Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 11.03.2010

LSG Berlin und Brandenburg: berufliche tätigkeit, belastung, wissenschaft und forschung, anerkennung, konsens, ärztliche untersuchung, merkblatt, mrt, stationäre behandlung, befund

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 11.03.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 67 U 765/02
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 3 U 237/06
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung
(BKV) – bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer
Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten
gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich
waren oder sein können – im Wege eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB
X).
Die 1943 geborene Klägerin nahm im Mai 1959 eine Ausbildung zur Modellnäherin auf und arbeitete in diesem Beruf
bis November 1966, anschließend war sie Hausfrau. Von September 1972 bis März 1976, unterbrochen durch eine
weitere Zeit als Haus-frau von August 1973 bis März 1975, arbeitete die Klägerin als Datentypistin im Fi-nanzamt.
Von April 1976 bis März 1978 absolvierte sie erfolgreich eine Fachschul-ausbildung zur medizinisch-technischen-
radiologischen Assistentin (MTRA). Anschließend war die Klägerin bis Januar 1997 als MTRA im Krankenhaus B im
Bereich Röntgendiagnostik beschäftigt. Vom 12. Juni 1989 bis zum 13. Mai 1990 war sie wegen eines
Wurzelirritationssyn-droms bei medialer Bandscheibenprotrusion L 5 arbeitsunfähig. In dieser Zeit wurde vom 15. Juni
1989 bis zum 18. Juli 1989 eine stationäre Behandlung im Krankenhaus M, Neurologische Abteilung, sowie vom 08.
August 1989 bis zum 05. September 1989 eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der Reha-Klinik D
durchgeführt. Aufgrund einer Empfehlung des behandelnden Arztes für Neurologie B (Attest vom 15. Mai 1990)
erfolgte zum Juni 1990 die Umsetzung der Klägerin auf einen anderen Ar-beitsplatz in der Computertomographie (CT)-
Abteilung mit überwiegend sitzender Tätigkeit. Ab dem 14. Januar 1997 war sie arbeitsunfähig wegen eines
chronischen Zer-vikalsyndroms bei Protrusion C 6/7. Seit dem 01. August 1997 bezieht die Klägerin eine Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit.
Auf die am 07. April 1994 bei der Beklagten eingegangene Anzeige des Arbeitgebers über eine BK (Wirbelsäulen-
Erkrankung) veranlasste die Beklagte eine erste Untersuchung durch die Arbeitsmedizinerin Prof. Dr. S. Die
Gutachterin vertrat die Auffas-sung, die glaubhaften beruflichen Belastungen kämen nicht als Ursache der
vorliegenden Wirbelsäulenerkrankung in Betracht. Der derzeitige Arbeitsplatz trage den Wirbelsäulenveränderungen
und –beschwerden Rechnung, zumal ein Wechsel der Haltungsarten möglich sei (Erster Untersuchungsbefund vom
15. Juni 1994). Daraufhin lehnte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 25. August 1994 die Gewährung
einer Entschädigung aus Anlass der Wirbelsäulenerkrankung mit der Begründung ab, nach Art, Form und
Krankheitsverlauf sei nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die festgestellten Wirbelsäulenschäden (u. a.
Bandscheibenvorfall L 5/S 1 und sogenanntes Facettensyndrom mit rezidivierender Beschwerdesymptomatik)
ursächlich durch die berufliche Tätigkeit entstanden oder richtunggebend verschlimmert worden seien. Eine
bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) bzw. der Halswirbelsäule (HWS) i. S. d. Nrn. 2108
und 2109 der Anlage zur BKV liege nicht vor.
Mit Schreiben vom 10. April 2000, welches die Beklagte als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X auffasste, bat die
Klägerin um Einleitung eines Anerkennungsverfahrens bezogen auf die BK Nr. 2108. Sie legte Befunde über CTen der
LWS vom 04. Sep-tember 1995 und 14. Mai 1997 sowie den Bericht der orthopädischen Poliklinik der Freien
Universität B vom 08. Dezember 1995 über die am 05. Dezember 1995 erfolgte Vorstellung (Diagnosen: chronisches
Lumbalsyndrom mit Facettenproblematik rechts, Verdacht auf claudicatio spinalis bei somatisierter Depression) vor.
Auf Veranlassung der Beklagten erstellte der Arbeitsmediziner Dr. D am 31. Mai 2001 einen ersten Un-
tersuchungsbefund, in dem er eine berufliche Verursachung der Wirbelsäulenbe-schwerden verneinte. Die
vorliegenden Befunde würden keine Rückschlüsse auf eine bandscheibenbedingte Funktionsstörung zulassen.
Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 13. Mai 2002, bestätigt durch Wider-spruchsbescheid vom 24.
Oktober 2002, die Rücknahme des bestandskräftigen Be-scheides vom 25. August 1994 ab. Der Bescheid habe sich
als rechtmäßig erwiesen. Auch bei der Untersuchung durch Dr. D habe ein belastungskonformes Krankheitsbild nicht
nachgewiesen werden können. Weder seien bandscheibenbedingte Verände-rungen i. S. einer Primärschädigung zu
objektivieren, noch hätten die erhobenen Be-funde Rückschlüsse auf eine bandscheibenbedingte Funktionsstörung
zugelassen. Neurologische Defizite oder eine radikuläre Symptomatik seien nicht nachweisbar ge-wesen. Gegen eine
berufliche Mitverursachung spreche zudem, dass die Wirbelsäu-lenbeschwerden progredient verliefen und trotz
fehlender wirbelsäulenbelastender Tätigkeit ab Mai 1990 zu weiteren Arbeitsunfähigkeitszeiten geführt hätten.
Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) hat die Kläge-rin die Anerkennung und
Entschädigung einer BK Nr. 2108 begehrt. Vor 1989 sei sie bis auf gelegentliche belastungsabhängige Beschwerden
rückengesund gewesen. Am 15. Januar 1989 sei dann ein plötzlicher Schmerz im Bereich der LWS aufgetreten, der
sich zu einem Dauerschmerz manifestiert habe. Sie leide unter ständig zuneh-menden Beschwerden, die in das
rechte Bein (Dermatom L 5/S 1) ausstrahlten und sich beim Stehen und Gehen verstärkten. Trotz Versetzung in die
CT-Abteilung sei es immer wieder zu Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen LWS-Beschwerden gekommen, die u. a. zu
Heilverfahren in den Jahren 1993 und 1996 geführt hätten. Bis 1989 habe sie in der Röntgendiagnostik einschließlich
der Intensivstation und im OP-Bereich der Röntgenabteilung gearbeitet. Regelmäßige Bereitschaftsdienste hätten zur
Tätigkeit gehört. Die Patienten seien auf Tragen oder in fahrbaren Stühlen gebracht worden, es habe nur
ausnahmsweise höhenverstellbare Betten oder Röntgentische gegeben. Die Tragen seien zunächst noch mit einem
Stoffliegeteil versehen gewesen, der es erfor-derlich gemacht habe, die Patienten über eine erhöhte Kante über den
Röntgentisch zu heben. Zudem habe der Höhenunterschied zwischen Betten bzw. Tragen und dem Röntgentisch ca.
20 bis 30 cm bestanden. Komatöse und frisch operierte Patienten seien regelmäßig zu zweit auf den Röntgentisch
gehoben worden. Während des Be-reitschaftsdienstes habe man dies jedoch auch allein machen müssen. Patienten
der Intensivstation, die nicht transportiert werden konnten, habe man im Bett geröntgt. Dazu habe man eine
Bleischürze anlegen müssen und sich mit diesem Gewicht ver-sehen über das Bett zum Anheben des Patienten und
Unterlegen bzw. Hervorziehen der Röntgenkassette beugen müssen. Patienten, die im Stuhlwagen gebracht worden
seien, hätten in gebeugter und zudem verdrehter Körperhaltung aus diesem auf den Röntgentisch gehoben werden
müssen. Zudem hätten Stapel von Bleikassetten vom Untersuchungsraum zur Dunkelkammer getragen werden
müssen. Ab Mai/Juni 1990 habe sie keine rückenbelastenden Tätigkeiten mehr ausgeführt.
