Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 15.10.2008

LSG Berlin und Brandenburg: rentner, zusatzprotokoll zur emrk, rente, subjektives recht, europäische menschenrechtskonvention, krankenversicherung, entlastung, leistungsfähigkeit, alter

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 15.10.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 1 RA 4004/04
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 3 R 1587/07
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Oktober 2007 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Tragung des vollen Beitrags zur Pflegeversicherung streitig.
Der 1940 geborene Kläger bezog von der Beklagten ursprünglich eine Rente wegen Berufsunfähigkeit und bezieht
mittlerweile seit dem 01. Juni 2005 eine Regelaltersrente. Mit Bescheid vom 08. März 2004 hob die Beklagte die
bisherige Feststellung über die Einbehaltung des Beitrags zur Pflegeversicherung mit Wirkung vom 01. April 2004 auf,
stellte den Auszahlungsbetrag der Rente des Klägers wegen der in § 59 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB
XI) in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch (SGB VI) und
anderer Gesetze (2. SGB-VI-ÄndG) vom 27. Dezember 2003 (BGBl. Teil I, S. 313) angeordneten Tragung des
Beitrags zur Pflegeversicherung (1,70 %) in voller Höhe durch den Kläger ab dem 01. April 2004 wie folgt neu fest:
Rentenbetrag 430,24 EUR Steigerungsbeträge der Höherversicherung + 18,72 EUR Krankenversicherung TK 13,70 %
von 448,96 EUR = 61,51 EUR Beitragsanteil des Rentners zur Krankenversicherung - - 30,75 EUR Pflegeversicherung
1,70 % von 448,96 EUR = 7,63 EUR - 7,63 EUR Monatlicher Zahlbetrag ab dem 01.04.2004 410,58 EUR.
Den gegen die Nichtgewährung eines Beitragszuschusses zur Pflegeversicherung gerichteten Widerspruch des
Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2004 unter Hinweis auf die ab dem 01. April 2004
geänderte Rechtslage zurück.
Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin erhoben und vorgetragen, die Vorschrift des § 59
Abs. 1 SGB XI sei verfassungswidrig. Er habe sich in Anbetracht der sehr geringen Rente für die langfristige Planung
seines wirtschaftlichen Lebensunterhaltes auf die Übernahme des Betrages durch die Beklagte verlassen. Die
plötzliche Änderung sei asozial und verletze den im Rentenrecht geltenden Grundsatz des Vertrauensschutzes sowie
das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes. Ziel und Zweck dieses Gebotes sei der Schutz der Schwächeren.
Die Beklagte ist dieser Auffassung unter Hinweis auf das Urteil des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom
05. September 2006 (B 4 R 71/06 R) entgegengetreten.
Mit Gerichtsbescheid vom 22. Oktober 2007 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Kläger habe
keinen Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses zur Pflegeversicherung ab dem 01. April 2004. Die Beklagte habe die
gesetzlichen Bestimmungen (§ 59 Abs. 1 SGB XI) zutreffend angewandt. Verfassungsrechtliche Bedenken
hinsichtlich der gesetzlichen Regelung zur alleinigen Beitragstragung durch den Rentenbezieher bestünden nicht. § 59
Abs. 1 SGB XI enthalte keinen völligen Entzug einer Rechtsposition, sondern beinhalte lediglich eine Modifizierung
der durch Art. 14 Grundgesetz (GG) geschützten eigentumsrechtlichen Position. Der Gesetzgeber habe mit der
Vorschrift des § 59 Abs. 1 SGB XI den Inhalt und die Schranken des Eigentums in zulässiger Weise bestimmt. Die
Zielsetzung des Gesetzgebers, die Beitragsstabilität zu sichern und damit eine Erhöhung der Lohnnebenkosten zu
verhindern, mit der Folge der Entlastung des Arbeitsmarktes sei ein legitimes Ziel. Ebenso stelle sich die getroffene
Regelung als verhältnismäßig dar. Die Regelung sei auch im Übrigen verfassungsgemäß (vgl. BSG, Urteil vom 29.
