Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 08.09.2005

LSG Berlin und Brandenburg: asthma bronchiale, anhaltende somatoforme schmerzstörung, berufsunfähigkeit, medizinisches gutachten, ärztliches gutachten, zumutbare tätigkeit, erwerbsunfähigkeit

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 08.09.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 30 RJ 823/02
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 3 RJ 18/04
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. November 2003 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die am ...1970 geborene Klägerin, die am 03. Juli 1987 die Abschlussprüfung der zehn- klassigen allgemein bildenden
polytechnischen Oberschule in B. – P. "gut bestanden" hatte, schloss im Juli 1989 eine 2-jährige Ausbildung als
Friseurin mit der Facharbeiterprüfung ab und übte diesen Beruf zunächst bis 29. Januar 1993 und danach erneut vom
01. Januar 1994 bis 31. Januar 1995 aus. Anschließend war die Klägerin arbeitsunfähig krank geschrieben und bezog
vom 03. April 1995 bis 28. Februar 1996 Leistungen von der Bundesanstalt für Arbeit. Den im Jahre 1993
unternommenen Versuch, an der Volkshochschule M. das Abitur abzulegen, hat die Klägerin aufgegeben, weil sie –
nach eigenen Angaben – zu oft krankheitsbedingt gefehlt habe. Die Klägerin ist verheiratet und hat drei Kinder,
geboren am 11. April 1996, 13. Mai 1998 und 25. Mai 2004.
Zur Begründung ihres im Oktober 2000 gestellten Rentenantrages gab die Klägerin an, sie halte sich seit Mai 1992
wegen Wirbelsäulenbeschwerden, Sehnenansatzstörungen der Ellenbogen, Belastungsschmerzen der Kniegelenke,
Niedrigblutdruck, chronischer Bronchitis, Allergien, Krampfadern, Schulter- und Kopfschmerzen für erwerbsunfähig.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B. am 28. November 2000 ein
allgemeinmedizinisches Gutachten über die Klägerin. Die Gutachterin stellte Wirbelsäulensyndrom, chronische
Bronchitis, Gonalgien beidseits und Krampfaderleiden, Zustand nach Verödung als Gesundheitsstörungen fest und
kam zu dem Ergebnis, die Klägerin verfüge über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte zeitweise
mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung. Arbeiten mit ständiger Armvorhalte sowie Überkopfarbeiten
sollten vermieden werden, ebenso der Kontakt mit atemwegsbelastenden Stoffen. Für den Lehrberuf als Friseuse
reiche das Leistungsvermögen der Klägerin nicht aus.
Durch Bescheid vom 13. Dezember 2000 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, da weder Berufunfähigkeit noch
Erwerbsunfähigkeit vorliege. Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne die Klägerin zwar nicht mehr den
erlernten Beruf als Friseuse ausüben, jedoch noch eine Tätigkeit / Beschäftigung, die unter Berücksichtigung des
bisherigen Berufes zumutbar sei, vollschichtig verrichten.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch bemängelte die Klägerin, dass in dem Bescheid keine
Verweisungstätigkeit benannt und dass sie nicht ausreichend untersucht und begutachtet worden sei. Sie machte
geltend, sie habe in der letzten Zeit zwei epileptische Anfälle gehabt, und verwies auf einen gegenüber der
Versorgungsverwaltung abgegebenen Befundbericht vom 15. Oktober 2001 des Neurologen und Psychiaters Dipl.
med. H., der einen erstmaligen, generalisierten zerebralen Krampfanfall am 16. Februar 2001 und dann in etwa
monatlichen Abständen kleine präepileptische Anfälle mit Flimmererscheinungen und Wahrnehmungsstörungen
angab. Weiterhin legte sie ein von ihr selbst veranlasstes ärztliches Gutachten der Internistin Dr. P. vom 31. Juli 2001
vor, die ausführte, bei der Klägerin bestünden keine kardiovaskulären Funktionseinschränkungen. Die durchgeführte
Ergometrie und Lungenfunktionsprüfung hätten keine pathologischen Befunde ergeben. Eine orthopädische
Zusatzbegutachtung sowie eine neurologische Beurteilung wegen des Verdachtes auf Epilepsie seien jedoch
notwendig.