Das SG hat eine Aufstellung der Zeiten der Arbeitsunfähigkeit von 1989 bis 1996 der Techniker Krankenkasse (TKK)
und das für den MDK Berlin e. V. erstellte Gutachten der Ärztin für Sozialmedizin Dr. O vom 21. März 1997
angefordert. Weiter hat es die Behandlungsakte des Krankenhauses M (incl. Entlassungsbericht vom 02. August 1989
und Bericht der Reha-Klinik D vom 22. September 1989), die Betriebsarztakte des Krankenhauses M die
Verwaltungsakte des Rentenversicherungsträgers (incl. Entlassungsbericht der W-Klinik B S vom 24. Mai 1996,
Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie K vom 26. August 1997, des Nervenarztes Dr. L vom 16. Juli
1999 und des Facharztes für Orthopädie Dr. R vom 05. Oktober 1999, Befunde über eine Magnetresonanztomographie
(MRT) der HWS und Brustwirbelsäule (BWS) vom 06. Mai 1997 sowie über die Röntgenuntersuchung der HWS und
LWS vom 16. September 1999) und die Verwaltungsakte des Versorgungsamtes Berlin betreffend das
Schwerbehindertenverfahren der Klägerin beigezogen und die darin enthaltenen medizinischen Unterlagen in den
Rechtsstreit eingeführt. Außerdem hat das SG Be-fundberichte von den die Klägerin behandelnden Ärzten, des Dr. B
vom 19. Oktober 2004, des Neurologen B vom 29. Oktober 2004 (nebst Befund einer MRT der LWS vom 05. Juni
2001 und eines EMG/NLG-Befundes der Neurologin Dr. C vom 10. Juli 2001), des Orthopäden Dr. W vom 11.
November 2004 und des Allgemeinmediziners Dr. K vom 21. Februar 2005, eingeholt.
Sodann hat es den Orthopäden Dr. W mit der Untersuchung der Klägerin und Erstel-lung eines Gutachtens beauftragt.
In dem Gutachten vom 18. November 2005 ist die-ser nach einer Untersuchung der Klägerin vom 17. November 2005
zu dem Ergebnis gelangt, bei der Klägerin bestünden folgende Gesundheitsstörungen: "chronische Dorsolumbalgien
bei Spondylarthrose der Etage L 4/5 und Protrusio der Etage L 5/S 1 mit möglichen rezidivierenden sensiblen
Wurzelirritationen". Eine primäre, im Vordergrund stehende Bandscheibenerkrankung liege nicht vor. Eine
Bandscheibenvorwölbung stelle noch keinen außerordentlichen, pathologischen Be-fund dar, zumal durch neue
bildgebende Diagnostiken wie MRT-Untersuchungen so-gar Bandscheibenvorfälle bei nicht belasteten Kollektiven und
beschwerdefreien Rü-ckenpatienten nachgewiesen werden könnten. Im Vordergrund stehend und in erster Linie von
der Altersnorm abweichend fänden sich Facettengelenksarthrosen, insbe-sondere der Etagen L 4/5 beidseits, die nach
den CT-, MRT- und Röntgenaufnahmen zwischen 1989 und 1999 eindeutig zugenommen hätten. Dagegen hätten in
dieser Zeit die Bandscheibenveränderungen weder auf der Etage L 4/5 noch auf der Etage L 5/S 1 erkennbar
zugenommen. Die zunehmende Facettengelenksarthrose sei nicht das Ergebnis einer primären
Bandscheibenerkrankung, sondern eines schicksalhaften Geschehens. Die Bandscheibenveränderungen seien von
vornherein als geringgradig einzustufen und könnten somit nicht Ausgangspunkt einer beruflich bedingten primä-ren
Discopathie gewesen sein. Auch hätte eine berufsbedingte, primäre Bandschei-benschädigung nach jahrelangen
Überlastungen zu entsprechenden Begleitreaktio-nen an den angrenzenden Wirbelkörperdeckplatten
(Osteochondrosen) führen oder zumindest in den Jahren danach nachweisbar sein müssen. Bis 1999 (10 Jahre nach
Beendigung der angelasteten beruflichen Tätigkeit) seien derartige spezifische Verän-derungen jedoch nicht
erkennbar. Es fehle somit das pathomorphologische Korrelat, welches einer übermäßigen beruflichen Belastung
zugeordnet werden könne. Zudem fehle es nach den vorliegenden Untersuchungsprotokollen an einem eindeutigen
Nachweis für das klinische Beschwerdebild einer bandscheibenbedingten Erkrankung.
Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die zur Gerichtsakte gereichten Stellungnah-men der Referentin
Gesundheitsdienst G vom technischen Aufsichtsdienst (TAD) vom 19. März 2004 und 14. September 2004
ausgeführt, die arbeitstechnischen Voraus-setzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 2108 lägen nicht vor. In ihrer
Stellung-nahme vom 19. März 2004 hat Frau G dargelegt, der Berechnung nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell
(MDD) seien die Angaben der Versicherten aus einem per-sönlich mit ihr geführten Gespräch, von Frau K von der
Personalabteilung des Kran-kenhauses M und von der bis 2001 leitenden MTRA des Krankenhauses M Frau G, sowie
die Erkenntnisse über vergleichbare Arbeitsplätze und aus früheren Besichti-gungen der Abteilung zu Grunde gelegt
worden. Hinsichtlich der allein die Wirbelsäule belastenden Tätigkeiten von April 1978 bis Mai 1989 würden die
Angaben der Versi-cherten von denen des Arbeitgebers, d. h. der leitenden MTRA, abweichen. Da die Angaben der
Klägerin zum Knochenarbeitsplatz nicht den Erfahrungen an Vergleichs-arbeitsplätzen entsprochen hätten, seien
hierfür die Angaben der Vorgesetzten zu Grunde gelegt worden, mit dem Ergebnis, dass der Schichtdosiswert zu
keinem Zeit-punkt über 3,5 x 103 Nh liege. Sofern man die Angaben der Klägerin zu Grunde lege (70 % der Schichten
für den Knochenarbeitsplatz = 154 Schichten, 30 % der Schich-ten für die anderen Arbeitsplätze = 66 Schichten)
ergebe sich zwar eine Gesamtdosis von 7 x 106 Nh, diese unterschreite jedoch deutlich den für Frauen maßgeblichen
Richtwert von 17 x 106 Nh. In ihrer weiteren Stellungnahme vom 14. September 2004 hat Frau G darauf hingewiesen,
dass bei der Berechnung nach den Angaben der Klä-gerin immer die Maximalbelastungen zu Grunde gelegt worden
seien. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 23. Juni 2006 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf
Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 25. August 1994 nach § 44 SGB X und auf Anerkennung des
LWS-Leidens als BK Nr. 2108 so-wie Gewährung von Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung.
Es seien bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK Nr. 2108 nicht erfüllt. So hätten die
Berechnungen des TAD auch unter Zugrundlegung der Angaben der Klägerin ergeben, dass der Richtwert für eine als
gefährdend zu bewertende Ge-samtbelastungsdosis für Frauen von 17 x 106 Nh während der allein als hinreichend
belastend in Frage kommenden Tätigkeit von 1978 bis 1989 um mehr als die Hälfte unterschritten werde. Nach der
höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Feststellung der arbeitstechnischen Voraussetzungen unter Berücksichtigung
des MDD sei in ei-nem solchen Fall grundsätzlich keine weitere Prüfung zur Frage, ob die medizinischen
Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 2108 erfüllt seien, erforderlich (vgl. Bundessozialgericht (BSG)
Urteil vom 18. März 2003 – B 2 U 13/02 R –). Abge-sehen davon seien vorliegend die medizinischen
Voraussetzungen für die Anerken-nung einer BK Nr. 2108 nicht erfüllt. Wie sich aus den Darlegungen des
Sachverstän-digen Dr. W ergebe, sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit das Vorliegen einer primär
bandscheibenbedingten Erkrankung nachgewiesen. Bis 2001 seien immer nur Bandscheibenprotrusionen und kein
Prolaps radiologisch nachzuweisen gewesen. Auch der Neurologe Dr. K habe in seinem für den
Rentenversicherungsträger erstell-ten Gutachten vom 26. August 1997 ausgeführt, dass sich die degenerativen
Verän-derungen der Wirbelsäule der Klägerin eher als Arthrosen und Spondylosen denn als
Bandscheibenveränderungen darstellten. Selbst bei Annahme der arbeitstechnischen Voraussetzungen wie auch einer
bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS lasse sich ein rechtlich wesentlicher Ursachenzusammenhang zwischen
den beruflichen Belastungen und dem LWS-Leiden nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit be-gründen. Es fehle an
einem belastungskonformen Schadensbild im Bereich der LWS. Zudem bestünden erhebliche Schäden an der HWS,
die ausweislich des MRT-Befundes vom 06. Mai 1997 mindestens ebenso stark ausgeprägt seien wie diejeni-gen im
Bereich der LWS. Darüber hinaus sei zeitnah zur Aufgabe der potentiell ge-fährdenden beruflichen Tätigkeit im Jahr
1989 zunächst nur eine Protrusion bei L 5/S 1 bei ansonsten unauffälligen Strukturen insbesondere der darüber
liegenden Seg-mente radiologisch nachzuweisen gewesen, während es dann ausweislich der CT-Befunde vom 14. Mai
1997, der Röntgenbefunde aus 1999 und den MRT-Befunden vom 06. Mai 2001 zu einem Fortschreiten der
Veränderungen gekommen sei und zu-letzt Bandscheibenschäden auch bei L 3/4 und L4/5 sowie nunmehr bei L 5/S 1
tat-sächlich auch ein kleiner Prolaps nachgewiesen seien. Es müsse daher von einem erheblichen Fortschreiten
gerade auch der Bandscheibenveränderungen nach der Aufgabe der potentiell gefährdenden Tätigkeit im Jahr 1989
ausgegangen werden.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Be-gehren weiter. Sie ist der
Ansicht, die arbeitstechnischen Voraussetzungen lägen vor und verweist hierzu auf ihre eigenen Berechnungen.
