Urteil des LSG Bayern vom 17.07.2002

LSG Bayern: erwerbsfähigkeit, arbeitsmarkt, wechsel, bandscheibenoperation, behandlung, befund, subjektiv, gonarthrose, depression, erwerbsunfähigkeit

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 17.07.2002 (nicht rechtskräftig)
S 4 RJ 9/97
Bayerisches Landessozialgericht L 20 RJ 132/00
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 18.01.2000 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.
Die am 1955 in der Türkei geborene Klägerin hat nach eigenen Angaben keinen Beruf erlernt und war in Deutschland
von 1973 bis 1994 als Fabrikarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 17.06.1996 beantragte die Klägerin wegen der Folgen einer 1989 durchgeführten Bandscheibenoperation
(Bandscheibenvorfall im Bereich L4/5 und L5/S1) die Bewilligung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die
Beklagte veranlasste eine Untersuchung durch den Chirurgen Dr.G ... Er diagnostizierte im Gutachten vom
18.07.1996 ein chronisches Halswirbelsäulen(HWS)-Syndrom mit erheblicher Funktionseinschränkung bei Zustand
nach Bandscheibenoperation L4/5 und L5/S1, eine röntgenologisch ausgeprägte Osteochondrose L5/S1, (durch MRT
4/95) nachgewiesene geringgradige Fibrosierungen iS eines Post-Laminektomie-Syndroms ohne Rezidivprolaps und
eine Adipositas. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Sitzen und im Stehen (Wechselrhythmus)
seien der Klägerin bei Beachtung bestimmter Funktionseinschränkungen noch vollschichtig zumutbar. Im Hinblick auf
das Ergebnis dieses Gutachtens lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.07.1996 und Widerspruchsbescheid vom
12.12.1996 die Bewilligung von Rentenleistungen ab.
Das Sozialgericht Würzburg (SG) hat Befundberichte und Unterlagen des Orthopäden Dr.L. und des Internisten Dr.D.
sowie eine Auskunft des Arbeitsamtes Kitzingen über den Bezug von Leistungen der Arbeitsverwaltung (die
Bewilligung von Alhi wurde ua mangels Verfügbarkeit und Bedürftigkeit abgelehnt) zum Verfahren beigezogen. Der
Internist Dr.S. , Chefarzt der Inneren Abt. des Städt. Krankenhauses W. , erstattete das Gutachten vom 08.09.1998
und diagnostizierte auf seinem Fachgebiet eine ausgeprägte Hypercholesterinämie und eine leichtgradige Anämie; er
hielt leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung vollschichtig für möglich. Die Ärztin für Psychiatrie-Psychotherapie
Dr.U.S. stellte im Gutachten vom 25.11.1998 neben den bekannten orthopädischen Gesundheitsstörungen ein
chronisches Schmerzsyndrom fest, das nach Angaben der Klägerin fast den gesamten Körper betreffe, trotz
zahlreicher organischer Untersuchungen jedoch keinen fassbaren Befund ergeben habe. Subjektiv werde die Klägerin
durch ihre Schmerzen umfangreich und erheblich beeinträchtigt; es hätten sich aber weder eine starke Depression
noch sonstige psychisch so schwer wiegende Auffälligkeiten feststellen lassen, dass dadurch die Erwerbsfähigkeit
der Klägerin in erheblicher Weise eingeschränkt sei. Die Sachverständige hielt deshalb bei Beachtung bestimmter
Funktionseinschränkungen nach wie vor leichte Arbeiten in wechselnder Stellung vollschichtig für zumutbar. Auf
Antrag der Klägerin hat das SG den Orthopäden Dr.C. gehört, der im Gutachten vom 25.10.1999 ebenfalls zu der
Beurteilung gelangte, dass die Klägerin leichte Frauenarbeiten im Wechsel von Sitzen und Stehen vollschichtig
ausüben könne.
Mit Urteil vom 18.01.2000, das nach schriftlicher Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangen
ist, hat das SG die Klage abgewiesen: Bei der Klägerin sei nach den übereinstimmenden Feststellungen der ärztlichen
Sachverständigen unter gewissen qualitativen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch ein
vollschichtiges Einsatzvermögen gegeben. Auch der Zugang zum Arbeitsmarkt sei der Klägerin nicht verschlossen,
da außergewöhnliche Einsatzbeschränkungen nicht vorlägen.
