Urteil des LSG Hamburg vom 13.08.2008

LSG Ham: anhaltende somatoforme schmerzstörung, rente, erwerbsunfähigkeit, psychiatrie, arbeitsmarkt, leistungsfähigkeit, gerichtsakte, icd, neurologie, trennung

Landessozialgericht Hamburg
Urteil vom 13.08.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 19 RJ 954/99
Landessozialgericht Hamburg L 1 RJ 67/03
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit im Streit.
Die am X.XXXXXXX 1946 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Nach Beendigung des Schulbesuchs und
Erlangung des Hauptschulabschlusses ist sie zunächst als Verkaufskraft in einer Bäckerei und danach in anderen
ungelernten Beschäftigungsverhältnissen tätig gewesen. Von 1972 bis 1998 war sie bei der Deutschen
Bundespost/Deutsche Post AG als Postarbeiterin, zuletzt im Briefzentrum A., beschäftigt. In dieser Beschäftigung
erkrankte sie am 28. Oktober 1997 arbeitsunfähig und erhielt seit dem 10. Dezember 1997 Krankengeld bis zur
Erschöpfung des Anspruchs. Seitdem geht sie keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. Bei ihr ist ein Grad der
Behinderung von 20 wegen Minderbelastbarkeit bei degenerativem Wirbelsäulenleiden und Schultersyndrom und
wegen psychovegetativer Störungen aufgrund Bescheides vom 6. November 1995 anerkannt.
Unter dem 16. Juli 1998 stellte die Klägerin Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit
und gab hierzu an, in psychosomatischer Behandlung zu sein. Auf Veranlassung der Beklagten wurde sie durch den
Arzt für Psychiatrie W. am 31. August 1998 untersucht und anschließend schriftlich begutachtet. Dieser
diagnostizierte einen subdepressiv gefärbten Erschöpfungs- und Versagenszustand mit deutlicher
Somatisierungstendenz vor dem Hintergrund einer neurotischen Fehlentwicklung bei depressiver Grundstruktur, ein
Lendenwirbelsäulen-Syndrom ohne Funktionsbuße und ohne radikuläre Beteiligung, einen Spannungskopfschmerz
sowie ein Struma und ein myogenes Halswirbelsäulen-Syndrom und hielt die Klägerin noch für in der Lage, regelmäßig
vollschichtige Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen (nicht im Akkord, ohne
Wechsel- und Nachtschicht, ohne schweres Heben und Tragen sowie ohne Zwangshaltung und ohne
Überkopfarbeiten) auszuführen.
Mit Bescheid vom 11. September 1998 lehnte die Beklagte die Gewährung der begehrten Rente ab. Hiergegen erhob
die Klägerin Widerspruch, zu dessen Begründung sie ausführte, der Postarzt halte sie für postdienstuntauglich. Diese
Einschätzung beziehe sich auch auf leichte körperliche Tätigkeiten, deshalb müsse die vorgenommene
Leistungseinschätzung überprüft werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 1999 wies die Beklagte den
Widerspruch zurück. Daraufhin hat die Versicherte fristgerecht Klage erhoben, mit der sie ihr auf die Gewährung einer
Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit gerichtetes Begehren weiterverfolgt hat. Zur
Begründung hat sie vorgetragen, ihre körperlichen und seelischen Leiden seien nicht hinreichend gewürdigt worden.
Sie könne nicht mehr vollschichtig tätig sein.