Hierbei seien auch die zusätzli-chen Nachtdienste sowie das Tragen einer Bleischürze und von Bleikassetten zu be-
rücksichtigen. Beim Facettensyndrom handele es sich zudem um eine bandscheiben-bedingte Erkrankung, da
aufgrund einer Bandscheibenverschmälerung die Knochen in den Facettengelenken aufeinander rieben, was zu
überschüssigem Knochenwachs-tum i. S. einer Arthrose führe. Unter Berücksichtigung der seit 1989 bei ihr auftreten-
den chronisch-rezidivierenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen von Sei-ten der LWS sei eine BK Nr.
2108 anzuerkennen. Die ab 1991 aufgetretenen HWS-Beschwerden seien Folge der veränderten Statik durch die
lumbalen Bandscheiben-schäden. Zudem hätten sich eine Polyneuropathie an den Füßen sowie eine somato-forme
Schmerzstörung entwickelt, die jedoch nach Aufgabe der Tätigkeit besser ge-worden seien. Das seit 2003 von ihr
regelmäßig durchgeführte Kiesertraining habe zu einer Stabilisierung der Situation geführt. Konkurrierende
außerberufliche Ursachen lägen bei ihr nicht vor.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juni 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 2002 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter
teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 25. August 1994 das Vorliegen einer BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV bei
ihr anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Berufung für unbegründet, es seien weder die arbeitstechnischen noch die arbeitsmedizinischen
Voraussetzungen für eine BK Nr. 2108 erfüllt. Es fehle an einem adäquaten klinischen Erkrankungsbild und den zu
fordernden belastungsadaptiven Veränderungen in Form von osteochondrotischen Veränderungen und Begleitspondo-
lysen. Auch nach dem neuen Merkblatt zur BK Nr. 2108 (Bekanntmachung des Bun-desministeriums für Arbeit und
Soziales (BMAS) vom 01. September 2006, BArbBl. 10/2006 S. 30 ff (in Zukunft nur noch: Merkblatt BK Nr. 2108))
ergebe sich keine günstigere Bewertung der arbeitstechnischen Voraussetzungen. So seien insbeson-dere das Ziehen
und Schieben in Verbindung mit Heben und Tragen von Patienten in dem vorliegend angewandten MDD-Pflege bereits
berücksichtigt worden. Nach wie vor werde das alleinige Ziehen und Schieben ohne damit zusammenhängendes He-
ben und Tragen von Lasten nicht von der BK erfasst, wie sich aus dem Wortlaut der BK sowie der Kommentierung
hierzu ergebe. Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die zur Akte gereichten weiteren Stellung-nahmen der TAD-
Referentin Gesundheitsdienst G vom 18. Mai 2007, 01. August 2007 und 30. November 2007, der von der
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) erstellten MDD-Pflege/Vorläufige
Dosisberechnung vom 10. Mai 2001 und eines Berichtes über die vom Institut für Arbeitsphysiologie an der
Universität Dortmund in Zusammenarbeit mit der BGW durchgeführten Untersuchung "Dortmunder
Lumbalbelastungsstudie 3 (DOLLY 3)" (veröffentlich im Zentralblatt Ar-beitsmedizin 56 (2006) 228 – 251 unter dem
Titel "Belastung der Lendenwirbelsäule von Pflegepersonen bei Patiententransfers – Kennwerte zur Nutzung in
Berufskrank-heiten-Feststellungsverfahren") ausgeführt, die Klägerin weiche mit ihren jetzigen An-gaben zur Anzahl
der Patiententransfers von ihren früheren Angaben zur beruflichen Belastungssituation ab. Diese stimmten auch nicht
mit den Aussagen des Arbeitge-bers überein und fänden keine Stütze in den Erfahrungswerten zur Belastungssituati-
on an MTRA-Arbeitsplätzen.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat Prof. Dr. B mit der Erstellung eines
arbeitsmedizinischen Gutachtens, Dr. R mit der Erstel-lung eines radiologischen Zusatzgutachtens und Dr. K mit der
Erstellung eines neuro-logischen Zusatzgutachtens beauftragt. In dem Gutachten vom 08. August 2008 ist Prof. Dr.
B-A nach Untersuchung und Befragung der Klägerin am 09. Mai 2008 und unter Auswertung des neurologischen
Gutachtens von Dr. K vom 19. Mai 2008 und des radiologischen Gutachtens von Dr. R vom 02. Juni 2008 zu
folgenden Diagnosen gelangt:
1. Fortgeschrittene Chondrose mit Bandscheibenverschmälerung Grad II (Erstdiag-nose: 21. Januar 1989) und Grad
III (Erstdiagnose: 26. Juli 1999). 2. Bandscheibenprotrusion L 5/S 1 (Erstdiagnose: 17. März 1989) sowie Band-
scheibenprotrusion L 3/L 4 und L 4/L5 (Erstdiagnose: 09. Mai 2008). 3. Beginnende Chondrose mit
Bandscheibenverschmälerung Grad I C 5/C 6 und C 6/C 7 (Erstdiagnose: 28. Dezember 1995). 4.
Bandscheibenprotrusion C 6/C 7 rechts (Erstdiagnose: 28. Dezember 1995). 5. Beginnende sensorische
Polyneuropathie (Erstdiagnose: 19. Mai 2008).
Erstmals in den Röntgenbildern der LWS vom 25. Januar 1989 habe sich ein altersun-typischer Bandscheibenschaden
in Form einer fortgeschrittenen Chondrose mit Band-scheibenverschmälerung Grad II im Segment L 5/S 1 nachweisen
lassen. Im Folgen-den sei es zu einer Verschlimmerung der fortgeschrittenen Chondrose mit Bandschei-
benverschmälerung gekommen, die nach den Röntgenbildern der LWS vom 26. Juli 1999 nunmehr als drittgradig
einzustufen sei. Hinweise für eine Begleitspondylose wie auch für außerberuflich bedingte prädiskotische Deformitäten
seien in den bildgeben-den Verfahren nicht nachgewiesen. Die mehrfach beschriebene Skoliose im Segment L 5/S 1
sei mit einem Winkel von max. 5° nach Cobb sehr gering ausgeprägt und nicht durchgehend nachweisbar. Bei der
Klägerin liege damit nach den auch hier anzuwen-denden "Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung
der auf Anregung des HVBG eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe – Medizinische Beurtei-lungskriterien zu
bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule (I), Trauma und Berufskrankheit, Springer Medizin
Verlag, Heft 3/2005 S. 211ff " (in Zukunft nur noch: Konsensempfehlungen) die Fallkonstellation B3 vor, die wie folgt
gekennzeichnet sei: 1. Vorliegen der beruflichen Voraussetzungen zur Entwicklung einer BK Nr. 2108 oder 2110 2.
Bandscheibenbedingte Erkrankung in Form einer Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall im Segment L5/S1
und/oder L4/5 3. Keine wesentlichen außerberuflich bedingten konkurrierenden Ursachenfakto-ren 4. Keine
Begleitspondylose. Bei dieser Fallkonstellation habe innerhalb der Konsensusarbeitsgruppe kein Konsens in Bezug
auf die Empfehlung einer Anerkennung oder Ablehnung erreicht werden können. Der Forderung einiger
Sachverständiger, dass eine BK Nr. 2108 nur aner-kannt werden könne, wenn eine Begleitspondylose vorliege, könne
er nicht zustim-men. Diese so genannten belastungsadaptiven Veränderungen seien in der Fachlite-ratur umstritten,
eine einheitliche Rechtsprechung existiere nicht. Insgesamt empfehle er daher die Anerkennung einer BK Nr. 2108,
denn es liege eine bandscheibenbe-dingte Erkrankung der LWS vor. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien
vor-liegend erfüllt, denn nach seiner Berechnung an Hand der bei seiner Untersuchung von der Klägerin beschriebenen
Tätigkeiten und des unter Berücksichtigung der neue-ren Rechtsprechung des BSG modifizierten MDD-Verfahrens
ergebe sich eine Belas-tungsgesamtdosis von 11,78 x 106 Nh. Außerberuflich bedingte konkurrierende Fakto-ren wie
etwa eine relevante Skoliose fehlten und das Ausmaß der Degeneration im Bereich der LWS sei stärker ausgeprägt
als das Ausmaß der Degeneration im Bereich der HWS und der BWS. Die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit im Mai
1989 sei aus arbeitsmedizinischer Sicht notwendig gewesen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt schätze er auf 20 v. H. ein im Hinblick auf die bei der jetzigen Begutachtung festgestellten
Funktionsstörungen in Form einer verminder-ten Fähigkeit zur Rotation, Seitneigung und Zentralflexion der LWS.
