Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 19.05.2009

LSG Berlin und Brandenburg: arbeitslosenhilfe, dispositionen treffen, leistungsbezug, härte, bedürftigkeit, datum, ausnahme, beratung, vorbezug, entlastung

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 19.05.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 62 AL 3852/04
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 30 AL 112/08
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ber-lin vom 14. September 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten Überbrückungsgeld zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ab dem 18.
Juni 2003.
Der im Libanon geborene Kläger lebt seit 1990 in der Bundesrepublik Deutschland. Er bezog von der Beklagten bis
zum 24. Dezember 2002 Arbeitslosengeld und anschließend bis zum 14. April 2003 Arbeitslosenhilfe nach einem
Bemessungsentgelt von 215 EUR in Höhe eines täglichen (erhöhten) Leistungssatzes von 9,70 EUR unter
Berücksichtigung der Leistungsgruppe D. Am 18. April 2003 beantragte er die Fortzahlung der Arbeitslosenhilfe,
diesen Antrag lehnte die Be-klagte mit Bescheid vom 13. Juni 2003 mangels Bedürftigkeit aufgrund der Einkünfte der
Ehe-frau ab.
Am 13. Juni 2003 beantragte der Kläger die Gewährung von Überbrückungsgeld zur Aufnah-me einer selbstständigen
Tätigkeit nach § 57 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III). In seinem Antrag erklärte er, bestätigt durch
seine Unterschriften mit Datum vom 18. Juni 2003, er werde am gleichen Tage (18. Juni 2003) eine selbstständige
Tätigkeit in Vollzeit (40 Stunden/wöchentlich) mit einem italienischen Imbiss/Restaurant/Pizzeria aufnehmen. Ferner
erklärte er, in der Vergangenheit nicht selbstständig tätig gewesen zu sein. Seinem Antrag füg-te er eine Kopie der
Gewerbeanmeldung beim Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin vom 30. Mai 2003 bei; in dieser
Gewerbeanmeldung war als Datum des Beginns der angemeldeten Tätigkeit der 10. Juni 2003 genannt. Ferner war
dem Antrag eine vorläufige Erlaubnis dieses Bezirksamtes vom 30. Mai 2003 nach § 11 Abs. 1 des
Gaststättengesetzes für den Zeitraum vom 10. Juni 2003 bis zum 9. September 2003 beigefügt. Schließlich reichte
der Kläger eine Bescheinigung der Industrie- und Handelskammer zu Berlin über die Unterrichtung nach § 4 Abs. 1 Nr.
4 des Gaststättengesetzes vom 5. Juni 2003 ein. Das Gewerbe meldete er ausweis-lich der Bescheinigung das
Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf vom 12. November 2004 schließ-lich zum 15. November 2004 wieder ab.
Mit Bescheid vom 14. Juli 2003 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Überbrückungsgeld
ab. Überbrückungsgeld könne nach § 57 SGB III nur gewährt werden, wenn der Arbeitnehmer im laufenden
Arbeitslosengeld- oder Arbeitslosenhilfebezug stehe. Der Antrag auf Arbeitslosenhilfe vom 18. April 2003 sei jedoch
wegen fehlender Bedürftigkeit abgelehnt worden; der Kläger stehe somit nicht im Leistungsbezug.
Hiergegen erhob der Kläger am 24. Juli 2003 mit der Begründung Widerspruch, er habe noch bis zum 15. April 2003
im Leistungsbezug gestanden. Ein erneuter Antrag auf Arbeitslosenhil-fe sei nur wegen der fehlenden Bedürftigkeit
abgelehnt worden. Er sei daher grundsätzlich leis-tungsberechtigt gewesen; lediglich das Einkommen der Ehefrau
habe einer Leistungsgewäh-rung entgegengestanden.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchbescheid vom 10. Juni 2004 zurück. Zwi-schen dem Tag des
letzten Leistungsbezuges (14. April 2003) und der Aufnahme der selbst-ständigen Tätigkeit (am 18. Juni 2003)
bestehe kein enger zeitlicher Zusammenhang im Sinne von § 57 Abs. 2 Nr. 1 SGB III.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 15. Juli 2004 bei dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Bereits mit
Mietvertrag vom 15. Mai 2003 habe er die Gaststättenräume zum 1. Juni 2003 angemietet. Seit Anfang Mai 2003 sei
er damit befasst gewesen, die Gaststättenräume für den beabsichtigten Betrieb herzurichten. Der enge zeitliche
Zusammenhang dürfe nicht starr auf einen Monat beschränkt werden. Im Übrigen stelle § 57 Abs. 2 SGB III darauf
ab, ob Ent-geltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen worden seien oder ein Anspruch hierauf be-standen habe.