Das Sozialgericht hat die Klägerin nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte und einer
Arbeitgeberauskunft sowie Beiziehung der Akten des Versorgungsamtes Hamburg durch den Facharzt für Chirurgie
Dr. E. ambulant untersuchen und schriftlich begutachten lassen. Dieser gelangte in seinem schriftlichen
Sachverständigengutachten vom 18. April 2002 auf der Grundlage der Diagnosen "Muskelreizzustände an Hals- und
Lendenwirbelsäule, geringe bis mäßige Verschleißumformung der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie geringe
Bewegungseinschränkungen beider Schultergelenke" zu der Einschätzung, dass die Klägerin noch in der Lage sei,
leichte Arbeiten körperlicher Art in wechselnder Körperhaltung vollschichtig zu verrichten. Dauerhaftes Stehen oder
dauerhaftes Gehen sollten nicht erfolgen und die Tätigkeit solle ohne häufiges Bücken und Heben schwerer Lasten
durchgeführt werden. Bei Berücksichtigung weiterer qualitativer Einschränkungen wie Vermeiden von Tätigkeiten auf
Leitern und Gerüsten oder an gefährdenden Arbeitsplätzen sowie Vermeiden dauernder Überkopfarbeit könne die
Klägerin diese Arbeit noch regelmäßig und vollschichtig verrichten. Zusätzliche Pausen, persönliche Hilfen oder
technische Arbeitshilfen seien nicht notwendig und die Klägerin sei wegefähig. Auch der Arzt für Neurologie und
Psychiatrie Dr. F., der die Klägerin ebenfalls auf Veranlassung des Sozialgerichts ambulant untersucht hat, gelangte
in seinem Gutachten vom 2. Mai 2002 zu der Einschätzung, dass diese noch leichte körperliche Tätigkeiten
vollschichtig verrichten könne. Bei ihr liege eine somatoforme Schmerzstörung, eine lebensgeschichtlich bedingte
depressive Erkrankung im Sinne einer depressiven Episode oberflächlicher, im Verlauf zeitweise mittelschwerer Tiefe
mit Somatisierung vor. Jedoch habe die psychische Erkrankung die Organisation über ihre Lebensführung noch nicht
übernommen. Sie habe zwar mit ganz erheblichen Schwierigkeiten und Belastungsfaktoren zu kämpfen gehabt, stets
aber überdurchschnittliche Stärke und Entschlusskraft bewiesen, die es ihr ermöglicht hätten, trotz Widrigkeiten im
Leben "ihre Frau zu stehen". Dr. F. hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht sein Gutachten
dahingehend erläutert, dass die krankheitswertigen Erscheinungen bei der Klägerin noch kompensierbar seien. Das
Geschehen im Zusammenhang mit der Trennung von dem zweiten Ehemann stelle nur ein Behandlungsleiden dar.
Durch am 7. März 2003 verkündetes Urteil hat das Sozialgericht die in der mündlichen Verhandlung auf die
Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beschränkte Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe ein Anspruch
auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche
Rentenversicherung - in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (SGB VI a.F.) nicht zu. Sie sei nicht
erwerbsunfähig, weil sie zumutbare Tätigkeiten noch vollschichtig ausüben könne. Die von den Sachverständigen
festgestellten Erkrankungen führten zwar zu einer deutlichen Leistungseinschränkung, jedoch sei die Klägerin noch in
der Lage, körperlich leichte Arbeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen vollschichtig zu verrichten.
Insoweit folge das Gericht den Sachverständigen Dr. E. und Dr. F ... Offenbleiben könne, ob die Trennung von dem
Ehemann zu einer rentenrelevanten Verschlimmerung des Gesundheitszustands geführt habe, weil jedenfalls zum
Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht von einer dauerhaften, d.h. mindestens sechs Monate betragenden
Leistungseinschränkung auszugehen gewesen sei. Im Hinblick auf das vollschichtige Leistungsvermögen stehe ihr
auch eine Rente wegen Erwerbsminderung nach dem seit dem 1. Januar 2001 geltenden Recht nicht zu.
Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 16. April 2003 zugestellt worden. Die Klägerin hat am 9.
Mai 2003 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, den Ausführungen des Sachverständigen Dr. F.,
wonach sie noch erhebliche Ressourcen besitze, welche die Funktionsstörungen kompensieren könnten, könne nicht
gefolgt werden. Ihre Situation habe sich insbesondere aufgrund der Trennung von dem Ehemann im Dezember 2002
erheblich verschlechtert. Dieser habe sie aufgrund ihrer Erkrankungen verlassen und sie sei insbesondere psychisch
an einem Tiefpunkt angekommen, der es notwendig mache, dass sie nunmehr von ihren Kindern ständig umsorgt und
betreut werde. Selbst einfachste Aufgaben könnten nicht mehr selbständig erledigt werden. Sie nimmt weiter Bezug
auf einen Befundbericht der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. vom 23. April 2004. Dort heißt es,
diagnostisch liege eine chronifizierte Depression mit chronischem Schmerzsyndrom vor. Es sei von
Erwerbsunfähigkeit auszugehen, ein Ende sei nicht absehbar. Die Klägerin bezieht sich ferner auf eine "gutachterliche
Stellungnahme" des Facharztes für psychotherapeutische Medizin P. D. vom 27. Mai 2004, in der es heißt, die von
Dr. F. angesprochenen Ressourcen seien bei der Klägerin nur im geringen Maße vorhanden. Zu verweisen sei auf eine
inzwischen zerbrochene Ehe, eine belastende Beziehung zu den Töchtern, das Fehlen einer beruflichen Tätigkeit und
beschränkte finanzielle Möglichkeiten. Auf die Stellungnahme (Bl. 188 bis 194 der Gerichtsakte) wird ergänzend
Bezug genommen. Ferner bezieht sich die Klägerin auf einen ärztlichen Befundbericht des Arztes D. vom 24. Juni
2004. Dort wird unter Diagnosen von einer somatoformen Schmerzstörung (ICD-10 F45.4), von einer depressiven
Störung (ICD-10 F33.1) und von einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus (F60.31)
gesprochen.