Die Beklagte hat Kritik an dem Gutachten geübt und ausgeführt, im Zeitpunkt des En-des der wirbelsäulenbelastenden
beruflichen Tätigkeit im Juni 1989 habe eine primäre bandscheibenbedingte Erkrankung nicht gesichert werden
können. Nach den Kon-sensempfehlungen sei der Nachweis eines Bandscheibenschadens (Höhenminderung und/oder
Vorfall) eine unabdingbare, aber nicht hinreichende Voraussetzung für den Nachweis einer bandscheibenbedingten
Erkrankung. Hinzukommen müsse eine kor-relierende klinische Symptomatik. Weder der Sachverständige Dr. B noch
der Neuro-loge Dr. K hätten eine klinische Symptomatik im Sinne eines motorischen Wurzelsyn-droms sowie
neurologischer Ausfälle, die in Art und Ausprägung dem von der Chondrose betroffenen Segment sicher hätten
zugeordnet werden können, feststellen können. Gegen eine berufliche Verursachung sprächen das Fehlen einer
Begleitspondylose sowie das Fortschreiten der Chondrose und das Auftreten weiterer Bandscheibenveränderungen
trotz fehlender beruflicher Belastung in der Zeit von 1989 bis 2008. Ebenso wenig könne dem Sachverständigen Dr. B-
A hinsichtlich der Höhe der MdE gefolgt werden. Die von ihm beschriebenen Bewegungseinschränkun-gen seien noch
keine deutliche Funktionseinschränkung mit mittelgradigen Beschwer-den.
Der Senat hat auf Anregung der Beklagten eine ergänzende gutachterliche Stellung-nahme vom Sachverständigen Dr.
W unter Berücksichtigung der Konsensempfehlun-gen, des aktuellen Standes der Wissenschaft und der Befunde aus
dem Sachverstän-digengutachten des Dr. B sowie den Zusatzgutachten von Dr. Kund Dr. R eingeholt. Dr. W hat unter
dem 15. Dezember 2008 ausgeführt, auch wenn die Chondrose radio-logisch 1989 als altersuntypisch eingestuft
werden könne, müsse berücksichtigt wer-den, dass in der parallel erstellten Tomographieaufnahme sich keine
altersuntypi-schen Bandscheibenveränderungen zeigten. Gleichzeitig hätten sich jedoch Facet-tengelenksarthrosen
entwickelt, die im Laufe der Jahre progredient unter beruflicher Entlastung gewesen seien. Folglich könne die
Chondrose nicht isoliert bildmorpholo-gisch bewertet werden. Zeitnah zur angeschuldigten beruflichen Belastung und
auch noch in den Jahren später habe durch die bildgebenden Verfahren nicht nachgewie-sen werden können, dass im
Bereich der unteren LWS primär die Bandscheibe und dadurch sekundär die Bandscheibenfächer geschädigt worden
seien. Auch in der ak-tuellen wissenschaftlichen Diskussion gebe es nach wie vor keinen Konsens über die
Bedeutung der Begleitspondylose. Insoweit werde auf die Darstellung in dem ständig aktualisierten Kursbuch der
ärztlichen Begutachtung von Ludolph et al hingewiesen.
Hierzu hat der Sachverständige Prof. Dr. B in einer ergänzenden Stellungnahme vom 05. März 2009 ausgeführt, nach
dem radiologischen Zusatzgutachten sei erstmals in der CT der LWS vom 17. März 1989 eine geringgradige
Facettenarthrose L5/S1 bes-tätigt worden. Der praktisch zeitgleiche Nachweis einer altersuntypischen Bandschei-
benschädigung im Segment L5/S1 und einer geringgradigen Spondylarthrose L5/S1 spreche nicht gegen eine BK Nr.
2108. Der von Dr. W aufgestellten Forderung, dass für eine Anerkennung als BK ein nach kaudal zunehmender
Bandscheiben zu fordern sei, könne er nicht folgen. Eine von oben nach unten quasi kontinuierlich zunehmende
Degeneration der LWS lasse sich aus den Verhandlungsergebnissen der Konsensus-arbeitsgruppe nicht ableiten.
Die Klägerin sieht sich in ihrer Auffassung durch die Ausführungen des Sachverstän-digen Prof. Dr. B bestätigt. Auf
Anforderung des Senats hat die Beklagte eine weitere Stellungnahme der TAD- Referentin Gesundheitsdienst G vom
03. März 2010 vorgelegt, in der unter Zugrunde-legung des nach der Rechtsprechung des BSG modifizierten MDD
eine Gesamtbelas-tungsdosis a) von 8,2 x 106 Nh ausgehend von ihren Ermittlungen und unter Berücksichtigung der
bisherigen Angaben der Klägerin, b) von 13,7 x 106 Nh ausgehend von den Angaben der Klägerin vom 09. Mai 2008
bei der Begutachtung durch Prof. Dr. B-A(Tabellen 1 bis 4 des Gutachtens) errechnet worden ist. Die Beklagte hat
darauf hingewiesen, dass bei a) zu Gunsten der Klägerin deren sämtliche Angaben bei der Befragung durch den TAD
und im Laufe des Verfahrens zugrunde gelegt worden seien, obwohl diese jeglichen Erfahrungen mit der Arbeitssi-
tuation in der Röntgendiagnostik in Westberliner Krankenhäusern vor der Wende, dem 1996/1997 erstellten
Belastungskataster für die bei ihr geführten Krankenhäuser und den Angaben des Arbeitgebers widersprächen. Trotz
Vornahme einer "Worst-case"-Berechnung werde der nach der Rechtsprechung des BSG geänderte untere Orientie-
rungswert nicht erreicht. Bei der Variante b) seien die Angaben der Klägerin gegen-über Prof. Dr. B-A gemäß der
Tabellen 1 bis 4 des Gutachtens zugrunde gelegt wor-den, mit denen die Klägerin von ihren früheren Angaben (70%
der Schichten am Kno-chenarbeitsplatz) wiederum abgewichen sei und die ebenfalls nicht durch die Anga-ben des
Arbeitgebers und die Erfahrungswerte zu bestätigen seien.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen In-halt der Gerichtsakte (3 Bände)
sowie der Verwaltungsakte der Beklagten, die Ge-genstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§§ 143, 144, 151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet.
Das Urteil des SG Berlin vom 23. Juni 2006 sowie der Bescheid vom 13. Mai 2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2002, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, den Bescheid vom 25.
August 1994 nach § 44 SGB X zurückzu-nehmen und das Vorliegen einer BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV
anzuerkennen, er-weisen sich als rechtmäßig.
Nach § 44 SGB X ist ein Verwaltungsakt - auch nachdem er unanfechtbar geworden ist - mit Wirkung für die
Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall er-gibt, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig
angewandt oder von einem Sachver-halt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb
Sozial-leistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheides vom 25. August
1994 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich (im Ergebnis)
als unrichtig erweist, denn bei der Klägerin liegt eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS durch langjähriges
Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur
Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das
Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, nicht vor.
Der von der Klägerin im Wege des Überprüfungsverfahrens erhobene Anspruch auf Anerkennung einer BK richtet sich
noch nach den Vorschriften der Reichsversiche-rungsordnung (RVO), da der Eintritt eines entschädigungspflichtigen
Versicherungs-falls vor Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs Siebtes Buch (SGB VII) am 01. Januar 1997 geltend
gemacht wird (§§ 212, 214 SGB VII).
Nach §§ 547 ff RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt eines Arbeitsunfalls Leistungen aus der
Unfallversicherung. Als Arbeitsunfall gilt nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine BK. BKen sind die Krankheiten,
welche die Bundesre-gierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein
Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Die Bundesregierung ist ermächtigt,
in der Rechtsverordnung solche Krankhei-ten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen
Wissen-schaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personen-gruppen durch ihre
versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf
bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten
versehen. Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbe-standsmerkmale
ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedür-fen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich -
versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusam-menhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder
Ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krank-heit verursacht
haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung",
"Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sin-ne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender
Wahrscheinlichkeit, vorlie-gen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursa-
chenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG,
Urteile vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R – in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - in SozR
4-2700 § 8 Nr. 17). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-
wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache
ausscheiden (vgl. BSG a. a. O.).
Von Nr. 2108 der Anlage zur BKV werden "bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch
langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung,
die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das
Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können", erfasst.
Nach dem Tatbestand der BK Nr. 2108 muss also die Versicherte auf Grund einer versicherten Tätigkeit langjährig
schwer gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Durch die spezifischen, der
versicherten Tätig-keit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der
LWS entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen
muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher)
Ur-sachenzusammenhang bestehen. Die Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle
gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit
tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine die-ser Voraussetzungen, liegt eine BK Nr. 2108 nicht vor (vglBSG, Urteile vom 30.
Okto-ber 2007 - B 2 U 4/06 R– inSozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 sowie vom 18. November 2008 - B 2 U 14/07 R – und –
B 2 U 14/08 R – jeweils zitiert nach Juris) und ist nicht anzuerkennen.