Daraufhin veranlasste die Beklagte eine Begutachtung der Klägerin durch die Fachärztin für Neurologie und
Psychiatrie W., die in dem Gutachten vom 04. Dezember 2001 symptomatische Epilepsie bei Verdacht auf diskreten
frühkindlichen Hirnschaden, leichte Anpassungsstörung mit Somatisierung und Ängsten,
Wirbelsäulenschmerzsyndrom ohne neurologisches Korrelat und anamnestisch chronische Bronchitis und
Krampfaderleiden diagnostizierte und zu dem Ergebnis kam, der Klägerin seien leichte Arbeiten in wechselnder
Körperhaltung ohne Schichtdienst und unter Vermeidung von Arbeiten an laufenden Maschinen, auf Leitern und
Gerüsten sowie von Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr und Zwangshaltungen vollschichtig zumutbar. Als Friseuse
sei sie nicht einsatzfähig.
Durch Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Obwohl die Klägerin
ihren Beruf als Friseurin nicht mehr ausüben könne, sei sie nicht berufsunfähig, weil sie noch zumutbar auf
Tätigkeiten als Telefonistin, Drogistin, Kosmetikverkäuferin, Kosmetikerin, Farb- und Stilberaterin sowie
Nagelmodelistin verwiesen werden könne.
Zur Begründung ihrer gegen den Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2002 erhobenen Klage hat die Klägerin
vorgetragen, wegen der ständigen lang andauernden Schmerzen außerstande zu sein, in ihrem Beruf sowie auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig tätig zu sein. Sie sei seit dem 01. August 2002 als Aushilfe in dem
Friseurgeschäft der Frau B. G. 14,5 Stunden monatlich mit " Telefonieren, Kaffe ausschenken, Termine vergeben"
beschäftigt.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärztin für Orthopädie Dr. H. vom 03. Dezember
2002, die ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche und einfache geistige Arbeiten bejaht hat, von
Dipl.-Med. H. gleichen Datums, der von einer Leistungsfähigkeit von weniger als 8 Stunden täglich ausging, sowie von
Dr. P. eingeholt, nach deren Auffassung die Klägerin über ein vollschichtiges Leistungsvermögen verfügt.
Anschließend hat auf Veranlassung des Sozialgerichts der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. am 14. Juli 2003
ein medizinisches Gutachten über die Klägerin erstattet. Der Sachverständige hat auf nervenärztlichem Gebiet
anhaltende somatoforme Schmerzstörung,
Grand Mal Epilepsie und phobische Störung festgestellt und die Auffassung vertreten, die Klägerin könne, ohne auf
Kosten der Gesundheit zu arbeiten, täglich regelmäßig noch leichte körperliche und geistig leichte und mittelschwere
Arbeiten in wechselnder, überwiegend sitzender Körperhaltung an einem anfallsgerechten Arbeitsplatz vollschichtig
verrichten.
Durch Urteil vom 20. November 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt,
nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. H. verfüge die Klägerin noch über ein vollschichtiges
Leistungsvermögen für leichte körperliche und ihrem Bildungsstand entsprechende geistige Arbeiten. Sie sei daher
nicht erwerbsunfähig. Ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit sei deshalb nicht gegeben, weil die das
Leistungsvermögen als Friseurin aufhebenden Krampfanfälle der Klägerin erst seit März bzw. August/ September
2001 bestünden und sie nach den in diesem Jahr geltenden Regelungen keinen Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente
mehr geltend machen könne. Auch wenn ein aufgehobenes Leistungsvermögen für Tätigkeiten als Friseurin schon im
Jahre 2000 angenommen würde, resultierte hieraus kein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, weil die
Klägerin eine zumutbaren Verweisungstätigkeit als Rezeptionistin in Friseursalons ausüben könnte, in der sie seit
August 2002 beschäftigt sei.
Gegen das am 21. Januar 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. Februar 2004 Berufung eingelegt.