Ein solcher Anspruch auf Arbeitslosenhilfe habe jedoch grundsätzlich noch bis zum 31. Mai 2003 bestanden.
Arbeitslosenhilfe sei nur deshalb nicht gezahlt worden, weil das Einkommen der Ehefrau Berücksichtigung gefunden
habe.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 14. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 10. Juni 2004 aufzuheben,
hilfsweise die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihren Widerspruchsbescheid verwiesen.
Mit Urteil vom 14. September 2005 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Vorlie-gend seien bereits
mehrere Eingangsvoraussetzungen nicht erfüllt. Überbrückungsgeld nach § 324 Abs. 1 SGB III werde nur auf Antrag
gezahlt und dieser sei nicht rechtzeitig gestellt wor-den. Der Kläger habe sein Gewerbe am 30. Mai 2003 angemeldet
und den Antrag auf Überbrü-ckungsgeld erst danach am 18. Juni 2003 und damit nach dem leistungsbegründenden
Ereignis gestellt. Zudem sei die Gewährung von Überbrückungsgeld nur bei einer Existenzgründung möglich und von
einer solchen sei nicht auszugehen, wenn, wie hier, lediglich ein bereits be-stehender Betrieb übernommen wird.
Schließlich fehle es an dem engen zeitlichen Zusammen-hang in Sinne von § 57 Abs. 2 Nr. 1 SGB III, der nur bei
einer Übergangsphase bis zu einem Monat vorliege. Der Leistungsbezug des Klägers habe am 14. April 2003 geendet,
so dass bis zur Anmeldung des Gewerbes am 30. Mai 2003 mehr als ein Monat vergangen sei. Da bereits die
Eingangsvoraussetzungen nicht erfüllt seien, komme es auf die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens nicht an.
Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 16. November 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5.
Dezember 2005 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Rechtsfehlerhaft gehe das
Sozialgericht davon aus, dass der Antrag bereits als verspätet anzusehen sei. Zwar sei der Antrag erst nach dem
leistungsbegründenden Ereignis im Sinne von § 324 Abs. 1 SGB III gestellt worden. Nach § 324 Abs. 2 SGB III könne
jedoch auch ein verspäteter Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten zugelassen werden. Eine solche Härte würde hier
eintreten, weil er dann wieder einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe geltend machen müsste. Weiter verstoße es gegen
§ 57 SGB III, bei Übernahme eines Betrie-bes nicht von einer Existenzgründung auszugehen. Denn diese
Existenzgründung beziehe sich nicht auf den Betrieb, sondern die Person des Antragstellers. Schließlich habe das
Sozialgericht übersehen, dass zur Ermittlung des engen zeitlichen Zusammenhangs auf den grundsätzlichen
Leistungsanspruch auf Arbeitslosenhilfe bis zum 31. Mai 2003 abzustellen sei. Selbst wenn jedoch auf den letzten
Bezug von Arbeitslosenhilfe abgestellt würde, liege allenfalls eine Un-terbrechung von 47 Tagen vor, die noch als
enger zeitlicher Zusammenhang im Sinne von § 57 Abs. 2 Nr. 1 SGB III anzunehmen sei. Aus der gegenüber dem
Finanzamt Steglitz für das Jahr 2003 vom Kläger abgegebenen Gewinnermittlung ergebe sich schließlich ein
Betriebsbeginn am 10. Juni 2003.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. September 2005 sowie den Bescheid des Arbeitsamtes Berlin vom 14.
Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2004 aufzuheben und die Beklag-te zu verurteilen,
den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
In einer nichtöffentlichen Sitzung des erkennenden Senats am 20. September 2006 hat der Klä-ger die Überprüfung
des Arbeitslosenhilfe ablehnenden Bescheides vom 13. Juni 2003 bean-tragt und anschließend diverse Unterlagen zu
bestehenden Versicherungen vorgelegt. Mit Be-scheid vom 22. Februar 2007 hat die Beklagte den Überprüfungsantrag
abgelehnt und den Be-scheid vom 13. Juni 2003 bestätigt. Auch unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen
verbleibe ein Anrechnungsbetrag vom Einkommen der Ehefrau in Höhe von 101,86 EUR, welcher höher sei als der
Leistungssatz von 67,90 EUR. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger keinen Wi-derspruch eingelegt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhand-lung nach § 124 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt
der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklag-ten (1 Band Leistungsakten - Kundennummer
933 A 058492 - und 1 Hefter Verwaltungsakten betreffend Überbrückungsgeld), die Gegenstand der Beratung gewesen
sind, Bezug genom-men.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte nach § 124 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Betei-ligten sich damit
einverstanden erklärt haben.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist ohne weitere Zulassung nach § 143 SGG statthaft.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht Berlin hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die
Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni
2004 ist zulässig, jedoch unbegründet. Die genannten Bescheide sind rechtmäßig.
Der vom Kläger gestellte Antrag ist nicht begründet, denn, wie das Sozialgericht bereits zutref-fend ausgeführt hat,
liegen schon die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Überbrückungsgeld für die hier
streitbefangene Zeit ab dem 18. Juni 2003 für die Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit nicht vor.
Soweit die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit des Klägers vor dem 13. Juni 2003 erfolgte, liegt bereits nicht eine
rechtzeitigen Antragstellung im Sinne von § 324 SGB III vor.
Nach § 324 Abs. 1 Satz 1 SGB III werden Leistungen der Arbeitsförderung nur erbracht, wenn sie vor Eintritt des
leistungsbegründenden Ereignisses beantragt worden sind.
Würde vorliegend nicht auf die vom Kläger selbst bei Antragstellung angegebene Tätigkeits-aufnahme am 18. Juni
2003, sondern beispielsweise auf die Gewerbeanmeldung (am 30. Mai 2003), die Bescheinigung der Industrie- und
Handelskammer nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 des Gast-stättengesetzes (vom 5. Juni 2003) oder den vom Kläger gegenüber
dem Finanzamt Steglitz angegebenen Betriebsbeginn (10. Juni 2003) als leistungsbegründendes Ereignis abgestellt,
so läge eine Antragstellung am 13. Juni 2003 jeweils nach diesem Datum und wäre damit verspä-tet.
Eine vom Kläger behauptete unbillige Härte im Sinne von § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III, die zur Zulassung einer
verspäteten Antragstellung führen könnte, liegt nicht vor. Eine solche Härte kann weder darin begründet sein, dass die
Frist nur um einige Tage überschritten wurde, noch darin, dass - wie in dem Schriftsatz des Klägers vom 4. Januar
2006 ausgeführt - " der Klä-ger, der zuvor Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe bezog und auch nachfolgend
weiterhin grundsätzlich einen dahingehenden Anspruch besaß, ohne die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit und der
hierzu dienenden Unterstützung durch das zu gewährende Überbrückungs-geld dorthin zurückgefallen wäre."
Wie bei jeder Frist ist grundsätzlich auch eine geringfügige Überschreitung der Frist des § 324 Abs. 1 Satz 1 SGB III
schädlich, weil sonst der Zweck der Regelung verfehlt würde.
Durch eine Antragstellung vor dem leistungsbegründenden Ereignis soll zum einen vermieden werden, dass der
Antragsteller oder Dritte Dispositionen treffen, die sich im Nachhinein als schädlich erweisen, weil eine Leistung der
Arbeitsförderung nicht erbracht werden kann. Zum anderen soll zugleich der Arbeitsverwaltung Gelegenheit zur
Beratung der Betroffenen und zur Prüfung von Maßnahmen gegeben werden (Niesel, in Niesel, SGB III, 4. Aufl., 2007,
§ 324 Rn. 3 m.w.N.). Letzteres ist gerade im Rahmen einer Ermessensleistung, die bei der Beantra-gung von
Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III grundsätzlich gefordert ist, für die notwendige Entscheidung der Beklagten
unabdingbar.
Dass der Kläger im Falle einer Ablehnung sich eventuell veranlasst gesehen hätte, andere Sozi-alleistungen
(beispielsweise Arbeitslosenhilfe) zu beantragen, vermag ebenfalls keine unbillige Härte zu begründen.