Ob hier die arbeitstechnischen Voraussetzungen, d. h. die von der BK Nr. 2108 gefor-derten Einwirkungen durch
langjähriges schweres Heben und Tragen bzw. Arbeit in Rumpfbeugehaltung, überhaupt vorliegen, ist aus den vom
TAD der Beklagten, zuletzt in der Stellungnahme vom 03. März 2010, aufgeführten Gründen zweifelhaft. Denn nach
den vorliegenden Berechnungen des TAD der Beklagten zum Ausmaß der me-chanischen Belastung nach dem MDD
(vgl. dazu die grundlegende Veröffentlichung von Jäger u. a., ASUMed 1999, 101 ff, 112 ff) ist die nach dem MDD
vorgegebene Gesamtdosis für Frauen von 17 x 106 Nh bei weitem unterschritten. Insbesondere be-stehen auch für
den Senat erhebliche Zweifel bzgl. der Glaubhaftigkeit der (wechsel-haften) Angaben der Klägerin zum Umfang der
Hebe- und Tragebelastung während ihrer Tätigkeit als MTRA, wie der TAD der Beklagten nachvollziehbar unter Bezug-
nahme auf die Erfahrungen mit der Arbeitssituation in der Röntgendiagnostik in West-berliner Krankenhäusern vor der
Wende, dem 1996/1997 erstellten Belastungskatas-ter für die bei ihr geführten Krankenhäuser und den Angaben des
Arbeitgebers darge-legt hat. So hat die TAD-Referentin Gesundheitsdienst G in ihrer Stellungnahme vom 03. März
2010 beispielhaft darauf hingewiesen, dass für einen Thoraxpatienten 1 bis 2 Aufnahmen erforderlich seien, mit den
von der Klägerin angegebenen pro Schicht be-wegten 20 Filmkassetten à 100 Filme aber 1000 Patienten pro Schicht
geröntgt wer-den könnten.
Für die BK Nr. 2108 ergibt sich die berufliche Belastung nach dem MDD aus einem gestuften Ermittlungs- und
Beurteilungsverfahren. In einer ersten Stufe werden Hebe- und Tragetätigkeiten herausgefiltert, die eine Druckkraft am
Übergang der LWS zum Kreuzbein von 3,2 kN (Kilo-Newton) für Männer und 2,5 kN für Frauen erzeugen, für
Rumpfbeugehaltung wird eine Druckbelastung von 1,7 kN zu Grunde gelegt (Schwel-lenwert). Tätigkeiten, die diese
Voraussetzungen erfüllen oder überschreiten, werden nach ihrer Häufigkeit in einer Arbeitsschicht erfasst und die
Druckkräfte addiert. Als Beurteilungsdosisrichtwert, bei dessen Erreichen oder Überschreiten mit einer Ge-fährdung für
das Entstehen bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS zu rech-nen ist, gilt für Männer 5,5 kNh (Kilo-Newton
pro Stunde), für Frauen 3,5 kNh. Nur wenn diese Tagesdosisrichtwerte erreicht oder überschritten sind, werden die
Tages-dosen zu einer Gesamtdosis addiert. Als Richtwert, bei dessen Erreichen die arbeits-technischen
Voraussetzungen zum Entstehen einer BK Nr. 2108 als gegeben ange-sehen werden, wurden 25 x 106 Nh für Männer
bzw. 17 x 106 Nh für Frauen vorge-schlagen (Schäfer et al., SGb 2002, S. 202). Das MDD legt selber für die
Belastung durch Heben und Tragen keine Mindestwerte fest, die erreicht werden müssen, damit von einem erhöhten
Risiko von Bandscheibenschäden durch die berufliche Tätigkeit ausgegangen werden kann. Die auf Grund einer
retrospektiven Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte
für die Gesamtbelastungsdosis, sind nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswer-te oder -vorschläge zu
verstehen. Von diesem Verständnis geht auch das aktuelle Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und
Sozialordnung zur BK Nr. 2108 aus, das für eine zusammenfassende Bewertung der Wirbelsäulenbelastung auf das
MDD verweist BArbBl. 2006, Heft 10 S. 30 ff) Danach sind zwar die arbeitstechnischen Vor-aussetzungen für eine BK
Nr. 2108 zu bejahen, wenn die Richtwerte im Einzelfall er-reicht oder überschritten werden; umgekehrt schließt aber
ein Unterschreiten dieser Werte das Vorliegen der BK nicht von vornherein aus (vgl. BSG Urteile vom 30. Okto-ber
2007 a. a. O. sowie vom 18. November 2008 a. a. O.).
Das BSG hat jedoch in seinen Entscheidungen vom 18. November 2008 (a. a. O.) Modifizierungen zur Anwendung
des MDD für notwendig erachtet. Danach ist die dem MDD zu Grunde liegende Mindestdruckkraft pro Arbeitsvorgang
bei Männern nurmehr mit dem Wert 2.700 N pro Arbeitsvorgang anzusetzen. Auf eine Mindesttagesdosis ist nach
dem Ergebnis der Deutschen Wirbelsäulenstudie zu verzichten. Alle Hebe- und Tragebelastungen, die die aufgezeigte
Mindestbelastung von 2.700 N bei Männern erreichen, sind entsprechend dem quadratischen Ansatz (Kraft mal Kraft
mal Zeit) zu berechnen und aufzuaddieren. Der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem
Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung
der LWS ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, ist
auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbe-lastungsdosis von 25 x 106 Nh,
also auf 12,5 x 106 Nh, herabzusetzen. Ob die Herab-setzung der Druckkraftschwelle (Mindestdruckkraft) auf 2.700 N
im Einzelnen an Hand der existierenden wissenschaftlichen Studien und der von der BK Nr. 2108 geforder-ten
Manipulation von "schweren Lasten" begründbar ist, ist vom BSG nicht dargelegt worden und nach wie vor umstritten
(vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. September 2008 – L 10 U 5965/06 -, zitiert nach Juris;
Römer/Brandenburg/Woltjen: "Beurteilungskriterien bei der BK-Nr. 2108 der Anlage zur BKV unter Berücksichtigung
des Urteils des BSG vom 30. Oktober 2007" in SGb 2009 S. 192 ff). Dies gilt umso mehr für eine entsprechende
Herabsetzung der Mindestdruckkraft auf 1.850 N für Frauen, die einem beidhändigen Heben von Lasten mit einem
deutlich ein kg unter-schreitendem Gewicht entspricht (siehe Römer/Brandenburg/Woltjen, a. a. O., S. 198).
Nur bei Zugrundelegung der (nicht nachgewiesenen) Angaben der Klägerin zur allein als wirbelsäulenbelastend
anzusehenden Tätigkeit als MTRA in der Zeit von April 1978 bis Juni 1989 (11 Jahre und 2 Monate) bei der
Begutachtung durch Dr. B-A so-wie Anwendung des i. S. der Rechtsprechung des BSG modifizierten MDD und ent-
sprechender Herabsetzung der Mindestdruckkraft bei Frauen wird die untere Grenze des Orientierungswertes für
Frauen (8,5 x 106 Nh) überschritten. Der Sachverständige hat im Gutachten vom 08. August 2008 eine
Gesamtbelastungsdosis von 11,78 x 106 Nh ermittelt (nach den Berechnungen der TAD-Referentin Gesundheitsdienst
G vom 03. März 2010 ergäben sich jedoch 13,7 x 106 Nh).
Ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind, kann letztlich da-hin gestellt bleiben. Denn selbst
wenn der Senat zu Gunsten der Klägerin eine Ge-samtbelastungsdosis von 13,7 x 106 Nh (bzw. nach Prof. Dr. B-A
von 11,78 x 106 Nh) der weiteren Beurteilung zu Grunde legt, fehlt es jedenfalls an den arbeitsmedizini-schen
Voraussetzungen für eine BK Nr. 2108.
In der medizinischen Wissenschaft ist anerkannt, dass Bandscheibenschäden und Bandscheibenvorfälle
insbesondere der unteren LWS in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Sie sind
von multifaktorieller Ätiologie. Da diese Bandscheibenerkrankungen ebenso in Berufsgruppen vorkommen, die
während ihres Arbeitslebens keiner schweren körperlichen Belastung ausgesetzt waren, ge-nauso wie in solchen, die
wie die Klägerin auch schwere körperliche Arbeiten geleistet haben, kann allein die Erfüllung der arbeitstechnischen
Voraussetzungen im Sinne des MDD die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Kausalzusammen-
hanges nicht begründen (vgl. Merkblatt zu der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage zur BKV, BArbBl. 2006, Heft 10 S.