Der Senat hat eine Auskunft über Einsatzmöglichkeiten einer leistungsgeminderten Friseurin von der Friseur-Innung
B. eingeholt, wegen deren Einzelheiten auf die Schreiben des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen
im Friseurhandwerk D. S. vom 17. und 20. Juni 2004, der u. a. auf seine Aussage als Sachverständiger am 25. Mai
2004 in dem Verfahren vor dem 12. Senat des Landessozialgerichts Berlin ( L 12 RJ 14/00) verwiesen hat, Bezug
genommen wird. Des Weiteren sind Arbeitgeberauskünfte beigezogen worden von den Friseurgeschäften der
K. Z., bei der die Klägerin vom 01. Januar 1994 bis 31. Januar 1995 als Friseurin an 5 Tagen 6 Stunden täglich tätig
war, und der
B. G., bei der die Klägerin vom 01. Juni bis 31. Dezember 2003 als Aushilfs-Friseurin 14 Stunden wöchentlich
gearbeitet hatte.
In dem Erörterungstermin am 16. Dezember 2004 hat der Vorsitzende die Klägerin persönlich angehört und mit den
Beteiligten auf der Grundlage der in den Verfahren L 12 RJ 14/00 sowie S 22 RJ 291/97 eingeholten berufskundlichen
Auskünfte, insbesondere der Aussage des Friseurmeisters D. S. als Sachverständiger in der Sitzung des 12. Senats
des Landessozialgerichts Berlin vom 25. Mai 2004, die Frage der Verweisbarkeit der Klägerin auf Tätigkeiten als
Rezeptionistin erörtert.
Des Weiteren wurde ein Befundbericht der die Klägerin behandelnden Ärztin für innere Medizin, Lungen- und
Bronchialheilkunde Dr. L. vom 25. April 2005 eingeholt, die ein infektbedingtes Asthma bronchiale leichten bis
mittleren Grades als Diagnose mitgeteilt hat.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. November 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des
Bescheides vom 13. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2002 zu
verurteilen, ihr ab 01. Oktober 2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu
gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Auffassung, die Klägerin könne auf eine Tätigkeit als Rezeptionistin verwiesen werden, nicht mehr
fest, vertritt jedoch die Ansicht, die Klägerin sei mit dem verbliebenen Leistungsvermögen sozial und gesundheitlich
zumutbar auf die Tätigkeit einer Registratorin und einer Telefonistin bzw. Call Center-Agentin verweisbar.
In dem Termin am 08. September 2005 hat der Senat die Frage der Verweisbarkeit der Klägerin auf Tätigkeiten als
Telefonistin auf der Grundlage der in den Verfahren
L 16 RJ 72/98 und S 30 RJ 839/94 eingeholten berufskundlichen Auskünfte erörtert.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Die die Klägerin betreffende Rentenakte der Beklagten lag dem Senat vor und war Gegenstand der mündlichen
Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet. Ihr steht, wie das
Sozialgericht zutreffend entschieden hat, ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit
nicht zu.
Der Rentenanspruch der Klägerin beurteilt sich nach §§ 43, 44 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch (SGB VI) in
der bis zum 31. Dezember 2000 gültig gewesenen Fassung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen
Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2261), weil die Klägerin den
Rentenantrag im Oktober 2000 gestellt hat und Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (auch) für Zeiten vor dem
01. Januar 2001 geltend macht (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI).
Nach §§ 43 Abs. 1, 44 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf
Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit, wenn sie
1. berufsunfähig / erwerbsunfähig sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit / Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine
versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Berufsunfähigkeit / Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Die Klägerin erfüllt die allgemeine Wartezeit für einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit /
Erwerbsunfähigkeit und es läge, wie sich aus dem Versicherungsverlauf der Beklagten vom 13. Dezember 2000
ergibt, bei Rentenantragstellung auch die weitere Voraussetzung - drei Jahre Pflichtbeitragszeiten in den letzten fünf
Jahren - vor, die Klägerin ist jedoch seit der Rentenantragsstellung weder berufsunfähig noch erwerbsunfähig.
Nach § 43 Abs. 2 S. 1 und 2 SGB VI sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder
Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit
ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach
denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und
Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung und ihres
bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige
Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 2 S. 4 SGB VI).
Erwerbsunfähig sind gemäß § 44 Abs. 2 S. 1 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht
absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt
oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630 DM übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit
vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. § 44 Abs. 2 S. 2 Nr.