Die Annahme einer unbilligen Härte im Sinne von § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III kann nur die Ausnahme sein, weil
ansonsten das Regel-/Ausnahmeverhältnis dieser Norm ins Gegenteil verkehrt würde. Die Notwendigkeit der
anderweitigen Erlangung finanzieller Mittel zur Deckung des Lebensbedarfes auch durch Beantragung anderer
Sozialleistungen stellt im Falle einer Leistungsversagung nach § 57 SGB III jedoch die Regel und nicht die Ausnahme
dar.
Schließlich ist bei der Prüfung, ob eine unbillige Härte im Sinne von § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III vorliegt, auch zu
berücksichtigen, ob der Kläger die verspätete Antragstellung zu vertreten hat (Niesel, a.a.O., § 324 Rn. 9 m.w.N.).
Vorliegend wurden weder vom Kläger von ihm nicht zu vertretende Gründe vorgetragen, noch sind solche Gründe für
den Senat ersichtlich, die ei-ner rechtzeitigen Antragstellung entgegenstanden.
Allenfalls dann, wenn als auf die vom Kläger selbst am 18. Juni 2003 für denselben Tag ange-kündigte Aufnahme der
selbstständigen Tätigkeit als leistungsbegründendes Ereignis abgestellt würde, wäre der Antrag des Klägers vom 13.
Juni 2003 rechtzeitig vor diesem Ereignis gestellt gewesen.
Wird jedoch auf den 18. Juni 2003 abgestellt, so fehlt es an einem engen zeitlichen Zusam-menhang im Sinne von §
57 Abs. 2 SGB III.
Nach § 57 Abs. 1 SGB III in der im Jahr 2003 geltenden Fassung können Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer
selbständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur
sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenz-gründung Überbrückungsgeld erhalten.
Nach § 57 Abs. 2 Nr. 1a SGB III in der im Jahre 2003 geltenden Fassung des Zweiten SGB III- Änderungsgesetzes
(Zweites SGB III- ÄndG) vom 21. Juli 1999 (GBl. 1 S. 1648) und des Ge-setzes zur Reform der
arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job- AQTIV- Gesetz) vom 10. De-zember 2001 (BGBl. I S. 3443) kann
Überbrückungsgeld geleistet werden, wenn der Arbeit-nehmer in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme
der selbständigen Tätigkeit oder der vorgeschalteten Teilnahme an einer Maßnahme zu deren Vorbereitung
Entgeltersatz-leistungen nach diesem Buch bezogen hat oder einen Anspruch darauf hätte.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Kläger hat nicht in engem zeitlichen Zusammenhang mit der
Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit als Betreiber der Speise-wirtschaft ab dem 18. Juni 2003 eine
Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen oder einen Anspruch darauf gehabt.
Er bezog vor dem 18. Juni 2003 letztmalig am 14. April 2003 Arbeitslosenhilfe.
Der Kläger hatte bis zur Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit am 18. Juni 2003 auch kei-nen Anspruch auf die
genannten Entgeltersatzleistungen, da die Voraussetzungen für den Be-zug der Entgeltersatzleistungen im Sinne des
§ 116 Nr. 1 bis 7 SGB III nicht erfüllt waren. Insbesondere bestand auch kein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nach §
190 SGB III in der hier anzuwendenden bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung. Nach § 190 Abs. 1 SGB III
in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung hatten Anspruch auf Arbeitslosenhilfe Ar-beitnehmer, die 1.
arbeitslos sind, 2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben, 3. einen Anspruch auf Arbeitslosengeld
nicht haben, weil sie die Anwartschaftszeit nicht erfüllt haben, 4. in der Vorfrist Arbeitslosengeld bezogen haben, ohne
dass der Anspruch wegen des Eintritts von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt 21 Wochen erloschen ist und
5. bedürftig sind.