Die dagegen eingelegte Berufung begründet die Klägerin im Wesentlichen mit dem Hinweis auf die bei ihr bisher
festgestellten Gesundheitsstörungen. Im Vordergrund ihrer Beschwerden stünden therapieresistente Schmerzen in
beiden Schultergelenken und am Rücken mit dauerhafter Ausstrahlung in das linke Bein und den rechten Arm bis in
das Handgelenk. Hinzu kämen seit Jahren auftretende abdominale Beschwerden und Kopfschmerzen. Außerdem
bestehe ein chronisches Schmerzsyndrom mit erheblicher Fixierung auf die eigene Leistungsunfähigkeit. Diesen
Zustand könne sie nicht mehr aus eigener Kraft und mit eigener Willensanstrengung überwinden. Es sei deshalb
davon auszugehen, dass sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr wettbewerbsfähig sei.
Zur weiteren medizinischen Sachaufklärung hat der Senat die Klägerin orthopädisch und nervenärztlich untersuchen
lassen. Der Orthopäde Dr.K. stellte im Gutachten vom 19.11.2001 folgende Gesundheitsstörungen fest: Chronisch
degeneratives Lendenwirbelsäulensyndrom, chronisch degeneratives Halswirbelsäulensyndrom, Coxarthrose Grad II
beidseits, medial betonte Gonarthrose Grad I-II beidseits, Epicondylitis humeri ulnaris und radialis links mehr als
rechts, Rotatorenmanschettenansatztendopathie beider Schultergelenke (ohne Hinweis auf eine Teilruptur). Auf
nervenärztlichem Fachgebiet leidet die Klägerin nach den Ausführungen des Neurologen und Psychiaters Dr.O.
(Gutachten vom 28.02.2002) an einer Anpassungsstörung sowie an einer somatoformen Störung. Beide
Sachverständigen kamen übereinstimmend zu der Beurteilung, die Klägerin könne regelmäßig leichte Tätigkeiten noch
ganztags verrichten; Dr.O. hielt darüber hinaus auch mittelschwere Arbeiten für zumutbar. Ausgeschlossen seien
Tätigkeiten, die überwiegend im Stehen zu verrichten sind, sowie Arbeiten, die nicht nur gelegentlich mit Bücken und
Hocken, mit Heben und Tragen von Lasten, mit dem Besteigen von Leitern und Gerüsten oder Zwangshaltungen
verbunden sind. Auch Überkopfarbeiten und Tätigkeiten unter Einwirkung von Hitze, Kälte, Nässe oder
Temperaturschwankungen kämen aus arbeitsmedizinischer Sicht für die Klägerin nicht mehr in Betracht. Wegen der
Anpassungsstörung seien Arbeiten mit besonderer Belastung des Konzentrations- und Reaktionsvermögens sowie
Arbeiten unter Zeitdruck nicht mehr möglich; Wechsel- und Nachtschicht sollten ebenfalls vermieden werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Würzburg vom 18.01.2000 sowie den Bescheid vom 24.07.1996 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12.12.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, vom frühest möglichen Zeitpunkt an zu gewähren. Weiterhin
beantragt sie hilfsweise, aufgrund des CT-Berichts vom 05.07.2002 ein weiteres orthopädisches Fachgutachten
einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat haben die Verwaltungsunterlagen der Beklagten und die Streitakten der ersten und zweiten Instanz
vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und auch im
Übrigen zulässig.
In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 18.01.2000 zu Recht
entschieden, dass die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rentenleistungen wegen Erwerbsunfähigkeit
(EU) oder Berufsunfähigkeit (BU) hat; denn die Klägerin ist weder erwerbs- noch berufsunfähig iS des Gesetzes.
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erhält die Versicherte, die die Wartezeit und die sonstigen
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt und berufs- oder erwerbsunfähig ist. Nach dem aktenkundigen
Versicherungsverlauf und den Feststellungen der Beklagten sind zwar die versichrungsrechtlichen Voraussetzungen
für die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gegeben. Bei der Klägerin liegt aber schon BU
nach der bis zum 31.12.2000 geltenden und für Leistungsfälle vor dem 01.12.2000 weiter anzuwendenden
Bestimmung des § 43 Abs 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht vor. Danach sind berufsunfähig
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von
körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und
Fähigkeiten gesunken ist. Diese Voraussetzungen einer Rente wegen BU erfüllt die Klägerin nicht, da die
festgestellten Gesundheitsstörungen nicht so ausgeprägt sind, dass ihr nicht noch vollschichtig zumindest leichte
Tätigkeinten möglich und zumutbar wären.