2 SGB VI).
Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin seit
Rentenantragstellung bis zum heutigen Tage durchgehend über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für zumindest
leichte körperliche und ihrem Bildungsstand entsprechende einfache bis mittelschwere geistige Arbeiten ohne
erhebliche qualitative Einschränkungen verfügt.
Das ergibt sich aus den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B. vom
28. November 2000 und der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie W. vom 04. Dezember 2001 sowie aus dem
Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. vom 14. Juli 2003 und findet seine Bestätigung auch in den von
der Klägerin selbst vorgelegten ärztlichen Unterlagen und den von den sie behandelnden Ärzten abgegebenen
Befundberichten. Dem von der Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgelegten Gutachten der Internistin Dr. P. vom
31. Juli 2001 ist zu entnehmen, dass bei ihr keine kardiovaskulären Funktionseinschränkungen und pathologischen
Lungenbefunde vorliegen. Die die Klägerin seit März 2000 behandelnde Internistin/ Lungenärztin Dr. L. hat in dem
Befundbericht vom 25. April 2005 lediglich ein infektbedingtes Asthma bronchiale leichten bis mittleren Grades als
Diagnose mitgeteilt. Damit ist gesichert, dass auf internistischem Gebiet keine das Leistungsvermögen quantitativ
oder erheblich qualitativ einschränkenden Gesundheitsstörungen vorliegen.
Das Schwergewicht der Leiden der Klägerin liegt auf orthopädischem Gebiet. Insoweit hat Dr. B. ein
Wirbelsäulensyndrom und Gonalgien beidseits sowie ein Krampfaderleiden als Gesundheitsstörungen festgestellt.
Diese Leiden schließen aber, wie auch die die Klägerin behandelnde Orthopädin Dr. H. in dem Befundbericht vom 03.
Dezember 2002 bestätigt hat, deren Fähigkeit, leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten, nicht aus.
Das Gleiche gilt auch nach den übereinstimmenden Gutachten von Frau W. und des gerichtlichen Sachverständigen
Dr. H. für die neurologischen Gesundheitsstörungen der Klägerin. Insbesondere wirkten sich die Grand Mal Anfälle,
die lediglich einige Male im Jahr aufgetreten sein sollen, auf das quantitative Leistungsvermögen nicht aus.
Die orthopädischen und neurologischen Leiden der Klägerin schließen – seit Rentenantragstellung im Oktober 2000 –
eine vollschichtige Tätigkeit der Klägerin als Friseurin aus. Das folgt bereits daraus, dass eine Tätigkeit als Friseurin
mit ständigem, zumindest überwiegendem Stehen verbunden ist, die Klägerin nach dem Gutachten von Dr. B. aber
nur zeitweise stehen kann. Außerdem ist ihr eine Arbeit mit ständiger Armvorhalte, die einer Friseurin in jedem Fall
abverlangt wird, nicht zumutbar.
Deshalb hat der Senat keine Bedenken, der von allen Sachverständigen vertretenen Einschätzung zu folgen, dass
das Leistungsvermögen der Klägerin für eine Tätigkeit als Friseurin nicht ausreicht. Gleichwohl ist die Klägerin nicht
berufsunfähig oder erwerbsunfähig, weil es noch Tätigkeiten gibt, die ihr gesundheitlich zumutbar sind und auf die sie
sozial zumutbar verwiesen werden kann.
Nach dem von dem Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe unterteilt in
Gruppen, die durch Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten
Facharbeiters, des Facharbeiters, des sonstigen Ausbildungsberufes bzw. des Angelernten und des ungelernten
Arbeiters charakterisiert werden (vgl. u.a. BSGE 43, 243, 245; SozR 2200 § 1246 Nr. 140). Grundsätzlich darf der
Versicherte lediglich auf Tätigkeiten derselben oder der nächst niedrigeren Gruppe verwiesen werden, soweit sie ihn
weder in seinem beruflichen Können und Wissen noch hinsichtlich seiner beruflichen Kräfte überfordern. Zum Erwerb
der für die fachlich vollwertige Ausübung der Verweisungstätigkeit notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten darf unter
Berücksichtigung des Bildungsstandes des Versicherten und seiner beruflichen Erfahrungen eine Einarbeitungszeit
von bis zu drei Monaten benötigt werden (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45).