Auf Veranlassung des Berufungsgerichts hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. die Klägerin am 25.
Mai 2005 untersucht. In seinem schriftlichen Sachverständigengutachten vom 14. Juni 2005 kommt er zu dem
Ergebnis, dass bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.4), eine reaktive depressive Episode
mit somatischem Syndrom (ICD-10 F32.01 bzw. 32.11) vorlägen und er hält die Klägerin auf dieser Grundlage für
vollschichtig leistungsfähig für leichte körperliche Tätigkeiten und solche einfacher Art mit weiteren qualitativen
Einschränkungen. Sie sei in der Lage, die sich jeder Arbeitsleistung entgegenstellenden psychischen Hemmungen
durch entsprechende Anspannung ihrer Willenskraft zu überwinden. Die Wegefähigkeit sei gegeben. Auf das
schriftliche Sachverständigengutachten nebst elektroencephalographischem Zusatzgutachten (Bl. 221 bis 232 der
Gerichtsakte) wird ergänzend Bezug genommen.
Auf den Antrag der Klägerin nach § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Arzt für Neurologie und
Psychiatrie, psychotherapeutische Medizin und Psychoanalyse Dr. L. diese am 12. November und 4. Dezember 2007
ambulant untersucht. Er diagnostiziert in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten vom 1. Februar 2008 eine
anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine rezidivierende depressive Störung, zurzeit mittelgradiger
Ausprägung auf dem Boden einer depressiven Persönlichkeitsorganisation mit strukturell verankerter narzistischer
Regulationsstörung, die differentialdiagnostisch auch Züge einer emotional instabilen Persönlichkeitsorganisation vom
Borderline-Typ trägt, eine anamnestisch rezidivierende Episode impulshaften Verhaltens unter Verlust der
Steuerungsfähigkeit mit Alkoholexzessen und Medikamentenabusus sowie suizidaler Dekompensation und ein
degeneratives Wirbelsäulenleiden. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hält er die Versicherte nicht mehr für in
der Lage, leichte körperliche Arbeiten oder Arbeiten einfacher geistiger Art oder geringer Verantwortung regelmäßig zu
verrichten. Auf das schriftliche Sachverständigengutachten (Bl. 290 bis 323 der Gerichtsakte) wird ergänzend Bezug
genommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 7. März 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres
Bescheides vom 11. September 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 1999 zu
verurteilen, ihr ab 1. August 1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Klägerin nach wie vor nicht für erwerbsunfähig und verweist auf eine Stellungnahme ihres
Sozialmedizinischen Dienstes vom 13. Februar 2008 in der es heißt, die Ausführungen Dr. L.’s hinsichtlich der
Anamneseerhebung, der Befundbeschreibung und letztlich wohl auch hinsichtlich der diagnostischen Zuordnung seien
aus dem Gutachten heraus nachvollziehbar. Jedoch könne der Leistungsbeurteilung nicht zugestimmt werden. Aus
den Ausführungen in dem Gutachten werde deutlich, dass sich die Versicherte an ihre soziale Situation weitgehend
adaptiert habe. Es werde auch deutlich, dass eine tatsächliche Veränderungsbereitschaft, z.B. die Wiederaufnahme
eines Erwerbslebens, nicht mehr bestehe. Darüber hinaus könne davon ausgegangen werden, dass sich die
Versicherte im Laufe der Jahre in zahlreichen nervenärztlichen Begutachtungen so etwas wie "Routine" für Gespräche
bzw. Begutachtungen dieser Art angeeignet habe. Demgemäß blieben nur wenige Parameter, an denen die
Leistungsfähigkeit ablesbar sei. Hierzu gehöre unzweifelhaft der Tagesablauf eines Menschen. Dieser lasse in der
Regel Rückschlüsse auch auf Belastbarkeit, auf Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, aber auch auf verfügbare
Kompetenzen und Ressourcen zu. Genau dieser von Dr. L. beschriebene Tagesablauf der Versicherten lasse
allerdings im Vergleich zu vorherigen Befunden und Gutachten nicht den Schluss zu, dass die Versicherte im Rahmen
ihrer psychischen Alteration im Wesentlichen hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt sei. Der Tagesablauf,
wie er von Herrn Dr. L. beschrieben sei, spreche dafür, dass die Versicherte sehr wohl in der Lage sei, ihren Ablauf zu
strukturieren, sich die Dinge zu suchen, die ihr Spaß machten. Es sei daraus nicht erkennbar, dass eine
schwerwiegende Leistungseinschränkung bestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die
Gerichtsakte und auf die ausweislich der Niederschrift über die öffentliche Sitzung am 13. August 2008 zum
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und im
Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung, über die im erklärten Einverständnis der Beteiligten (§ 155 Abs. 3 SGG) der Berichterstatter anstelle
des Senats entscheiden kann, ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die auf die Gewährung einer Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit beschränkte Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht eine Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Sozialgesetzbuch SGB VI a.F. nicht zu. Ihr steht auch keine Rente wegen
Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung des Gesetzes (SGB VI n.F.) zu.
