Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 21.07.2009

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
27. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 27 P 48/09 B ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 86b SGG, § 15 SGB 11
Einstufung des Pflegebedürftigen in die zutreffende Pflegestufe
durch einstweiligen Rechtsschutz
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom
21. Juli 2009 wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin ist zulässig; sie ist
insbesondere statthaft gemäß § 172 SGG. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das Sozialgericht hat zu Recht den Antrag abgelehnt,
die Weiterzahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I in Höhe von 215 EUR
monatlich an die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hatte ab Juli 2009 die Zahlung des Pflegegeldes mit der
Begründung eingestellt, dass nach dem Ergebnis der ärztlichen Begutachtung die
Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht mehr vorliegen würden.
Die Voraussetzungen für die begehrte Anordnung liegen nicht vor. Rechtsgrundlage für
den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist § 86b Abs 2 Satz 2 SGG. Danach kann das
Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines
vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine
solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Nach
zutreffender ständiger Rechtsprechung erscheint die Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig, wenn die Rechtsverfolgung in der Sache erhebliche
Erfolgsaussicht hat (Anordnungsanspruch) und bei Abwägung der Interessen der
Beteiligten die Interessen des Antragstellers an der vorläufigen Regelung diejenigen der
anderen Beteiligten überwiegen und für ihre Realisierung ohne die Regelung erhebliche
Gefahren, wesentliche Nachteile, drohen (Anordnungsgrund). Dabei sind die
Anforderungen an den Anordnungsgrund umso höher, je geringer die Erfolgsaussicht ist;
sie sind umso niedriger, je größer die Erfolgsaussichten sind. Ist unklar, ob ein
Anordnungsanspruch besteht, hat eine Folgenabwägung zu erfolgen. Eine solche
verlangt, die Folgen abzuwägen, die eintreten würden, wenn die begehrte Anordnung
nicht erginge, der Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren aber obsiegen würde,
gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die Anordnung erlassen würde, der
Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren indes keinen Erfolg hätte.
Die Feststellung eines Anordnungsanspruchs wird im vorliegenden Fall bestimmt vom
Streit der Beteiligten über das Vorliegen der Voraussetzungen der Pflegestufe I bei der
schwerbehinderten Antragstellerin (GdB 100). Während ein Pflegedienst im Februar 2009
einen Höherstufungsantrag empfohlen hatte, verneinte die von der Antragsgegnerin
beauftragte medizinische Sachverständige schon einen Pflegebedarf entsprechend der
Pflegestufe I. Das Gutachten bindet grundsätzlich die Beteiligten, weil nach § 6 Abs 2
Satz 1 AllgVersBedPPV2009 auch die Stufe und die Fortdauer der Pflegebedürftigkeit
durch einen vom Versicherer beauftragten Arzt festzustellen sind. Die Klärung, inwieweit
das Gutachten vom 18. Mai 2009 ausnahmsweise keine Bindung entfalten soll, muss
angesichts komplizierter rechtlicher und medizinischer Probleme dem
Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Daher lassen sich die für die Feststellung
eines stärkeren Anordnungsanspruchs letztendlich maßgeblichen tatsächlichen Aspekte
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eines stärkeren Anordnungsanspruchs letztendlich maßgeblichen tatsächlichen Aspekte
im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend
aufklären.
Im vorliegenden Fall fehlt es jedenfalls am Anordnungsgrund. Es ist nicht erkennbar,
dass der Antragstellerin vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens wesentliche Nachteile
drohen. Zwar hat sie vorgetragen, dass sie ihren Pflegepersonen derzeit nicht mehr die
bisher gewährte Aufwandsentschädigung, insbesondere die Fahrtkosten, zahlen könne.
Die Pflegepersonen haben auch eidesstattlich versichert, dass die Antragstellerin ihnen
derzeit die Aufwandsentschädigung nicht zahlen könne. Daraus ergibt sich indes nicht,
dass die Pflegeleistungen nicht mehr erbracht würden bzw. welche Pflegeleistungen in
welchem Umfange reduziert würden und welche konkreten Gefahren deswegen für die
Antragstellerin entstehen würden. Dass die Pflegepersonen die Antragstellerin mangels
Fahrtkostenerstattung nicht mehr aufsuchen könnten, lässt sich nicht annehmen. So
liegt die Wohnung der Pflegeperson W H nur in einer Entfernung von ca. 1,5 km von der
Wohnung der Antragstellerin (Fußweg etwa 17 min). Es ist auch angesichts der
Altersrente der Antragstellerin von 1.322 EUR nicht erkennbar, dass sie nicht zumindest
teilweise in der Lage wäre, den Verlust des Pflegegeldes aufzufangen.
Unter diesen Umständen kommt die von der Antragstellerin geforderte Anordnung auch
bei Folgenabwägung nicht in Betracht. Dabei berücksichtigt der Senat das besondere
grundrechtliche Gewicht des mit dem Antrag verfolgten Begehrens mit Blick auf die
durch das Pflegegeld geschützten Grundrechte von Leben und G1qesundheit sowie einer
menschenwürdigen Existenz. Der Antragstellerin drohen keine Nachteile, die sie nicht
auch bei Erfolglosigkeit ihrer Rechtsverfolgung in der Hauptsache hinzunehmen hätte.
Ihre Grundrechte sind nicht in einem Maße gefährdet, dass ihr bis zum Abschluss des
Hauptsacheverfahrens bei einem Erfolg ihrer Rechtsverfolgung die mit der Einstellung
der Leistung von Pflegegeld aus ihrer privaten Pflegeversicherung verbundenen
Nachteile nicht zuzumuten wären. Konkrete schwere, unabwendbare Nachteile hat sie
nicht behauptet, sie hat insbesondere nicht dargelegt, dass ihr erhebliche Gefahren für
Leben, Gesundheit und Würde drohen würden, die über den Verlust der finanziellen
Leistung Pflegegeld hinausgehen würden. Solche sind auch nicht nach Aktenlage zu
erkennen. Das Interesse der Antragstellerin überwiegt daher nicht das Interesse der
Antragsgegnerin, die Folgen einer Anordnung bei späterer Erfolglosigkeit der
Antragstellerin zu vermeiden.
Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe. Gemäß §§ 73a Abs 1
Satz 1 SGG, 114 ZPO wird Prozesskostenhilfe u a nur bewilligt, wenn die Rechtverfolgung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Davon kann im Zeitpunkt der Entscheidung nicht
ausgegangen werden. Dies ergibt sich aus den vorstehenden Gründen. Ein früherer
Zeitpunkt ist nicht maßgeblich, weil die Unterlagen für die Prozesskostenhilfe erst am
29. September 2009 vorgelegt wurden.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 Abs 1, 4 SGG.
Sie berücksichtigt die Erfolglosigkeit der Rechtsverfolgung.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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