30 ff. ). Im Hinblick auf die Schwierigkeiten der Be-urteilung des Ursachenzusammenhanges bei der BK Nr. 2108 war
die medizinische Wissenschaft gezwungen, weitere Kriterien zu erarbeiten, die zumindest in ihrer Ge-samtschau für
oder gegen eine berufliche Verursachung sprechen. Diese sind nieder-gelegt in den medizinischen
Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufs-krankheiten der LWS, die als Konsensempfehlungen zur
Zusammenhangsbegutach-tung auf Anregung der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften
eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe anzusehen sind (vgl. Trauma und Be-rufskrankheit Heft 3/2005,
Springer Medizin Verlag, S. 211 ff). Weder der von der Klä-gerin benannte Sachverständige Prof. Dr. B-A, der bei der
Erarbeitung dieser Kon-sensempfehlungen mitgearbeitet hat, noch der Sachverständige Dr. W-R haben einen neueren,
von den Konsensempfehlungen abweichenden Stand der wissenschaftlichen Diskussion zu den
bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule auf-gezeigt. Es ist daher davon auszugehen, dass diese
nach wie vor den aktuellen Stand der nationalen und internationalen Diskussion zur Verursachung von Lendenwirbel-
säulenerkrankungen durch körperliche berufliche Belastungen darstellen (vgl. auch BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009
– B 2 U 16/08 R -, zitiert nach Juris, und Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 13/05 R – in SozR 4-2700 § 9 Nr. 9). Zur
Gewährleistung einer im Geltungsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung gleichen und gerechten Be-handlung
aller Versicherten begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die befassten Gutachter und die Sozialgerichtsbarkeit
diese Konsensempfehlungen anwenden.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die medizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen der BK Nr.
2108 nicht gegeben. Das Vorliegen einer durch die beruf-liche Tätigkeit verursachten bandscheibenbedingten
Erkrankung der LWS ist nicht nachgewiesen. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Ergebnis der
medizinischen Ermittlungen des gesamten Gerichtsverfahrens, insbesondere den am jeweiligen neuesten Stand der
medizinischen Wissenschaft und Forschung ausgerich-teten Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. B-A vom 08.
August 2008 nebst er-gänzender Stellungnahme vom 05. März 2009 und Dr. W-R vom 18. November 2005 nebst
ergänzender Stellungnahme vom 15. Dezember 2008.
Zwar können die bei der Klägerin durch Prof. Dr. B-A und Dr. R festgestellten Verän-derungen der Wirbelsäule eine
bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbel-säule im Sinne der BK Nr. 2108 darstellen. Zu der Frage, was
unter einer bandschei-benbedingten Erkrankung der LWS zu verstehen sein soll, hat der Verordnungsgeber in der
Begründung zur zweiten Änderungsverordnung (2. ÄndVO), durch welche die BK Nr. 2108 in die
Berufskrankheitenliste aufgenommen worden ist (BR-Druck 773/92 S.8), eingehende Ausführungen gemacht. Danach
sind unter bandscheibenbedingten Erkrankungen zu verstehen: Bandscheibendegeneration (Diskose), Instabilität im
Be-wegungssegment, Bandscheibenvorfall (Prolaps), degenerative Veränderungen der Wirbelkörperabschlussplatten
(Osteochondrose), knöcherne Ausziehungen an den vorderen seitlichen Randleisten der Wirbelkörper (Spondylose),
degenerative Verän-derungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) mit den durch derartige Befunde be-dingten
Beschwerden und Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule. Erforderlich ist ein Krankheitsbild, das über einen
längeren Zeitraum andauert, also chronisch oder zumindest chronisch wiederkehrend ist, und das zu
Funktionseinschränkungen führt, die eben eine Fortsetzung der genannten Tätigkeit unmöglich machen. Erforderlich
sind daher ein bestimmtes radiologisches Bild sowie ein damit korrelierendes klini-sches Bild (vgl. das aktuelle
Merkblatt zur BK Nr. 2108 sowie die Konsensempfehlun-gen Punkt 1.3).
Heranzuziehen sind richtigerweise die der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zeitlich nächstliegenden Röntgenbilder
(vgl. auch Punkt 1.2 der Konsensempfehlungen). Demgemäß stellen sich im Falle der Klägerin (siehe Gutachten von
Prof. Dr. B-A vom 08. August 2009 und radiologisches Zusatzgutachten von Dr. R vom 02. Juni 2008) bereits vor der
Aufgabe sämtlicher wirbelsäulenbelastender Tätigkeiten im Juni 1989 erstmals im Röntgenbild vom 24. Januar 1989
morphologisch Bandscheibenschäden der LWS dar, nämlich eine Chondrose Grad II bei L5/S1. Die Chondrose Grad II
ist bezogen auf das Jahr 1989 und das Lebensalter 45 auch alters-untypisch (vgl. das Gutachten des Dr. R sowie
Punkt 1.2 A der Konsensempfehlungen). Sie hat sich in ihrer Ausprägung fortentwickelt und ist erstmals im
Röntgenbild vom 26. Juli 1999 mit einem Grad III festzustellen (vgl. das Gutachten des Dr. R sowie Punkt 1.2 A der
Kon-sensempfehlungen).
Für die Feststellung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS ist neben dem morphologischen Bild der
Nachweis eines mit diesem korrelierenden chronischen klinischen Beschwerdebildes nebst Funktionseinschränkungen
erforderlich. Dabei kann es sich nach dem derzeit geltenden Merkblatt zur BK Nr. 2108 um folgende Krankheitsbilder
handeln: ein lokales Lumbalsyndrom (chronisch rezidivierende Be-schwerden in der Kreuz-Lendengegend mit
möglicher pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung in die Oberschenkelmuskulatur), mono- und polyradikuläre
Wurzelreizsyndrome (ein- oder beidseitig segmental ins Bein ausstrahlende, dem Ver-lauf des Ischiasnervs folgende
Schmerzen, meist in Verbindung mit Zeichen eines lokalen Lumbalsyndroms) oder ein Kaudasyndrom (Sonderform
der polyradikulären lumbalen Wurzelreizsyndrome).
Ein solches (chronisches) klinisches Beschwerdebild, welches der Chondrose Grad II bzw. ab 1999 Grad III bei L5/S1
und nicht anderen Veränderungen an der Wirbelsäule oder einem Trainingsmangel der Muskulatur entsprechen
müsste, ist vorliegend nicht festzustellen. Hierauf haben bereits die Erstuntersucher, die Arbeitsmediziner Frau Prof.
Dr. S und Dr. D, wie auch der Sachverständige Dr. W-R hingewiesen. Prof. Dr. B-A hat sich in seinem Gutachten vom
08. August 2008 und in der ergänzenden Stel-lungnahme vom 05. März 2009 überhaupt nicht mit der Fraglichkeit
eines korrelieren-den klinischen Beschwerdebildes auseinandergesetzt, obwohl gerade die Ergebnisse seiner
Untersuchung ebenso wie die Ergebnisse der früheren gutachterlichen Unter-suchungen dies nahe gelegt haben. So
hat er bei seiner Untersuchung am 09. Mai 2008 lediglich einen Druckschmerz im Bereich der unteren LWS, einen
vermehrten Muskeltonus im Bereich der paravertebralen Muskulatur der unteren LWS, eine ein-geschränkte Entfaltung
der Lendenwirbelsäule (Schober 10/12 cm, Finger-Boden-Abstand 20 cm), eine verminderte Beweglichkeit der LWS in
der Rotation (20/0/20) und in der Seitneigung (30/0/30) sowie eine Hypästhesie im Bereich der rechten O-
berschenkelaußenseite festgestellt. Auch der Neurologe Dr. K hat bei seiner Untersu-chung im Mai 2008 bis auf eine
geringfügig eingeschränkte LWS-Flexion und eine im Bereich des rechten Oberschenkels angegebene Hypästhesie
keinerlei krankhaften Befunde bezogen auf die LWS erheben können. Insbesondere haben sich keine Zei-chen für
eine lumbale Radikulopathie gefunden. Dr. W-R hat bei seiner Untersuchung am 17. November 2005 bei Palpation der
paravertebralen Muskulatur keine Myogelo-sen oder relevante Druckschmerzhaftigkeiten feststellen können. Die
Entfaltbarkeit der LWS hat sich physiologisch gezeigt (Schober 10/13 cm) mit einer leichtgradigen Einschränkung der
Inklination (Finger-Boden-Abstand 30 cm). Eine leichte Hypästhe-sie im ventro-lateralen Bereich des rechten
Oberschenkels ist angegeben worden. Der Arbeitsmediziner Dr. D hat bei seiner Untersuchung am 31. Mai 2001 keine
Funkti-onsbeeinträchtigungen der LWS, keine sensiblen oder motorische Ausfälle, keine My-ogelosen und auch
keinen Hartspann der Muskulatur feststellen können. Bei der Un-tersuchung durch Frau Prof. Dr. S am 15. Juni 1994
ist eine eingeschränkte Retrofle-xion und Beugung der LWS bei Schmerzhaftigkeit (Schober 10/13 cm, Finger-Boden-
Abstand 33 cm) festgestellt worden, die Ischiasnervenaustrittspunkte haben sich beid-seits positiv, betont links,
gezeigt bei ansonsten unauffälligem neurologischen Befund. Demzufolge lassen sich keine der für die Segmente
L5/S1 typischen Leitsymptome finden, wie sie im aktuellen Merkblatt zur BK Nr. 2108 (Tabelle 1) aufgeführt sind.