Denn sie ist nicht erwerbsunfähig im Sinne der nach § 300 Abs. 2 SGB VI für den Zeitpunkt der Antragstellung hier
noch anzuwendenden Vorschrift des § 44 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz SGB VI a.F. Sie ist auch mittlerweile nicht
erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 1, 2 u. 3 SGB VI n.F. Denn sie besitzt bis heute ein die Rentengewährung
nach all diesen Vorschriften ausschließendes vollschichtiges (bzw. mindestens sechsstündiges) Leistungsvermögen
mit bestimmten qualitativen Einschränkungen und ist wegefähig. Dies folgt aus der Einschätzung der
Leistungsfähigkeit, wie sie durch Dr. E. für den Bereich des chirurgisch-orthopädischen Fachgebietes und Dr. F. und
Dr. H. für den Bereich des neurologisch-psychiatrischen Fachgebietes vorgenommen wurden. Das Gericht folgt dieser
Einschätzung. Danach kann die Klägerin – bei Beachtung qualitativer Einschränkungen wie Vermeidung von Akkord
und sonstigen Zeitdrucks, von Zwangshaltungen, von Witterungseinflüssen, Staub, Dämpfen und Lärm – noch leichte
körperliche Tätigkeiten und solche einfacher Art vollschichtig verrichten und ist wegefähig.
Die von der Klägerin angegebene Einschätzung des Postarztes, wonach sie postdienstunfähig sei, steht dieser
Beurteilung nicht entgegen. Denn diese Einschätzung deckt nicht das Tätigkeitsspektrum des allgemeinen
Arbeitsmarktes ab, welcher auch leichte Tätigkeiten bereit hält. Demgegenüber waren die von der Klägerin für ihren
ehemaligen Arbeitgeber zu verrichtenden Tätigkeiten einer Postarbeiterin als mindestens mittelschwer einzustufen.
Die durch die Klägerin vorgenommene Beschreibung des zuletzt innegehabten Arbeitsplatzes im Briefzentrum A., wo
sie schwere Zeitungspakte zu heben gehabt habe (vgl. Angaben der Klägerin im Gutachten des Dr. F., Blatt 77 der
Gerichtsakte), bestätigt dies anschaulich. Der vorliegend vorgenommenen Leistungseinschätzung steht auch nicht der
Abschlussbericht des letzten, auf Veranlassung der Beklagten durchgeführten Heilverfahrens im Jahre 1998
entgegen. Zwar heißt es in dem Reha-Entlassungsbericht des Klinikums für Rehabilitation, Kliniken am B. in Bad S1,
vom 19. Juni 1998 abschließend zur sozialmedizinischen Epikrise, dass die Patientin auf Dauer nicht mehr in der
Lage sei, die Anforderungen einer regelmäßigen Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert zu erbringen. Jedoch ist diese
Gesamteinschätzung vor dem Hintergrund des in demselben Bericht festgestellten positiven und negativen
Leistungsbildes für den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht nachvollziehbar und ihr kommt deshalb für die vorliegend zu
treffende Entscheidung keine Bedeutung zu. Denn ungeachtet der Gesamteinschätzung wird dort im Einzelnen
festgehalten, dass die Klägerin für ihre letzte Tätigkeit als Postarbeiterin nur noch unter zwei Stunden leistungsfähig
sei, während sie (vgl. Bl. 59 der Gutachtenakten) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte Tätigkeit in der
Tagschicht ohne Akkordarbeit, ohne Wechselschicht, ohne Nachtschicht, ohne Überkopfarbeiten, ohne
Zwangshaltungen und ohne schweres Heben und Tragen vollschichtig verrichten könne. Diese Einschätzung der
Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt deckt sich wiederum mit derjenigen der gerichtlich bestellten
Sachverständigen Dr. E., Dr. F. und Dr. H. sowie derjenigen des von der Beklagten beauftragten Arztes für
Psychiatrie W ... Der Beurteilung des letztgenannten Gutachters kommt in diesem Zusammenhang besonderes
Gewicht zu. Denn sie steht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Entlassung aus der Maßnahme der
Rehabilitation und es liegt ihr deshalb im Wesentlichen derselbe körperliche Zustand zugrunde, wie im Zeitpunkt der
Entlassung aus der Rehabilitationsmaßnahme. Auch im Hinblick auf das Ergebnis der Rehabilitationsmaßnahme ist
deshalb von vollschichtiger Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen.
