Urteil des LSG Bayern vom 12.10.2010

LSG Bayern: form, immobilie, grundstück, schenkung, miteigentümer, miteigentumsanteil, darlehen, kaufvertrag, sicherheit, zivilprozessordnung

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 12.10.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Würzburg S 16 AS 551/09
Bayerisches Landessozialgericht L 11 AS 274/10 B PKH
I. Auf die Beschwerde des Klägers hin wird der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 18.03.2010 aufgehoben.
Dem Kläger wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Würzburg (S 16 AS 551/09) Prozesskostenhilfe ohne
Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt A., S., beigeordnet.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
I. Streitig ist, ob die Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) in Form
eines Zuschusses oder Darlehens zu erbringen hat. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 12.11.2009 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2009 Alg II für die Zeit vom 01.09.2008 bis 28.02.2009 in Form eines
Darlehens. Der Kläger sei zu 1/4 Miteigentümer eines Grundstückes mit Wohngebäude gewesen und habe diesen
Anteil mit notarieller Urkunde vom 26.01.2007 an seinen Bruder und Miteigentümer zur Begleichung eines von diesem
schon in den Jahren zuvor gewährten Darlehens in Höhe von 11.000,00 EUR übertragen. Tatsächlich handele es sich
um eine Schenkung, sodass der Kläger einen Rückübertragungsanspruch habe; eine Darlehensgewährung durch den
Bruder sei nicht nachgewiesen. Laut Sparkasse werde das Grundstück auf dem Immobilienmarkt mit 105.000,00 EUR
zum Verkauf angeboten, sodass von einem Wert des verschenkten Anteils des Klägers in Höhe von 26.250,00 EUR
auszugehen sei. Zudem stehe ihm noch der Rückkaufswert einer Lebensversicherung in Höhe von 6.811,75 EUR zur
Verfügung. Sein Gesamtvermögen belaufe sich unter Berücksichtigung eines noch vorhandenen kleinen Sparbuches
auf 33.118,43 EUR bei einem Freibetrag für sich und seine Ehefrau in Höhe von 14.550,00 EUR. Wegen für die Zeit
vom September 2005 bis Februar 2009 bereits angerechnetem Vermögen in Höhe von 9.272,26 EUR verbleibe ein zu
verwertendes Vermögen in Höhe von 9.295,17 EUR. Die Leistung sei daher darlehensweise zu gewähren. Mit der
dagegen zum Sozialgericht Würzburg erhobenen Klage begehrt der Kläger die Auszahlung der Leistung in Form eines
Zuschusses. Er sei von seinem Bruder finanziell unterstützt worden. Dieses gewährte Darlehen in Höhe von
11.000,00 EUR sei durch Übertragung des Miteigentumsanteils getilgt worden, wie sich aus dem notariellen
Kaufvertrag ergebe. Das Grundstück selbst sei nicht einmal die Hälfte des angegebenen Betrages von 105.000,00
EUR wert. Sein Gesamtvermögen betrage daher allenfalls 6.868,33 EUR. Nähere Angaben zu den Leistungen, die er
von seinem Bruder erhalten habe, könnten nicht gegeben werden. Unterlagen seien nicht vorhanden. Zur Frage der
Darlehensgewährung sei sein Bruder als Zeuge zu vernehmen. Er selbst spreche nur sehr wenig deutsch. Für das
Klageverfahren werde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Das SG hat die Klage mit Urteil vom
01.03.2010 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Alg II in Form eines Zuschusses. Zur Begründung
werde auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2009 verwiesen. Zudem sei der Miteigentumsanteil erst
nach der darlehensweisen Gewährung von Leistungen 2005 und 2006 übertragen worden. Die Erklärung seines
Bruders vom 10.04.2007 sei mit den Angaben des Klägers in den Anträgen nicht in Einklang zu bringen. Eine
Darlehenshingabe durch den Bruder sei daher nicht nachvollziehbar, es sei von einer Schenkung auszugehen. Der
Wert des Grundstückes ergebe sich aus dem Verkaufsangebot. Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung beim Bayer.
Landessozialgericht eingelegt. Mit Beschluss vom 18.03.2010 hat das SG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
abgelehnt und zur Begründung auf die Ausführungen im Urteil hingewiesen. Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum
Bayer. Landessozialgericht eingelegt und zudem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren
begehrt. Das SG habe seiner Amtsermittlungspflicht nicht genügt und einen angebotenen Zeugen nicht vernommen.
Der Wert der Immobilie sei nicht zutreffend ermittelt. Auch die mangelnden Deutschkenntnisse des Klägers seien
nicht berücksichtigt worden. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie
die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und auch
begründet. Der Beschluss des SG ist aufzuheben und dem Kläger ist für das erstinstanzliche Verfahren vor dem SG
Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein
Beteiligter, der nach seinem persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur
zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Es genügt für die Annahme einer hinreichenden
Erfolgsaussicht eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl, §
73a RdNr 7a). Der Erfolg braucht nicht mit Sicherheit feststehen. Hinreichende Erfolgsaussicht war für das
erstinstanzliche Verfahren im Zeitpunkt der Bewilligungsreife (07.12.2009) - auf diesen Zeitpunkt ist bei der
Entscheidung abzustellen - gegeben. Zu diesem Zeitpunkt - also vor der Entscheidung durch das SG - war die
erhobene Klage nicht ohne Erfolgsaussicht, zumal ein Zeuge hätte vernommen werden können und eventuell auch
müssen, nachdem eine tatsächliche Übertragung des Grundstückes mit entsprechender Zahlungsregelung notariell
beurkundet worden war. Auch die Feststellung des Wertes der Immobilie hätte noch weitere Ermittlungen erfordert,
soweit deren Wert dem Kläger zugerechnet worden ist. Prozesskostenhilfe war daher für das erstinstanzliche
Verfahren zu bewilligen. Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen lagen vor. Prozesskostenhilfe für das
Beschwerdeverfahren wegen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nicht zu bewilligen (Leitherer aaO § 73a RdNr
2b). Diese Entscheidung ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).