November 2006, B 12 R 4/06 R).
Gegen den ihm am 29. Oktober 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13. November 2007 bei dem
SG Berlin Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 06. Oktober 2008 die Zurückverweisung an das SG wegen
erheblicher Verfahrensfehler beantragt und ausgeführt: Der Richter K habe das Verfahren so lange verschleppt, bis
eine Entscheidung des BVerfG ergangen sei, die in einem vom Beklagten manipulierten Musterverfahren erzielt
worden sei, an welchem er unter Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 6 EMRK nicht beteiligt worden sei,
obwohl er bei der Beklagten um Teilnahme gebeten habe. Die Beklagte habe dieses Musterverfahren manipuliert, in
dem staatsabhängige Rechtsanwälte unwahre Sachverhalte vorgetragen und damit eine falsche gerichtliche
Entscheidung herbei geführt hätten.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Oktober 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 08. März
2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2004 aufzuheben, soweit darin festgestellt wird, dass
der Kläger den vollen Beitrag zur Pflegeversicherung ab dem 01. April 2004 zu tragen habe.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Gericht haben 2 Bände Verwaltungsakten (Versicherungsnummer: ) vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im Übrigen zulässige Berufung des Klägers
ist unbegründet.
Vorliegend bestand kein Anlass, das Verfahren an das SG nach § 159 Abs. 1 SGG zurück zu verweisen. Weder ist
ersichtlich, dass das Verfahren vor dem SG an einem wesentlichen Mangel leidet, noch dass die sonstigen in § 159
Abs. 1 SGG genannten Voraussetzungen vorliegen. Zutreffend hat das SG festgestellt, dass der Kläger den aus
seiner Rente zu bemessenden Pflegeversicherungsbeitrag ab dem 01. April 2004 allein zu tragen hat mit der Folge,
dass er nunmehr auch mit der zweiten, bisher von der Beklagten getragenen Beitragshälfte belastet ist.
Der Bescheid der Beklagten vom 08. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2004
erweist sich als rechtmäßig. Die für die Zeit ab dem 01. April 2004 getroffene Regelung über die Tragung des vollen
Pflegeversicherungsbeitrages beruht auf § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI in der Fassung des Art. 6 Nr. 1 des 2. SGB VI-
ÄndG. Der Kläger wendet sich nicht grundsätzlich dagegen, dass aus der Rente überhaupt Beiträge für die
Pflegeversicherung aufzubringen sind (hierzu BSG, Urteil vom 03. September 1998, B 12 P 4/97 R, in SozR 3-3300 §
55 Nr. 3 S. 15 f.). Zudem hat er keine Einwände gegen die rechnerische Ermittlung der Höhe des Beitrages erhoben.
Auch wenn die Regelung des § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI für den Kläger eine Verdoppelung der aus der Rente zu
tragenden Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung und insoweit eine Erhöhung der von der monatlichen Bruttorente
vorzunehmenden Abzüge um 0,85 v. H. gegenüber dem bis zum 31. März 2004 geltenden Recht bewirkt hat, ist die
vom Kläger gerügte Verletzung von Verfassungsrechten durch die Neufassung von § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI nicht
gegeben.
Die in § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI geregelte Verpflichtung der Rentner zur Tragung des vollen Beitragssatzes zur
Pflegeversicherung stellt eine nach Art. 14 GG zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentumsschutzes
dar. Im Hinblick darauf, dass Wachstum und Beschäftigung grundlegende Bedingungen darstellen, um die gesetzliche
Rentenversicherung langfristig zu sichern und auch die gesetzliche Rentenversicherung hierfür Impulse geben muss
(vgl. BT-Drucks 15/1830 S. 1f, 8; ferner Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit und
Soziale Sicherung, BT-Drucks 15/1893 S. 11) traf das 2. SGB-VI-ÄndG mehrere Maßnahmen, um für das Jahr 2004
einen Beitragssatzanstieg von 19,5 v.H. auf prognostizierte 20,4 v.H. mit seinen negativen Auswirkungen für den
Arbeitsmarkt zu verhindern. Hierbei ordnete das 2. SGB-VI-ÄndG insbesondere Verschlechterungen für
Rentenbezieher an, etwa auch die Aussetzung der Rentenanpassung zum 01. Juli 2004 (Art. 2 2. SGB-VI-ÄndG). Im
Gegenzug sollten mit dem Ziel der Entlastung der Renten Beitragssatzsenkungen in der gesetzlichen
Krankenversicherung zeitnah an die Rentner weitergegeben werden (Art. 5 2. SGB-VI-ÄndG).