Der Annahme, dass die Klägerin noch vollschichtig leistungsfähig ist, steht schließlich auch nicht das nach § 109
Abs. 1 SGG eingeholte Gutachten des Dr. L. entgegen. Dieser gelangt zwar – bei weitestgehend identischen
Befunden wie der Arzt W., wie Dr. F., Dr. H. und auch wie der die Klägerin behandelnde Arzt D. – zu einem
aufgehobenen Leistungsvermögen. Er gibt hierfür jedoch keine nachvollziehbare Begründung und setzt sich vor allem
nicht mit den zeitlich früheren gutachtlichen Äußerungen der dasselbe Fachgebiet abdeckenden Ärzte W., F. und H.
auseinander, die sämtlich die Klägerin für vollschichtig leistungsfähig halten. Für das Gericht nachvollziehbar sind
deshalb nur die Einschätzungen der Ärzte W., F. und H ... Ihnen ist darüber hinaus auch der Vorzug zu geben, weil
sie in größerer zeitlicher Nähe zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben erstellt wurden und die
Sachverständigen das Leistungsbild deshalb noch unmittelbar und ohne mögliche verfahrensbedingte Änderungen des
Verhaltens erfassen konnten. Auch begründet Dr. L. nicht, warum aus seiner Sicht und im Gegensatz zu der Sicht der
übrigen Gutachter das Leiden der Klägerin einen progredienten Verlauf genommen habe. Es ist in diesem
Zusammenhang der Beklagten beizupflichten, dass der von der Klägerin gegenüber Dr. L. geschilderte Tagesablauf
die Annahme eines aufgehobenen Leistungsvermögens nicht trägt. Hierbei ist für das Gericht auch der unmittelbar
von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gewonnene Eindruck von Bedeutung. Hier hat sie ebenfalls nicht den
Eindruck eines wegen psychischer Störung aufgehobenen Leistungsvermögens gemacht. Vielmehr waren bei
Schilderung der Alltagsbewältigung durchaus Willenskraft und Stärke erkennbar. Dies ergeben der Inhalt ihrer
Antworten auf die gerichtlicherseits gestellten Fragen und die Art ihres Vortrages, welche die Einschätzung der
Leistungsfähigkeit, wie sie durch Dr. F. und auch durch Dr. H. in Übereinstimmung mit dem Arzt W. erfolgt ist,
letztlich bestätigen.
Bei der Klägerin liegt schließlich keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die zur
Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit führen müsste. Hierunter fallen nach ständiger Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (vgl. BSG v. 10.12. 2003 – B 5 RJ 64/02 R, juris) gerade nicht die "üblichen"
Leistungseinschränkungen wie z.B. der Ausschluss von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen oder Sitzen erfordern,
die im Akkord- oder Schichtdienst verrichtet werden oder besondere Anforderungen an das Seh-, Hör- und
Konzentrationsvermögen erfordern, von denen die Klägerin ausweislich der durchgeführten Begutachtungen lediglich
betroffen ist.
Ausgehend von einem vollschichtigen Leistungsvermögen ist die Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu
verweisen. Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung liegt nicht vor, ohne dass hierbei die Arbeitsmarktlage zu
berücksichtigen wäre (§ 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI a.F.; § 43 Abs. 3 SGB VI n.F.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160
Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.