Die ablehnenden Entscheidungen der Beklagten und das angefochtene Urteil des SG werden vielmehr durch die vom
Senat eingeholten Sachverständigengutachten im Ergebnis bestätigt. Im Anschluss an die überzeugenden und in sich
schlüssigen Ausführungen der ärztlichen Sachverständigen Dr.K. und Dr.O. in den Gutachten vom 19.11.2001 bzw
28.02.2002 ist auch der Senat zu der Auffassung gelangt, dass die bei der Klägerin vorliegenden
Gesundheitsstörungen ihre Einsatzfähigkeit weder für sich allein noch in der Gesamtwürdigung in einem
rentenrechtlich erheblichen Umfange einschränken.
Den Rentenantrag vom 17.06.1996 hat die Klägerin in erster Linie wegen der Folgen der Bandscheibenoperation 1989
gestellt. An wesentlichen Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet bestehen ein Postdiskotomiesyndrom im Bereich
der Lendenwirbelsäule und ein HWS-Syndrom. Die von der Klägerin angegebenen Funktionseinschränkungen der
gesamten Wirbelsäule sind aber durch ein Schmerzsyndrom überlagert. Dies führte bereits seit Mitte der 90er Jahre
zu den unterschiedlichsten Untersuchungen, in denen eine psychosomatische Komponente der
Beschwerdesymptomatik festgestellt wurde. Das zwischenzeitlich chronifizierte Schmerzsyndrom umfasst mehrere
Körperregionen. Trotz einer Vielzahl organischer Untersuchungen wurde jedoch kein fassbarer Befund festgestellt.
Das Schmerzsyndrom ist sehr wechselnd ausgeprägt und beeinträchtigt die Klägerin subjektiv umfangreich und
erheblich. Nach den überzeugenden Ausführungen des vom Senat gehörten Orthopäden Dr.K. ist die von der Klägerin
angegebene Beschwerdesymptomatik an beiden Schulter-, Ellenbogen-, Hüft- und Kniegelenken in das bereits von der
Psychiaterin Dr.S. (im Gutachten vom 25.11.1998) als klagsam und demonstrativ schmerzgeplagt beschriebene
Ausdrucksverhalten der Klägerin einzuordnen.
Bei der klinischen Untersuchung durch Dr.K. zeigte sich eine aktiv und passiv freie Beweglichkeit aller Abschnitte der
oberen und unteren Extremitäten; auffällig waren lediglich druckschmerzhafte Sehnenansätze der Unterarmbeuge- und
-streckmuskulatur an beiden Ellenbogengelenken sowie der äußeren Muskulatur an den großen Rollhügeln beider
Hüftgelenke. Die röntgenologische Untersuchung ergab jedoch bei den genannten Gelenken einen
altersentsprechenden Befund. An den Kniegelenken konnten Anzeichen für einen Kniebinnenschaden iS einer
Meniskusläsion oder einer Bandinstabilität nicht festgestellt werden. Sonografisch fand sich auch kein Hinweis für
eine Rotatorenmanschettenruptur oder Teilruptur. Auch eine sog Bakerzyste im Bereich der Kniekehle hat Dr.K.
auschließen können.
Von Seiten des orthopädischen Fachgebiets ist nach den in sich schlüssigen Ausführungen von Dr.K. das Vorliegen
von BU somit nicht zu begründen, da der Klägerin zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch
vollschichtig zumutbar sind. Diese sollten vorwiegend im Sitzen bzw im Wechselrhythmus durchgeführt werden.
Ausgeschlossen sind überwiegend im Stehen zu verrichtende Tätigkeiten. Auch Arbeiten, die in gebückter oder
hockender Körperhaltung auszuführen oder die mit Heben und Tragen von Lasten, mit dem Besteigen von Leitern und
Gerüsten, mit Zwangshaltungen oder mit dem Einsatz der Arme über Kopfhöhe verbunden sind, sowie Arbeiten, bei
denen die Klägerin Hitze, Kälte, Nässe und Temperaturschwankungen ausgesetzt ist, sollten vermieden werden. Die
übrigen auf orthopädischem Fachgebiet (von Dr.K.) festgestellten Gesundheitsstörungen (Coxarthrose, medial betonte
Gonarthrose Grad I-II an beiden Kniegelenken, Epicondylitis humeri ulnaris und radialis mehr links als rechts,
Rotatorenmanschettenansatztendopathie beidseits) führen nicht zu weiteren qualitativen Einsatzbeschränkungen als
sie sich aus den vorstehend bezeichneten (negativ umschriebenen) Arbeitsplatzbedingungen ergeben.
Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht leidet die Klägerin an einer Anpassungsstörung und einer somatoformen
Störung, die aber weder isoliert betrachtet noch im Zusammenwirken mit den rein körperlichen Krankheitsbefunden
zum Leistungfall der BU oder gar EU führen. Die von der Klägerin im HWS- und Nackenbereich angegebenen
Schmerzen, die seit Mitte der 90er Jahre bestünden, konnten durch die Befunderhebung des Neurologen und
Psychiaters Dr.O. (Gutachten vom 28.02.2002) nicht objektiviert werden; insbesondere war ein (früher abgelaufener
oder akuter) Bandscheibenvorfall nicht nachzuweisen. In der Untersuchungssituation zeigte sich kein für
Nervenwurzelreizerscheinungen typisches Verteilungsmuster der geklagten Beschwerden. Paresen oder
Sensibilitätsausfälle an den oberen und unteren Extremitäten konnten ausgeschlossen werden. Die Muskel- und
Eigenreflexe waren mittellebhaft seitengleich zu erhalten. Es fanden sich auch keine Residuen einer L5- oder S1-
Schädigung links. Festgestellt wurde jedoch eine depressive Grundstimmung, die iS einer Anpassungsstörung zu
interpretieren ist. Diese entspricht jedoch nicht einer Zyklothymie oder einer rezidivierenden depressiven Störung. Die
Klägerin ist diesbezüglich von ihren behandelnden Ärzten auf ein Antidepressivum zur Behandlung leichterer
depressiver Störungen eingestellt. Eine rehabilitative Behandlung war vorgeschlagen, ist von der Klägerin jedoch nicht
wahrgenommen worden. Eine medikamentöse Therapie scheiterte bisher stets daran, dass die Klägerin bei ängstlich-
hypochondrischer Selbstbeobachtung nur Nebenwirkungen zu verspüren glaubt und davon ausgeht, keinen positiven
Gewinn aus einer solchen Behandlung ziehen zu können. Sie ist auf die eigene Leistungsunfähigkeit fixiert, für die
sich aber auch von psychischer Seite keine beweisenden Anhaltspunkte finden. Primär liegt weder eine starke
Depression vor noch sind sonstige psychisch so schwerwiegende Auffälligkeiten hervorgetreten, dass die
Leistungsfähigkeit der Klägerin dadurch in erheblicher Weise beeinträchtigt wäre. Mit Recht hat Dr.O. darauf
hingewiesen, dass bei der Klägerin eine deutliche Tendenz zur Aggravation und zur funktionellen Ausgestaltung ihrer
Beschwerden besteht. Insgesamt hat sich im Vergleich zu den Vorgutachten seit der Untersuchung im
Rentenantragsverfahren durch Dr.G. eine Verschlimmerung in den objektiven Befunden nicht feststellen lassen.
Nach den Ausführungen der vom SG gehörten Psychiaterin Dr.S. und des vom Senat gehörten Nervenarztes Dr.O. ist
die Klägerin nach wie vor in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Stehen und Sitzen (oder
im Wechsel zwischen beiden Arbeitspositionen), auch im Umhergehen, zu verrichten. Wegen der bestehenden
Anpassungsstörung sind Arbeiten mit besonderer Belastung des Konzentrations- und Reaktionsvermögens sowie
Arbeiten unter Zeitdruck oder in Wechsel- und Nachtschicht nicht zumutbar. Arbeiten, die den von den ärztlichen
Sachverständigen aufgezeigten arbeitsmedizinischen Erfordernissen entsprechen, kann sie dagegen vollschichtig
ausführen.
Die Klägerin ist uneingeschränkt auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, auch solche einfacher
und untergeordenter Art. Sie genießt nach ihrem beruflichen Werdegang und im Hinblick auf ihr
versicherungspflichtiges Erwerbsleben keinen Berufsschutz. Prüfungen für einen Fachberuf hat die Klägerin nicht
abgelegt; sie war auch nicht als Facharbeiterin oder längerfristig angelernte Arbeiterin versicherungspflichtig
beschäftigt. Bei den im Rentenverfahren angegebenen Berufsverrichtungen handelt es sich durchwegs um ungelernte
Arbeiten, für die erfahrungsgemäß eine Einarbeitung von wenigen Tagen genügt. Die Klägerin ist daher im Rahmen
des vom BSG entwickelten Mehrstufenschemas ohne Einschränkungen auf (ungelernte) Tätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsmarktes verweisbar.