Vielmehr ist dem Merkblatt zur BK Nr. 2108 zu entnehmen, dass die angegebene Hy-pästhesie im Bereich der
rechten Oberschenkelaußenseite den Segmenten L3 und L4 zuzuordnen ist, was wiederum in Übereinstimmung mit
den bei der Klägerin in den bildgebenden Verfahren nachgewiesenen Veränderungen in diesen Segmenten steht.
Zeitnah zur Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit hat sich zwar eine Lum-balgie bzw. ein
Wurzelirrationssyndrom bei medialer Bandscheibenprotrusion L5 mit überwiegend rechtsseitiger Schmerzausstrahlung
sowie positivem Zeichen nach La-sègue (rechts bei etwa 70°, links endgradig) und sonst unauffälligem
neurologischen Befund gezeigt (vgl. den Entlassungsbericht des Krankenhaus M), jedoch hat bereits die ärztliche
Untersuchung während der im August/September 1989 in der Reha-Klinik D durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme
(vgl. den Entlassungsbericht vom 22. September 1989) eine weitgehend harmonische Beweglichkeit und Entfaltbarkeit
der LWS (Schober von 10/14 cm, Finger-Boden-Abstand von 30 cm) bei ansonsten unauf-fälligem Befund ergeben.
Positive Zeichen nach Lasègue rechts als Zeichen einer Wurzelirritation haben sich gelegentlich bei späteren
Untersuchungen in den Jahren 1990 (vgl. im Schwerbehindertenverfahren eingeholtes Gutachten des Arztes für Chi-
rurgie Dr. D vom 03. Mai 1990), 1992 (vgl. im Schwerbehindertenverfahren eingehol-tes Gutachten des Arztes R vom
30. März 1992), 1997 (vgl. im Rentenverfahren er-stelltes Gutachten des Nervenarztes Dr. K vom 26. August 1997)
und zuletzt 1999 (vgl. im Rentenverfahren erstelltes Gutachten des Nervenarztes Dr. L vom 16. Juli 1999) finden
lassen. Ein - bis auf die beschriebene diskrete Hypästhesie an der Au-ßenseite des rechten Oberschenkels -
neurologisch unauffälliger Befund wird jedoch in den im Schwerbehindertenverfahren eingeholten Gutachten des
Arztes Dr. H vom 19. Dezember 1989, des Internisten Dr. S vom 07. September 1994 und der Nerven-ärztin G vom
13. Februar 1995 erhoben. Ebenso haben sich im Rahmen der im Ap-ril/Mai 1996 in der Weserland-Klinik
durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme (vgl. Entlassungsbericht vom 24. Mai 1996) und bei der Begutachtung im
Rentenverfahren durch den Orthopäden Dr. R (Gutachten vom 05. Oktober 1999) bis auf die angege-bene Hypästhesie
an der Oberschenkelvorderaußenseite keine neurologischen Auffäl-ligkeiten gezeigt. Letztlich sind seit Juli 1999 keine
deutlichen Zeichen einer Nerven-wurzelirritation mehr dokumentiert. Der Neurologe Dr. K hat in seinem Gutachten vom
19. Mai 2008 explizit darauf hingewiesen, dass die in früheren Gutachten gelegentlich beschriebene ASR-
Abschwächung links bzw. Sensibilitätsstörung am rechten Ober-schenkel bei seiner Untersuchung nicht habe
bestätigt werden können. Im EMG habe sich allenfalls eine subklinische Schädigung in der L 5 Wurzel rechts mehr
als links und der L 4 Wurzel links mehr als rechts gezeigt. Von daher kann ein chronisches Be-schwerdebild im Sinne
einer bandscheibenbedingten Erkrankung bei L5/S1 – ausge-hend von der Chondrose Grad II bzw. ab 1999 Grad III
bei L5/S1 ¬- nicht angenommen werden. Die zumeist geringgradigen Bewegungseinschränkungen der LWS wie auch
der muskuläre Hartspann und die Klopf- und Druckempfindlichkeit sind zudem genau-so gut anderen WS-
Erkrankungen, die nicht die morphologischen Voraussetzungen einer BK Nr. 2108 erfüllen, wie hier z. Bsp. die
Veränderungen im Bereich L3/L4 und die bereits 1989 im CT dokumentierten Bandscheibenprotrusionen bei L5/S1
nebst Facettenarthrosen (vgl. radiologisches Guachten von Dr. R vom 02. Juni 2008), wie auch einer untrainierten und
fehlbeanspruchten Muskulatur zuzurechnen, was durch die seit Aufnahme eines regelmäßigen Rückentrainings
eingetretene Stabilisierung verdeutlicht wird.
Selbst wenn man hier ein dem morphologischen Befund entsprechendes klinisches Beschwerdebild bejahen würde, d.
h. eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS als erwiesen ansehen würde, so wäre deren berufliche
Verursachung nicht hin-reichend wahrscheinlich.
Denn unter Zugrundelegung der Konsensempfehlungen (Punkt 1.4) handelt es sich im Falle der Klägerin bei einer
unterstellten ausreichenden beruflichen Belastung (Expo-sition) nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof.
Dr. B-A in seinem Gutach-ten vom 08. August 2008 um die Konstellation B3, d. h.
• es liegt eine gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor, • es besteht eine plausible zeitliche
Korrelation zur Entwicklung der bandschei-benbedingten Erkrankung (z. B. ausreichende Exposition muss der
Erkrankung vorausgehen; Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs nimmt mit der Länge des Zeitraums
zwischen Ende der Exposition und erstmaliger Diagnose der Erkrankung ab), • die bandscheibenbedingte Erkrankung
betrifft L5/S1 und/oder L4/5, • Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall, • wesentliche konkurrierende
Ursachenfaktoren (wie z. B. eine relevante Skoliose) liegen nicht vor, • eine Begleitspondylose liegt nicht vor.
Als Begleitspondylose wird nach den Konsensempfehlungen Punkt 1.4 definiert eine Spondylose in/im nicht von
Chondrose oder Vorfall betroffenen Segment(en) bzw.in/im von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segment(en), die
nachgewiese-nermaßen vor dem Eintritt der bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne einer Chondrose oder eines
Vorfalls aufgetreten ist. Um eine positive Indizwirkung für eine berufsbedingte Verursachung zu haben, muss die
Begleitspondylose über das Al-tersmaß (s. Punkt 1.2 der Konsensempfehlungen) hinausgehen und mindestens zwei
Segmente betreffen. Bei der Klägerin sind nach der Beurteilung des Dr. R in seinem Gutachten vom 02. Juni 2008
keine Begleitspondylosen in den über L5/S1 gelegenen Segmenten der LWS und BWS nachgewiesen.
Für diese Fallkonstellation hat die interdisziplinäre Arbeitsgruppe keinen Konsens er-zielt. Soweit Prof. Dr. B-A wie
schon im Rahmen seiner Beteiligung an den Konsens-empfehlungen in seinem Gutachten vom 08. August 2008 und
in seiner Stellungnah-me vom 05. März 2009 die Auffassung vertritt, Begleitspondylosen seien nicht erfor-derlich,
handelt es sich um eine – seine – Meinung. Die Frage ist ganz offensichtlich umstritten (vgl. J. Schürmann in
Ludolph, Lehmann, Schürmann, Kursbuch der ärztli-chen Begutachtung, 11. Erg-Lieferung 9/08, III-2.13.2108 S. 13;
Mehr-tens/Brandenburg, Kommentar zur BKV, Lfg. 2/07, M 2108 6.2.4; Konsensempfehlun-gen, Anmerkungen zu den
nicht im Konsens beurteilten Fallkonstellationen, Anhänge 1 und 2).
Hinweise für das Vorliegen der Fallkonstellation B2 bestehen nicht. Diese Fallkonstel-lation ist (die ausreichende
Exposition abermals unterstellt) wie folgt definiert: • gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung der
Lendenwirbelsäule, • es besteht eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandschei-benbedingten
Erkrankung (z. B. ausreichende Exposition muss der Erkrankung vorausgehen; Wahrscheinlichkeit des
Ursachenzusammenhangs nimmt mit der Länge des Zeitraums zwischen Ende der Exposition und erstmaliger
Diagnose der Erkrankung ab), • die bandscheibenbedingte Erkrankung betrifft L5/S1 und/oder L4/5, • Chondrose Grad
II oder höher und/oder Vorfall, • keine wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren, • keine Begleitspondylose
sowie • zusätzlich mindestens eines der folgenden Kriterien, o Höhenminderung und/oder Vorfall an mehreren
Bandscheiben oder "black disc" im MRT an mindestens zwei angrenzenden Segmenten, o besonders intensive
Belastung, o besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen. Eine altersuntypische Höhenminderung
(Chondrose) fand sich zeitnah zur Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit im Juni 1989 lediglich am Segment
L5/S1. Laut dem Gutachten des Dr. R ergeben sich aus den MRT-Aufnahmen der LWS vom 05. Juni 2001, 14.
