Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 06.11.2009

LSG Berlin-Brandenburg: hauptsache, erlass, entlastung, nachforderung, verwaltungsverfahren, verbraucher, sammlung, quelle, link, rechtspflege

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
20. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 20 AS 2061/09 B ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 172 Abs 3 Nr 1 SGG, § 86b Abs
2 SGG
Ausschluss der Beschwerde gegen einen im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren ergangenen Beschluss wegen
Nichterreichen des Beschwerdewertes
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 06. November 2009
sowie die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Beschwerde werden als unzulässig
verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller wehrt sich gegen die Nichtzulassung der Beschwerde in dem von ihm
mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts.
Der Antragsteller, der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
Sozialgesetzbuch Zweites Buch – SGB II – von dem Antragsgegner bezieht, hat am 19.
Oktober 2009 beim Sozialgericht Berlin unter Bezugnahme auf eine vorherige
Antragstellung bei dem Antragsgegner vom 10. September 2009 beantragt, den
Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Gewährung eines Mehrbedarfs
für erhöhten Stromverbrauch als Vorschuss oder vorläufige Leistung zu verpflichten. Mit
dem Antrag hat er u.a. ausgeführt: „Die beantragte Leistung ist gerechtfertigt. Der Höhe
nach geht es um ca. 17,37 Euro/Monat, soweit es um die Anwendung durch Warmwasser
geht, da dieses durch einen Durchlauferhitzer erzeugt werden muss“ (Seite 2 der
Antragsschrift). Mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2009 hat der Antragsteller die streitige
monatliche Mehrleistung in Höhe von 17,37 Euro bestätigt (Seite 3 des Schriftsatzes).
Mit Beschluss vom 06. November 2009, dem Antragsteller am 12. November 2009
zugestellt, hat das Sozialgericht den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, es
fehle an einem Anordnungsgrund. Die Ablehnung der Leistung in Höhe von 17,37 Euro
monatlich stellte keinen schweren und unzumutbaren Nachteil dar, der den Erlass einer
einstweiligen Anordnung rechtfertige. Der geringe Betrag führe nicht zu einer
Existenznot.
Das Sozialgericht hat dem Antragsteller weiter mitgeteilt, dass der Beschluss
unanfechtbar sei, weil der Beschwerdewert von 750,00 Euro nicht erreicht werde.
Mit seiner am 08. Dezember 2009 erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde macht der
Antragsteller geltend, sein Antrag habe sich zum einen auf die Gewährung eines
monatlichen Mehrbedarfs in Höhe von 35 v.H. der Regelleistung (359,00 Euro) bezogen,
so dass die Beschwerdesumme erreicht werde. Zum anderen sei der
„Bewilligungszeitraum (…) dann mit 6 oder 12 Monaten anzusetzen“. Zudem sei der
Betrag von 17,52 Euro zwischenzeitlich auf 19,22 Euro gestiegen. Der von ihm begehrte
Zuschlag hänge nicht davon ab, dass er Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben von
dem Antragsgegner in Anspruch nehme. Dieser habe den geltend gemachten Anspruch
nach § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – SGB IX – auch nach anderen
Anspruchsnormen zu prüfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der
Entscheidung wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Ablichtungen des
Verwaltungsvorganges des Antragsgegners verwiesen, die vorgelegen haben und
Gegenstand der Beratung gewesen sind.
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II.
Die Beschwerde des Antragstellers, soweit sie sich gegen den Beschluss des
Sozialgericht als solches richtet, ist nicht statthaft.
Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG
- in der ab 01. April 2008 geltenden Fassung (eingefügt durch Artikel 1 Nr. 29 b Gesetz
zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.
März 2008, BGBl I Seite 444) sind Beschwerden in Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes u. a. dann nicht statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes
in der Hauptsache bei einer eine Geldleistung betreffenden Klage 750 Euro nicht
übersteigt.
Bei der Prüfung der Statthaftigkeit der Beschwerde ist auf die Beschwer des
Beschwerdeführers durch den angefochtenen Beschluss abzustellen (so auch zur
entsprechenden Problematik der Anwendung des § 146 Abs. 4
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - idF. des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege
v. 11. Januar 1993 -- BGBl I S. 50 -- iVm. § 131 Abs. 2 VwGO: Oberverwaltungsgericht für
das Land Nordrhein-Westfalen 22. Senat, Beschluss vom 17. August 1993, - 22 B
1230/93 -, a. A. auf den tatsächlichen Streitgegenstand des Hauptsacheverfahrens
abstellend: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen 15. Senat,
Beschluss vom 11. Juni 1996, - 15 B 1313/96 -). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des §
172 Abs. 3 Nr. 1 SGG, wonach in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes darauf
abzustellen ist, ob in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre. Die Zulässigkeit der
Berufung einer Hauptsache richtet sich nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG und bemisst sich
nach der durch das erstinstanzliche Urteil eingetretenen Beschwer für den
Berufungsführer. Dass bei der Prüfung der Zulässigkeit der Beschwerde ebenfalls an die
durch den Beschluss eingetretene Beschwer anzuknüpfen ist, entspricht auch der
Intention des Gesetzgebers, die Beschwerdemöglichkeit bei wirtschaftlich nicht
relevanten Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Entlastung der
Landessozialgerichte auszuschließen (BT-Drs. 16/7716, Seite 13f. zu 2) c) bb); Seite 22
zu Nr. 29 b)). Die Rechtsschutzmöglichkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist
nicht gegenüber derjenigen in Hauptsacheverfahren zu privilegieren.