Unter Berücksichtigung dieser Umstände entspricht § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit. Als Teil des Maßnahmebündels war die Entlastung des Rentenversicherungsträgers um den
halben Pflegeversicherungsbeitrag geeignet, den bisherigen Beitragssatz beizubehalten. Der Gesetzgeber erwartete
hierdurch eine Beitragssatzentlastung von 0,9 Beitragssatzpunkten und die Verhinderung eines Absinkens des
verfügbaren Einkommens der Arbeitnehmer um 3,6 Mrd. EUR sowie eine entsprechende Erhöhung der
Lohnnebenkosten der Arbeitgeber. Nach den im Gesetzgebungsverfahren vorgenommenen Schätzungen sollte der
Wegfall des Finanzierungsanteils der gesetzlichen Rentenversicherung am Beitrag zur Pflegeversicherung der Rentner
die Rentenversicherung im Jahr 2004 im Umfang von 0,1 Beitragssatzpunkten und danach im Umfang von bis zu 0,2
Beitragssatzpunkten entlasten (vgl. BT-Drucks 15/1830 S. 3, 11; BT-Drucks 15/1893 S. 3; ferner Bericht des
Haushaltsausschusses, BT-Drucks 15/1899 S 1). Das entsprach Minderausgaben von etwa 1,2 Mrd. EUR für die
Monate April bis Dezember 2004 und von etwa 1,6 Mrd. EUR für das Jahr 2005.
Es ist ein legitimes Konzept des Gesetzgebers, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der gesetzlichen
Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern und den veränderten ökonomischen und
demografischen Bedingungen anzupassen, insbesondere, gegensteuernde Maßnahmen zu ergreifen und das
Ausgabenvolumen der gesetzlichen Rentenversicherung zu begrenzen (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2006, 1 BvL
9/00 in juris, RNr 86 ff). Darüber hinaus war der Gesetzgeber befugt, Rentner in stärkerem Umfang als bisher an der
Finanzierung der Leistungsausgaben in der sozialen Pflegeversicherung (SPV) zu beteiligen. Ein milderes, die
Betroffenen weniger belastendes und ebenso geeignetes Mittel, das Ausgabenvolumen der gesetzlichen
Rentenversicherung zu begrenzen, stand dem Gesetzgeber nicht zur Verfügung. Ein völliger Verzicht auf die zweite
Hälfte des Pflegeversicherungsbeitrags hätte zu einer Destabilisierung der Finanzgrundlagen der SPV und ggf. zu
einer Kürzung der dortigen Versicherungsleistungen geführt.
Die für Rentenbezieher angeordnete Tragung auch der zweiten Beitragshälfte zur SPV war auch verhältnismäßig. Die
Einbuße der rentenrechtlichen Position hielt sich in einem Rahmen, den die Rentenbezieher tragen konnten. Die
Auswirkungen der Neuregelung erreichten nicht ansatzweise das Ausmaß, das eine vollständige Überbürdung des
Beitrags zur gesetzlichen Krankenversicherung gehabt hätte. Die vollständige Übernahme des
Pflegeversicherungsbetrags durch die Rentner führte zu einer weiteren Belastung von 0,85 v.H. des jeweiligen
Rentenbetrags. Zwar traf die Neuregelung Bezieher geringerer Renten, wie den Kläger, in ihren Auswirkungen härter
als Rentner, die über eine höhere Rente verfügten, jedoch ergab sich für Rentner, die auf Grund ihrer geringen Rente
bereits Leistungen der Grundsicherung im Alter bezogen bzw. beziehen, keine Rentenminderung, da die Träger der
Grundsicherung den hinzukommenden belastenden Anteil von 0,85 v. H. zusätzlich übernehmen.