Da die Klägerin eine Facharbeiterausbildung als Friseurin abgeschlossen und diesen Beruf zuletzt bis 1995
durchgehend ausgeübt hatte, genießt sie Berufsschutz als Facharbeiterin. Die Versicherten dieser Berufsgruppe sind
auf alle Tätigkeiten verweisbar, die zu den Facharbeiterberufen und den staatlich anerkannten Ausbildungsberufen
gehören oder die eine echte betriebliche Ausbildung von wenigstens drei Monaten erfordern (BSG SozR-2200 § 1246
Nr. 147; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 17) oder die zumindest angelernten Tätigkeiten tarifvertraglich gleichgestellt sind
(BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 38). Nach der Rechtsprechung des BSG bedarf es stets der Benennung zumindest
einer konkreten Verweisungstätigkeit (u.a. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 136).
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kommt eine Verweisung auf eine Tätigkeit als Rezeptionistin nicht in
Betracht, was jetzt auch von der Beklagten eingeräumt wird. Nach den in dem Verfahren S 22 RJ 291/97 des
Sozialgerichts Berlin eingeholten berufskundlichen Auskünften sowie den in dem Rechtsstreit L 12 RJ 14/00
gemachten Aussagen des Friseurmeisters Steffen als Sachverständiger in der Sitzung des Landessozialgerichts
Berlin am 25. Mai 2004 steht fest, dass es Arbeitsplätze in ausreichender Zahl für Rezeptionistinnen nicht (mehr) gibt
und dass auch das Leistungsvermögen der Klägerin für eine solche vollschichtige Tätigkeit nicht ausreicht, weil sie
ständiges Stehen erfordert und mit Stress und Leistungsdruck verbunden ist.
Auch die Weiteren von der Beklagten in dem Widerspruchsbescheid benannten Tätigkeiten (Drogistin,
Kosmetikverkäuferin, Kosmetikerin, Farb- und Stilberaterin sowie Nagelmodellistin) scheiden nach der Aussage des
Sachverständigen Steffen als Verweisungstätigkeiten aus. Hierfür spricht auch, dass die Klägerin keinen
atemwegreizenden Stoffen ausgesetzt sein darf, wie sie in Räumlichkeiten, in denen solche Tätigkeiten verrichtet
werden, gewöhnlich anfallen.
Die Klägerin kann jedoch auf die Tätigkeit einer Telefonistin verwiesen werden. In diesem Bereich stehen
Arbeitsplätze in nennenswertem Umfang (nach der Berufsinformationskarte der Bundesagentur für Arbeit beträgt die
Zahl der Berufsangehörigen 43000 und der Frauenanteil 80%) zur Verfügung. Nach den in der mündlichen Verhandlung
in das Verfahren eingeführten berufskundlichen Auskünften werden Telefonistentätigkeiten in verschiedenen
Tarifverträgen mindestens wie Anlerntätigkeiten bewertet. In dem bei Rentenantragstellung gültig gewesenen
Tarifvertrag über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für den Berliner Einzelhandel (gültig ab 01. Juli 2000)
waren Telefonisten/innen der Gehaltsgruppe K 2 zugeordnet, in die gewöhnlich Angestellte mit Tätigkeiten eingeordnet
werden, für die in der Regel eine abgeschlossene zwei- oder dreijährige Ausbildung im Beruf erforderlich ist (z.B.
Verkäufer/innen, Buchhalter/innen). Im öffentlichen Dienst erfolgt die Einstufung regelmäßig in die Vergütungsgruppe
VIII BAT, die einem Facharbeiter in jedem Fall zumutbar ist (BSG SozR 3 – 2200 § 1246 Nr. 17). Nach den
beigezogenen Auskünften handelt es sich nicht um sogenannte Schonarbeitsplatze, d.h. solche Arbeitsplätze, die
leistungsgeminderten Beschäftigten des eigenen Betriebes vorbehalten sind und Außenstehenden nicht zur Verfügung
stehen.