Nach § 193 Abs. 1 SGB III in der hier anzuwendenden bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung ist bedürftig
ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreitet oder
bestreiten kann und das zu berücksichtigende Ein-kommen die Arbeitslosenhilfe nicht erreicht. Nicht bedürftig ist ein
Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden
Ehegatten oder Lebenspartners oder das Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnli-cher
Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Arbeitslosenhilfe nicht gerechtfertigt ist (§ 193 Abs. 2 SGB III in der bis zum
31. Dezember 2004 geltenden Fassung).
Entgegen der Ansicht des Klägers ließ somit eine fehlende Bedürftigkeit im Sinne von 193 SGB III a.F. den Anspruch
insgesamt entfallen, weil die Bedürftigkeit nach § 190 Abs. 1 Nr. SGB III a.F. eine Anspruchsvoraussetzung der
Arbeitslosenhilfe war.
Zudem ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 31. März 2007, B 11a AL 11/06 R, u.a. in
SozR 4 -4300 § 57 Nr. 2), der der Senat nach eigener Prüfung folgt, maßgeblich auf den Zeitraum zwischen dem
tatsächlichen (und nicht einem möglichen) Leis-tungsbezug und der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit
abzustellen. Vorliegend ergibt sich damit aus den oben genannten Gründen ein Unterbrechungszeitraum vom 14. April
2003 bis zum 18. Juni 2003 und damit eine Unterbrechung von über zwei Monaten.
Jedenfalls bei einem Zeitraum von über zwei Monaten ist ein enger zeitlicher Zusammenhang im Sinne von § 57 Abs.
2 Nr. 1 SGB III nicht mehr gegeben.
Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 25. Januar 2006 (Az.: L 30 AL 110/05, unter anderem in juris) hierzu
schon folgendes ausgeführt:
"Zwar ergibt sich aus dem Gesetz selbst nicht, was unter "in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme" zu
verstehen ist. Nach der Gesetzesbegründung zu dieser ab 01. August 1999 geltenden Neuregelung durch das Zweite
SGB III- ÄndG (BT- Drucksache 14/873 S. 12) sollte diese Neuregelung der "Klarstellung" dienen, dass zwischen dem
vorherigen Leistungs-bezug oder der geförderten Beschäftigung und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ein
Übergangszeitraum (etwa ein Monat) liegen darf.
Nach dem bis zum 31. Juli 1999 geltenden Wortlaut des § 57 Abs. 2 Nr. 1 SGB III war ebenso wie nach der
Vorgängerregelung des § 55a AFG ein mindestens vierwöchiger Leistungsbezug bzw. eine mindestens vierwöchige
Beschäftigung in einer nach dem SGB III geförderten Maß-nahme "bis zur Aufnahme" der selbständigen Tätigkeit
oder der Teilnahme an der vorgestalte-ten Vorbereitungsmaßnahme erforderlich, so dass der 4-Wochenzeitraum
grundsätzlich unmit-telbar bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit oder Vorbereitungsmaßnahme reichen
musste. Das Bundessozialgericht hatte zu der Vorgängerregelung des § 55a AFG ausgeführt, dass die
Voraussetzungen für die Bewilligung von Überbrückungsgeld nur gewahrt seien, wenn der ruhensbedingte Abstand
zum Vorbezug von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe nicht länger ist als die bei Ablehnung von
Arbeitsangeboten mögliche Sperrzeit (BSG SozR 3- 4100 § 55 a Nr. 4).
Durch die am 01. August 1999 in Kraft getretene Neuregelung des 2. SGB III- ÄndG ist die genannte Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts, nach der der ruhensbedingte Abstand zum Vorbezug von Entgeltersatzleistungen nicht
länger als die Sperrzeit bei Ablehnung von Arbeits-angeboten sein dürfte (BSG SozR 3- 4100 § 55 a Nr. 4),
gegenstandslos geworden. Aus diesem Grunde wird auch die Auffassung des Hessischen Landessozialgerichts (Urteil
vom 14. März 2001- L 6 AL 1340/00- in E- LSG AL -226) angesichts des ab 01. August 1999 geltenden Wortlautes
des Abs. 2 Nr. 1 und der Gesetzesbegründung als viel zu weitgehend und mit der im Jahr 2003 geltenden Regelung
als nicht vereinbar angesehen. Die Neuregelung in § 57 Abs. 2 Nr. 1 SGB III macht nur dann einen Sinn, wenn man
unter "in engem zeitlichen Zusammen-hang mit der Aufnahme" nicht einen nicht näher definierten unbestimmten
Zeitraum versteht, sondern einen solchen von höchstens einem Monat (in diesem Sinne Link, in Eicher/ Schlegel,
SGB III, § 57 Rz. 59 ff)."