Davon ausgehend ist die Beschwerde des Antragstellers hier nicht statthaft, weil die
durch den angefochtenen Beschluss für ihn eingetretene Beschwer nicht 750 Euro
übersteigt. Dabei ist von dem Antrag des Antragstellers auszugehen.
Der Antragsteller hat beim Sozialgericht ausdrücklich die Verpflichtung des
Antragsgegners zu einer monatlichen Leistung in Höhe von 17,37 Euro begehrt. Nur
über diesen Anspruch hat das Sozialgericht entschieden und damit allenfalls über das
Begehren bezogen auf den gesamten Bewilligungszeitraum von sechs Monaten (104,22
€). Damit erreicht die Beschwer nicht 750,00 Euro. Selbst wenn mit dem
Beschwerdevorbringen des Antragstellers von einem auch schon erstinstanzlich geltend
gemachten Bewilligungszeitraum von „bis zu 12 Monaten“ auszugehen wäre, wäre der
Beschwerdewert nicht erreicht. Soweit der Antragsteller nunmehr im
Beschwerdeverfahren geltend macht, dass er eine monatliche Mehrleistung von 35 v.H.
des Regelsatzes begehrt haben will, führt dies nicht zu einer höheren Beschwer durch die
erstinstanzliche Entscheidung. Ein solches Verpflichtungsbegehren hat der Antragsteller
nicht zur Entscheidung des Sozialgerichts gestellt, das über ein solches Begehren auch
nicht entschieden hat (nicht entscheiden durfte). Dies gilt im Übrigen auch, soweit der
Antragsteller nunmehr geltend macht, die monatliche Mehrleistung erhöhe sich durch
gestiegene Strompreise auf 19, 22 Euro.
Damit ist der Beschwerdewert nicht erreicht und eine Berufung in der Hauptsache nach §
144 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht zulässig, da auch keine Verpflichtung zu einer
wiederkehrenden oder laufenden Leistung für mehr als ein Jahr im Streit ist (§ 144 Abs. 1
Satz 2 SGG).
Soweit der Antragsteller mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der
Beschwerde begehrt, ist diese Beschwerde ebenfalls nicht statthaft und war zu
verwerfen. Eine gesetzliche Grundlage, wonach das Sozialgericht in Fällen des § 172 Abs.
3 SGG die Beschwerde zulassen kann, sieht das Gesetz - anders als in Fällen der
Beschränkung einer Berufung nach § 144 Abs. 1 SGG - nicht vor.
Nur ergänzend weist der Senat daraufhin, dass die Beschwerde gegen den Beschluss
auch in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte. Zutreffend hat das Sozialgericht mit den
angegebenen Gründen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes für den Erlass einer
einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antragsteller hat im Übrigen zu keiner Zeit
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einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antragsteller hat im Übrigen zu keiner Zeit
dargelegt, dass er bereits durch warme Wannenbäder mit höheren Stromkosten
belastet ist, dass ein Bedarf überhaupt besteht. Ein von ihm geltend gemachter, durch
Erlass einer einstweiligen Anordnung abzuwendender Nachteil ist nicht ersichtlich. Es ist
allgemein bekannt, dass Stromversorger nach einer Abrechnungsperiode den
tatsächlichen Stromverbrauch unter Anrechnung der geleisteten Abschläge mit dem
Verbraucher abrechnen und ggf. eine Nachforderung verbunden mit der Erhöhung der
monatlich laufenden Abschläge geltend machen. Dem Antragsteller ist es also derzeit
ohne Mehrkosten möglich, etwaigen Schmerzen durch warme Wannenbäder zu
begegnen, da er mit Strom versorgt wird. Soweit ihm dadurch tatsächlich Mehrkosten
entstehen, ist er zumindest derzeit gehalten, seine Ansprüche in einem
Hauptsacheverfahren bei dem Antragsgegner oder einem von ihm für zuständig
erachteten sonstigen Leistungsträger in einem geordneten Verwaltungsverfahren
geltend zu machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1
SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
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