 R, BSGE 94, 213, 220 Rn. 26).
Eine andere Wertung könnte allenfalls in Betracht zu kommen, wenn während des streitbefangenen Zeitraums
zwischen den Beteiligten gewiss gewesen wäre, dass auch die Klägerin einen Vertrag mit der Beklagten zu den von
dieser formulierten Bedingungen abschließen werde und eine kontinuierliche Erbringung von Leistungen der häuslichen
Krankenpflege gegenüber den Versicherten bis dahin deshalb sachgerecht gewesen wäre. Doch war dies hier, anders
als die Klägerin und auch das Sozialgericht zu meinen scheinen, keineswegs gewiss. Vertragsverhandlungen fanden
zwischen den Beteiligten im streitbefangenen Zeitraum nicht statt. Vielmehr gab die Klägerin spät ihren Widerstand
auf und unterschrieb am 27. August 2002 das ihr schon im März 2001 unterbreitete Vertragsangebot der Beklagten.
Bis zu diesem Zeitpunkt aber war der Klägerin bekannt, dass sie zur Vergütung ihrer Leistungen durch die Beklagte
mit dieser grundsätzlich eines Vertrags nach § 132a Abs. 2 SGB V bedurfte und dass ihre Beziehungen zur Beklagten
insoweit während der hier streitigen Zeit prekär waren. Dass sie dennoch fortgesetzt leistete und dies auch bis zum
August 2002 tat, obwohl die Beklagte schon ab 11. September 2001 die Leistungen nicht mehr bezahlte, was die
Klägerin zudem erst mit ihrer Zahlungsklage vom 19. Juli 2002 zum Anlass nahm, um um Rechtsschutz
nachzusuchen, vermag der Klägerin nunmehr nicht über den Umweg über das Zivilrecht einen Zahlungsanspruch zu
verleihen.
Anders als in den vom Bundessozialgericht (13.5.2004 – B 3 KR 2/03 R, SozR 4-2500 § 132a Nr. 1) und vom
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (4.7.2006 – L 24 KR 1127/05, PflR 2006, 534) entschiedenen Fällen liegt es
hier auch nicht so, dass die Beklagte, wenn auch unter Kürzung des Rechnungsbetrags weiterhin Leistungen
vergütete. Vorliegend geht es also nicht darum, festzustellen, in welcher Höhe die Beklagte durch von ihr schon in
geringerer Höhe vergütete Leistungen tatsächlich (noch) bereichert ist. Vielmehr liegt es hier so, dass die Klägerin
über einen langen Zeitraum hinweg ohne Vertrag fortwährend Leistungen erbrachte, obwohl die Beklagte hierfür
keinerlei Vergütung zahlte und deutlich gemacht hatte, der Leistungen zur Erfüllung ihres Versorgungsauftrags nicht
zu bedürfen. Dass sie der Leistungen der Klägerin auch tatsächlich nicht bedurfte, hat die Beklagte im
Berufungsverfahren deutlich machen können.
Dass die Klägerin zuletzt vorgetragen hat, die Versicherten der Beklagten auch deshalb weiter im Rahmen der
häuslichen Krankenpflege betreut zu haben, weil sie diesen auch im Rahmen der Pflegeversicherung Leistungen
erbrachte und fürchtete, würde sie den Versicherten nicht mehr häusliche Krankenpflege leisten, verlöre sie diese
auch im Rahmen der Pflegeversicherung, unterstreicht nur, dass die Bewertung der hier streitigen Leistungen als
aufgedrängte Bereicherung angezeigt ist. Die Klägerin erbrachte die Leistungen zumindest auch deshalb, weil sie dies
für sich als wirtschaftlich vorteilhaft ansah, ohne dass dieser Vorteil allein in der Erwartung einer Vergütung für die
erbrachten Leistungen bestand. Das Ziel der Klägerin, die mit Leistungen der häuslichen Krankenpflege versorgten
Versicherten der Beklagten auch im Rahmen der Pflegeversicherung an sich gebunden zu halten, mag wirtschaftlich
verständlich sein, vermittelt der Klägerin aber keinen Bereicherungsanspruch gegen die Beklagte.
Der mit der Berufung angegriffene Gerichtsbescheid konnte daher im Wesentlichen keinen Bestand haben. Er war
gleichwohl nicht aufzuheben sondern nur abzuändern, weil die weitergehende Klage abgewiesen worden war, ohne
dass dies von der Klägerin mit einer Berufung angegriffen worden ist. Da der Tenor der erstinstanzlichen
Entscheidung dies jedoch nicht ausdrücklich ausweist, war die Klage durch den Senat aus Klarstellungsgründen in
vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Insbesondere liegt keine Divergenz vor. Auch das Bundessozialgericht (13.5.2004 – B 3 KR 2/03 R, SozR 4-2500 §
132a Nr. 1, S. 9 Rn. 15) hat darauf hingewiesen, dass eine aufgedrängte Bereicherung dann vorliegen könnte, "wenn
die beklagte Krankenkasse weitere Pflegedienste benannt hätte, mit denen sie in dem hier streitigen Zeitraum
ebenfalls Vergütungsvereinbarungen zu niedrigeren Sätzen abgeschlossen hatte, und wenn sie zudem nachgewiesen
hätte, dass dadurch die Versorgung ihrer Versicherten mit Leistungen der ambulanten häuslichen Krankenpflege
gesichert gewesen wäre". Anders als in dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall ist eben dies hier
vorgetragen und zur Überzeugung des Senats nachgewiesen.