Im anschließenden Revisionsverfahren hat der 11. Senat des Bundessozialgerichts in seiner bereits oben erwähnten
Entscheidung (Urteil vom 31. März 2007, B 11a AL 11/06 R) offen gelassen, ob er diesem Verständnis der Regelung
folgt. Der Senat sieht daher grundsätzlich keine Veranlassung, seine Rechtsansicht zu revidieren.
Selbst wenn jedoch ein fester zeitlicher Rahmen von einem Monat nicht als Grundlage für die Frage genommen
würde, ob ein enger zeitlicher Zusammenhang im Sinne von § 57 Abs. 2 Nr. 1 SGB III besteht, so ist aus den oben
genannten Gründen jedenfalls bei einer Unterbrechung von über zwei Monaten ein solcher enger zeitlicher
Zusammenhang nicht mehr gegeben. Hier-für spricht neben der bereits erwähnten Entstehungsgeschichte letztlich
entscheidend auch der Wortlaut und der Zweck der Regelung.
Durch die Gewährung von Überbrückungsgeld zur Sicherung des Lebensunterhalts kann die Aufnahme einer
selbstständigen Tätigkeit schon nach dem Wortlaut des § 57 Abs. 1 SGB III nur dann gefördert werden, wenn durch
die Aufnahme dieser selbstständigen Tätigkeit Arbeits-losigkeit voraussichtlich nachhaltig (vgl. § 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB
III) beendet oder vermieden wird. In der wirtschaftlich schwierigen Anfangsphase, in der noch keine vollen Einnahmen
zu erwarten sind, sollte durch die Gewährung von Überbrückungsgeld der Lebensunterhalt des Arbeitslosen gesichert
werden. Hierdurch sollte erreicht werden, dass mehr Arbeitslose den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Denn die
Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätig-keit durch einen Arbeitslosen trägt ebenso zur Entlastung des
Arbeitsmarktes bei wie die Ver-mittlung in eine abhängige Beschäftigung (Stratmann, in Niesel, SGB III, 2. Aufl.,
2002, § 57 Rn. 1 m. w. N.).
Bei der Ermessensausübung ist allerdings nach der eindeutigen Zielsetzung des Gesetzgebers fiskalischen
Gesichtspunkten vorrangige Bedeutung zu verschaffen (Stratmann, a.a.O., Rn. 2), was nach Ansicht des Senats
bereits daraus folgt, dass auch von der Arbeitsverwaltung bei ih-rer Entscheidung die Grundsätze der
Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (vgl. § 69 Abs. 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch- SGB IV) zu
berücksichtigen sind. Mit anderen Worten soll die Gewährung von Überbrückungsgeld zur Aufnahme einer
selbstständigen Tätigkeit durch die Arbeitsverwaltung im Verhältnis zu den zu erwartenden finanziellen Entlastungen
der Soli-dargemeinschaft durch die Aufnahme dieser selbstständigen Tätigkeit stehen.
In diesem Lichte erklärt sich auch zwanglos die Leistungsvoraussetzung des "engen zeitlichen Zusammenhangs"
zwischen dem Leistungsbezug und der Aufnahme der selbstständigen Tätig-keit im Sinne von § 57 Abs. 2 Nr. 1 SGB
III. Nur wenn die Beklagte im Zeitpunkt der Auf-nahme der Tätigkeit oder zumindest noch kurz davor Leistungen
erbracht oder hierauf zumin-dest ein Anspruch bestanden hat, kann davon ausgegangen werden, dass durch die
Gewährung von Überbrückungsgeld der Arbeitsmarkt und damit auch finanziell die Solidargemeinschaft entlastet wird.
Eine solche Situation war vorliegend nach Ablauf von über zwei Monaten seit dem letzten Leistungsbezug nicht mehr
gegeben. Wie bereits dargestellt, bestand zu diesem Zeitpunkt ge-genüber der Beklagten insbesondere kein Anspruch
mehr auf Arbeitslosenhilfe. Eine nachhal-tige finanzielle Entlastung der Solidargemeinschaft konnte daher zu diesem
Zeitpunkt durch die Gewährung von Überbrückungsgeld nicht mehr erreicht werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2. SGG nicht vorliegen.