Die sich aus der Neuregelung ergebende Folge der Übernahme der zweiten Beitragshälfte hat zudem einen
Belastungsausgleich zwischen der noch arbeitenden Bevölkerung und den Rentnern in der SPV bewirkt. Rentner
sowie ältere Versicherte hatten nur deutlich kürzere Zeit Beiträge zur Absicherung des Pflegerisikos zu zahlen als
jüngere Versicherte und ihnen kam die Einführung der Pflegeversicherung deshalb in besonderer Weise zugute (vgl
BT-Drucks 15/1830 S. 10). Aus denselben Erwägungen hat der Gesetzgeber in der gesetzlichen Krankenversicherung
versucht, jüngere Krankenversicherte von der Finanzierung des gestiegenen Aufwands für Rentner zu entlasten und
die Rentner entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur Finanzierung heranzuziehen (vgl. BT-Drucks 15/1893 S. 2,
8, 10, 11; BT-Drucks 15/1830 S. 8), was verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom
13. Dezember 2002, 1 BvR 1660/96; BSG, Urteil vom 24. August 2005, B 12 KR 29/04 R; jeweils in juris).
Auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG, die der Kläger allerdings auch nicht
ausdrücklich rügt, ist nicht ersichtlich. Soweit Rentenbezieher gegenüber in der SPV gesetzlich versicherten
Beschäftigten benachteiligt werden, weil diese in der SPV den Beitrag nur zur Hälfte zu tragen haben, während der
Arbeitgeber die zweite Beitragshälfte trägt (§§ 58, 60 Abs. 1 SGB VI), ist diese Schlechterstellung durch den
sachlichen Grund des Belastungsausgleichs zwischen Beschäftigten und Rentnern in der SPV entsprechend den
obigen Erwägungen gerechtfertigt. Insoweit nimmt der Senat auf die hierzu ergangene Rechtsprechung des BSG (z.
B. Urteil vom 29. November 2006, B 12 RJ 4/05, in SozR 4-3300 § 59 Nr. 1) Bezug. Zudem konnte eine Einsparung
von Ausgaben in der gesetzlichen Rentenversicherung naturgemäß nur durch eine Übernahme der zweiten
Beitragshälfte bei den Rentnern, nicht aber bei den Beschäftigten, erreicht werden.
Einen Verstoß der Regelung des § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI gegen das Sozialstaatsgebot ist nicht ersichtlich. Dem
Gesetzgeber ist es im Rahmen seines Gestaltungsspielraums grundsätzlich erlaubt, den einzelnen Versicherten oder
Rentner zur Entlastung der Rentenkassen heranzuziehen. Der Kläger macht selbst nicht geltend, dass gerade durch
eine Einbehaltung der zweiten Hälfte des Pflegeversicherungsbeitrags sein verfassungsrechtlich gesichertes
Existenzminimum unterschritten würde. Dies ist schon in Anbetracht des geringen Betrags von 7,63 EUR nicht zu
befürchten. Im Übrigen ist das Existenzminimum ggf. durch zusätzliche Leistungen anderer Sozialleistungsträger
gesichert.