Februar 2008 und 09. Mai 2008 Signalminderungen in den Bandschei-ben L4/5 und L5/S1, die jeweils als "black disc"
zu bewerten sind. Hinsichtlich L5/S1 handelt es sich bereits um das von der bandscheibenbedingten Erkrankung
betroffene Segment, so dass nicht an mindestens zwei daran angrenzenden Segmenten eine Höhenminderung im
Sinne einer "black disc" festgestellt werden kann. Abgesehen davon, dass die Signalminderung bei L4/5 von Dr. R
durchgehend als geringgradig beschrieben wird, kann das Vorliegen einer "black disc" auch nicht zeitnah zur Aufga-be
der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit im Juni 1989 festgestellt werden. Von einer besonders intensiven Belastung
kann nur bei Erreichen der Gesamtbelastungsdosis von 17 x 106 Nh in weniger als 10 Jahren beruflicher Belastung
ausgegangen werden (vgl. Punkt 1.4 der Konsensempfehlungen zu B2), die hier auch unter Zugrundelegung der für die
Klägerin günstigsten Angaben (bei der Begutachtung durch Prof. Dr. B-A) und bei Anwendung des nach der BSG-
Rechtsprechung modifizierten MDD nicht er-reicht wird. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Konsensempfehlungen
auf dem ursprünglichen MDD, d. h. ohne die Modifikationen durch die BSG-Rechtsprechung, beruhen und nur
hinsichtlich der danach ermittelten Belastungswerte ein Konsens bzgl. der beruflichen Verursachung zu den einzelnen
Fallge-staltungen überhaupt ge-funden werden konnte. Anhaltspunkte für ein besonderes Gefährdungspotential durch
hohe Belastungsspitzen, d. h. das Erreichen mindestens der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe
Belastungsspitzen, die bei Frauen ab 4.500 N gesehen werden (vgl. Punkt 1.4 der Konsensempfehlungen zu B2), sind
ebenfalls nicht erkennbar, diese werden auch von dem mit dem MDD und den Konsensempfeh-lungen bestens
vertrauten Sachverständigen Prof. Dr. B-Anicht gesehen.
Der allgemeine beweisrechtliche Grundsatz, dass die Beurteilung medizinischer Ursa-che-Wirkungs-Zusammenhänge
auf dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnis-stand aufbauen muss (vgl. BSG in SozR 3850 § 51 Nr. 9; BSG in
SozR 1500 § 128 Nr. 31; BSG in SozR 3-3850 § 52 Nr. 1; Rauschelbach, MedSach 2001, 97; Schön-
berger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2009, Kapitel 3.3.4.3) erfordert nach dem BSG,
dass es zu jedem Ursachenzusammenhang statis-tisch-epidemiologische Forschungen geben muss, weil dies nur
eine Methode zur Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist und sie im Übrigen nicht auf alle denkbaren
Ursachenzusammenhänge angewandt werden kann und braucht. Gibt es keinen aktuellen allgemeinen
wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann daher in Abwägung der verschiedenen
Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai
2006, - B 2 U 1/05 R - in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 m. w. N.).
Hiernach überzeugt die Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. B-A, es bedürfe auch bei Fehlen der
Zusatzkriterien der Fallkonstellation B2 der Konsensempfehlun-gen keiner Begleitspondylosen für die die
Anerkennung einer BK Nr. 2108, den Senat nicht. Die Konstellation B3 entspricht der häufigsten Manifestationsform
eigenständi-ger Bandscheibenerkrankungen innerer Ursache an der LWS (vgl. V. Grosser und F. Schröter im Anhang
1 der Anmerkungen zu den nicht im Konsens beurteilten Fall-konstellationen der Konsensempfehlungen). Betroffen
sind bei dieser Konstellation lediglich die Segmente L4/5 und/oder L5/S1. Bandscheibenschäden in den übrigen LWS-
Segmenten liegen bei dieser Konstellation definitionsgemäß nicht vor. Selbst geringgradige
Bandscheibendegenerationen im Sinne einer nur magnetresonanzto-mograpisch nachweisbaren so genannten "black
disc" sind bei dieser Konstellation in keinem der oberhalb L4/5 gelegenen Segmente nachweisbar. Auch eine
Begleitspon-dylose als positives Indiz für eine Auswirkung der beruflichen Belastungen liegt nicht vor.
Biomechanische Besonderheiten der beruflichen Einwirkung, welche das Fehlen von Spuren der beruflichen Belastung
in den Segmenten der mittleren und oberen LWS plausibel machen könnten, sind bei der Konstellation B3 nicht
gegeben. Da sich die biologisch-anatomische Schadensentwicklung zwingend durch dokumentierbare (radiologische)
Belege nachweisen lassen muss, fehlt es hier überhaupt am belas-tungstypischen Schadensbild, da ein
altersuntypischer Befund nicht vorliegt (vgl. J. Schürmann in Ludolph, Lehmann, Schürmann, Kursbuch der ärztlichen
Begutachtung, 11. Erg-Lieferung 9/08, III-2.13.2108 S. 13). Epidemiologische Arbeiten, welche nachweisen, dass bei
Schadensbildern, die der Konstellation B3 entsprechen, bei be-ruflich Exponierten im Vergleich zur
Normalbevölkerung statistisch eine relevante Ri-sikoerhöhung besteht, existieren nicht (vgl. V. Grosser und F.
Schröter a. a. O.). Ein derartiger Nachweis wird gemäß den Ausführungen von V. Grosser und F. Schröter auch durch
die Fallkontrollstudie von Seidler et al. nicht geführt. Sie räumten ein, dass in ihrer Studie Patienten mit Chondrose
und Spondylose ein höheres berufliches Er-krankungsrisiko aufwiesen als Patienten mit Chondrose ohne zusätzliche
Spondylose. Sie machten aber geltend, dass ihre Studie dennoch eine relevante Risikoerhöhung auch für
Schadensbilder, welche der Konstellation B3 entsprechen, nachweise. Dies hält einer kritischen methodischen
Überprüfung jedoch nicht Stand. Die beruflichen Belastungen wurden in der Studie lediglich durch eine Befragung der
Probanden er-mittelt. Die in der Studie verwendeten medizinischen Einschlusskriterien erlauben kei-neDifferenzierung,
ob die errechneten Erkrankungsrisiken tatsächlich durch eine be-rufsbedingte Häufung von Bandscheibenschäden
verursacht sind oder ob sie lediglich eine höhere Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung aufgrund einer
berufsbedingten Beschwerdeauslösung bei berufsunabhängigentstandenen Bandscheibenschäden widerspiegeln. Im
Ergebnis führt dies zu einer erheblichen Überschätzung des Risi-kos, berufsbedingt Bandscheibenschäden zu
entwickeln. In der Studie wird bei Errei-chen der Richtdosis nach dem MDD (berechnet ohne Schwellenwert auf der
Basis der Befragung der Probanden) eine Erhöhung des Erkrankungsrisikos auf etwa das 10fache errechnet, wenn
man die belastete Gruppe insgesamt betrachtet. Nach den methodisch aussagekräftigsten epidemiologischen
Arbeiten ist das relative Risiko, berufsbedingt Bandscheibenschäden zu entwickeln, bei vergleichbaren bzw. eher hö-
heren Belastungen jedoch nur auf etwa das 2fache erhöht.
Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die interdisziplinäre Arbeitsgruppe hinsichtlich der Grundvoraussetzung
"ausreichende berufliche Belastung" (vgl. Punkt 1.4 der Kon-sensempfehlungen) von den Maßgaben des – nicht
modifizierten – MDD ausgegan-gen ist. Schon unter Zugrundelegung eines Orientierungswertes zur Gesamtbelas-
tungsdosis von 25 x 106 Nh für Männer bzw. 17 x 106 Nh für Frauen und einer Min-destdruckkraft von 3.200 N für
Männer bzw. 2.500 N für Frauen ist in der interdis-ziplinären Arbeitsgruppe kein Konsens erzielt worden. Bei nunmehr
weiter herunter geschraubten Anforderungen, die eine Verschiebung der Lastgewichte weg von "schweren" Gewichten
hin in die Region alltäglicher Gewichte zur Folge hat (vgl. hier-zu z. B. das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom
25. September 2008 a. a. O., Römer/Brandenburg/Woltjen, a. a. O., S. 192 ff), kann erst recht nicht von einem gesi-
cherten aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Konsens zur vorliegenden Konstel-lation ausgegangen werden. Auf
die Begleitspondylose als Abgrenzungskriterium zu nicht beruflich bedingten bandscheibenbedingten Erkrankungen
der LWS kann nicht verzichtet werden.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.