Da die Klägerin unter Einbeziehung aller bei ihr festgestellten Gesundheitsstörungen nicht an der Ausübung einer
regelmäßigen Ganztagsbeschäftigung gehindert ist, braucht vorliegend eine zustandsangemessene Tätigkeit weder
nachgewiesen noch benannt zu werden. Solange eine Versicherte imstande ist, unter betriebsüblichen Bedingungen
regelmäßig und vollschichtig Erwerbsarbeit zu leisten, besteht keine Pflicht der Verwaltung und Gerichte, konkrete
Arbeitsplätze und Verweisungstätigkeiten mit im Einzelnen nachprüfbaren Belastungselementen zu benennen.
Vielmehr ist in solchen Fällen von einer ausreichenden Zahl vorhandener Arbeitsplätze auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt auszugehen (BSG SozR 2000 § 1246 Nr 90), zumal zur Überzeugung des Senats vorliegend weder eine
Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt
und deshalb die Arbeitsmarktlage bei der Beurteilung der BU außer Betracht zu bleiben hat (vgl BSG -Großer Senat-
SozR 3-2600 § 44 Nr 8).
Für den streitigen Rentenanspruch ist schließlich auch der Umstand unbeachtlich, dass die Klägerin keinen ihrem
Leistungsvermögen angepassten Arbeitsplatz innehat. Der Senat verkennt nicht, dass es für die Klägerin mit
Rücksicht auf die gegenwärtige Arbeitsmarktlage und nach längerer Arbeitsentwöhnung schwierig sein wird, einen
zustandsangemessenen Arbeitsplatz in abhängiger Beschäftigung zu finden. Dieses Risiko hat jedoch nicht der hier
beklagte Rentenversicherungsträger, sondern die Arbeitslosenversicherung zu tragen.
Bei der Klägerin liegen somit die Voraussetzungen des Anspruchs auf Rente wegen BU nicht vor. Daraus folgt
zugleich, dass auch ein Anspruch auf Rente EU, der an noch weitergehende Voraussetzungen geknüpft ist, nicht
besteht.
Aufgrund ihres vollschichtigen Einsatzvermögens erfüllt die Klägerin auch nicht die Voraussetzungen des durch Art 1
Nr 19 des Rentenreformgesetzes 1999 neu gefassten und durch Art 1 Nr 10 des Gesetzes zur Reform der Renten
wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 - BGBl I 1827 - geänderten, am 01.01.2001 in Kraft getretenen
§ 43 SGB VI. Nach dessen Abs 1 hat bis zur Vollendung des 65.Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung, wer (neben weiteren Leistungsvoraussetzungen) wegen Krankheit oder Behinderung außerstande
ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig
zu sein. Eine quantitative Einschränkung der betriebsüblichen Arbeitszeit von täglich acht Stunden liegt jedoch - wie
bereits ausgeführt wurde - bei der Klägerin nicht vor. Ihre Berufung musste daher zurückgewiesen werden.
Abzuweisen war auch der von der Klägerin hilfsweise gestellte Antrag auf Einholung eines weiteren orthopädischen
Sachverständigengutachtens. Der Senat hält den Sachverhalt in medizinischer Hinsicht für hinreichend aufgeklärt.
Das gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass die Klägerin seit der Rentenantragstellung am 17.06.1996 insgesamt
sechsmal untersucht und begutachtet wurde, darunter in einem Falle chirurgisch und zweimal orthopädisch. Zu
weiteren medizinischen Ermittlungen sieht sich der Senat auch nicht im Hinblick auf den von der Klägerin in der
mündlichen Verhandlung vorgelegten Bericht des Radiologen Dr.M. vom 05.07.2002 veranlasst. Darin sind weder neue
Diagnosen aufgeführt ("Postnukleotomie-Syndrom, anhaltende Schmerzsymptomatik ohne neurologische Ausfälle")
noch Befunde mitgeteilt, die eine rentenrechtlich begründete Veranlassung zur Neubewertung des für die
Einsatzfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt maßgebenden Leistungsvermögens geben. Diese
zweifellos bestehenden Einschränkungen ergeben sich für den Senat vielmehr schlüssig und nachvollziehbar aus den
Ausführungen der bisher gehörten ärztlichen Sachverständigen. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts von Amts
wegen ist daher zur Überzeugung des Berufungsgerichts weder erforderlich noch gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG liegen nicht vor.