Es bestehen auch keine Zweifel, dass die Klägerin derartige Tätigkeiten in einer Einarbeitungs-/ Anlernzeit von nicht
mehr als drei Monaten erlernen und vollwertig ausüben kann. Hierfür spricht, dass die Klägerin über eine gute
zehnklassige Schulausbildung verfügt, eine Berufsausbildung als Friseurin mit der Facharbeiterprüfung abgeschlossen
und nach eigenen Angaben wenigstens zeitweise eine mit häufigem Telefonieren verbundene Tätigkeit bereits
verrichtet hat. Es gibt keine Gründe für die Annahme, dass es der Klägerin bei zumutbarer Anstrengung und
durchschnittlicher Motivation nicht gelingen sollte, innerhalb der gewöhnlichen Anlernzeit von sechs Wochen bis drei
Monaten Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, die sie in die Lage versetzen würden, eine Tätigkeit als
Telefonistin vollwertig auszuüben.
Schließlich ist der Klägerin eine solche Tätigkeit auch gesundheitlich zumutbar. Es handelt sich um eine körperlich
leichte Arbeit, die überwiegend im Sitzen in geschlossenen Räumen verrichtet wird. Nach dem für die Beurteilung des
Leistungsvermögens der Klägerin maßgeblichen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. vom 14. Juli
2003 kann die Klägerin, ohne auf Kosten der Gesundheit zu arbeiten, täglich regelmäßig noch leichte körperliche und
leichte bis mittelschwere geistige Arbeiten in wechselnder, überwiegend sitzender Körperhaltung an einem
anfallsgerechten Arbeitsplatz verrichten. Es sind Arbeiten im Freien und in geschlossenen Räumen möglich. Der
Einfluss von Hitze, Kälte, Staub, Feuchtigkeit und Zugluft ist auszuschließen. Ausgeschlossen sind des Weiteren
regelmäßig schwere bis mittelschwere körperliche Arbeiten, Arbeiten mit einseitiger körperlicher Belastung und
Arbeiten unter Zeitdruck sowie Arbeiten, die eine besondere Belastbarkeit der Wirbelsäule, der Knie und des linken
Armes voraussetzen. Arbeiten in Wechselschicht sind der Klägerin zumutbar, ausgeschlossen ist lediglich
Nachtschicht. Es bestehen keine Einschränkungen der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit, die Klägerin ist
uneingeschränkt kontaktfähig, ihr Hör- und Sehvermögen, das Reaktionsvermögen, die Lese- und Schreibgewandtheit,
die Auffassungsgabe, die Lern- und Merkfähigkeit, das Gedächtnis, die Konzentrationsfähigkeit und die Entschluss-
und Verantwortungsfähigkeit sind nicht beeinträchtigt.
Hiernach sind keine Gründe ersichtlich, die der Ausübung einer vollschichtigen Tätigkeit der Klägerin als Telefonistin
entgegenstehen könnten. Soweit die Klägerin wegen der Räumlichkeiten, in denen Tätigkeiten von Telefonisten
ausgeübt werden, Bedenken geäußert hat, greifen diese erkennbar nicht durch. Nach dem Befundbericht der
behandelnden Lungenärztin Dr. L. vom 25. April 2005 leidet die Klägerin an einem infektbedingten Asthma bronchiale
leichten bis mittelschweren Grades. Diese Erkrankung schliesst lediglich Arbeiten unter Einfluss von Hitze, Kälte,
Staub, Feuchtigkeit und Zugluft aus, nicht jedoch in normalen Büro- oder Geschäftsräumen, in denen Telefonistinnen
gewöhnlich ihre Tätigkeit verrichten.
Ob die Klägerin einen ihrem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz innehat oder erlangen kann, ist für die
Feststellung von Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit – wie der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt hat –
unerheblich (vgl. §§ 43 Abs. 2 S. 4 2. Halbsatz, 44 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 2. Halbsatz SGB VI).
Auch nach dem ab 01. Januar 2001 geltenden Recht besteht kein Anspruch der Klägerin auf Erwerbsminderungsrente,
weil die nunmehr geltenden Rechtsvorschriften noch weitergehende Leistungsvoraussetzungen normieren als das
bisherige Erwerbsminderungsrentenrecht (vgl. §§ 43, 240 SGB VI in der ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.