Die Neuregelung in § 59 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI verletzt schließlich nicht verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen
des Kläger. Ein schutzwürdiges Vertrauen, im Alter oder bei Invalidität auf Dauer durch Übernahme des halben
Pflegeversicherungsbeitrags seitens der Rentenversicherungsträger entlastet zu werden, kann schon im Hinblick
darauf, dass die Einführung der SPV als eine Sofortversicherung mit Wirkung zum 01. Januar 1995 (Art. 1 des
Pflegeversicherungsgesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I, 1014) von Beginn an umstritten war und im Hinblick auf die
langjährige Diskussion um die Zukunft der solidarischen Finanzierung in der Sozialversicherung nicht angenommen
werden. Ein schützenswertes Vertrauen dahingehend, dass in den während der Erwerbsphase entrichteten
Rentenversicherungsbeiträgen die Finanzierung der Pflegeversicherungslasten abgedeckt würde, konnte von daher
nicht entstehen. Jeder Rentenbezieher musste mit einer stärkeren Beitragsbelastung in der SPV rechnen, wobei die
individuelle Leistungsfähigkeit des Betroffenen bei der Höhe der ab dem 01. April 2004 entstehenden Mehrbelastungen
berücksichtigt wurde. Weder hat der Gesetzgeber – wie dargelegt - in eine eigentumsgeschützte rentenrechtliche
Position maßgeblich eingegriffen noch wurde der Kläger angesichts der Abhängigkeit des Pflegeversicherungsbeitrags
von dem monatlichen Rentenzahlbetrag für die Zukunft vor nicht mehr zu bewältigende finanzielle Belastungen
gestellt. Auch gibt es im Beitragsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung oder der gesetzlichen
Krankenversicherung keinen allgemeinen Grundsatz dergestalt, dass Arbeitnehmer oder Rentner jeweils stets nur mit
hälftiger Beitragsschuld belastet werden (vgl. BSG, Urteile vom 24. August 2005, B 12 KR 29/04 R, in SozR 4-2500 §
248 Nr. 1 RdNr. 13, vom 10. Mai 2006, B 12 KR 3/05 R, vom 05. September 2006, B 4 R 71/06 R, vom 29. November
2006, B 12 RJ 4/05, jeweils in juris, m. w. N). Im Übrigen hat der Gesetzgeber auch dadurch, dass er von der
Verkündung des Gesetzes am 29. Dezember 2003 bis zu seinem Inkrafttreten am 01. April 2004 immerhin einen
Vorlauf von drei Monaten vorgesehen hat, den Betroffenen die Einstellung auf die neue Rechtslage erleichtert.
Auch besteht kein allgemeines gesetzliches oder verfassungsrechtliches subjektives Recht auf eine bestimmte
objektiv-rechtliche Gesetzeslage (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2006, B 4 RA 55/04 R, in juris unter Bezugnahme auf
BVerfG in BVerfGE 255, 272 f). Das "Rechtsstaatsprinzip" bzw. "Sozialstaatsgebot" ist keine Anspruchsgrundlage
auf eine bestimmte günstige Gesetzgebung oder Beibehaltung eines günstigen Gesetzes, sondern bestimmt für den
Gesetzgeber eine Schranke seiner Befugnis, in bestehende subjektive Rechte unbegrenzt einzugreifen. Seine
Anwendung setzt voraus, dass zuvor anderweitig subjektive Rechte begründet wurden, die jetzt beeinträchtigt sind.
Daran fehlt es.
Im Hinblick auf die bereits vorliegenden höchstrichterlichen und verfassungsgerichtlichen Entscheidungen zur
Überprüfung der mit dem 2. SGB-VI-ÄndG eingetretenen Verschlechterungen für Rentenbezieher bestand für den
Senat kein Anlass, das Verfahren nach Art. 100 GG auszusetzen und dem BVerfG vorzulegen.
Ebenso wenig sind Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention erkennbar. Diese stützt das
Begehren des Klägers schon deswegen nicht, weil deren Garantien gegen Diskriminierung (Art. 14 EMRK) und zum
Eigentumsschutz (Art. 1 Erstes Zusatzprotokoll zur EMRK vom 20. März 1952, BGBl. 1956 II, S. 1880) keinen
weitergehenden Schutz gewähren als Art. 3 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG (BSG, Urteil vom 30. August 2000, B 5/4 RA
87/97 R, unveröffentlicht).
Bei dieser Sachlage hat die Berufung keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor; insbesondere weicht der Senat nicht
von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab, sondern folgt ihr.